Niall hatte leider auch keine Erklärung für das komische Verhalten der Jungs parat. Also er hatte schon eine Erklärung, aber leider nicht zu diesem Zeitpunkt.

"Ich - Ich sag's dir nach dem Konzert, okay?", kam nur von ihm, womit ich mich wohl oder übel zufrieden geben musste.

"Meinetwegen."

"Ich muss leider auch bald wieder los", bedauerte er dann.

"Wieso das denn?", wollte ich wissen.

"Wir haben nachher noch ein Interview, und die Jungs wollten mich unbedingt vorher sprechen", zuckte er mit den Schultern. "Viel haben sie mir darüber bisher nicht gesagt."

"Okay, ich muss eh noch einen Spanischaufsatz schreiben", überlegte ich. "Dabei kannst du mit ja nicht unbedingt helfen, außer du kannst das zufällig?" Fragend sah ich ihn an.

"Ehrlich gesagt schon", grinste er. "Worum geht's denn?"

"Zusammenfassung", seufzte ich. "Ich hasse diesen ganzen Sprachkram! Das ist total unnötig. Wieso soll ich denn bitte eine spanische Zusammenfassung schreiben können?"

"Ich habe keine Ahnung", lachte Niall. "Mich hat das in der Schule auch immer genervt, aber inzwischen kann ich es. Welchen Text sollst du denn Zusammenfassen?" Er warf einen Blick auf meinen Schreibtisch, auf dem sich jedoch nur einige Stifte befanden.

"Warte kurz." Ich wühlte in einer meiner Schubladen unter dem Tisch herum und zog schließlich ein leicht zerknittertes Blatt heraus.

"Lanas Geburtstagsfeier", las ich. "Und das ist nicht von mir, sondern auf dem Mist von Mr Parks gewachsen. Ich müsste hier auch irgendwo den angefangenen Aufsatz haben." Ich wühlte weiter in den Schubladen herum, und fand tatsächlich ein nur zur Hälfte beschriebenes Blatt. "Voilà!" Der Schreibtischstuhl quietschte als ich mich darauf fallen ließ. Niall stand unschlüssig neben mir.

"Und wo soll ich jetzt sitzen?", wollte der Ire wissen. Ich klopfte scherzhaft auf meine Oberschenkel.

"Nimm Platz."

"Ich bin doch viel zu schwer für dich!", beschwerte er sich. "Steh mal auf!" Ohne Widerspruch tat ich, was er mir gesagt hatte, gespannt darauf, was jetzt kam. Er ließ sich frech grinsend auf meinen Stuhl nieder und wiederholte meine Geste. "Komm, sei nicht so schüchtern, Kleine", grinste er. Wenn er unbedingt wollte, ich hatte ganz sicher nichts dagegen... Also setzte ich mich auf seinen Schoß und schnappte mir einen Stift. Niall beugte sich über meine Schulter, um mein Geschriebenes lesen zu können und schlang seine Arme um mich, damit ich nicht herunterrutschte.

"Was hast du denn, der Text ist doch bis jetzt super?", wunderte er sich.

"Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht kann. Ich habe nur einfach keine Lust", verkündete ich.

Ich hatte eine ganze Weile geschrieben, und Niall hatte immer nur wenige Dinge verbessert. Ich bekam allerdings regelmäßig eine Gänsehaut wenn er mir in den Nacken atmete, und seine Hände streichelten meinen Bauch wie schon am gestrigen Abend. Ich wurde fast verrückt dadurch, und musste mich immer wieder dazu zwingen, nur an Spanisch zu denken, und nicht an einen unglaublich heißen Iren, auf dem ich gewissermaßen saß und in den ich wohl oder übel trotz des Altersunterschiedes verliebt war. Mit leicht zittrigen Händen schrieb ich einen abschließenden Satz und legte den Stift beiseite.

"Fertig!" Ich war ziemlich erleichtert, aber dennoch traurig, weil Niall jetzt bald gehen würde. "Danke für deine Hilfe!"

"Viel habe ich nicht gemacht", widersprach er. "Du kannst echt schon ziemlich gut Spanisch."

"Geht so", zuckte ich mit den Schultern. "Was man eben so lernt."

Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich, als Niall aufstand, und mich damit ebenfalls hochhob.

"Ich muss dann jetzt leider gehen, die anderen warten sicher schon", bedauerte er.

"Ja." Wir gingen nebeneinander die Treppen hinunter, und blieben in der Eingangshalle stehen, um uns zu verabschieden. Er umarmte mich, was ich nur zu gern erwiderte. Danach ging er allerdings nicht, und das verwirrte mich. Ich sah in seine blauen Augen, die mich intensiv anstarrten, und bemerkte, wie sein Blick flüchtig zu meinen Lippen huschte. Na los, küss mich, dachte ich intensiv, in der Hoffnung, ihm damit vielleicht etwas mitteilen zu können. Das war natürlich eigentlich Quatsch, aber irgendwie schien es trotzdem zu funktionieren, denn er drückte seine Lippen flüchtig auf meine, was mich kurz die Orientierung verlieren ließ.

"Tschau!"

"Ehm, tschüss?" Ich hatte kaum reagiert, da war er auch schon zur Tür hinaus. Was war das denn bitte gewesen?

"Aw, seid ihr süß!" Ich zuckte zusammen, als ich ziemlich nah hinter mir Loreens Stimme vernahm.

"Mensch Lore, erschreck mich doch nicht so!"

"Tut mir leid, Kleine", entschuldigte sie sich. "Aber ihr seid echt total süß zusammen!"

"Er ist immer noch viel älter als ich", protestierte ich. "Warum nur sagst du nicht, wie jede andere Mutter, dass ich mich von ihm fernhalten soll oder so etwas?"

"Soll ich das sagen?", erkundigte sie sich verwundert. "Ich kann gegen diese junge Liebe doch eh nichts tun, oder? Also warum sollte ich es dir verbieten, ihn zu treffen oder was weiß ich? Ihr werdet doch eh bald zusammen arbeiten!"

"Du bist einfach die Beste, weißt du das?" In einem plötzlichen Anfall von Zuneigung umarmte ich sie stürmisch. "Ich liebe dich und Drew so!"

"Wir dich auch!", versicherte sie mir und wir standen eine Weile einfach nur so in der Eingangshalle herum.

"Nanu, Kuschelstunde?" Sabrina, unser Mädchen für alles und Loreens Sekretärin, kam in die Eingangshalle.

"So ungefähr", lächelte meine Pflegemutter.

"Kommst du dann wieder, Loreen? Deine neue Klientin ist jetzt da."

"In Ordnung, ich hole mir nur noch kurz etwas zu trinken." Sie verschwand in der Küche und Sabrina zwinkerte mir zu.

"Ich habe vorhin deinen neuen Freund gesehen, der ist ja echt heiß! Aber er hat gewisse Ähnlichkeiten mit Niall Horan von One Direction, oder irre ich mich da?"

Niall Horan

Es fiel mir wirklich schwer, mich von Lana zu verabschieden, aber ich hatte noch etwas mit den Jungs zu klären vor dem Interview. Lana hatte ihnen wohl zu viel erzählt, jedoch konnte sie das alles, im Gegensatz zu meinen besten Freunden, nicht deuten.

Wir Jungs hatten noch nie große Geheimnisse voreinander gehabt, das ein oder andere, klar, aber wenn man so oft aufeinander hockte wie wir, dann brauchte man Gesprächsstoff. Ja, und dann war das Thema auf unsere Vorlieben bei Frauen gefallen, und jeder hatte irgendetwas von sich erzählt. Und das, was ich da so von mir gegeben hatte, bereute ich inzwischen ein wenig, denn die Jungs und vor allem Harry konnten bei so etwas einfach nicht ihre Klappe halten. Sie hätten also fast Lana erzählt, dass sie für mich längst nicht nur eine jüngere Kollegin war. Ich vergaß sowieso oft, dass sie erst süße vierzehn war. Das Mädel sah meiner Meinung nach aus wie achtzehn, und so benahm sie sich auch fast immer. Wie konnte man in dem Alter schon so erwachsen sein? Das war wirklich leicht gruselig.

Ich kam bei Zayns Haus an, wo die anderen immer noch kampierten und wurde gleich von Kriegsgebrüll begrüßt.

"Aaaah, Niall, was ist los?!", schrie Harry.

"Auf ihn mit Gebrüll!", kam es von Louis.

"Leute, selbst Lana benimmt sich erwachsener als ihr!", grinste ich leicht belustigt.

"Womit wir beim Thema wären." Die beiden zogen mich ins Wohnzimmer. "Ist sie es echt? Bist du dir sicher?"

"Vollkommen", bestätigte ich. "Was hat sie euch denn erzählt?" Wir setzten uns aufs Sofa zu Liam und Zayn, die verstummten.

"Sie hat mit dir in deinem Bett geschlafen, du hast sie geküsst wie eine Prinzessin und hast ihr den BH gegeben!", kam es wie aus der Pistole geschossen von einem ungläubigen Liam.

"Und ich habe sie Prinzessin genannt", gab ich zu.

"Ist das dein verdammter Ernst, Niall?! Sie ist vierzehn!", erinnerte Zayn mich. "Hoffentlich hat du ihr noch keinen richtigen Antrag gemacht. Was sagen überhaupt Lanas Eltern dazu? Oder sie selbst?"

"Ehrlich gesagt weiß ich das nicht", jammerte ich. "Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann ihr doch nicht einfach sagen >Ach übrigens Lana, du bist die Einzige die ich jemals richtig lieben werde und deshalb musst du jetzt mit mir zusammen sein<? Das kommt ein bisschen komisch!"

"Ein bisschen", zwinkerte Louis. "Man Niall, du machst es dir nicht leicht. Ich habe ja nichts gegen Lana, aber sie ist erst vierzehn! Wie stellst du dir das vor? Und dann erst die Reaktion der Medien: >Niall Horan ist pädophil und macht sich an Vierzehnjährige ran<, ich sehe die Schlagzeile schon vor mir."

"Es muss ja gar nicht so weit kommen", beruhigte Liam mich, denn ich wurde immer deprimierter. "Wir sollten vielleicht nach dem Konzert einfach mit Lana sprechen, aber vorher darf sie auf keinen Fall etwas wissen, weil sie sich sonst reichlich komisch benehmen wird, okay?"

"Warum guckst du jetzt mich an?", fragte Harry beleidigt, als Liams Blick zu unserem Jüngsten huschte.

"Weil du gern Sachen ausplauderst", beantwortete Zayn für Liam.

"Ich halte meine Klappe, bis Niall mit ihr geredet hat", versprach der Lockenkopf und blickte mich mitfühlend an.

"Danke Jungs, ihr seid die Besten!"

"Wissen wir!", kam es aus vier Mündern zurück. Das Gespräch endete in einer Gruppenumarmung und ich konnte nicht beschreiben, wie froh ich war, solch tolle Freunde zu haben.

Damit wisst ihr jetzt mehr als die arme Lana - wie hat euch das Kapitel gefallen? Der Sichtwechsel ließ sich leider nicht vermeiden, und bei einer Kurzgeschichte lohnt es sich nicht, ein neues Kapitel deswegen anzufangen.