Teil 75

Gisela sah die Frau ihres Enkels lächelnd an. „Es ist wunderschön, euch hier zu haben. Wir lieben Johannes so sehr, und dich und die Kinder natürlich auch. Wir haben ihn immer sehr vermisst. Er war unser Sonnenschein, von Geburt an. Es hat weh getan, ihn damals zurückzulassen, aber, als mich der Krebs erwischt hat, wollte mein Mann mich in die Sonne am Meer bringen, wo ich noch nie gewesen war. Dem lieben Gott hat es dann doch nicht gefallen, mich zu holen, und so sind wir eben hier geblieben. Schade, dass die Woche so schnell vergangen ist."

Anna grinste. „So wie es aussieht, habt ihr uns noch drei Wochen an der Backe." Sie weihte die Ältere, die jeden Tag jünger und jugendlicher zu werden schien, in die Pläne ihres Mannes ein.
Und Gisela tanzte außer sich vor Freude durch die Küche. Die anderen Frauen kamen dazu, sahen sie fragend an. Als sie den Grund für die Freude der Freundin erfuhren, tanzten sie mit.

Alma öffnete eine Flasche Champagner, schenkte die Gläser voll, die Ingrid gebracht hatte. „Darauf trinken wir! Und auf die Liebe, die Freundschaft, das Leben, wenn es auch nicht mehr all zulange dauern wird. Aber wir werden jeden Tag genießen." Alle wiederholten den Trinkspruch. „Wir werden jeden Tag genießen!"

Johannes fand die fröhliche Damenrunde bei Champagner und Oliven. Er hob sein Mädchen auf seine Hüften, tanzte mit ihr durch die riesige Küche. Die Kinder hielten sich in den Armen, tanzten mit.
Sie freuten sich auch sehr, dass sie noch bleiben würden.
Ihnen gefiel es sehr, hier auf dieser Insel, bei den freundlichen alten Leuten, die gar nicht so alt waren, nur ein bisschen.

„Also, Baby! Ich konnte den männlichen Teil der WG von meinen Plänen überzeugen. Jetzt muss ich nur ein paar Anrufe machen. Bleib brav! Ich bin bald wieder da."
Joshua kicherte. „Bleib brav! Die Mama ist doch immer brav!"
Er sah den Süßen liebevoll an. „Da hast du aber sowas von recht, Kumpel!"
„Aber du bist auch immer brav!" mischte sich Amelie ein. Er blinzelte seiner Tochter zu. „Muss ich schon!" Er duckte sich unter Annas Hand, die ihn knuffen wollte.

„Sonst?" fragte Joshua.
„Sonst wird die Mama sauer!"
Der Junge kicherte. „Und dann küsst sie dich nicht mehr!"
Johannes setzte ein trauriges Gesicht auf. „Und das wäre die schlimmste Strafe, die ich mir vorstellen kann!"
Lachend schubste Anna ihn zur Küchentüre hinaus. „Geh arbeiten, Mann!"

Sie sah ihm nach, wie er schwungvoll über den Hof lief.
Ihr Mann!
Ihre Liebe!
Ihr Leben!
Ohne sich umzudrehen, hob er die Hand und winkte ihr über seinem Kopf zu, bevor er im Appartement verschwand. Er wusste genau, dass sie ihm hinterher sah.
Eingebildeter Kerl! dachte sie, und ihr Herz platzte fast vor Glück.
Er kann sich aber auch eine Menge einbilden. Er hat Unheimliches geleistet in seinem Leben. Er war ein Genie!

Die Damen zogen um zum Pool, setzten sich in den Schatten der Pergola, hatten alle ein Auge auf die Kinder, die im Pool herumtobten.
„Thomas hat erzählt, dass du Bücher geschrieben hast. Jetzt, da wir dich kennen, würden wir die gerne lesen!" erklärte Alma nach einem weiteren Glas Champagner.
Anna wurde etwas rot, was nicht am Alkohol lag. „Ich weiß nicht recht ....!" antwortete sie vorsichtig.

Ob ihre Bücher der richtige Lesestoff waren für vier Damen jenseits der neunzig?
Alma kicherte. „Thomas hat schon angedeutet, dass es nicht gerade Kinderbücher sind. Aber das wäre doch was für uns. Wenn der Geist noch immer willig ist?"
Anna lachte laut los, hielt sich dann erschrocken die Hand vor den Mund. Alma gab ihr einen scherzhaften Klaps auf den Arm. „Das glaubst du wohl nicht? Warte nur, bis du in unserem Alter bist."
„Ich schick sie euch, wenn ich wieder zu Hause bin. Ich kann euch auch die DVDs besorgen, die Filme sind recht authentisch geworden."
„Prima! Dann feiern wir eine Orgie!" freute sich Alma.

Johannes rief als erstes seinen Kontaktmann bei der Firma an, die seine Erfindungen vermarktete. Sebastian war etwas wie ein Freund von ihm geworden in den letzten Jahren. Er war auch ein paar Mal in Afrika gewesen, hatte sich seine Arbeit vor Ort angesehen, war immer gerne ein paar Tage länger geblieben, hatte die Losgelöstheit vom Stress genossen.

„Hey, Mann! Schon lange nichts mehr gehört. Was geht ab in Afrika?" tönte es aus dem Lautsprecher.
Johannes lachte. „Wir sind wieder nach Deutschland gezogen. Amelie kommt heuer in die Schule, und wir finden es besser, wenn sie hier aufwächst. Zur Zeit sind wir allerdings auf Mallorca, bei meinen Großeltern."

Sebastians Schmunzeln war durch den Äther zu spüren. „Ihr lasst auch nichts aus vom Glück, oder?"
Johannes schwieg einen Augenblick. „Das Schicksal hat einiges gut zu machen bei uns." Er schluckte den Anflug von Traurigkeit hinunter. „Aber, warum ich anrufe: Die Herrschaften hier haben eine vorsintflutliche Stromversorgung, da muss ich natürlich etwas ändern. Habt ihr hier auf der Insel einen Geschäftspartner, der mit mir zusammen eine Anlage installieren kann? Also, Fotovoltaik und Kraftwerk."

Er hörte, wie der Ingenieur im Computer herumsuchte. „Ja, tatsächlich - in Manacor. Das ist Marcels Gebiet, aber er ist sicher nicht sauer, wenn ich dem Genie unserer Entwicklungsabteilung unter die Arme greife."
Er gab Namen und Adresse des Elektronikers durch, der Johannes' Anlagen auf Mallorca installierte.
„Ruf ihn an. Wenn er Zicken macht, komme ich runter. Oder ich schicke Marcel."
„Warum sollte er denn Zicken machen?" wunderte sich Johannes. „Ich beauftrage ihn ja ganz offiziell, zahle auch den normalen Preis."

Danach wählte Johannes die Nummer des spanischen Kollegen. Doch da fiel ihm ein, dass er ja die Sprache gar nicht beherrschte. Er legte schnell auf.
Anna! Anna sprach perfekt Spanisch, hatte sogar Abitur in der Sprache gemacht. Ob sie allerdings die technischen Begriffe drauf hatte? Aber die Techniksprache war sowieso Englisch, das konnte klappen. Sie würden es versuchen. Zu zweit schafften sie das bestimmt.

Er lief aufgedreht zum Haupthaus, hörte die Damen am Pool.
„Weib!" rief er aufgedreht. „Bei Fuß!"
Lachend kam seine Ehefrau angelaufen. „Wau! Wau!" rief sie schon von weitem.
Er sah an ihren glänzenden Augen, dass sie wohl etwas beschwipst war.
Er umarmte sie, küsste sie, schmeckte den Champagner auf ihre Lippen. „Wir müssen nach Manacor. Da ist ein Elektriker, der unsere Kraftwerke installiert. Du musst dolmetschen."
„Yes, Sir!" Sie salutierte.

Die Kinder kamen angelaufen. „Wir wollen mit!"
Hatten sie einen siebten Sinn?
Johannes kniete sich zu ihnen. „Papa und Mama müssen wegen dem Strom für die Finca kurz weg. Das versteht ihr doch, meine Großen?"
„Gut! Dann nerven wir eben die Urgroßeltern weiter!" bestimmte Amelie, und die beiden liefen zurück.

Sie fanden den blitzsauberen Betrieb in Manacor schnell. Nachdem sich Johannes vorgestellt hatte, was Anna simultan übersetzte, bat der spanische Kollege die Deutschen in sein Haus.
Halb in Spanisch, halb in Englisch diskutierten die Drei, was wie schnell zu realisieren wäre.
„Drei Wochen sind knapp!" meinte der Spanier. „Aber mit deutscher Unterstützung können wir das schon schaffen."

Der Vertrag wurde per Handschlag geschlossen, Johannes zückte seine Kreditkarte, um die Anzahlung zu begleichen.
Gonzales sah ihn etwas pikiert an. „Anzahlung? Nicht wirklich!"
Anna übersetzte.

Damit war alles gesagt. Gonzales versprach, sofort alles zu bestellen, was er nicht im Lager hatte.
Mit den Solarzellen könnten sie schon am nächsten Tag beginnen.
Beschwingt liefen Anna und Johannes durch die Straßen der wunderschönen Stadt. Sie kamen an einem Hotel vorbei, das Zimmer für eine Stunde anbot, hatten innerhalb einer Sekunde den gleichen Gedanken.

„Das haben wir noch nie gemacht!" flüsterte er in ihr Ohr.
„Das wäre eine Idee für einen Gutschein!" flüsterte sie in sein Ohr.
„Kannst du mir nicht gleich einen ausstellen?" fragte er.
„Könnte ich!" antwortete sie. „Nachträglich!"

Sie versanken schon wieder in dieser wahnsinnigen Sehnsucht nacheinander, betraten das Hotel, ohne lange nachzudenken.
„Eine Stunde? Oder zwei?" fragte der schmierige Portier.
„Zwei!" antwortete Anna mit belegter Stimme.
Johannes zahlte, schleppte seine Affäre, die seit langen Jahren seine Ehefrau war, in den ersten Stock.

Das Zimmer roch muffig, die Bettwäsche hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber sie sahen nur die Schönheit ihren Körper, atmeten halb besinnungslos ihren Duft ein, rasten vor Leidenschaft.
Schon wieder! dachte er, so lange er noch denken konnte.

Tiefenentspannte Eltern nahmen Stunden später ihre Kinder in die Arme.
„Und? Klappt das dann mit dem Strom?" fragte Amelie naseweis.
„Natürlich, junge Dame! Wenn deine Eltern etwas in die Hand nehmen, klappt das auch!" versicherte Johannes.

Er informierte die Bewohner der Finca, dass es ab morgen etwas laut werden würde.
„Dann schalten wir einfach unsere Hörgeräte aus!" witzelte Josef.
Doch das brauchte es gar nicht. Das Grundstück war so groß, dass sich die Senioren mit Anna und den Kindern jederzeit zurückziehen konnten.


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