IX

"Jane!", schreit sie. "Steh sofort auf!" Die Tür knallt, dann ist sie weg. Ihre Stimme hallt noch von den Wänden wider.

"Hysterisch...", murmelt Jane. So oft denkt sie das. So oft sagt sie aber trotzdem nichts. Manchmal würde sie sie am liebsten einfach nur anschreien und umherschubsen. Und sie weiß, dass es den anderen auch so geht. Niemandem von ihnen gefällt ihr Leben, im Gegenteil. Sie verabscheuen sich selbst so wie die Gesellschaft es tut.

Zusammen wären sie stärker als sie. Zusammen würden sie so viel mehr schaffen. Aber keine von ihnen traut sich, den ersten Schritt zu machen. Letztendlich ist sie ja fast wie eine Mutter.

Gürtelschnalle. Das erwartet Jane in der Küche, da ist sie sich sicher. Gibt es wirklich nur einen Ort auf dieser Welt, wo sie beschützt wird und sich geborgen – gewürdigt – fühlt?

Sie seufzt und rafft ihr Leinenkleid zusammen.

Laufen. Das konnte sie schon immer gut. Über Pflasterstein an Pferdekutschen vorbei, beinahe einen Eselskarren umwerfend. Ausrutschen, sich fangen, weiterlaufen. Ihr Geschrei und Atem, bei dem sie eine Gänsehaut bekommt. Ein Mann versucht, sie festzuhalten. Hat sie ihn schon mal gesehen? Ja, vor ein paar Monaten hat er sie besucht. Einer der wenigen, die ihr Zimmer nicht abschreckend fanden.

Losreißen, weiterlaufen. Immer weiter, nicht aufhören...

Sie rennt und rennt, könnt ihr's nicht sehen?

Auf Wolken zu, zum Himmelsthron.

Sie rennt und rennt, bleibt niemals stehen.

Ein freies Leben ist der Lohn.

Dann der rettende Ort. Hier, das merkt sie sofort, fühlt sie sich Zuhause. Früher wusste sie nicht einmal, was das heißen soll, Zuhause. Es war nichts, was sie fühlen konnte.

Jetzt fühlt sie es. Und zwar ganz genau.

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