Teil 67

Anna wusste nach ein paar Minuten mit der jungen Frau, dass sie auf einer Wellenlänge lagen. Das war ihr in ihrem Leben selten passiert, dass sie sich so auf Anhieb zu einem Menschen hingezogen fühlte. Sie hatte wenig eigene Freundinnen gehabt in ihrem Leben. Mit Ulla hatte sie sich gut verstanden gehabt, doch die Zeit in Afrika hatte die Freundschaft einschlafen lassen.

Anfangs hatte es noch ein paar Anrufe gegeben, doch dann waren ihnen die Themen ausgegangen, die beide interessierten.
Blieben Mona und Inga, die sie sehr ins Herz geschlossen hatte
Irgendwie hoffte sie, dass Sarah die dritte im Bunde werden würde.

Fröhlich packten die Vanmeerens das vorbereitete Gepäck in den Heli.
„Fliegen wir da mit?" fragte Amelie vollkommen von den Socken.
Joshua hüpfte vor Begeisterung wie ein Flummi auf und ab.
Johannes nahm seine Kinder hoch. „Ja! Wir fliegen in Urlaub! Nur wir vier!"

Sein Herz platzte fast vor Glück. Es war ihm gerade bewusst geworden, dass sie noch nie nur als Familie irgendwo gewesen waren.
Die Kleinen juchzten, als der Hubschrauber hochstieg. Sie zeigten keinerlei Angst, sahen aus den Fenstern auf die immer kleiner werdende Landschaft.
„Schau mal da: Die kleinen Häuser!" rief Joshua.
„Und die winzigen Autos!" jubelte Amelie.

Joshua klatschte in die Hände, hopste auf dem Sitz, soweit der Gurt es zuließ.
Johannes strich ihm glücklich über die Wange, sah Anna strahlend an.
Sie erwiderte seinen Blick verliebt. Er war der Beste! Und diese Augen! Wenn sie so strahlten!
Wieder einmal hatte sie dieses tiefe Gefühl in sich, das sie ganz und gar erfüllte.
Dieses Gefühl von tiefer Liebe, tiefem Vertrauen!
Er sprach immer wieder davon, dass er ihr die verlorenen Jahre an Christians Seite zurückbringen musste.

Als wäre er schuld daran gewesen.
Dabei hatte sie diese Zeit schon lange vergessen.
Ihr Leben hatte an diesem Abend im Biergarten begonnen, als sie den echten Johannes kennengelernt hatte.
Ihren absoluten Traummann!

Sie musste mal mit ihm darüber sprechen, damit er aufhörte, sich ihr gegenüber so verpflichtet zu fühlen.
Oder nicht?
Denn irgendwie genoss sie schon auch jede einzelne seiner Anstrengungen, sie glücklich zu machen.

Aber sie wusste auch genau, dass er das gern machte, dass er es liebte, sie zu überraschen, sie auf Händen zu tragen, ihr die Welt zu Füßen zu legen.
Und sie war ja auch immer bestrebt, es bei ihm genauso zu halten.
Ihre Beziehung war ein Geben und Nehmen.

Seine Hand spielte mit ihren Fingern, wie damals bei ihrem ersten Abendessen beim Thailänder.
Sie genoss die unschuldigen, aber höchsterotischen Zärtlichkeiten noch immer. Ganz egal, wo sie waren, er schien sie immer irgendwo berühren zu müssen.
Ihre beiden Kinder liebten es, wie die Eltern miteinander umgingen, auch wenn Amelie manchmal die Augen verdrehte und ein wenig lästerte. Aber im Grunde genoss sie die Liebe von Papa und Mama zueinander, da war Anna sicher.

Johannes beobachtete sein schönes Mädchen. Wohin ihre Gedanken wohl unterwegs waren? Er hoffte, zu ihm – so verzückt, wie sie lächelte.
Vielleicht dachte sie an die letzte Nacht?
Das war wieder einmal absolut heiß gewesen!
Sie hatten eine neue Stellung ausprobiert, die sie im Internet entdeckt hatte. Noch immer war ihnen ihr Sexualleben sehr wichtig, noch immer lasen sie einige Artikel, zusammen oder alleine.

Anfangs hatte sie sich kringelig gelacht, weil es schon ein wenig sehr akrobatisch war.
„Nein, dein Bein muss nach oben!" hatte sie kommandiert. „Nicht so! Angewinkelt!"
Dann hatte sie wieder ein Lachanfall gestoppt. „Du stellst dich heute aber an!" hatte sie ihn geneckt.

Er hatte schon Bauchschmerzen. „Bist du sicher, dass du das genau angesehen hast? Dass wir nicht die nächsten Tage beim Chiropraktiker verbringen müssen?"
Sie schnaufte entrüstet auf. „Noch einmal von vorne!"
Und dann klappte es plötzlich, und sie mussten beide zugeben, dass die Mühe sich gelohnt hatte.

Schweratmend hatten sie gewartet, bis die Pulsschläge sich wieder beruhigt hatten, dann hatten sie sich noch ein Glas Wein und eine Zigarette gegönnt und eine etwas weniger anstrengende Runde.

„Denkst du an die letzte Nacht?" flüsterte er ihr zu.
Sie lächelte ihn an, und sein Herz platzte beinahe vor Liebe.
„Nein!" antwortete sie leise, und er war etwas enttäuscht. „Ich habe an die letzten Nächte gedacht."

Die Enttäuschung wich großer Zufriedenheit.
„Und an die Tage genauso!" schob sie nach.
Und er wusste, er war noch in der Spur. Er würde sie glücklich machen für den Rest ihres Lebens.
Und seine Kinder auch, die sich an den Händen hielten und sich immer wieder auf etwas hinwiesen, was es unten zu sehen gab.

Sarah beobachtete Johannes und Anna aus den Augenwinkeln. Sie hätte so viele Fragen zu ihrem Aufenthalt in Afrika gehabt, hatte auf eine Unterhaltung darüber gehofft.
Aber sie konnte dieses innige Glück, das sie ausstrahlten, unmöglich stören.
Die beiden waren schon fast zehn Jahre ein Paar, hatten schlimme Dinge zusammen gemeistert und sie schienen verliebt wie am ersten Tag.
Das musste schön sein.
Diese Vertrautheit.
Diese Nähe.
Diese Liebe.

Das erhoffte sie sich auch für ihr Leben. Mehr wollte sie gar nicht. Geld, ein großes Haus, ein schicker Wagen – das zählte für sie nichts.
Sie hatte sich nicht in Mike verliebt, weil er Hubschrauberpilot war und Kohle zu haben schien.
Sie hatte sich bei diesem Einsatz auf der Autobahn verliebt, als er sich neben sie stellte, um die Gaffer am Filmen zu hindern.

Und ein bisschen mehr, als er zu ihrem ersten Date ein wenig zu spät kam, dafür aber umwerfend duftete.

Und noch ein bisschen mehr nach der ersten Nacht, als sie zum ersten Mal erlebt hatte, dass ein Mann sich voll und ganz ihren Bedürfnissen als Frau widmete und es auch genoss.

Und von da an jeden Tag ein bisschen mehr.
Dafür, dass er sie nach einer Woche bat, zu ihm zu ziehen.
Dafür, dass er sich jeden Tag, wenn sie von der Arbeit kam, Zeit für sie nahm, damit sie erzählen konnte, was im Job alles passiert war.

Dafür, dass er zuhörte, Fragen stellte, die sein Interesse bewiesen.
Dafür, dass er Trost bei ihr suchte, wenn ein Rettungseinsatz nur zu einem Leichentransport geworden war.
Dafür, dass er sich dann seiner Tränen nicht schämte.
Dafür, dass er der aufgedrehte 18jährige war, genauso wie der verantwortungsvolle 30jährige.
Dafür, dass er sie liebte und sich von ihr lieben ließ.

Mike sah ihre Blicke auf das Liebespaar hinter ihnen, dann die Blicke auf ihn.
Er küsste ihre Finger und flüsterte nur: „Ja!"
Sarah verstand. „Ja! Auch wir werden in zehn Jahren noch so glücklich sein wie die beiden!" hatte das geheißen.
Sie nickte nur strahlend. „Ja! Ich glaube dir!" hieß das.

Dann landeten sie auf dem Feld, wie vor Jahren, am Tag ihrer Verlobung.
Ihrer zweiten Verlobung, wohlgemerkt.
Sie verabschiedeten sich von Sarah und Mike. „Bis in einer Woche!"
Die Familie Vanmeeren machte sich auf den Weg. Johannes trug einen schweren Rucksack, Anna einen kleinen und die Kinder ganz kleine.

Den Aufstieg ließen sie langsam angehen. Vor dem steilen Stück machten sie Rast an einer Bank, Johannes packte leckere Brotzeit aus.
Den Endspurt schafften alle locker. Kurz vor der Hütte schickte Johannes die Kinder los. „Lauft mal voraus! Sucht das Hexenhäuschen!" motivierte er die Kleinen.
Er nahm Anna in die Arme. „Schau mal da links! Ein Felsen!" flüsterte er ihr mit einem frechen Grinsen zu.

„Hast du deine Gutscheine dabei?" fragte sie todernst.
Er tat, als ob er sich aufs Glatteis führen ließ und machte ein deprimiertes Gesicht. „Nein! Habe ich vergessen!"
Dann hellte sich seine Miene auf. „Vielleicht habe ich aber Kredit?"
„Verhandlungssache!" erklärte sie sehr geschäftsmäßig.
Er küsste sie leidenschaftlich. „Weil du meinem Welpenblick auch widerstehen kannst."
Sie lachte, bis sie sich den Bauch hielt, sah ihm tief in die Augen. „Das versuche ich lieber gar nicht erst."

Er streckte die Siegerfaust in die Luft. „Yep! Gewonnen! Fels, wir kommen!" rief er übermütig.
„Du spielst unfair!" beklagte sie sich halbherzig.
„Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt!" meinte er, bevor seine Lippen und seine Hände ihr eine Kostprobe davon gaben, was er auf diesem Felsen mit ihr zu tun gedachte.

Amelie und Joshua kamen angeflogen. „Wir haben das Hexenhaus gefunden! Ist die Hexe zuhause? Ist Hänsel da? Haben sie die Hexe schon in den Ofen geschoben?" Ihr Sohn hatte eine Vorliebe für die grausamen deutschen Märchen.

Amelie knuffte ihn. „Das sind doch nur Geschichten, die sich jemand ausgedacht hat!"
Johannes grinste vor sich hin. Das hätte jemand zu ihm sagen müssen, damals, als er so vollkommen unvorbereitet Annas Bücher gelesen hatte.
Sie konnte seine Gedanken natürlich wieder einmal lesen, grinste ihn an. „Was für eine kluge Tochter ich doch habe."

„Du hast eine Tochter? Und ich?" zog er sie auf.
„In diesem speziellen Fall ist sie ausnahmsweise meine Tochter!" gab sie zurück, und er gab sich geschlagen.
„Also, das ist unsere Hütte für eine Woche!" rief er den Kindern zu. „Dann sucht mal den Schlüssel."
Das würde sicher eine Weile dauern. Diese Zeit konnte er doch nutzen, sein heißes Baby zu küssen.

Den Schweiß von ihrem Hals zu lecken.
Sie ein wenig anfassen, zwischen den Beinen zum Beispiel, oder unter ihrer heißen, engen Wanderbluse, sich ein wenig reiben an ihr.
Viel zu schnell hatten die leider sehr intelligenten Kinder den Schlüssel gefunden, und er ergab sich in sein Schicksal.
Eine Woche!
Ganz ohne Babysitter!
War das jetzt ein guter Plan gewesen?


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