Teil 6

Annas Hoffnung

Anna ließ sich auf ihr Sofa sinken. Das war ein schöner Abend gewesen.
Es war tausend Mal besser, nicht verknallt in einen Typen zu sein.
Sie hatten so viel Spaß gehabt.
Er war wirklich nett, der Kuppelmann vom Piratenball.
Und er hatte schöne Augen.
Hellbraun, mit dunklen Einschlüssen.

Bernsteinaugen! dachte sie.
Wie Hannes.
Aber sie war nicht Mia.
Sie war nicht die wunderschöne Mia, in die sich alle Männer verliebten.
Hans war auch nicht verliebt in sie.

Er hatte nicht eine Andeutung diesbezüglich gemacht, hatte nicht versucht, sie anzufassen, sie zu küssen.
Er fand sie vielleicht amüsant, nett.
Wahrscheinlich würde sie in der Friend-Zone landen.
Na ja! Besser als nichts.

Ob er morgen wirklich anrufen würde?
Anna! schalt sie sich. Bist du schon wieder soweit? Du brauchst keinen Mann. Lebe endlich dein eigenes Leben.
Aber der rief eh nicht an. Sie hatte ihn zweimal abgewiesen. Das vergaß kein Mann so einfach.
Warum hatte sie das eigentlich getan?
Weil ich es gekonnt hatte! gestand sie sich ein.
Sie legte sich ins Bett und schlief tief und fest, so gut, wie schon seit langem nicht mehr.

Um zehn Uhr meldete ihr Handy eine Textnachricht.
Danke für den schönen Abend! Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt! Johannes Vanmeeren.
Wie im Fieber flitzten ihre Finger über die Buchstaben.
Mir hat der Abend auch sehr gut gefallen! Anna Müller, bald Falkenberg
Sollte sie die Antwort wirklich gleich senden?
Das sah ja dann so aus, als ob sie auf die Nachricht von ihm gewartet hatte.
Lieber noch eine Stunde warten.

Hans war vollkommen aufgedreht nach Hause gekommen. Er hatte das Gefühl, die Welt aus den Angeln heben zu können. Aber er sollte jetzt dringend schlafen, morgen, also heute würde ein anstrengender Tag sein.

Er schrieb ihr eine Nachricht, aber er wollte sie erst morgen senden. Er wollte es ja langsam angehen.

Anna! Wunderschöne Anna! dachte er, bevor er einschlief.

In der Pause um zehn sandte er die paar Zeilen, die er in der Nacht geschrieben hatte. Minütlich hoffte er auf Antwort. Um elf endlich kam sie.
Gut! Sie ignorierte ihn nicht mehr, servierte ihn nicht wieder ab. Ab da raste der Tag nur so dahin. Seine Meisterschüler nahmen verblüfft seine gute Laune zur Kenntnis.
Um sechs Uhr war er zu Hause. Sein Magen knurrte, aber er konnte sich nicht aufraffen, etwas zu essen.

Er wollte Anna anrufen, er wollte ihre Stimme hören, er wollte sie sehen.
Aber er hatte Panik.
Was, wenn sie heute nachgedacht hatte?
Wenn sie ihn nun doch nicht mehr wiedersehen wollte?
Wenn sie ihn wieder so abservierte wie bei seinem Anruf vor einem halben Jahr?
Das hatte verdammt weh getan.
Weher, als es eigentlich hätte tun sollen.
Bei einem Mädchen, das er kaum kannte.
Er wollte das: „Nein! Eigentlich nicht!" auf seine Frage, ob sie sich mit ihm treffen wollte, nicht nochmal hören.

Aber der Abend war so schön gewesen.
Sie hatte ihm doch nichts vorgespielt.
Sie hatten sich doch gut verstanden.
Fuck! Er stand vollkommen neben sich.
Vielleicht hätte er ihr nochmal texten sollen.
Ein paar Andeutungen machen.
Aber er hatte einen Job zu machen gehabt.
Er rannte im Zimmer auf und ab wie ein Tiger im Käfig.

Anna saß in ihrem kleinen Freisitz. Das Telefon, das sie den ganzen Tag nicht aus den Augen gelassen hatte, lag auf dem kleinen Tischchen.
Sie hatte auf noch eine Textnachricht gehofft.
Aber er musste ja arbeiten!
Wie lange wohl?
Ab wann würde er sich melden?
Würde er sich melden?

Oder zahlte er ihr ihre Abfuhren zurück?
Hatte er ein wenig gespielt mit ihr, um sich zu revanchieren?
Lachte er über sie, wie der ekelhafte Hans 1, den sie ihm vorgezogen hatte?
Um sieben meldete sich endlich ihr Telefon, aber es war ihre Schwester.
„Na, Kleine? Ihr habt euch ja gestern echt gut verstanden!" begann sie.
Anna verdrehte die Augen. Da wurde jetzt wohl ein lückenloser Bericht erwartet, wie es weitergegangen war.

Maria und Max hatten seit Monaten alles darangesetzt, ihr einen neuen Mann zu verschaffen.
Als sie während der Schreiberei immer wieder alle Einladungen abgewiegelt hatte, hatten sie schon gehofft, es gäbe jemanden in ihrem Leben.
Und sie hatten ja nicht einmal Unrecht.

Es hatte Jonas gegeben, dann Lukas, dann Hannes und zuletzt Niklas.
Allesamt gutaussehende Männer, die sie auf Händen trugen, perfekte Liebhaber waren.
Die nur einen Fehler hatten: Sie existierten nur in ihrer Fantasie.

Schließlich antwortete sie auf Marias ungestellte Frage: „Nein! Wir haben nicht miteinander geschlafen. Und ob wir uns wiedersehen, weiß ich nicht."
Die Schwester lachte leise. Die Kleine war ganz schön frech. „Na, dann mach ich mal die Leitung frei. Ich höre von dir."

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