18 Weil das erste Mal so ein Erfolg war

Alle Schüler bequemten sich in den schon vollen Berliner Bus.

Chris und Louis verstanden sich blendend. Nicht nur, dass sie beide Simon hassten, nein. Sie mochten die selbe Band, aßen beide keine Karotten oder Rosenkohl und beide sahen die selbe Mystery/ Horror Serie. Kurz gesagt: Zwei Seelen haben sich gefunden.

Wie mich das nervte! Denn die beiden schwadronierten die ganze Zeit über ihre gemeinsamen Interessen und ich war vergessen. Zur Krönung des ganzen Wahnsinns lud Louis Chris zu einer Party am Freitagabend ein: "Ach ja und Sophie kannst du auch mit bringen." Als ob ich gar nicht existierte.

"Tut mir Leid, Chris und ich haben schon was vor" meinte ich zickig.

"Ach ja?" fragte mich der Vollpfosten von Freund. Er hatte eine solche unschuldige, verpeilte Art, dass es ihm nicht in dem Sinn kam, dass ich nicht mit Louis auf eine Party gehen wollte, aus verständlichen Gründen.

Glücklicherweise mussten Chris und ich aussteigen, sonst wären beide wohl zu einem Klumpen purer Nervigkeit verschmolzen.

"Ich mag Louis. Er ist nett." plapperte mein schwuler Freund drauf los.

"Hat man gemerkt..." gab ich leicht verletzt zurück.

"Was hast du gegen ihn? Er siehst so gut aus!"

Ich erzählte Chris die ganze Geschichte. Wie er mich damals auf der Party küssen wollte, also im Prinzip getan hatte. Seine zweideutigen Anspielungen und unser S-Bahn Abenteuer. Naja alles bis auf unsere erste Begegnung.

Chris war erst etwas schockiert, da er der felsenfesten Überzeugung gewesen war, dass Louis auf seiner Seite des Meeres fischte, doch dann beließen wir Louis auf: "blöd und nicht unser Freund".

Am Donnerstag musste ich morgens zur Schule, während Chris im Schlafanzug mit meiner Mutter frühstückte. "Kann ich noch ein bissel Melone haben, Patty?" fragte er. Seit wann nennt er meine Mutter Patty und nicht Patricia?

"Klar doch!" sie lächelte. Hatte ich schon erwähnt, dass meine Eltern Chris liebten?

"Mhm die schmeckt viel besser, als im Internat. Die dicken Kantienenfrauen essen alles leckere weg und wir kriegen die vergammelten Reste! Ich sag's dir die wollen uns vergiften, aber niemand glaubt mir!"

Beide brachen in schallendes Gelächter aus. Auch mein Betreten der Küche hemmte sie keineswegs.

"Achso, bevor ich es vergesse! Dein Vater und ich fahren auf eine Kurzkur übers Wochenende." Es war nichts neues das sie für spezielle Behandlungen in eine andere stadt fahren musste.

In der Schule fragten mich alle, wer der heiße Typ von gestern war. Nadine erkannte Chris vom Foto. Somit wurde er das absolute Gesprächsthema Nummer eins. Ich trug nicht viel zum Tratsch bei, nur dass Louis und Chris ein Date am Freitag hatten. Ob wir uns gewohnheitsmäßig nicht beachteten, oder aufgrund der Tatsache, dass ich möglicherweise angedeutet hatte, dass Louis schwul war, wusste ich nicht.

Chris und ich hatten viel Spaß zusammen: Wir zogen durch Berlin, gingen shoppen und quatschten bis in die Nacht.

"Und bei dir so, also Jungstechnisch?" Fragte ich Chris.

"Miserabel! Finde erstmal jemand schwules im richtigen Alter. Is' wie die Suche nach dem perfekten Paar Schuhe."

Was für ein Vergleich. "Naja wem sagst du dass? Ich dachte Simon und ich wären ... keine Ahnung ... ich dachte wir könnten eine Beziehung führen" klagte ich.

"Dafür hast du ja jetzt Louis!" Chris wackelt mit den Augenbrauen.

"Was?? Nein! Wie kommst du darauf?" Fragte ich erstaunt.

"Er versucht dich eifersüchtig zu machen, in dem er deinen  zugegeben naiven,  liebenswerten, niedlichen, sexy, gutaussehenden, schwulen 'Bff' angräbt. Und du? Nur erklärst eben deinem Besten Freund gefühlte tausendmal, dass besagter jemand vollkommen und hundertprozentig hetero ist und ich zitiere: 'Louis ist auf keinen fall schwul! Eher bin ich eine Schattenjägerwinx!' Was auch immer das sein soll, Mäuschen. Mhm?"

***

Meine Elter fuhren schon Freitagvormittag. Chris und ich machten uns für die Party fertig. Sie sollte in der verlassenden Industriegegend stattfinden. Da, wo wir mal Nadine vom Dach gekrazt hatten und sie mir ihr Geheimniss anvertraut hatte.

Wir fuhren zu Nadine, die ebenfalls hingehen wollte und uns den Weg zeigen konnte.

Sie war mit ihrem Kunstwerk ala Bickerbraut noch nicht fertig. Chris bestaunte ihre beeindruckende Sammlung von Lederkleidung.

"Hoffentlich schnappst du mir die heißen Typen nicht mit dem Outfit weg" kicherte er. Chris sah mal wieder fabelhaft aus.

"Nicht meine bevorzugte Wahl" sagte Nadine vorsichtig.

Chris Groschen fiel in Münzen.

"Nein??! Du bist lesbisch?" Nadine nickte, "Uii dann ist ja alles klar! Die aufdringlichen Mädels schicke ich zu dir, und die heißen Typen leitest du an mich weiter, Deal?"

Wir prusteten los. Chris war in seiner süßen kleinen Welt abgetaucht, in der Kobolde auf Einhörner den Regenbogen runterreiteten.

Nadine bat Chris, das nicht an die große Glocke zu hängen. Sie redeten beide über Homosexualität und das Commingout. Ich war so froh, dass sich beide gefunden haben, dass ich meine Handtaschen mit dem Haustürschlüssel bei Nadine vergaß.

Die Party war größer als ich gedacht hatte, Marias Party war ein Witz dagegen.

Hunderte von feierwütigen, jungen Leuten besauften sich, während vorgefahrende Autos Elektrobeats aus den Lautsprechern pumpten.

"Wie in Fast and Furious" kicherte Chris. Von allen Seiten wurde gegrabscht und fragwürdige Getränke geboten.

Selbst auf den Autos tanzten leicht bekleidete Damen, obwohl es bereits Ende September war.

"Hey Ihr versaurmten Bitches Mama ist wieder da!" Gröhlte eine besoffende Tea. Bloß weg.

Auf meiner Flucht lief ich (Klischee lässt grüßen) in die Creme de la Crema, der Kirsche auf dem Sahnehäubchen, dem Augenschmaus aller Altersklassen: Louis Williamson.

"Na Kleines? So begeistert mich zu sehen?" War seine Stimme schon immer so tief und rau gewesen?

Ich lächelte einfach nur. Nicht freundlich, nur genervt.

"Ach sei nicht so! Bist du sauer auf mich?" Er hob seine, nebenbei gesagt perfekt gezupfte, Augenbraue. Als er dann noch seine Lippe spitzte war es um mich geschehen.

Er sah so lieb aus, wie ein Engel. Ich konnte ihm einfach nicht böse sein.

Chris und Nadine zogen durch die Meute, Tea zog zweimal blank - ich wünschen mir immer noch, ich hätte schneller weggeguckt.

Ich hielt mir panisch die Hände vor die Augen, doch Louis lachte nur.

"Was? Wieso kannst du darüber lachen?" Fragte ich verwirrt.

"Nichts was ich nicht schonmal gesehen hätte" prustete er.

"Du und Tea?" Fragte ich traurig.

Er sah mich lange an, so als wolle er seine Worte abwägen.

"Nicht erwähnenswert"

Und trotzdem hatte er es getan.

"Naja hier und da hat der eine dem anderen einen Gefallen getan, aber das war's dann auch" erklärte er mir.

"Ich kann das nicht" vertraute ich ihm an, "Gefühle und Sex, das gehört für mich zusammen."

Ihm lag etwas auf der Zunge als Chris zu uns kam. "Dach. Flaschen drehen. Jetzt." Schrie er.

Partyspiele. Yeah. Gute Erfahrungen. Wie kann ich bitte NICHT mitmachen?

Etwas abseits der Party kletterten wir auf ein Dach. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es das Dach von damals war.

Außer mir, Louis und Chris waren da noch Nadine, Tea und drei Leute die ich nicht kannte. Sie stelleten sich als Dennis, Marleen und Jimmy vor.

Louis zündete sich eine Zigarrette an. Nadine, Dennis und Jimmy taten es ihm gleich. Tea bot Chris einen Joint an.

"Kann nicht. Bin Sportler. Wir haben andauernd Drogen und Dopingtests. Aber den lieben Herrn Daniels kannst du mir geben" lallte Chris.

"Ich fang an!" Schrie Marleen, "Ok Wann war dein etstes Mal?" Sie drehte die Flasche, welche auf Chris zeigte.

Er lief hochrot an. "Noch nicht" gab er zu.

"Sparst du dich für die große Liebe auf, oder bist du schwul?" Fragte Dennis und lachte fies.

"Eindeutig zweitens" gab Chris selbstbewusst zurück.

"Ich geh dann mal, bevor mich die Schwuchtel vergewaltigt!" Dennis verließ unsere Runde.

"Hey Dennis!" Schrie Louis. Dennis drehte sich um und Louis fuhr fort: "Homophobie ist keine keine Angst vor Schwulen oder Lesben, sondern zeigt nur was für intoleranter Arsch du bist!"

Ich liebte es, wie Louis sich für die Minderheit einsetzte. Moment, habe ich gerade 'liebte' gedacht?

"Danke Man!" Sagte Chris uns auch Nadine sah nicht mehr so bleich wie vor ein paar Sekunden aus.

"Kein Problem" Louis lächelte.

"Ok. Appropo Homosexualität: Was ging bei euch so?"

Chris drehte die Flasche. Ich spürte, wie Nadine verspannte, doch sie konnte durchatmen: Der Flaschenhals zeigte auf Louis.

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