Chapter 6

Der Tag zog sich wie Kaugummi.
Während den Pausen trieb sich Zyriak mit seiner üblichen Clique rum, stellte sich in die Raucherecke, paffte sich einen und ignorierte mich dann für den restlichen Vormittag, hätte ich mir aber denken können.
Erst nach Schulschluss stand er vor dem Eingang der Eishalle und schien auf mich zu warten.
Ich hatte mich vor zehn Minuten auf die Fresse gelegt und nun zierte ein wunderschöner Bluterguss meinen rechten Kiefer.

"Mit dem Eis geknutscht?", Fragte er mich, deutete auf den Bluterguss und schloss sich mir wieder an, als ich zu Fuß losging.

"Geht dich nichts an.", Antwortete ich und beobachtete, wie einer von seinen Freunden ihm ein Zeichen gab, mir ordentlich eine reinzusemmeln. Meine Laune sank noch weiter ab und ich ging auf Abstand.

"Mach dir keinen Kopf, Freddy ist ein Idiot."

"So wie du und der Rest deines Freundeskreises.", brummte ich und ging weiter während er seinem Kumpel ebenfalls etwas gestikullierte.

"Jetzt lass mich nicht immer wie blöd stehen, ich hab keinen Bock dir immer hinterherzurennen."

"Dann lass es."

Er musterte mich mit zusammengezogen Augenbrauen.

"Kein Wunder, dass du keine Freunde hast.", Murmelte Zyriak und holte seinen Jeep.
Es schneite immernoch und mittlerweile waren die Weiden überzogen mit einem sanften Weiß.
Ich ließ den Blick zur Seite wandern und musterte die Natur. Ich liebte die Landschaft hier mit all ihren Pflanzen und Tieren. Deswegen studierte ich auch die Forschung an beidem. Arktis-Forschung fand ich ungemein interessant. Einer meiner Träume war es irgendwann eine eigene kleine Forschungs- und Auffangstation zu leiten. Am liebsten noch eine Ecke weiter nördlich von hier.

Zyriaks Wagen tuckerte wieder langsam neben mir her, während er laut Musik von Bon Jovi laufen hatte. Genervt nahm ich meine Kopfhörer wieder aus den Ohren und wickelte sie auf. Bei dieser Lautstärke hatte es einfach keinen Sinn der Blechtrommelmusik aus dem alten Mp3 Player zu lauschen. Sie wurde ohnehin immer durch Jovis Geschrei gestört.

"Willst du dich jetzt endlich unterhalten?", Fragte Zyriak, der das Wegstecken meiner eigenen Musik wohl falsch gedeutet hatte.

"Nein." Erwiderte ich und lief weiter, bis wir das Dorf erreicht hatten.
Zyriak parkte den Wagen und folgte mir dann zu Fuß weiter.

"Hast du nix besseres zu tun?!", Fragte ich, als ich vor dem Café von Anja stehen blieb.

"Ich hab mir die nächsten Tage frei genommen. Abgesehen von der Uni halt, bin ja im Hockey-Team."

Ich verdrehte die Augen und stieß die Tür zum Café auf.

"Hey Anja.", Begrüßte ich sie und warf einen düsteren Blick auf Zyriak, der mir folgte.
Sie lächelte mich an und erwiderte den Gruß.

"Was bekommst du?", Fragte sie mich, während sie einen großen Cappuccino und einen heißen Kakao auf einem Tablett zu einem älteren Ehepaar brachte.

"Einen Coffee-To-Go, bitte.", Ich kramte mein Portemonnaie raus und zählte mein letztes Kleingeld ab. Das erinnerte mich wieder daran, dass ich unbedingt mit ihr unter vier Augen reden musste.

"Schwarz mit einem Stück Zucker, gerne.", Anja schmiss den Automaten wieder an und blickte dann flüchtig zu Zyriak, "Bekommst du auch was?"

"Nö.", erwiderte er und wippte neben mir auf den Füßen vor und zurück.

"Gut, das macht dann 3,50 Ares.", Sie deckelte meinen Kaffee und stellte ihn mir auf den Thresen, schon mit der linken Hand an der Kasse. Ich legte ihr die Münzen auf den Tisch und nahm mir den heißen Becher.

"Danke, bis dann.", Verabschiedete ich mich und ging wieder hinaus.

"Was machst du jetzt?", Fragte Zyriak und wartete ungeduldig, während ich an meinem Kaffee nippte und mir die Zunge verbrannte.

"Normalerweise arbeiten.", Ich sah ihn düster an und beobachtete fast schon zufrieden, wie er sich räusperte und den Blick zur Seite auf eine kleine Gruppe ältere Herren richtete.

"Und nicht normalerweise?", Fragte er dann.

"Unterschiedlich. Aber da ich dich wahrscheinlich eh nicht loswerde, ich gehe jetzt einkaufen und dann zu meinen Vater.", Sagte ich und ging los zum Supermarkt.

"Dein Vater wohnt in der Gegend?"

"Hm, kann man so sagen.", Murmelte ich bei dem Gedanken an den alten Griesgram.
Ich kaufte wieder eine Fertigmahlzeit für ihn und machte mich dann auf den Weg zur Hütte.

"Du wartest gleich im Hausflur. Du kommst nicht ins Wohnzimmer rein und vermeidest jede Art der Konversation mit ihm, ist das klar?", Sagte ich monoton.

"Wie jetzt? Der Kerl ist dein Vater, wird schon nicht so schlimm sein."

Ich warf ihm einen kalten Blick zu.

"Wenn du dich nicht dran hältst, wartest du draußen im Schnee.", Fügte ich noch hinzu und begann den Anstieg zu der alten Blockhütte.

"Wie alt ist der Kerl, dass der die Strecke noch schafft?!", Fragte Zyriak und hatte mit der Steigung deutlich zu tun.
Und der wollte im Eishockey-Team sein? Dass ich nicht lache.

"Der Kerl sitzt im Rollstuhl und verlässt die Wohnung in der Regel gar nicht, es sei denn er will sich den Arsch auf der Terrasse abfrieren.", Erwiderte ich, den Blick auf das Dach gelegt, das jetzt zwischen den Bäumen auftauchte.

"Was ist passiert, dass er im Rollstuhl sitzt?"

"Geht dich nichts an."

Wir erreichten die Hütte, Zyriak total verschwitzt und außer Atem. Ich, der den Anstieg gewöhnt war, ging ohne weiteres zur Haustür und schloss auf.

"Denk dran.", Ermahnte ich Zyriak noch einmal und legte einen Finger auf den Mund.
Er verdrehte die Augen und folgte mir hinein.

"Paps, bin da.", Rief ich unmotiviert in das Haus hinein.

"Dann kannst du dich gleich wieder verpissen.", Kam die Antwort aus dem Wohnzimmer.

Zyriak runzelte die Stirn und sah mich verwundert an. Ich ignorierte sowohl den Kommentar von meinem Vater, als auch Zyriaks fragenden Blick und zog mir die Schuhe und die Jacke aus.

"Setz dich auf die Bank und warte, ich beeil mich.", Wies ich ihn an.

"Mit wem sprichst du da?!", Fragte mein Vater, als ich durch den Bogen trat und die Küche ansteuerte um ihm die Mahlzeit zuzubereiten.

"Mit niemandem.", Erwiderte ich und öffnete die Verpackung um sie in die Mikrowelle zu schieben.

"Lüg mich nicht an!", Rief mein Vater schroff und ich hörte wie sein Rollstuhl näher kam, "Ich hab dich und diesen Halbstarken doch den Hügel hochkommen sehen. Hast du etwa Angst, dass ich dich verletze?!", Er spuckte mir vor die Füße, "Da wird dir dein Bodyguard auch nicht viel bringen."

Ich blickte langsam von dem Spuckfleck zu meinem Vater und widmete mich wortlos wieder der Mikrowelle zu.

"Hörst du mir überhaupt zu du Missgeburt?!", Fauchte er mich jetzt an und rollte noch ein Stück näher, einen alten Gehstock in der Hand.

"Nimm den Stock runter Paps, ich höre dir zu.", Sagte ich und musterte das Wurzelholz.
Es wäre nicht die erste Strieme von diesem alten Stock. Allerdings hatte ich keine Lust es heute so weit kommen zu lassen.

"Dann sei nicht so respektlos und antworte gefälligst!", Schnaubte er und richtete die Spitze auf mich.

"Dann sag mir was ich auf deine Drohungen antworten soll und das nächste Mal werde ich dann antworten.", Ich holte das Essen aus der Mikrowelle und deutete mit einem Nicken auf's Wohnzimmer, "Fahr wieder ins Wohnzimmer."

"Wie war das? Du gibst mir Befehle?!"

Ich seufzte gefasst.

"Würdest du bitte wieder ins Wohnzimmer fahren? Ich bezweifele, dass du deine Mahlzeit in der Küche einnehmen willst."

"Na geht doch.", Schnaubte er und machte kehrt um sich wieder vor dem Kamin zu positionieren. Als ich ihm das Tablett auf die Armlehnen stellte, fiel mir der Mp3 Player aus der Hosentasche und landete auf dem Boden.

Mein Vater hielt Inne und starrte ihn an.
Ich versuchte ihn aufzuheben, bevor er verstand worum es sich handelte, doch er schlug mit dem Gehstock nach mir und ich musste auswichen, damit das Holz nicht auf meinem Hinterkopf trümmerte.

"Was ist das?", Fragte er, leichenblass als er ihn aufgehoben hatte.

"Mein Mp3 Player.", Antwortete ich und bemühte mich darum die aufkommende Angst zu unterdrücken. Er wusste wessen Player das war. Alle anderen Dinge von Mama hatte er nach ihrem Tod verbrannt. Das war das einzige, was ich noch von ihr hatte. Nicht einmal ein Foto hatte er mir gelassen. Nicht eines.

"Das ist nicht dein Player.", Sagte er matt und ich erkannte, wie sich sein Blick mit Wut und Trauer füllte.

"Doch, ist es. Bitte, gib ihn mir zurück, ich brauch ihn noch.", Ich hielt die Hand hin und kassierte auf dieser direkt einen Schlag mit dem Stock. Fluchend zog ich sie zurück und sah aus dem Augenwinkel, wie Zyriak in den Torbogen trat.

"Gib mir den Player wieder!", Befahl ich nun, da ich seinen Blick in Richtung des brennenden Feuers gesehen hatte, "Vater bitte."

"Das ist nicht dein Player, DU VERDAMMTER LÜGNER!", schrie er jetzt und warf das Gerät in die Flammen.

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