Chapter 19

Es dauerte eine knappe Woche, bis ich wieder auf den Damm war. Zyriak war in der Zwischenzeit nochmal in meiner Wohnung gewesen und hatte meine Lernmappen abgeholt. Das hatte ich zwar eigentlich selbst machen wollen, aber ich hatte Ausgehverbot, bis mein Husten nachließ.
Immerhin durfte ich, aufgrund der Umstände, die Prüfungen mit anderthalb Wochen Verzögerung nachholen, also mit anderen Worten in ein paar Tagen.
Und während Zyriak noch immer viel Trainierte und deswegen oft am Kampus war, war Odin mir nicht von der Seite gewichen, was ich sehr beachtlich fand, weil ich die meiste Zeit in dem Gästezimmer verbracht hatte. Ihm schien es jedoch egal gewesen zu sein, auch wenn er oft mit der Bettdecke gerangelt hatte.
Zyriaks Vater hatte mir eine Liste mit Befehlen gegeben, die ich täglich mit ihm üben sollte, damit er einen Teil seiner Kopfarbeit erledigte. Ich nahm an, dass Zyriaks Vater ihn hier behalten würde, sobald ich wieder in meine Wohnung zurück konnte. Das stimmte mich zugegeben ein wenig traurig, weil mir an seiner Gesellschaft einiges lag.

Während all diese Gedanken durch meinen Kopf rasten, saß ich im Esszimmer an dem Glastisch, die Mappe über Meeresbiologie geöffnet vor mir. Ungeduldig mit dem Stift wackelnd lehnte ich mich schließlich zurück. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Das Wetter draußen war wunderbar um einen Spaziergang zu machen und Sehnsucht durchbohrte mich, als ich die meterhohen Schneewehen betrachtete.
Genau das war mein Wetter, ich liebte Schnee. Und ich bekam auch nach sechs bis neun Monaten nicht genug davon. Odin lag neben mir auf dem Boden und hob aufmerksam den Kopf als, ich die Hände hinter meinem Nacken verschränkte.

"Hey", die Haustür wurde aufgeschlossen und Zyriak kam, sich den Schnee von den Stiefeln stampfend, herein.

"Hey.", Erwiderte ich stumpf, den Blick nach wie vor auf die sonnenbeschienenen weißen Massen gerichtet.

"Fertig mit lernen?", Fragte er, zog sich die Schuhe aus, ebenso wie den Schal und die Jacke. Ich wandte meinen Blick zu ihm, als er zum Esstisch kam, sich auf eine der Stuhllehnen stützte und mich musterte. Seine Wangen waren rot von der Kälte, genau wie seine Lippen und in seinen dichten dunkelblonden Wimpern hingen noch einige Schneeflocken, die nun schmolzen, jetzt da er sich im Warmen befand.

"Eigentlich nicht. Aber mir hängt es langsam zum Hals raus, dass ich nicht nach draußen darf.", Sagte ich und biss mir auf die Zunge, da diese Worte schroffer geklungen hatten, als ich es beabsichtigt hatte, "Ist nicht böse gemeint. Ich bekomme nur langsam einen Hüttenkoller."

Zyriak lachte und schüttelte sich die letzten Schneeflocken aus den Haaren.

"Dann freut es dich sicher zu hören, dass du morgen mit zum Windski kommen darfst, wenn du willst."

"Wo ist der Haken?", Fragte ich langsam nach, da er mich nur abwartend betrachtete. Ich kniff die Augen ein wenig skeptisch zusammen und legte den Kopf schief.

"Du musst dich dick einpacken. Stell dir das Michelin-Männchen vor, dann hast du eine ungefähre Vorstellung davon, wie du morgen aussehen würdest."

Ich zog die Augenbrauen hoch und stieß schwer die Luft aus.

"Ich glaub da bleib ich doch lieber hier und mache mit Odin einen Spaziergang."

"Nur unter Aufsicht."

"Ich bezweifle ohnehin, dass du mich in nächster Zeit alleine irgendwo hingehen lassen würdest."

Darauf erwiderte er nichts, sondern kratzte sich nur im Nacken.

"Was?", Fragte ich, als er sich dann abwandte und wieder in den Flur ging.

"Die nehmen mich doch mit zu den Meisterschaften in die USA. Jackson ist ausgefallen, er hat sich beim Training das Bein gebrochen und kann nicht mit, seine Vertretung liegt mit 'ner miesen Grippe flach, er wird wahrscheinlich nicht wieder auf den Beinen sein, bis zur Meisterschaft. Sie nehmen mich als Ersatz, auch wenn ich nicht in ihrem Team bin."

Ich nickte langsam und verstand im ersten Moment nicht, warum er sich nicht darüber freute.

"Ist doch gut?", Horchte ich langsam nach, als er einfach nur im Flur stand, "Wann fahrt ihr los?"

"Quasi an Weihnachten. Hab also noch knapp anderthalb Monate hier und bin dann für zwei oder drei Monate weg. Je nachdem wie weit wir kommen.", Erklärte er niedergeschlagen. Ich musterte wie er mit den Socken auf dem Boden rumscharrte.

"Du wolltest doch zur Meisterschaft?", ich war zunehmend verwirrt. Was genau störte ihn daran jetzt? Die Aussicht ist haargenau die Selbe, als sie es auch vorher war. Einige Zeit im Ausland und dann wieder zurück zur Uni. Nur eben mit einem anderen Team, aber soweit ich das beurteilen konnte, waren die Teams nicht verfeindet, im Gegenteil, sie kamen sehr gut miteinander aus.

"Eigentlich sollten wir erst Neujahr fahren. Wegen dem Wetter haben wir das auf den Morgen am 26. Dezember ververlegt, das heißt ich verpasse das halbe Weihnachtsfest."

"Und das stört dich daran?", Ich runzelte die Stirn leicht. Das kaufte ich ihm nicht ab. Er schien hier zwar wie ein Familienmensch, aber sich nur deswegen den Wunsch auf die Meisterschaft schwarz malen zu lassen? Das konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen.

"Es geht eher darum... Argh man, meine Eltern... Ehm.", Er steckte sich die Hände in die Jackentaschen und räusperte sich, "Ich wollte eigentlich, dass du die Feiertage bei uns verbringst, aber so wird das ein ziemlich kurzes Fest.", Murmelte er.

"Naja, eigentlich feier ich kein...", ich hielt mitten im Satz inne, weil ich jetzt erst bemerkte, was er mir damit sagen wollte. Er wollte mit mir Weihnachten feiern. Ich riss die Augen ein wenig überrascht auf.

"Wie du feierst kein Weihnachten??", Fragte Zyriak nun entsetzt und drehte sich wieder zu mir um.

"I-ich...", Ich wandte den Blick zum Fenster, nahm die Hände aus dem Nacken um mein T-Shirt am Saum glattzustreichen und sah dann zu meinen Füßen. Sollte ich ihm sagen warum ich kein Weihnachten mehr feierte? Und seit wann ich schon kein Weihnachten mehr feierte? Ich biss mir auf die Unterlippe, "Ich hab kein Weihnachten mehr gefeiert, seit meine Mutter...", Murmelte ich und konzentrierte mich angestrengt auf den Stoff zwischen meinen Fingern. Ich hörte, wie Zyriaks Schritte auf mich zukamen und sah aus dem Augenwinkel, wie er neben mir stehen blieb. Dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und als ich aufblickte, sah er mir direkt in die Augen.

"Dann wirst du dieses Jahr das schönste Weihnachten haben, an das du dich je erinnern wirst, Ares.", Versprach er mir und sein ernster Blick löste ein schwereloses Gefühl in meinem Magen aus. Eines, das ich vorher noch nie auf diese Art verspürt hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top