Chapter 27

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ehe ich mich versah hatte ich die Prüfungen hinter mir und durfte nun auf die Ergebnisse bangen, die erst in zwei Wochen ausgehangen wurden.
"Du hast sicherlich bestanden.", Versuchte Zyriak mich aufzuheitern, während ich auf einem meiner Fingernägel rumkaute. Wir waren auf dem Weg in die Stadt um ein paar Dinge für seine Mutter einzukaufen, die bis Weihnachten nun wieder arbeitete und deshalb immer erst nach 17 Uhr nach Hause kam.
"Hm.", Machte ich, da man das schließlich noch nicht wissen konnte.
"Welches Semester ist das dann jetzt gewesen?", Fragte er mich, wohl um etwas vom Thema abzulenken.
"Du meinst das wievielte?", Korrigierte ich ihn indirekt.
"Oder so.", Er verdrehte die Augen und warf mir einen Seitenblick zu. "Ich kann's auch anders fragen: Wie lange hast du noch bis zum Abschluss?"
"Das hier ist das fünfte Semester gewesen. Eins noch und dann die Masterarbeit.", Stress bahnte sich seinen Weg durch meinen Körper und ließ meine Hände in kaltem Schweiß baden. Zugegeben, ich hatte etwas Angst davor, dass ich endlich mit meinem Studium fertig war. Was sollte ich danach nämlich tun? Ich hatte nach wie vor meinen Vater, um den ich mich kümmern musste und konnte leider nicht so unverhofft alle meine Zelte abreißen und genau wie Etenja sagen "Ihr könnt mich alle mal, ade, find me in Paris.". So verantwortungslos war ich einfach nicht.
"Ich denke mal, du hast Herbst- und Frühlingssemester?"
"Mhm.", Ich nickte und begann wieder auf meinen Fingernägeln zu kauen. Zyriaks Hand schnellte zur Seite und hielt mich davon ab, indem er meine Hände runternahm und in meinen Schoß drückte.
"Hör auf damit, Mam sagt, das ist schlecht für die Zähne.", Zitierte er seine Mutter. Ich zog die Augenbrauen und sah den 26-jährigen Kerl an, der neben mir saß.
"Hast du grade...?"
"Und wie ich das habe. Und wenn du's nicht lässt, erzähl' ich ihr davon.", Drohte er. Bei dem Gedanken daran, eine Standpauke von Zyriaks Mutter zu bekommen, schnürte sich mein Brustkorb ein wenig zusammen. Nein, das musste nicht sein.
"Schon gut, fahr nicht gleich die schweren Geschütze.", Brummte ich und zog meine Hände unter seinen weg um mich draufzusetzen. Seine Hand ruhte einen Moment auf meinem Bein, ehe er sie eilig wieder wegzog, als hätte er nicht ganz gewusst, was er da tat.
"Achja...", Zyriaks Gesichtszüge wurden etwas härter und eine kleine Falte grub sich zwischen seine Augenbrauen.
"Achja...?", Fragte ich kleinlaut nach, obwohl ich es gar nicht hören wollte. Ich zermaterte mir kurz das Hirn, auf der suche nach dem vermeintlichen Thema. Schließlich nahm mein Ausdruck ebenfalls einen kühleren Ton an.
"Gibt's was neues von Rob...?", Ich presste die Zähne zusammen, und hoffte, dass er mir nur mitteilen wollte, dass wir nachher den Shcnee vom Dach klopfen sollten um Dachlawinen zu vermeiden. Aber ich hatte ins Schwarze getroffen, denn Zyriak bestätigte meine Frage mit einem Nicken.
"Er ist wohl endlich außer Lebensgefahr, liegt aber noch im Koma. Ich denke, dass es auch noch ein paar Wochen dauern, wird, bis er wieder aufwacht.", Klärte er mich auf. Sein Tonfall, war entgegen seines Ausdrucks, ziemlich sanft.
"Und seine Eltern...?"
"Die versuchen natürlich alles um gegen dich zu klagen, aber da es Augenzeugen und Videobeweise gibt, die bestätigen, dass das alles im Affekt passiert ist und Rob sowieso vorbestraft war, musst du dir darüber keine Sorgen machen.", Er versuchte mich damit zu beruhigen, allerdings, der Fakt, dass jemand grade in diesem Moment versuchte eine Klage einzureichen, um mich auf Hunderte, vielleicht sogar Tausende, Dollar zu verklagen, drehte mir den Magen um und bereitete mir scharfe Gewissensbisse. Ich war mir nach wie vor nicht sicher, ob alles nur im Affekt geschehen war. Ich hatte im Prinzip genug Zeit gehabt darüber nachzudenken, was ich da tat. Dass ich nicht überlget und blindlings jemandem den Schädel zertrümmert hatte, ungeachtet dessen, ob dieser Mensch ein asoziales Miststück war oder nicht, ließ mich eh schon an mir selbst zweifeln.
"Versuchchst du das Gespräch wieder totzuschweigen?", Fragte Zyriak mich, womit er ganz ohne Frage versuchte die Laune im Fahrerraum zu lockern.
"Eher mein schlechtes Gewissen.", Murmelte ich so leise, dass man es sicher nicht verstanden hätte, liefe nur Bon Jovis Musik im Auto. Allerdings war das Radio aus und Zyriak verstand jedes Wort.
"Zum X-tausendsten Mal Ares, das war NICHT deine Schuld."
"Ich hatte den Stein in der Hand und ich habe zugeschlagen, es IST meine Schuld.", Ich wandte den Blick aus den Fenster und stierte konzentrierert in den Seitenspiegel, in dem ich mein angespanntes Gesicht sah. Eilig blickte ich wieder fort, in der Angst gleich wieder rumzuheulen. Zyriak seufzte frustriert und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, die andere hatte er nach wie vor am Steuer. Ohne einen weiteren Kommentar zu meiner Äußerung, fuhr er mit dem Wagen auf den einzigen, größeren Parkplatz, den es in dem kleinen Dorf gab. Der, der zu dem einsamen Supermarkt gehörte, welcher nach wie vor das einzige Geschäft, mit Ausnahme von Gemischtwarenläden, wie dem von Anuk, war, das sich wacker in dem Dorf hielt.
"Komm jetzt. Lass dich nicht unterkriegen Ares. Er lebt noch und er wird wieder. Arschlöcher wie Rob leben am längsten.", Zyriak schlug mir einmal auf den Oberschenkel und stieg dann aus. Ich presste die Lippen zusammen, rieb mir zweimal über die Stelle, an der seine Hand ein zwirbelndes Gefühl hinterlassen hatte, und folgte ihm dann.
"Hier ist die Einkaufsliste für meine Mam, kannst du das schonmal besorgen? Ich muss noch eben rüber zu Jenkins und was abholen.", Bat Zyriak mich und drückte mir einen Einkaufszettel und mehrere Scheine in die Hand. Bevor ich widersprechen konnte, war er auch schon winkend davongelaufen. Ich blickte ihm skeptisch hinterher, schüttelte dann aber den Kopf. Vermutlich holte er nur etwas für seinen Vater ab. Ich warf einen Blick auf die Scheine, die ich in der Hand hielt und staunte kurz still über die drei 50$ Noten. Ich trug selten so viel Geld mit mir herum und besonders nicht zum Einkaufen. Sorgfältig faltete ich die Scheine zusammen und steckte sie mir in die Jackentasche, die ich dann mit einem Reißverschluss, der sich an dieser befand, zuzog, damit nichts herausfiel oder verloren ging. Das fehlte mir noch, 150$ zu verlieren...
Dann erst warf ich einen Blick auf den Zettel und betrat das Geschäft. Es dauerte nicht lange, da sah ich Zyriak durch die Drehtür des Ladens kommen. Die Regale standen offen zum Ausgang, auch wenn sich dort zum Schutz vor Diebstählen überall diese Säulen befanden, die Lärm machten, wenn ein Magnetcode die Fliege machte, ohne gescannt oder bezahlt worden zu sein.
"Zyria-", ich hatte ihn grade rufen wollen, hielt aber inne, als er sich mit einem anderen Kerl von der Uni traf. Ich beobachtete, wie die beiden miteinander tuschelten, Zyriak etwas deutete und dann mit den Hände die Länge von irgendwas anzeigte. Ich runzelte die Stirn etwas irritiert und beobachtete die beiden weiter, wobei ich gar nicht merkte, dass ich noch vor dem Regal mit dem Waschmittel stand und eine ältere Dame genau an die Produkte wollte, vor denen ich stand.
"Entschuldigen Sie junger Mann, darf ich bitte einmal an den Weichspüler?", Fragte die Frau, als sie es nicht schaffte ihre etwas korpulentere Figur in den engen Raum, den mein Wagen und die Regale bildete, zu drängen. Ich blickte überrascht zu ihr, entschuldigte mich nuschelnd und schob den Wagen zur Seite. In einem stellte ich das Waschmittel hinein und sah mich dann wieder nach Zyriak um, der allerdings verschwunden war. Der andere Typ stand jedoch immer noch dort, nun mit einigen Geldscheinen in der Hand, die er eifrig zählte. Nun war ich ehrlich verwirrt. Hatte Zyriak ihm das Geld gegeben? Wofür? Sollte ich ihn gleich auf gut Glück fragen? Ich zögerte sehr. Zyriak hatte immer noch ein Privatleben und das ging mich weiß Gott nichts an. Vielleicht war das nur eine Wette gewesen, die er abgeschlossen hatte. Er würde ja bald mit dem Hockey-Team... Ich schluckte den Gedanken runter, der mir seit der Schlittenfahrt mit ihm einen seltsamen Stich versetzte. Immer wieder dachte ich an diese zwei Momente, in denen ich seinen Atem auf der Haut gespürt hatte und war dann immer so durcheinander, dass...
"Krach"
Ich zuckte zusammen und blickte auf.
"Bockmist.", Murmelte ich monoton, da ich soeben erfolgreich einen Stapel mit Klopapier umgefahren hatte. Genau das meinte ich. Ich schweifte mit meinen Gedanken dorthin ab und schon passierte mir sowas. Gestern hatte ich Odin das Geschirr beinahe falsch herum angezogen. Zyriak hatte das auch noch bemerkt und ich wäre am liebsten im Schnee versunken, wobei viel nicht gefehlt hatte, da mir vor Scham wirklich heiß geworden war.
Wie in Trance fing ich an die großen Plastikpackungen wieder aufzustapeln und schob den Wagen dann zur Kasse um den Einkauf schließlich zu beenden. Bei zwei oder drei Dingen war ich mir nicht sicher gewesen, welches der Produkte ich hatte nehmen sollen und hatte mich, so wie ich es immer tat, einfach für das günstigste entschieden.
"Was hast du denn da drin so lange gemacht?", Grinste Zyriak, als ich schließlich mit dem Wagen auf den Parkplatz kam und ihm dabei half alles in Taschen zu räumen.
"Müll, das hab ich gemacht.", Murmelte ich mit glühenden Wangen, weil mir das mit dem Toilettenpapierstapel schon recht unangenehm war. Und wenn es nach mir ging, würde er niemals davon erfahren.
"Hast du den Mülle wenigstens wieder weggemacht?", Er grinste mich an. Die gedrückte Stimmung von vorhin war in der letzten halben Stunde wohl komplett verflogen. Mir fiel ein Paket auf, das bereits auf der Rückbank lag und ich musterte es.
"Was ist dadrin?", Fragte ich und nickte zum Päckchen. Zyriak lud die letzte Tüte ins Auto und warf die Tür zu.
"Was für Dad.", Sagte er so nebensächlich, wie es ging. Da ich ihn allerdings nun schon seit einigen Wochen an der Backe kleben hatte, kam mir dieser Satz eine Spur ZU nebensächlich rüber. Normalerweise setzte er direkt zu Erklärungen zu den Plänen und vorhaben seines Vaters an. Nun schwieg er jedoch und schickte mich, um den Einkaufswagen wieder wegzubringen. Es fehlte nur noch, dass er plötzlich anfangen würde scheinheilig zu pfeifen und dann Löcher in die Lift starrte. Ich kniff die Augen erneut ein wenig skeptisch zusammen, ging dann jedoch um das, über den Aspahlt, rasselnde Einkaufstransportmittel wegzubringen.
"Und beeil dich, sonst fahr ich ohne dich!", Rief er mir noch zu. Kurz darauf knallte die Fahrertür, der Motor heulte auf und Bon Jovi begann "Livin on the Prayer" aus den Boxen zu hämmern. Ich schüttelte den Kopf über diese musikalisch fehlgeleitete Besessenheit, beeilte nich jedoch trotzdem. Als ich zurück zu seinem Jeep joggte, lief es mir, bei dem Knirschen des Streusalzes unter meinen Schuhen, erneut kalt über den Rücken. Als ich auf der Beifahrerseite einstieg schüttelte es mich noch leicht. Zyriak nahm das wohl als Zeichen dafür, dass ich fror, denn, ohne Kompromisse, schaltete er meine Sitzheizung ein und fuhr dann wieder zu sich nach Hause.

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