Chapter 3

Ich stieß die Tür zu meiner Wohnung auf und starrte in die Dunkelheit hinein.
Ich lebte in einem kleinen Wohnkomplex mit mehreren anderen Studenten. Die Wohnungen hier waren zwar wirklich winzig, aber es reichte um zu schlafen und zu lernen. 
Langsam ließ ich mir den Rucksack von der Schulter gleiten, schloss die Tür hinter mir und schaltete das Licht ein. Mit leerem Blick musterte ich den kurzen, trostlosen, grauen Gang, der zu dem einzigen richtigen Zimmer in dieser Wohnung führte. 

"Bin wieder da.", murmelte ich zu mir selbst und betrat mein Wohn-, Ess-, und Schlafzimmer. Nicht zu vergessen die Küche auf der linken Seite des Raumes, die aus einem Standherd und einem Unterschrank mit einem halben Meter Arbeitsplatte bestand. Daneben stand ein schmaler Mini-Kühlschrank mit Wackelkontakt. Gegenüber des Herdes war ein Kleiderschrank, direkt daneben eine rappelnde Waschmaschine.
Auf der rechten Seite befand sich mein Bett, an das ich den Esstisch rangeschoben hatte, damit auf der anderen Seite noch Platz für zwei Stühle war. An der Wand über dem Tisch befand sich ein kleines Fenster, das bei mir ohnehin nie zu Nutze kam, da es klemmte und ich die Bude verließ, wenn es noch dunkel war. Und wiederkommen tat ich auch meist erst im Dunkeln, so wie jetzt. 
Mit einer matten Bewegung schaltete ich das Licht ein und sah mich in dem bekannten, kleinen Raum um. Dann holte ich meine Bücher und die Zeitung heraus. 
Zuerst musste ich mich nach einem neuen Job umsehen, danach konnte ich meine Aufgaben erledigen. Doch in den Kleinanzeigen gab es keine Stellenangebote. Das war der Nachteil, wenn man am Arsch der Welt wohnte. Jeder kannte jemanden, der eine freie Stelle übernehmen konnte, da war es nicht nötig nach Hilfskräften auszuschreiben.
Ich seufzte verzweifelt und raufte mir die Haare. Vielleicht konnte Anja im Coffee-Shop am Ende der Straße noch eine Hilfskraft gebrauchen? Und wenn es nur zum spülen und putzen war...
Ich blickte auf meine Handyuhr und strich mir erneut die Haare zurück. Sollte ich heute noch dorthin um nachzufragen?
Ich fasste einen Entschluss, stand auf, machte mir die Jacke wieder zu, die ich angelassen hatte, weil meine Heizung aus war, und machte mich erneut auf den Weg nach draußen. 
Eiseskälte schlug mir entgegen, als ich die Tür aufstieß und mir der Wind die Kapuze vom Kopf wehte. Frieren tat es nachts schon seit Wochen, nur leider ohne Schnee.
Die Schulter hochgezogen, stiefelte ich die dunkle, leere Straße entlang zum entfernten Licht des Schaufensters und betrat das kleine Lokal. Es war ein niedliches Geschäft, cremefarben eingerichtet mit einem geschmacklosen 70er Jahre-Kachelboden.
Der Thresen hatte einen lachsfarbenen Unterschrank, ich hab gesagt es ist pink, aber damit hatte ich eine unnötige Diskussion heraufbeschworen und dann einfach akzeptiert, dass es für Frauen mehr Farben als auf die der Schulpalette gab. Rechts am Thresen gab eine typische, kleine Kuchenauslage mit Kuchen und Gebäck, das jeden Tag frisch gebacken wurde und der für gewöhnlich Mittags schon ausverkauft war.
Das einzige was sonst noch hinter der Theke stand war eine riesige Kaffeemaschine, die so viel Schnickschnack hatte, dass ich wahrscheinlich verdursten würde, wenn ich mir selbst ein Getränk daraus ziehen wollte.

"Hey", begrüßte ich Anja, die Barista und Besitzerin des Shops, als sie aus der Küche kam, die sich hinter einer Diner-Schwingtür befand, und sich die Hände an der Schürze abwischte. Mit ihren dunklen Haaren und den Rehaugen konnte sie genauso gut aus einem Model-Magazin entsprungen sein um sich vor den Paparazzi zu verstecken.

"Hey Ares, was steht an? Musst du wieder die Nacht durchackern?", Fragte sie grinsend und suchte mit ihrem Blick meinen Rucksack, den ich diesmal nicht dabei hatte.

"Nee, kein Unikram heute. Bin aus einem anderen Grund hier.", Erwiderte ich und kratzte mich im Nacken.

"Oh, was ist passiert?", Fragte sie und ihr Blick änderte sich, als sie meinen besorgten Ausdruck bemerkte.

"Anuk hat mich rausgeschmissen. Ihr Neffe ist jetzt alt genug um offiziell hinter der Kasse zu stehen.", Sagte ich und deutet auf eine der Sitzecken. Sie nickte und deutete auf die Kaffeemaschine.

"Das übliche??"

"Hm danke, aber ich hab nix Bares dabei, ich wollt eigentlich nur quatschen.", Lehnte ich ab und ließ mich auf eine der roten Sitzbänke sinken.

"Geht auf's Haus, du bist so oft hier, da hättest du sicher schon mindestens eine von diesen  Stempelkarte voll, wenn ich welche anbieten würde.", Scherzte sie und stellte den Automaten an. Als sie fertig war, verschwand sie noch kurz in der Küche und kam mit einem Stück Kuchen wieder um sich zu mir zu setzen.

"So tell me, was genau war bei Anuk los?", forderte sie und schob mir meinen Cappuccino zu.

"Danke.", Ich zögerte kurz, fing dann jedoch an zu erzählen, "Naja, bin wie üblich nach den Seminaren zum Laden und ihr Neffe stand an der Kasse. Ich hab natürlich nachgefragt was los ist und Anuk meinte, dass ich zu oft zu spät gekommen bin.", Erzählte ich gedrückt und nippte an der Tasse.

"Auf die fünf Minuten kommt's in so einer kleinen Stadt nicht an.", Anja schüttelte den Kopf, "Das klingt nach einem gesuchten Grund, damit eine Stelle frei wird."

Ich nickte.
"Yeah, denke ich auch. Das war aber nicht das Schlimmste an der ganzen Sache.", Murmelte ich und dachte an Zyriak und seine Freunde.
Grade als ich ihr davon erzählen wollte, ging die Tür auf und der Teufel betrat den Laden.
Zyriak trat ein, sah sich um und entdeckte Anja und mich. Er schnaubte lachend auf.

"Kannst du dir das überhaupt leisten? Wurdest doch rausgeschmissen.", Stichelte er und stellte sich abwartend an den Thresen. Anja seufzte und warf mir einen fragenden Blick zu, den ich sehr wohl verstand. Es wirkte wahrscheinlich, als hätte ich mich mit diesem Arschloch unterhalten. Sie wusste ja noch nicht, dass er das Kündigungsgespräch belauscht hatte.
Ich presste die Lippen verärgert zusammen, als er die Augenbrauen hochzog und auf eine Antwort zu warten schien. Langsam wandte den Blick zum Schaufenster, konnte allerdings nur die Reflektionen der Inneneinrichtung betrachten.

"Was bekommst du Zyriak?", Fragte Anja höflich, aber distanziert. Sie wusste, dass er schon so manche Male ein Problem in meinem Leben dargestellt hatte, besonders was Mobbing in den letzten zwei Jahren anging.

"Das Gleiche wie der Hobby-Arbeitslose da.", sagte er mit einem Grinsen. Ich konnte nicht sagen, ob er das nur scherzhaft oder provokant meinte, aber es erwischte mich in diesem Moment an meinem wunden Punkt. Ich riss mir 24/7 den Arsch auf um mein Leben so auf die Kette zu bekommen, dass ich irgendwann aus diesem Kaff entkommen konnte. Und alles was ich tat wurde mit zusätzlichen Arschtritten belohnt. Ich knirschte mit den Zähnen und schloss die Augen um ruhig zu bleiben.

"Ach, was ich dich mal fragen wollte", Zyriak wandte sich wieder in meine Richtung, "Warum gehst du nicht einfach zu deinem Stamm und hilfst denen beim Robbenfang? Bin mir sicher, dass dein Bio-Studium da echt hilfreich ist."

"Zyriak!", zischte Anja wütend und fuhr zu ihm herum. Ich stand auf und unterbrach sie, als sie ihn zurechtweisen wollte.
Ich musste hier raus. Mein Kehlkopf schmerzte und meine Augen brannten. Ich stürmte an Zyriak vorbei und verließ das Café von Anja, ohne sie nach einem Nebenjob gefragt zu haben. Ich hatte für den Scheiß heute keine Nerven mehr. An jedem anderen Tag, aber nicht heute. Es war Dunkel und meine Augen brauchten lange um sich an das Lichtverhältnis zu gewöhnen, besonders da alles verzerrt war, während ich versuchte die Tränen wegzublinzeln, die immer wieder aufkamen. Eilig ging ich durch die Straßen, weg von meiner Wohnung, weg vom Café, raus aus der kleinen Stadt. Ich lief so lange, bis ich den einen kleinen Waldrand erreichte, der ca. eine Meile hinter dem letzten Häuschen begann.
Dann blieb ich stehen und ließ mich gegen einen Baum sinken. Und ich begann leise zu weinen. Wie schon so oft.

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