41 Turnier

Die Woche verfing wie im Flug. Precilla hatte sich immer noch nicht gemeldet, Louis lief weiterhin gerne händchenhaltend durch die Gegend und ich ging jeden fast jeden Tag zum Sondertraining. Am Samstag war das große Turnier, zu dem auch Pau und Chris angereist kamen.

Leider konnte ich die beiden am Freitagabend nicht sehen, aber wir hatten uns nach dem Turnier verabredet. Chris wollte Louis wiedersehen.

Meine Mam durfte auch kommen, zwar nur für ein paar Stunden, aber immer hin. Sie hatte mich das letzte Mal mit 10 turnen sehen, ebenso wie mein Vater.

Louis war die schreiende "15 Punkte" Stimme meiner Sportlehrerin schon aufgefallen.

Trotzdem nahm ich das nicht auf die leichte Schulter.

Die Tribüne war gefüllt mi einige hundert Menschen, die sich in der riesigen Turnhalle nahe Berlin befanden.Während einige Turner auf der Bühne an den verschiedenen Geräte ihre Choreografie vorführten oder an der Seite probten, dröhnte Musik aus den Lautsprechern.

Dort sah ich auch Pauline und Chris. Beide trugen den Pullover der Akademie. Mit einem Hauch von Neid starrte ich die beiden an, da ich eben jenen Pullover mit gewissen Stolz präsentiert habe. Ich vermisste das Internat. Turnen, mit Freunden abhängen und lernen. Na gut, das letzte weniger.

Zwei große Hände umfassten meine Hüften, der dazugehörigen Kopf schmiegte sich an meine Halsbeuge.
"Schon aufgeregt, Prinzessin? "

Louis hatte es zur Zeit auch mit Spitznamen. Prinzessin und Engel waren irgendwie süß, aber sowas wie Schnuckel und Herzallerliebste waren selbst mir zu kitschig.

Glücklicherweise war das hier nicht mein erstes Turnier. Im Prinzip war das hier die Sorte von Turnier, an den es peinlich war, nicht zu gewinnen, wenn man an einer der besten Turnakademien der Welt gelernt hatte.
So wie ich.

Ich legte meine zarten, kleinen Hände auf seine.
"Nicht wenn du da bist. Babe." sagte ich und er stöhnte ironisch.

"Prinzessin, 'Babe' sagt man nicht zum attraktivsten Mann im Raum."

Was für ein Selbstvertrauen er doch hatte! Und ich meine Selbstvertrauen, denn er war schon ziemlich heiß. Ian Somerhalder Niveau.

"Und wie soll ich dich dann nennen? Süßer?"
Ich zog die Augenbrauen hoch, obwohl er das nicht wirklich sehen konnte.

"Also ich find meinen Namen schon geil."

Ich drehte mich jetzt so, dass ich Bauch an Bauch mit ihm stand. Meine Hände legte ich an sein Gesicht.

"Ludwig Thomas Williamson, möchtest du der absoluter Herrscher meines Herzens sein?"

Er verdrehte seine wunderschönen, braunen Augen. Nur wenn man genau hinsah, konnte man den grünen Schimmer erkennen. Mit meiner Hand fuhr ich seine Wangenknochen entlang.
Als seine vollen Lippen sich zu einem Grinsen verzog, hoben sich meine automatisch.

"Mit dem Namen wirst du mich wohl bis an mein Lebensende quälen" brummte er, gespielt genervter als er eigentlich war.

"Das ist sehr wahrscheinlich" kicherte ich.

"Ich freue mich schon darauf. Sohfi."

Louis hatte sich nicht besonders schick gemacht, der trug einfache, schwarze Kleidung, also wie fast immer. Trotzdem sah er ordentlich und gepflegt aus. Vielmehr wie ein verdammtes Voguemodel mit all seinen Tattoos und den Wangenknochen. Selbst meine Mam hatte ihm ein Kompliment gemacht. Sie war aber auch herzensgut.

Ich hatte mein 'sexy' Turnanzug an (Louis wollte das ich den nie wieder ausziehe, da er meine Kurven betonte. ... okay.) und wartete auf meinen Aufruf.

"Und jetzt: Sophie Meyer für Studio Schliemann" verkündete die Stimme des Moderators. Jetzt war es soweit.

"Sophie" schrie Louis und applaudierte von der Tribühne. Auch wenn Pau, Chris und meine Eltern laut klatschten, stach Louis heraus. Wie ein Mädchen, das eine Boyband anhimmelte.

Eigentlich hielt sich mein Lampenfieber in Grenzen, weshalb ich ganz entspannt auf die Bühne lief. Kurzes Vorgeplänkel, dann turnte ich eine Kombination am Schwebebalken. Handstand, Einhändiges Rad mit Landung im Spagat und noch ein paar weitere Elemente. Ich legte mehr Leidenschaft in meine Bewegungen, als ich es je getan hatte, einfach aus dem Grund, dass die Menschen, die ich am meisten liebte, heute hier waren und mir zuguckten. Als Abschluss wählte ich ein Flick-Flack über den gesamten Balken, damit ich am Ende genug Schwung für eine dreifache Schraube hatte, um dann im Handstand zu landen. Kaum Setzten meine Hände auf den Boden, brach die Menge in tosenden Applaus aus. Ich verbeugte mich und verließ die Bühne.

Louis empfing mich in vor der Umkleidekabine, geschmückt mit dem strahlensten Lächeln wirbelte er mich im Kreis.

"Du warst fantastisch. Viel besser als alle anderen!" flöhtete er.

"Wirklich?" Fragte ich schüchtern.

"Als objektiver Zuschauer kann ich nur sagen: Wow, warst du gut!"

Wir kicherten beide.

Pau, Chris und Simon, generell alle Turner des Internates waren erst zum Schluss dran. Am Anfang turnten die Anfänger, damit sie nicht zu verängstigt waren, wenn sie gegen jemanden antreten mussten, der die ganze Woche nichts anderes tat, als zu trainieren. Ich war keiner der Akademie mehr, aber turnen konnte ich trotzdem noch. Und die magische Kraft der Äpfel tat den Rest.

Louis küsste mich sanft, so dass die Schmetterlinge in meinem Bauch Dirty Dancing tanzten.

Plötzlich kam Chris in die Umkleide gestürmt. "Hey Louis mein Schnuckelbär" rief Chris meinen Freund. Mein Freund. Das alleine zu denken, ihn meinen 'Freund' zu nennen,  war das unbeschreiblich schönste Gefühl der Welt.

Auch Pau kam herein, wobei sie mir zur gelungenen Performance gratulierten. Louis legte seinen großen Arm um mich, als wolle er sein Gebiet makieren. Der Junge hatte echt einen Knall, aber ich mochte ihn trotzdem.

"Was geht, schöner Mann?" Fragte Lou meinen besten, schwulen Freund Chris. Sie machten Spaß, was ich den beiden nur sehr empfehlen konnte. Ich hätte Lou ja nicht mein Herz anvertraut, wenn er eine gewisse Vorliebe für Chris hatte. Versteht mich nicht falsch, ich war froh, dass die beiden sich so gut verstanden, jedoch hatte ich nicht vor, mir meinen Lou wegnehmen zu lassen. Zudem verhielt er sich wie ein kleiner Terrier, der sein Eigentum bewachte, da durfte ich wohl auch gewisse Ansprüche an meinen Freund haben. Meinen Freund.

"Wir haben gerade deine Mutter getroffen," erzählte mir Pau, " sie sieht wirklich nicht mehr so gut aus..."

Lou schien zu fühlen das mich diese Worte schmerzte, weshalb er den Griff um mich verstärkte und Küsse auf meinen Scheitel verteilte. Also nicht so, dass ich an Erstickung krepierte. Der Kerl hatte es echt raus jemanden (mich) liebevoll zu bemuttern.

"Ihr seid so süß!" quieschte Chris. 

Ich grinste verlegen, kuschelte mich noch fester an Louis, der seinen Kopf auf meinen drückte. Für eine Sekunde fragte ich mich, ob er nicht dadurch Rückenschmerzen bekam, immerhin herrschte zwischen uns schon ein beachtlicher Höhenunterschied. Ich wette er würde mich durch die Gegen tragen, wenn ich ihm sagen würde, dass ich mich zu klein fühlte. Gute Idee eigentlich...

"Wir müssen dann auch wieder los" sagte Pau entschuldigend. Sie freute sich schon, nachher etwas mit uns zu unternehmen: Dann gingen sie aus dem Umkleideraum, zurück in den Wartebereich des Turners.

"Soll ich dir beim Umziehen helfen?" Fragte Lou mit seiner tiefen 'Ich will dich' Stimme. Ach, so weht der Wind. Louis sah so heiß wie eh und je aus, was natürlich nicht dazu beitrug, rational zu denken. LOUISLOUISAPFELAPFELAPFELLOUISAPFELLOUISLOUIS.

"Nicht lieber als das" raunte ich ihm ins Ohr, "Allderdings müssen wir das auf zu Hause verschieben, denn in der Umkleide sind noch andere Menschen." Das traf zwar nicht auf den Moment zu, dennoch mussten wir das Spektrum der Orte an denen wir ... tanzten...  nicht auf ganz Deutschland ausweiten.

Ich glaube er wollte sowas sagen wie 'Mir doch egal', aber er respektierte meine Entscheidung. Oder er überlegte sich etwas diabolisches für heute Abend.

"Dann sehe ich mal nach deinen Eltern." Er küsste mich kurz und bevor er aus meiner Sichtweite verschwunden war, rief er: "Bis später Engel" Ach diese Spitznamen!

Ich zog mich schnell um, als die Tür geöffnet wurde. Ich erwartete Lous braune Augen, doch vor mir stand Simon. Der mich betrügende Ex-Freund Simon. Und ich war nur in Unterwäsche.

Ich kreischte und bedeckte mich.

"Nichts was ich nicht schon gesehen hätte, obwohl du früher weit aus mehr unschuldigere..."

"Simon es reicht!" Unterbrach ich ihn. Was wollte er? Schnell war ich mir ein Shirt über und schlüpfte in meine Leggins. Ja ich besaß sowas! 

"Was machst du hier, Simon?" Fragte ich unvermittelt. Er sollte verschwinden!

"Ich muss mit dir reden..." sagte er und fuhr sich durch seine blonden Haare. Nein!

"Das musste jetzt sein?" Donnerte ich.

"Es geht um dich und deinen Neuen... Sag mal wie alt ist der überhaupt?" fragte Simon.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass es dich nichts angeht!" Fauchte ich. Er war nicht in der Position meine Partner in Frage zu stellen, schließlich hatte er mich mehrmals betrogen.

Simon wette gleich drauf los: "Der Typ sieht so abgefuckt aus, das hast du nicht nötig! Wusstest du, dass er vorhin geraucht hat?"

"Was geht dich das an, dass Louis raucht, mhm?" Ich zog meine kleine Augenbraue hoch.

"Du wusstest es?" Fragte er ungläubig.

"Er verschweigt mir nichts. Anders als mein Ex!" provozierte ich.

"Du hast dich verändert. Die Sophie, die ich kannte, hätte nie was mit 'nen pedophielen Junkie gehabt!" Keifte er.

Das traf mich. Ich hatte es gehasst, ich hasste es, wenn Lou rauchte, doch auch wenn ich ihn zu redete, am Ende war es seine Entscheidung. Und solange es nur die Zigaretten waren...

"Es ist mein Leben. Meine Entscheidung. Find' dich damit ab!" Schrie ich zurück.

"Ich mach mir doch nur Sorgen um dich! Hast du dir mal gefragt, warum er mit dir zusammen ist? Glaubst du, dass er ist an noch etwas anderes als Sex denkt?"

Ich war sprachlos. Klar fragte ich mich das. Immer und immer wieder. Warum waren unsere Seelen sich so nah? Ich wollte nicht zweifeln, doch das war mein wunder Punkt. Ich hatte Angst Louis zu verlieren. Auch wenn sein Verhalten das genaue Gegenteil suggerierte, war es nicht mal so abwegig, dass er bald die Schnauze voll von mir hat. 

"Er wird dich irgendwann verlassen. Aus Langeweile oder weil er eine andere hat..." Simons Stimme brach, "Ich will nicht, dass du nochmal so verletzt wirst."

In diesen Moment wurde die Tür aufgerissen. Louis, gefolgt von Chris, stolperten in die Umkleide. Ich fragte mich nicht, warum sie hergekommen waren, oder woher sie das wussten, wichtige waren nur Louis  tiefbraunen mit einem Ansatz von grüngelben Sprinkel versetzten und walnussbraun-orangen Highlights durchzogenen Augen, die mich in diesem Moment trafen.

"Wage es ja nicht Sophie..." brüllte Lou auf Simon zu schreitend. Chris legte seinen Arm auf Louis Schulter, damit er sich beruhigte.

Jetzt, wo Simon, Louis und Chris so dicht beieinander standen, verglich mein Gehirn die drei. Mein blonder, schwuler Freund war genau so groß wie Simon, doch Louis überragte sie beide mit seinen 1,90 Metern. Der ebenfalls blonde, muskulöse 'Junge von nebenan' namens Simon traf auf den Drogen konsumierenden, mit Tattoos bestückten und viel zu alt aussehenden Mann. Ex auf große Liebe.

"Simon" Stellte Louis mit Absicht seine Stimme tiefer? 

Chris versuchte fieberhaft den anstehenden Kampf der Titanen zu schlichten. Sie standen sich gegenüber und funkelten sich in die Augen. Jungs und ihr Machogehabe.

"Louis" sagte Simon emotionslos.

"Wenn du Sophie noch einmal belästigst, unterhalten wir uns draußen weiter. Hast du mich verstanden?" Louis Stimme war ruhig und beherrscht und dennoch voller Wut.

Simon wirkte verängstigt durch Louis herrischen Auftretens. Er schluckte, nickte und verließ das Zimmer, jedoch nicht ohne noch etwas los zu werden: "Frag dich, ob du so jemanden wirklich willst!"

"Ich schau mal, dass er keinen Blödsinn macht" flüsterte Chris und floh vor der peinlichen Stille, die Simon zurück gelassen hatte.

Wir wussten beide, dass es wahr war. Louis war das komplette Gegenteil von mir.Darum überraschten mich seine Worte um so mehr. Sie waren ehrlich, das spürte ich. Etwas, was er noch nie in seinem leben gesagt hatte verließ Lous Lippen:

"Sophie? Bitte verlass mich nicht. Ich liebe dich."

Ich sah ihn lange an. Er war so verletzlich, so zart. Ich kannte ihn so nicht. Ich glaube, niemand (außer vielleicht Precilla) kennt diese Seite von ihm.

Ich schüttelte den Kopf. " Wieso sollte ich? Ich mag dich Louis. Nicht weil du verdammt nochmal so unmenschlich gut aussiehst oder mich immer zum Lachen bringst. Du bist derjenige, der Mitten in der Nacht für mich da ist, dem ich vertraue und derjenige, der mich so kennt und so sieht wie kein anderer. Du hast deine Macken, Probleme und deine Vorgeschichte genauso wie ich meine habe. Was ich sagen will, ich kann mir unsere Zukunft nicht immer harmonisch und einfach vorstellen, aber ich kann mir meine Zukunft nicht mehr ohne dich vorstellen. Und wenn das bedeutet, dass ich dich liebe, nun, dann tue ich das wohl."

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