Prolog - 3: Der erhabene Zeus
So zogen die Jahre ins Land. Der kleine Säugling wurde zum Knaben, der Knabe zum Mannsbild. Zeus war etwas größer als die Menschen, seine Haut war gebräunt, von der Sonne, die Helios über Kreta scheinen ließ, und seine Haare waren wild und stachelig, beinahe wie die Stacheln eines Igels und glänzten dabei schwach silbern. Auffällig war hierbei die abstehende, kobaltblaue Strähne, die sein beinahe weißes Haar deutlich von dem des Kronos unterschied. Genährt wurde er vom Nektar der Früchte der Insel und Honig, den die Okeaniden zu ernten lernten. Wahrlich, groß und stark ist er geworden; sein Antlitz war stolz und voller Erhabenheit. Doch verbrachte er seine Zeit am liebsten an den Stränden, wo er sorglos ins Meer blickte, unbekümmert von seiner Bestimmung und der Aufgabe, sie auf seinen Schultern ruhte.
"Zeus, hier steckst du schon wieder! Du drückst dich also schon wieder vor deinen Übungen. Du kannst nicht ewig vor deinen Pflichten davonlaufen!", schallte die hohe, weibliche Stimme einer Okeanide, ziemlich irritiert über die Faulheit des Gottes.
"Reg dich nicht auf, Metis. Ich verpasse nichts, wenn die Übungen ein oder zwei, oder auch, nun ja, ein paar dutzende Male versäume. Zumal, vergiss das nicht, ich der erhabene Zeus bin, und nicht an irgendwelche Pflichten gebunden bin", antwortete der junge Gott schelmisch.
"Verantwortungsloser Knirps! Es ist hoffnungslos mit dir. Du wirst deinen faulen Hintern wohl nie hochbekommen!", zischte die Nymphe, während sie wild um Zeus herumflog, wie ein lästiges Insekt. Der junge Gott griff nach den Händen der Nymphe, woraufhin diese einfach in der Luft verharrte, ihr Blick tief in den Augen ihre Gegenübers versunken.
"Liebste, willst du nicht auch diesen Moment noch ein wenig auskosten? Die Welt wird weiter bortbestehen, egal ob ich mich meinem Schicksal heute stelle, oder morgen oder in einem Millennium. Wieso sollten wir uns hetzen, anstatt jeden Moment zu erkämpfen, den wir können..."
"Natürlich will ich das, doch das Schicksal ruft. Du magst zwar keine Eile verspüren, doch jeder dieser Momente, an denen du dich so festklammerst, kostet das Leben eines Unschuldigen oder bedeutet ungerechte Qualen für die Gefangenen des Tartaros. Liebster, kannst du, das erhabenste aller Wesen, diese Ungerechtigkeiten verantworten?"
Zeus seufzte entkräftigt und lies die Hände der Nymphe los. Er wusste, dass Metis Recht hatte, natürlich hatte sie Recht. Der Gott wusste um die Wichtigkeit seiner Bestimmung, und doch wehrte sich sein Geist dagegen, den Fügungen des Schicksals zu folgen wie eine Marionette. Er wollte entspannen, genießen, leben. Er drehte sich schließlich um, in Richtung des kleinen Waldes, der um die Höhle wuchs, in welcher er aufwuchs.
"Mach dir keine Sorgen, Liebste. Ich werde mein Schicksal erfüllen, und dann können wir uns als König und Königin zur Ruhe setzen. Die Kureten wollen mich erneut prüfen - dann sollen sie meine Macht erneut zu spüren bekommen."
Und so ging Zeus zu den Kureten, seinen treuen Soldaten aus Marmor und Bronze.
"Wir haben auf euch gewartet, Erhabener. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Eure Kampfübung soll sofort beginnen", erklärte einer von ihnen. Seine Stimme war blechern und kalt, beinahe leblos - verständlich, da die Kureten keinen eigenen Willen besaßen.
"Dann lasst uns beginnen", antwortete der junge Gott gelassen.
Drei der Kureten zogen ihre Kurzschwerter, welche aus Bronze geschmiedet waren, und stürmten auf Zeus zu. Der Erste schwang die Klinge wild um sich, so schnell, dass er im Regen einen jeden Tropfen spalten könnte, doch Zeus wich jedem Hieb flink aus. Schließlich packte er den Kureten mit der Rechten am Handgelenk seiner Schwerthand, wirbelte ihn einmal ringsum und schleuderte ihn in den Horizont - in die Weiten des Meeres. Der Zweite hielt seinen Schild schützend vor sich, und stach nur defensiv mit der Spitze seines Schwertes zu. In einem schnellen Satz wich Zeus zurück, nahm Anlauf und trat aus dem Sprint mit voller Wucht gegen den Schild. Der Kurete ging durch diese unglaubliche Wucht zu Boden. Der Ergabene riss daraufhin einen Baumstammt aus dem Boden, und schmetterte diesen mit voller Kraft in den Zweiten, welcher dadurch in den Waldboden gedrückt wurde. Schließlich griff nun auch der Dritte Zeus an. Mit seinem Schild stieß er den Gott gegen einen dicken, alten Baum. Kräftig schwang er die Bronzeklinge, unter welcher Zeus sich gerade so wegduckte. Ein metallisches Blitzen zischte durch die Luft, und der Baumstammt fiel hinter dem Erhabenen zu Boden, durchtrennt von einem glatten Schnitt, als wäre die Klinge durch Butter geglitten. Der Kurete hielt sein Schwert über seinen Kopf, bereit es auf Zeus hinabrasen zu lassen, doch dieser fing die Klinge mit der bloßen Handfläche ab. Er festigte seinen Griff und entriss das Schwert seinem Besitzer. Er warf es hinter sich zu Boden. Der Dritte ging hinter seinem Schild in Deckung, doch dies würde den erhabenen Zeus nicht aufhalten. Er ballte die Faust und schmetterte sie gegen den Schild des Kureten, welcher sich wie dünnes Blech verbog. Der Soldat vermochte nicht, dem Angriff standzuhalten, und so durchdrang die Faust des Zeus den Schild und schlug im Rumpf des Kureten ein. Risse bildeten sich in der Erscheinung des Kämpfers, Marmorsplitter brochen ab und fielen zu Boden. Die erhabene Hand wurde langsam und stetig zurückgezogen, der Kureten ging regungslos zu Boden.
"Lächerlich. Wie jedes mal, reine Zeitverschwendung. Sie sollen mit prüfen, doch können mir nicht im Geringsten etwas entgegensetzen. Ich sagte doch, es ist irrelavant, ob ich diese Übungen tue, oder nicht", spottete Zeus ein wenig, bevor er sich auf den Boden fallen lies, "Wozu also das alles? Ich werde auf diese Weise nicht stärker - und selbst wenn: das Ergebnis meines Kampf gegen Kronos ist vorbestimmt. Die Schicksale wollen mich wohl verhöhnen."
Da traf den jungen Zeus die Einsicht. Er musste gegen Kronos kämpfen, egal was er sich selbst einredete. Jede Übung die er ausführte, und jede, die er versäumte, waren bedeutungslos. Doch Zeus, dem seit jeher beigebracht wurde, er sei über alles andere erhaben, wollte nicht akzeptieren, dem Schicksal ausgeliefert zu sein. Ihn überkam plötzlich ein Verlangen, sich von den Fesseln des vermaledeiten Webstuhls loszulösen. Würde er erst über den Kosmos regieren, könnte er einen Weg finden, sich selbst - und seine geliebte Metis - zu befreien.
Und so entschloss sich Zeus, als Helios das Licht der Sonne über Kreta verlöschte, in das Land der Titanen aufzubrechen, und seiner Bestimmung soweit zu folgen, wie es für ihn dienlich war. Metis, welche ihm nur selten von der Seite wich, begleitete ihn. Der junge Gott wartete an der Küste Kretas auf einen günstigen Wind, welcher ihn zum Land am Äquator tragen würde.
Ein frische Meeresbrise zog auf und Zeus sprang hoch in die Luft! Wie ein Vogel glitt er mit dem Wind, fest dazu entschlossen, seinen Vater zu entthronen, um als Herrscher sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können!
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