Chapter 7

"PAPS!", rief ich wütend und nahm mir so schnell wie möglich das Schüreisen um das Stück Plastik aus der Glut zu angeln.
Doch zu spät, das Gehäuse war fast komplett angeschmolzen, was bedeutet, dass auch die Elektronik schon gelitten haben muss.
Tränen brannten in meinen Augen, als ich den Player vorsichtig in die Hände nahm und in die Tasche steckte. Sofort wischte ich mir diese mit dem Ärmel weg. Ich würde jetzt nicht zeigen, wie sehr mir das zusetzte.
Langsam atmete ich durch, stand auf und drehte mich dann wieder um. Zyriak blickte entsetzt von meinem Vater zu mir und wieder zurück, doch ich ignorierte ihn.

"Iss jetzt.", Sagte ich schroff zu meinem Vater und verließ das Wohnzimmer um den restlichen Haushalt zu erledigen und die Wäsche zu machen. Zyriak hielt sich nun nicht mehr an meine Anweisungen und dackelte mir ins Bad hinterher.

"Was war das denn?!", Fragte er mich mit gedrückter Stimme, "Der Kerl ist ja gemeingefährlich, der gehört in ein Pflegeheim!"

Ich blickte ihn ausdruckslos an.

"Sehe ich aus, als könnte ich mir sowas leisten?", Fragte ich, als er den Blick nicht abwandte, sondern wirklich auf eine Begründung zu warten schien.

"Der Typ sieht aus als könne er sich nichtmal alleine den Arsch abwischen, für den bekommst du doch sicherlich Pflegegeld."

"Geld, das er versäuft. Ich habe keinen Zugriff auf das Pflegegeld. Er hat den Inhaber seines Kontos auf einen Bekannten umgeändert. Alles an Nahrung und Utensilien muss ich mitzahlen und ich bin meinen Job seit gestern quitt. Dreimal darfst du raten, wie schnell ich auf der Straße sitzen werde.", Schnaubte ich und packte mir den vollen Beutel im Mülleimer. Energisch knotete ich diesen zu und warf ihn an Zyriak vorbei neben die Badezimmertür.

"Wusste gar nicht, dass es so kritisch bei dir aussieht.", Murmelte er beschämt und trat zurück um mich rauszulassen.

"Ich jammer ja auch nicht in aller Öffentlichkeit über meine Probleme.", Murmelte ich und ging ins Schlafzimmer meines Vaters um das Bett zu machen und schon frische Kleidung für ihn rauszulegen. Mit einem Blick auf seinen Wäschekorb stellte ich fest, dass die Wäsche noch einen Tag warten konnte und ließ sie an Ort und Stelle.

"Ziemlich egoistische Perspektive, die du da hast."

"Was bringt es mir meine Scheiße in die Welt zu posaunen? Und jetzt halt die Fresse und warte an der Tür, ich bin gleich fertig.", Wies ich ihn zischend an und er gehorchte nach kurzem Zögern.

Zehn Minuten später brachte ich den Essensmüll von meinem Vater in den Müllbeutel in der Küche und knotete auch diesen zu um ihn mitzunehmen. Den Müll musste ich bis zur Straße bringen, erst dort stand ein Müllcontainer, da hier oben nichts geleert werden konnte.
Dann schnürte ich mir die Stiefel, zog meine Jacke an und verabschiedete mich distanziert wieder.
Es wurde schon dunkel und der im Dämmerlicht hellblaue Schnee ließ alles allerdings ein wenig heller erscheinen. Auf dem Weg in die Stadt schwieg Zyriak. Jedenfalls bis wir die erste richtige Straße erreicht hatten.

"Wie kannst du dir das gefallen lassen?", Fragte er dann erneut und schüttelte den Kopf, "Ich nehme an, deine Mutter hat ihn verlassen?"

Ich schwieg, die Hand um den Mp3 Player in meiner Tasche geklammert.

"Auf die ein oder andere Art, ja.", Murmelte ich irgendwann.

"Hast du keine Geschwister?"

"Doch, aber meine Schwester wohnt in Paris, wir haben keinen Kontakt mehr."

"Also musst du ganz allein die scheiß Verantwortung für diesen Mann tragen?!"

"Dieser Mann ist mein Vater und ja."

"Junge, wie alt bist du? 20?"

"23, Arsch.", Knurrte ich. Ich wurde wegen meines Aussehens immer für jünger gehalten, aber das sind nunmal die indianischen Gene.

"Das geht doch nicht."

"Siehst du doch."

Er regte sich tatsächlich darüber auf, dass ich mich alleine um den Scheiß kümmern musste.

"Kommst du noch mit in die Bar?", Fragte er mich, als wir vor dem Wohnkomplex standen.

"Ne, hab's nicht mit gesellschaftlichem Zeug. Ich schau lieber nochmal in meine Aufzeichnungen, nächste Woche sind die ersten Prüfungen."

"Achso, na dann.", Er schob sich die Hände in die Taschen und und starrte kurz auf seine Füße.

"Yeah", sagte ich und schloss die Haustür auf.

"Ich hol dich dann morgen früh zu Fuß ab.", Sagte er und entfernte sich langsam rückwärts.

"Hm.", Murmelte ich und ging hinein. Sobald die Tür zufiel wandte ich meinen Blick noch einmal durch die Glasscheibe nach draußen und sah wie Zyriak sich entfernte.
Ich geriet ein wenig ins Grübeln. Noch heute morgen hätte ich dagegen protestiert, doch für den Moment hatte ich gar nichts an seiner Gesellschaft auszusetzen.
Tatsächlich fühlte ich mich ein wenig alleine, jetzt wo ich im dunklen Hausflur stand.
Ich fasste mich schnell wieder und ging hinauf zu meiner Wohnung.

"Bin wieder da.", Sagte ich in alter Gewohnheit, als ich die Wohnung betrat und mir mal wieder die altbekannten grauen Wände ansah. Ich zog mir Jacke und Schuhe aus und knipste während dessen das Licht an.
Ich hatte Hunger. Heute in der Cafeteria hatte es Spinat gegeben, Gott wie ich das Zeug von denen hasste. Wenn es wenigstens frischer wäre, aber nein. Entsprechend habe ich heute nur ein halbes Mittagessen gehabt und jetzt ein Loch im Bauch. Ich wusste allerdings, dass ich in meiner Wohnung nichts finden würde. Und auch, dass ich nicht mehr genug Kleingeld hatte um mir noch schnell etwas bei Anja zu kaufen.

Mit einem Seufzen betrat ich den Wohnraum, beleuchtete auch diesen und setzte mich auf das Fußende bei meinem Bett, den kaputten Mp3 Player in den Händen. Ich schloss versuchsweise die Kopfhörer an, doch nichtmal der kleine Display ging an um mir seine übliche Begrüßung entgegenzubringen.

Schmerz durchzuckte meinen Brustkorb. Es tat weh, das letzte Stück meiner Mutter kaputt in den Händen zu halten.
Und es war auch noch meine eigene Schuld, dass er kaputt war. Ich wusste genau, was mein Vater mit Mutters Sachen anstellte. Ich hatte es oft genug miterlebt.
Ich hätte ihn besser in meiner Jackentasche gelassen.

Ich umklammerte das angeschmolzene Stück Plastik so lange, bis meine Knöchel weiß hervortraten und merkte erst dann die nassen Flecke auf meiner Hand. Ich hatte angefangen zu weinen.
Langsam schloss ich die Augen und atmete durch. Ich musste mich ablenken, sonst würde ich mich heute wahrscheinlich noch in den Schlaf weinen.
Eilig holte ich meinen Rucksack und die letzten Hausaufgaben für dieses Semester raus. Ich hatte zwar bis Montag Zeit, diese zu erledigen, weil übermorgen, also Freitag, die Entscheidungsspiele unserer zwei Hockey-Teams waren (der Gewinner von beiden durfte unsere Universität bei den Meisterschaften vertreten). Und da ein Tag eigentlich nicht ausreichte um alle Aufgaben zu erledigen, haben sie uns bis Montag Zeit gelassen.
Ich arbeitete alles an diesem Abend ab und konnte zum Ende nicht einmal mehr sagen wie viele Seiten ich geschrieben hatte. Ich wusste nur noch, dass mein letzter Gedanke, als ich um 4am auf die Uhr gesehen habe, war: 'Scheiße, nur noch zwei Stunden, dann muss ich wieder aufstehen'

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