Chapter 25

Ich wusste nicht genau wann und wo ich eingeschlafen war, aber als ich aufwachte, lag ich auf dem Sofa und eine der Wolldecken war über mir ausgebreitet.
"Guten Morgen.", ertönte Zyriaks gut gelaunte Stimme, als ich mich langsam ein wenig aufrichtete und mir die Augen wegen des hellen Lichtes rieb.
"Mhm.", machte ich einfach nur. Wann zum Henker war ich eingepennt? Ich erinnerte mich nichtmal mehr, ob wir nach Drachenzähmen leichtgemacht noch einen weiteren Film angemacht hatten.
"Wie spät ist es?", Fragte ich nuschelnd und setzte mich auf. Das Beklemmungsgefühl von gestern war gottseidank etwas in den Hintergrund gewichen, allerdings tauche es wieder auf, sobald ich daran dachte, was gestern alles passiert war. Man schien es mir anzusehen, denn es landete schnurstracks ein Kissen seitlich gegen meinem Kopf.
"Jetzt grähm dich nicht direkt wieder, dafür ist es noch viel zu früh.", Maulte Zyriak und deutete zum Fenster. Die grade frisch aufgehende Sonne warf ihre orangen Strahlen über die Hügelkette am Ende des Horizones und tauchte die Schneelandschaft in ein wunderbares, warmes Licht. Ich seufzte als Antwort darauf nur einmal tief und warf die Decke beiseite, um aufstehen zu können. Ich trug immer noch die Klamotten von gestern, was ebenfalls zu einem Unwohlsein führte.
Augenblicklich landete ein weiteres Kissen in meinem Gesicht.
"Wofür war das denn jetzt?", Fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen und warf das Kissen neben mich auf's Sofa.
"Wofür wohl?", Entgegnete er, woraufhin er eine Augenbraue hob und das Buch zuklappte, das er in Händen gehalten hatte. Ich musterte den Roman ein wenig überrascht, weil ich Zyriak nicht als Leser eingeschätzt hätte, zuckte dann aber mit den Schultern. Sowohl um ihm zu antworten, als auch um meine Verwunderung abzutun.
"Was hast du heute geplant?", Fragte ich ihn, den Blick unfokussiert auf den großen, schwarzen Fernsehbildschirm gelegt.
"Ich muss gleich zum Training und später wollt ich meinem Vater bei den Hunden helfen.", Er stand auf, während er vor sich hin erzählte und versuchte mir das Manöver zu beschreiben, das sie in der Zweitmannschaft grade übten, und dass es ungewohnt war mit denen zusammenzuspielen, da sie sich sonst immer nur gegenüber gestanden und gegeneinander gespielt hatten. Ich hörte mir alles stumm an, während wir langsam hinauf gingen, damit ich meine Klamotten wechseln und dann ebenfalls hinaus gehen konnte.
"Und, hast du schon einen Plan?", Fragte er mich, als ich vor dem Gästezimmer stehen blieb, in dem meine Kleidung momentan untergebracht war.
"Ich geh gleich zu meinem Vater und dann mal sehen. Da ich morgen noch Mathe und übermorgen Rechtskunde nachschreibe, werde ich wahrscheinlich lernen.", Sagte ich matt. Der Gedanke an meinen Vater machte mir schon seit ein paar Tagen Bauchschmerzen. Zyriak war die letzte Woche über dorthin gegangen und hatte ihm Essen gebracht, ich hatte ihn entsprechend eine ganze Zeit lang nicht gesehen und rechnete bereits mit den wildesten Vorwürfen.
"Hmm.", Machte Zyriak und blickte auf die große, schlichte Uhr, die an der Wand zur Treppe hing. "Wenn du wir uns beeilen kann ich noch mitkommen, dann kann ich mir das Aufwärmen später quasi sparen.", Überlegte er und nickte dann, als wäre die Sache entschieden.
"Hetz dich nicht ab, ich krieg das auch alleine hin.", ich presste die Lippen zusammen, da er im Prinzip schon genug für mich getan hatte. Allein, dass er sich den Griesgram jetzt seit einer Woche freiwillig angetan hatte, rechnete ich ihm schon hoch an, auch wenn ich immer noch ein klein wenig skeptisch war, was seine Absichten anbelangten. Zumal ich immer wieder den Gedanken im Kopf hatte, der mir versuchte zu sagen 'Er ist nur nett zu dir, weil er selbst einen Nutzen daraus ziehen kann!'. Allerdings glaubte ich das nicht mehr so recht. Am Anfang war es definitiv so gewesen, jetzt allerdings benahm er sich nochmal anders, als zu Beginn dieser... Fragwürdigen Freundschaft.
Das Wort Freundschaft in meinen Gedanken zu hören verunsicherte mich zusätzlich. Es war das erste Mal, dass es eine Beziehung in meinem Leben gab, die ich als Freundschaft deklarieren konnte.
"Keine Widerrede, ich komme mit.", Trällerte Zyriak laut, um meinen Protest zu übertönen. Ich seufzte und schüttelte den Kopf, jedoch mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen, das ich erst bemerkte, als ich in die Scheibe gegenüber des Gästezimmers blickte und meine Reflexion in dieser sah. Ich räusperte mich und zog mich um. Kurz darauf befanden Zyriak und ich uns auf dem Fußweg zu meinem Vater. Er trug eine Auflaufform in der Hand, darin die Reste der Lasagne, die seine Mutter gestern gemacht und von der ich, wegen dem ganzen Stress, leider nichts hatte essen können.
"Und wehe der reißt sich nicht am Riemen.", Murmelte Zyriak, als ich die Haustüre aufschloss und ihn eines tadelnden Blickes bedachte.
"Hey Paps.", Rief ich in die Wohnung hinein und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie nervös ich in diesem Moment war.
Aus irgendeinem Grund sah ich aus dem Augenwinkel, dass Zyriak auch ziemlich angespannt war, warum wusste ich allerdings nicht. Er hatte mir nichts von den Malen erzählt, bei denen er hier gewesen ist. Ich hatte immer nur Rückmeldung bekommen, dass es ihm soweit gut ging und  er brav gegessen und seine Pillen geschluckt hatte.
"Hm.", Kam das grummelige Knurren aus dem Wohnzimmer. Ich zog Jacke und Schuhe aus und betrat das nach Kräutern und Holz riechende Wohnzimmer. Allerdings fehlte ein Geruch der sonst immer hier drinnen stark vertreten war. Verdattert wandte ich den Blick zu meinem Vater, der mit absolut unterirdischer Laune in seinem Rollstuhl saß und mit den Zähnen knirschte, während er vor sich hinstarrte.
Ich blinzelte langsam und sah dann zu Zyriak, der grade an mir vorbeischneite und das Essen in die Küche brachte.
"Tut mir leid, dass ich so lange ausgefallen bin, irgendwie haben sich die Dinge in der letzten Woche überschlagen und...", setzte ich, doch mein Vater unterbrach mich mit einem Blick, bei dem mir die Worte im Mund stockten. Das düstere, todesgenervte Funkeln, das seine Augen begleiteten, während er mich so anstierte, ließ mich einsehen, dass eine Entschuldigung hier komplette Zeitverschwendung war. Mein Blick wurde ein wenig ernster und ich ging mit einem leichten Räuspern zu Zyriak in die Küche. Er packte grade ein Stück Lasagne auf einen Teller und hob den Kopf kurz von seinem Tun, als ich mich zu ihm gesellte.
Er sagte jedoch nichts, ich genauso wenig. Stumm beobachtete ich, wie er das machte, was ich sonst immer tat, entschied mich irgendwann allerdings schonmal den restlichen Haushalt zu machen, weshalb ich wie üblich mit dem Müll begann, während Zyriak sich weiter um das Essen des Alten kümmerte.
"Hm.", Machte mein Vater, als ich an ihm vorbeiging. Ich blieb kurz stehen und sah ihn an, in der Erwartung, dass er mich jetzt anschnauzen würde, allerdings schwieg er nur weiter und grummelte vor sich hin.
Zunehmend skeptisch machte ich mich an die Arbeit.
Als ich fertig war stellte ich die Müllsäcke schonmal an die Tür und gesellte mich zu Zyriak und meinem Vater ins Wohnzimmer. Zyriak hatte sich auf die Sessellehne gepflanzt und blickte von seinem Handydisplay auf, als ich reinkam. Mein Vater starrte nach wie vor mürrisch vor sich hin und aß wortlos seine Mahlzeit. Keine Zicken, keine Scherereien, keine Beleidigungen oder gewalttätige Handlungen. Es war beinahe gespenstig.
Auch, als ich sein Geschirr abräumte und schnell abspülte, bekam ich nichts zu hören außer einem Brummen.
"Okay, brauchst du sonst noch was? Wir machen uns sonst auf die Socken.", Fragte ich den Alten und versuchte irgendwie eine Antwort zu finden, auf das, was hier vor sich ging.
"Ne.", Brummte mein Vater und beobachtete, wie Zyriak schonmal Richtung Haustür ging.
"Okay... Dann bis Morgen.", Sagte ich langsam und steuerte dann ebenfalls den Flur an, wurde jedoch aufgehalten, als mein Vater sich meinen Ärmel schnappte, als ich an ihm vorbeiging.
"Lass den Ochsen das nächste Mal zuhause.", Brummte er, ohne mich anzusehen. Ich blinzelte überrascht, da das eine seiner netteren Beleidigungen war.
"Mal sehn...", Murmelte ich als Antwort. Doch es schien ihm diesmal als Bestätigung zu reichen, denn er ließ mich wieder los. Erneut war ich überaus verwirrt, zog mir Jacke und Schuhe wieder an, schnappte mir den Müll und ging hinaus.
"Was war das denn?", Fragte ich Zyriak, als wir unten bei der Straße ankamen und ich den Müll in die Tonne warf. Seit wir das Haus verlassen hatten, zierte sein Gesicht ein zufriedenes Grinsen.
"Ich hab vor vier oder fünf Tagen den Typen erwischt, der ihn mit Alkohol versorgt und ihm überaus freundlich gesagt er soll sich nicht mehr in der Gegend blicken lassen.", Erklärte er, nach wie vor mit Mundwinkeln, die ihm bis zu den Ohren reichten.
"Mit anderen Worten, er ist seit 'ner Woche auf Entzug. Die ersten zwei Tage waren purer Dreck, der Kerl ist echt stark dafür, dass der an den Rollstuhl gebunden ist, hätte nicht gedacht, dass er den Beistelltisch werfen kann."
"... Der Beistelltisch?!", Fragte ich schockiert nach. Zyriak zuckte mit den Schultern.
"Es ist alles heile geblieben, kein Grund zur Sorge.", Sagte er, wobei sein Grinsen kurz etwas erlosch, aber sofort wieder da war, als er weitererzählte. "Jedenfalls ist er seit gestern sehr viel leichter zu händeln. Er hat nichtmal sein Essen durchs Zimmer geworfen."
Ich sank bei seinem letzten Satz ein wenig weiter in den Boden ein, da ich mich für meinen Vater wirklich schämte, auch wenn ich nichts für sein Verhalten konnte.
"Warum hast du denn nichts gesagt? Dann hätte ich..."
"Klar, damit er dich mit seinem Gehstock schlagen kann, wenn er auf kaltem Entzug ist, super Idee Ares. Willst du mir als nächstes erzählen, dass du mit ihm spazieren gehen willst, oder was?", Fragte er mich mit einem Hauch von schwarzem Humor, der mich gegen meinen Willen zu einen schwachen Lächeln brachte.
"Nein, aber es ist nicht deine Angelegenheit, sich um den Alten zu kümmern. Er ist meine Verantwortung.", Ich schüttelte leicht den Kopf und wollte einen Schritt über eine zugefrorene Pfütze mache, der jedoch damit endete, dass ich ausrutschte und fast mit dem Hinterkopf auf den festgefrorenen Schnee knallte. Zyriak schnappte sich meinen Arm, kurz bevor ich mit dem Rücken den Boden berührte und zog mich wieder auf die Füße. Mein Herz raste ein wenig von dem Schreck und ich atmete erleichtert auf, als ich mich in einem sicheren Stand wiederfand.
"Aufpassen, glatt.", Grinste Zyriak und wartete, bis ich weiterging.
"Danke.", Nuschelte ich ein wenig beschämt, wegen diesem 'Ausrutscher'. Unter anderem merkte ich auch deshalb erst einige Meter weiter, dass seine Hand noch immer an meinem Ellenbogen lag. Allerdings sagte ich nichts dagegen, da ich mich dazu entschied, zu tun, als würde ich nichts davon bemerken, um nicht darauf reagieren zu müssen.

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