Früher. 09.12.
Die Kuckucksuhr an der Wand schlug 16:00 Uhr und das war sein Zeichen, um zu verschwinden. Energisch erhob er sich, zog seinen Mantel an, legte einen warmen Schal um seinen Hals und verließ sein Büro. Für einen flüchtigen Augenblick fragte er sich, ob Granger da war und ob er nach dem Rechten sehen sollte. Er hoffte, dass sein gestriger Besuch bei ihrem Ehemann irgendetwas bewirken würde. Aber er beschloss, dass sie sich notfalls selbst wehren konnte und kehrte zurück in seine Wohnung.
Frisch geduscht und in Alltagskleidung ging er in sein Wohnzimmer und dachte an diesem Nachmittag das Gespräch mit Gregory zu suchen, wäre eine gute Idee. Er legte einen Umhang um und apparierte direkt vor das Anwesen der Goyles.
Das Haus war nicht besonders riesig, aber schon immer ziemlich schön. Wenn nicht gerade alles erfroren war, befand sich ein wunderschöner Blumengarten davor. Aber da Gregorys Mutter nun von seinem Vater getrennt war, würde es keinen gepflegten Garten mehr geben. Wenn er nicht sogar das Haus verkaufte.
Er schlenderte zur Haustür und klopfte mit dem Türklopfer an, der in einem vergoldeten Kopf eines Wildschweins befestigt war und die Größe einer Faust aufwies. Bald darauf öffnete eine kleine Elfe die Tür.
„Sie wünschen?"
„Mr. Malfoy. Ich würde gern mit Gregory sprechen."
„Sir Gregory befindet sich gerade beim Tee, ich werde sie anmelden.", antwortete sie und verschwand. Kurze Zeit später öffnete sich die Tür erneut, Gregory stand in einem weinroten Hausmantel vor ihm.
„Hi, Draco. Komm rein, ich sitze gerade beim Tee.", sein ehemaliger Mitschüler sah müde aus. Er nahm an, dass es ihn beschäftigte, dass sein Vater vorläufig festgenommen war.
„Hab ich schon gehört.", murrte er und betrat an ihm vorbei die Villa. Er kannte den Weg in- und auswendig, der in das Teezimmer führte, in dem er, Gregory und Vincent immer ihre Nachmittage verbrachten. Nur, dass Gregory als einziger übriggeblieben war.
Sie saßen einander gegenüber in dem kleinen Saal, dessen Wände in dunklem grau gestrichen waren, der Boden wurde von einem weißen Teppich gesäumt und an der Decke befanden sich Stuckleisten. Teure Gemälde hingen zwischen den riesigen Fenstern. Auf dem dunklen, runden Tisch befand sich eine weiße Tischdecke und auf dieser wiederum ein antikes, aber inzwischen abgenutztes, Teeservice. Gregory goss Draco eine Tasse ein und stellte sie vor seiner Nase auf der Untertasse ab.
„Warum bist du hier?", fragte er nachdenklich und bestrich einen Scone mit Nuss-Nougat-Creme. Er konnte Marmelade noch nie ausstehen und wehrte sich gegen die Etikette, dass man Scones nur damit essen sollte.
„Wegen deines Vaters.", antwortete Draco wahrheitsgemäß und trank von seinem Tee. Darjeeling. „Wegen seinem Stupor hatte ich einen Haftbefehl auf meinem Schreibtisch liegen."
Greg verschluckte sich an seinem Bissen und hustete. „Was?", stieß er aus. Tränen waren in seine Augen getreten.
„Haftbefehl. Es war leichtsinnig von ihm. Er kann nicht die Kellnerin vor einem gesamten Restaurant verhexen!", brauste Draco auf. Gregory schluckte heftig.
„Und... muss er jetzt ins Gefängnis? Nach Askaban?"
„Du kannst so unglaublich froh darüber sein, dass du mir vorher von ihm erzählt hast. Ich habe den Antrag verschwinden lassen und ihm eine Geldstrafe ausgestellt."
„Oh mein Gott, Draco!", aufgeregt stand er auf. „Was ist, wenn du deinen Job verlierst?"
Er hingegen winkte nur ab: „Ich werde schon nicht gefeuert. Hätte jemand anderer das ausfüllen müssen wäre er schon verfrachtet worden. Ich habe das geregelt. Er wird morgen aus der Untersuchungshaft entlassen."
Gregory umrundete den Tisch und umarmte ihn. Draco zählte die Sekunden, bis dieser peinliche Moment endlich vorbei war und war sehr froh darüber, als es so weit war.
„Ich schulde dir was. Egal was.", beteuerte er. Draco wusste, dass Gregory seinen Vater abgöttisch liebte. Auch wenn er das nicht ganz nachvollziehen konnte, aber so war das nun mal mit reinblütigen Vätern. Waren immer streng und herzlos, aber irgendwie mochte man sie doch.
...
Am nächsten Tag, er hatte sich frei genommen, kam seine Mutter zu Besuch und verhielt sich, als wäre die ganze Sache mit der Verlobung niemals geschehen. Es sollte ihm recht sein, denn er hatte weiß Merlin genug Streit in seinem bisherigen Leben und war froh, wenn es einmal keine Probleme gab. Gemeinsam besuchten sie die Winkelgasse, kauften Zaubertrankzutaten und ein paar Bücher ein. Sie hatte sich bei ihm untergehakt, ganz wie es sich für eine Lady geziemte und erzählte von ihren Rosensträuchern, die winterhart sind und nur einen winzigen Wärmezauber benötigen, als Draco in der Ferne Granger und Wood sehen konnte. Gerade in diesem Augenblick stellte er fest, dass sie trotz ihrer Heirat verschiedene Namen trugen und er schob es auf Grangers Bedürfnis der weiblichen Emanzipation, dass sie es abgelehnt hatte, Woods Nachnamen zu tragen. Vor allem, weil sie überall nur als Granger bekannt war.
Sein Arm hatte sich besitzergreifend um ihre Schulter gelegt, während sie ihren Blick auf das Kopfsteinpflaster richtete. Wood seinerseits betrachtete die Auslagen, aber mit einem uninteressierten Gesichtsausdruck. Hin und wieder schien er ein paar Worte an sie zu richten, ihre Reaktion fiel jedoch geringfügig aus.
Dracos Blick verengte sich. Aber es ging ihn nichts an. Nie ging es ihn etwas an und er sagte dieses Mantra in seinem Inneren. Wiederholte es, damit er es internalisierte. Er versuchte sie nicht zu beachten, als er und seine Mutter an ihnen vorbeigingen. Am Rande seines Bewusstseins vernahm er, dass Wood über Rennbesen sprach. Jeder Idiot wusste, dass Granger sich dafür nie sonderlich interessierte. Einzig ihr Hausstolz hatte sie früher dazu bewegt Quidditch-Spiele zu besuchen und nur dann fieberte sie mit. Er dachte daran, weil sie es ihm erzählte als sie, als Schülersprecher und Schülersprecherin den ersten Tanz des Abschlussballs tanzten. Ein Jahr lang arbeiteten sie mehr oder weniger eng zusammen und es hatte fast funktioniert. Sie sprachen sich ab, stellten Pläne auf, lösten Konflikte. Bitter dachte er an diese beinahe harmonische Zeit. War sie schon mit Wood gegangen, als sie dieses lange, rote Kleid trug und mit ihm, Draco, Walzer tanzte? Oder sogar schon vorher, als sie sich anschrien, weil sie einmal mehr darüber stritten, dass... ja, was eigentlich? Die Themen ihrer Auseinandersetzungen kamen ihm plötzlich mehr als banal vor. Aber vielleicht waren das die Themen, die sie Wood anschreien ließen auch.
Nur der Abend, das Ende des Balls, brachte das Fass zum überlaufen. Es war nicht direkt sie, aber die Einstellung, mit der sie Potter und Weasley verteidigte, die ihm alles Mögliche an den Kopf warfen, weil er versucht hatte, sie zu küssen. Es war ein überaus schwacher Moment gewesen, gestand er sich später ein. Niemals vorher war ihm das in den Sinn gekommen, aber als sie vor der großen Halle standen und sich verabschieden wollten, da kam es ihm richtig vor. Aber er hatte sich getäuscht und das Trio-Infernal ihn in alter Manier zurechtgewiesen. Nie fand er heraus, ob es wirklich ihre Meinung war, oder ob sie einfach nicht wiedersprach, weil es einfacher war.
Wie dem auch sei, er fand sich ab. Und musste lang nicht an sie denken. Bis sie unter ihm einzog und ihr Mann es als richtig empfand, sie mit körperlicher Gewalt zurechtzuweisen. Zumindest nahm er das an.
„Draco?", die samtige Stimme seiner Mutter riss ihn aus seinen Überlegungen. Wie lang war er wohl weggetreten?
„Mhm?"
„Ich fragte, ob du zu meinem Geburtstag kommen kannst?", etwas pikiert stellte sie diese Frage, nachdem Draco ihr zeigte, dass er ihr nicht zuhörte.
„Ich... sicher. Wann feierst du?"
Sie schnalzte mit ihrer Zunge, ehe sie antwortete: „Draco, wo bist du mit deinen Gedanken? Hör mir zu, wenn ich mir dir spreche!"
„Tut mir leid.", knurrte er kleinlaut und schluckte hart. Er wollte nicht schon wieder streiten.
„In einem Monat am 3. Januar. Und wehe du sagst ab, es ist mein Fünfzigster!", mahnte sie ihren Sohn, der nur nickte. „Brauchst du noch etwas? Sonst würde ich gern nachhause gehen. Es ist ohnehin bald Zeit um zu Abend zu essen. Möchtest du mitkommen? Heute gibt es Spaghetti mit Pesto alla Genovese und Lachs."
Schulterzuckend antwortete er: „Warum nicht.", er legte die Hand um seinen Zauberstab und apparierte mit seiner Mutter bis vor das Tor des Anwesens. Zügig überquerten sie die lange Einfahrt, vorbei an den mannshohen Hecken. Die Tür öffnete sich, als sie die ausladenden Stufen davor hinaufstiegen. Ein Zauber verband die Besitzerin mit dem Gebäude und ermöglichte das Erscheinen der Elfen, sobald sie sich näherte. Ehrfürchtig knickste sie und ließ die Herrschaften eintreten.
„Wie weit ist das Essen?", fragte sie an das Geschöpf gewandt.
„Guten Abend Meisterin, bald ist es so weit.", erwiderte sie unterwürfig. Ohne ihn weiter zu beachten verschluckte sie das Haus, als sich die Tür langsam schloss.
...
Wie immer gab es an dem ausladenden Mahl nichts auszusetzen und er hatte sich wider Erwarten gut mit seinen Eltern unterhalten. Mit keinem Wort erwähnten sie die Blondine, die vor einiger Zeit erbost aus der Villa stürmte, nachdem sie ihr mitgeteilt hatten, dass Draco sie nicht heiraten wolle.
Satt und einigermaßen zufrieden mit sich selbst, saß er auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer und betrachtete das knackende Holz. Draco war froh darüber, sich mit seinen Eltern vertragen zu haben, es war nicht immer leicht mit ihnen. An diesem Abend blieben Streitigkeiten seiner Nachbarn anscheinend auf Zimmerstärke, oder aber sie war wieder viel zu lange in ihrem Büro. Kurz stellte er sich vor, wie sie auf ihrem Sofa lag, in einem Pullover und einer bequemen Hose. Aber er schüttelte das Bild ab und begab sich in sein Schlafzimmer.
...
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