Teil 81
Mario
Mario machte Nägel mit Köpfen und bat schnell um einen Termin beim Bischof.
Sein Entschluss stand fest.
Er wollte kein Priester mehr sein, er wollte eine Frau, eine Familie, ein Leben.
Natürlich spielte Gott noch immer eine große Rolle in seinem Leben, hatte er immer getan.
Seine Eltern hatten seinen tiefen Glauben nie verstanden, hatte sich oft darüber lustig gemacht.
Monas Eltern hatten ihn von Anfang an verstanden, was immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Älteren geführt hatte.
„Lasst den Jungen doch seinen Weg gehen!" hatte seine Tante ihre Schwester immer wieder aufgefordert.
„Ich will Enkelkinder! Ich will, dass er eine Familie gründet! Dafür habe ich ihn nicht unter Schmerzen geboren, dass er jetzt ein Pfaffe wird!" hatte seine Mutter gekeift.
Das war ihr Lieblingssatz: „Ich habe dich unter Schmerzen geboren!"
Dafür sollte er alles ihr unterordnen.
Er bat Mona, ihm ihr Auto zu leihen und fuhr in die Stadt.
Er war nicht aufgeregt oder nervös, sein Weg lag klar vor ihm.
In ihm war die gleiche Sicherheit wie damals bei Susanne.
Das Leben hatte ihm eine zweite Chance gegeben, er würde sie auf alle Fälle nutzen.
Der Bischof empfing ihn außergewöhnlich freundlich. „Schön, Sie wieder in heimischen Gefilden zu sehen, Dr. Goldberg! Wir brauchen Leute wie sie auch hier dringend. Wir hätten auch schon eine nette Gemeinde für Sie, in München, Ihrer Heimatstadt. Dass Sie nicht im Konvent leben wollen, verstehen wir natürlich."
Mario ließ den Redeschwall über sich ergehen. „Ich möchte vom Priesteramt entbunden werden!" sagte er danach ganz ruhig.
Der Bischof sah ihn überrascht an. „Und warum das? Sie haben in Afrika Großartiges geleistet. Waren mit Herz und Seele Priester!"
Lügen kam für Mario nicht in Frage. „Ich habe eine Frau kennengelernt und möchte eine Familie gründen."
Der Bischof lachte leise auf. „Da sind Sie nicht der Erste! So etwas lässt sich regeln. Nehmen Sie die Frau als Ihre Haushälterin mit, in spätestens einem Jahr hat sich die Sache dann von selbst erledigt."
Mario war fassungslos. „Und das wäre für die Kirche in Ordnung? Dass ich in sozusagen wilder Ehe mit einer Frau zusammenlebe?"
„Da wären Sie nicht der Erste und auch nicht der Letzte!" bekam er als Antwort.
Kopfschüttelnd stand Mario auf. „Aber für mich wäre das auf Dauer überhaupt nicht in Ordnung. So möchte ich nicht leben. Das hat auch die Frau, die ich liebe, nicht verdient." Er zwang sich, den Ring seines Vorgesetzten zu küssen, sich zu verbeugen.
Auch so ein affiges Ritual aus dem Mittelalter! dachte er dabei.
Er ist ein Mensch wie ich.
Ein Mensch wie Angie.
Nicht mehr und nicht weniger.
So hatte er seinen Glauben immer verstanden.
Diese ganze Hierarchie, die sich da aufgetürmt hatte, konnte er nur noch ablehnen.
Die ganzen Dogmen hatten doch nichts mehr mit der Welt von heute zu tun.
„Ihr letztes Wort?" fragte der Bischof.
„Mein allerletztes!" antwortete Mario und ging.
Auf dem Weg nach Hause kaufte er eine Flasche Champagner und einen einfachen Ring.
Angie war kein Mädchen für riesige Brillanten, sie war ein Mädchen, für das die Geste zählte.
Sie war nicht daheim, hatte auch einen Termin, um den sie ein großes Geheimnis gemacht hatte.
Er legte die kleine Schatulle mit dem Ring auf den Küchentisch, stellte die Flasche in den Kühlschrank, schrieb einen Zettel:
„Ich würde dich gerne heiraten. Wenn du ja zu mir sagen kannst, mach den Champagner auf und komm mit zwei vollen Gläsern ins Arbeitszimmer."
Eine halbe Stunde später hörte er, wie die Haustüre aufging.
Er atmete etwas schneller, war deutlich nervöser als vor dem Besuch beim Bischof.
Eine Weile lang war es still, dann hörte er die Kühlschranktüre gehen, dann knallte ein Korken, dann tapsten Schritte nach oben.
Kurz darauf stand Angie, die zweite Liebe seines Lebens vor ihm, hatte zwei Gläser in der Hand, an der linken sah er den Ring.
„Cool, dass du nicht so ein Getöns darum gemacht hast!" sagte sie und hielt ihm ein Glas hin.
„Getöns ist nicht so unser Ding, oder?" antwortete er, stieß mit ihr an, trank das Glas leer, stellte es ab und riss sie in seine Arme.
„Warum ich?" flüsterte sie.
„Wer sonst?" antwortete er.
Dann feierten sie zu zweit mit ganz viel Zärtlichkeit und ganz viel Leidenschaft ihre Verlobung.
Als sie erfüllt nebeneinander lagen, erzählte er von seinem Besuch beim Bischof, was sie zum Lachen brachte.
Ja! Das war ihr Mario, wie er leibte und lebte.
„Und wo warst du heute?" fragte er nach einer weiteren heißen Runde.
Angie lächelte ihn an. „Ich war bei Bert, meinem ehemalige Bewährungshelfer. Er hat mir ein Praktikum vermittelt in einem Heim für Jugendliche, die in unserer Gesellschaft als schwer erziehbar gelten, die aber einfach nur zu wenig Liebe abbekommen haben. Das wird sogar bezahlt. Das mache ich jetzt ein Jahr lang, dann gehe ich auf die Fachoberschule und anschließend studiere ich Sozialpädagogik."
Mario zog sie in seine Arme.
Ihm imponierte, dass sie einen Weg in ihrem Leben gefunden zu haben schien.
Doch ihn machte überglücklich, dass sie fest an eine Zukunft mit ihm geglaubt hatte.
Denn den Weg, den sie einschlagen wollte, konnte sie nur mit ihm zusammen schaffen.
Gut! Sie wären wohl noch eine Weile von Monas Unterstützung abhängig, außer er fand irgendeinen Job, aber das war kein Problem für seinen Männerstolz.
Umgekehrt würde er den letzten Cent für seine Cousine geben, die eigentlich seine große Schwester war.
Und er wusste, dass Geben seliger war als Nehmen. Das hatte Jesus schon in der Bergpredigt verkündet.
Er textete allen der zusammengewürfelten Gemeinschaft, die auf dem Weg war, eine dauerhafte und glückliche zu werden. „Heute Abend Verlobungsfeier bei Angie und Mario! Ab sechs am Grillplatz!"
Es wurde ein losgelöstes Fest. Der Wein floss in Strömen, Johannes hatte Grillfleisch besorgt, Maria Salate gemacht, Inga hatte Kuchen gebacken.
Mario stand mit Mona etwas abseits. „Wir werden deine Unterstützung noch eine Weile brauchen!" sagte er offen.
„Wie könnte ich mein leichtverdientes Geld besser investieren als in euch?" antwortete sie.
Damit war alles gesagt.
Der Fiat 500 von Mutter Vanmeeren, in die Jahre gekommen, doch wenig gefahren, stand vor Marios Haus, der Schlüssel steckte im Schloss. Somit hatten die beiden auch einen fahrbaren Untersatz.
„Danke!" sagte Mario nur. Mehr Worte waren in ihrem Kreis von liebenswerten Menschen nicht nötig.
Johannes lachte leise vor sich hin.
„Was ist?" fragte Anna.
„Ich musste nur daran denken, wie du dich damals gesträubt hast gegen das Auto!" erklärte er, was ihm einen liebevollen Knuff einbrachte.
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