Teil 58

Ein paar Wochen nach der Taufe lachte Anna laut auf, als sie ihre Mails checkte.
Johannes sah sie fragend an.
„Roman hat seine zweite Prüfung geschafft und fragt an, ob er bei uns eine Weile unterrichten kann!" Sie konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Sie wusste genau, dass der gutaussehende Kollege ein rotes Tuch für ihren Mann war.

„Pf!" machte der nur. „Hat der einen Vollschuss, oder was?" Der Typ war in den letzten Sommerferien hier gewesen und hatte sein Mädchen dermaßen angebaggert, dass es ihm wirklich zu viel geworden war.

Er sah normaler Weise drüber weg, wenn seine Süße angeschmachtet wurde. Das war ja von Anfang schon so gewesen. Sogar Lukas hatte damals die Augen kaum von ihr lösen können!
Manchmal machte es ihn auch ein wenig stolz, aber der Junge hatte es damals wirklich übertrieben!

Angefangen hatte es mit Zettelchen, auf denen selbstverfasste Liebesgedichte gestanden hatten, und die er unter der Türe durchgeschoben hatte.
Da hatte er noch mit ihr zusammen darüber gelacht.

Doch als Roman angefangen hatte, sein Mädchen anzufassen, versucht hatte, sie zu küssen, von gemeinsamen Plänen in Deutschland zu faseln, war ihm doch die Hutschnur gerissen, und er hatte den jungen Mann hinausgeworfen.

Er schnappte sich Annas Handy und antwortete direkt: „Vergiss es! Johannes!"

Postwendend kam die Antwort. „Keine Angst! Ich bin in festen Händen! Carina kommt mit!"
Johannes schüttelte den Kopf. „Klar! Carina kommt mit! Und seine Tante und sein Onkel und der Hund!" brummte er. Anna hielt sich den Bauch vor Lachen.

„Wohin?" tippte er ein.
„Zu euch!" kam zurück.
„Was an: Vergiss es! hast du nicht kapiert?" Langsam machte Johannes das Spielchen Spaß.
„Ach komm, Bro! Stell dich nicht so an! Carina ist ein heißer Feger!"
Jetzt lachte Johannes laut heraus.
„Ach! Echt? Denkst du an einen kleinen Frauentausch?" Ein grinsender Smiley schmückte seine Antwort.

Danach dauerte es eine Weile, bis Roman sich wieder gefangen hatte.
„Also jetzt ernsthaft! Ich würde wirklich gerne ein Jahr in Afrika unterrichten! Das mit Carina habe ich nur geschrieben, damit du beruhigt bist!"

Johannes verdrehte die Augen. Der Kerl war vielleicht hartnäckig! Wohl war ihm nicht, aber letztendlich fehlten ihm die Argumente.
„Von mir aus! Wenn es sich nicht vermeiden lässt!" Jeder normale Mensch würde auf eine so unfreundliche Einladung mit Rückzug reagieren, aber normal schien dieser Typ nicht zu sein!
„Super! Also, bis August! Ich maile meine Flugdaten." kam begeistert zurück.

„Gut! Dann können wir rechtzeitig abhauen!" startete Johannes einen neuen Versuch der Unfreundlichkeit, aber der andere schien zufrieden, der Chat war zu Ende.

Als Johannes gottergeben in der Ankunftshalle wartete, dachte er nicht sehr freundlich an seine Süße, die ihn überredet hatte, die beiden abzuholen.
Er sah sie schon von weitem. Sie waren ein ausgesprochen schönes Paar, vor allem ein auffallendes Paar.

Roman war der Typ von Womanizer, nach dem sich die Damenwelt ungewollt umdrehte. Groß, gut trainiert, dunkle Haare, blaue Augen.
Vom Aussehen her wohl die Sorte Mann, die sein Mädchen in den Büchern beschrieben hatte.

Carina war durchaus etwas für Männeraugen, das musste er eingestehen. Ebenfalls groß, schlank, endlose Beine, gut gerundet an den richtigen Stellen. Der kurze Rock erlaubte einen Blick auf muskulöse Oberschenkel.

Doch in ihrem Gesicht konnte man vor lauter Farbe nicht viel erkennen. Am auffälligsten waren ihre knallrot geschminkten, zu einem Schmollmund aufgespritzten Lippen – etwas, das Johannes abartig fand!

Die unnatürlich langen, falschen Wimpern machten den unechten Ausdruck perfekt.
Als Roman ihn entdeckte, zog er seine Begleiterin aufreizend an sich, flüsterte ihr scheinbar etwas ins Ohr und begann sie leidenschaftlich zu küssen.
Doch der Kuss sah sehr nach Show aus! dachte Johannes. So nach dem Motto: Seht ihr alle, was für ein Schmuckstück ich mir geangelt habe?

Roman begrüßte Jo wie seinen allerbesten Kumpel, den er viel zu lange nicht gesehen hatte.
Carina fiel ihm, dem vollkommen Fremden, enthusiastisch um den Hals, presste sich an ihn, küsste seine Wangen - rechts, links, rechts und noch einmal links.
Etwas genervt machte Johannes sich frei.
„Ich habe schon so viel von dir gehört!" zwitscherte Carina begeistert.
„Das kann ich mir vorstellen!" brummte er nur.

Im Wagen setzte sie sich auf den Beifahrersitz, streckte die langen Beine aufreizend von sich. Natürlich riskierte Johannes den einen oder anderen Blick, er war schließlich ein Mann.
Er sah im Rückspiegel, dass Roman ihn nicht aus den Augen ließ. Ein Grinsen spielte um die Lippen des Gastes.

Johannes konzentrierte sich auf den Verkehr.
Doch seine Gedanken drehten sich um die Neuankömmlinge. Was lief da?
Was für ein Spiel?
Er war froh, als sie das Dorf erreicht hatten.
Schnell brachte er die beiden in die Lodge, die für sie vorbereitet worden war. Carina wich nicht von seiner Seite, schien ihren Begleiter vollkommen vergessen zu haben.

„Sehen wir Anna nachher?" fragte Roman.
„Ich glaube nicht! Sie stillt gerade, und danach ist sie immer ziemlich müde!" antwortete Johannes.
„Oh! Ihr habt ja schon zwei Kinder. Wird dir das nicht manchmal zu viel? Ein so junger Mann wie du hat sicher noch andere Interessen als Familienvater zu sein?" turtelte sie.

Die hat echt einen Knall! Johannes wurde ordentlich sauer.
„Meinst du Sex? Oh! Da kann ich mich nicht beklagen!" knallte er ihr hin und verschwand.

Zu Hause erzählte er Anna von dem komischen Pärchen.
Auch sie schüttelte nur den Kopf.
Die nächsten Tage gestalteten sich sehr ungewöhnlich. Carina tauchte überall dort auf, wo Johannes zugange war, Roman schien nicht von Annas Seite zu weichen.

Oft sprachen die beide über das seltsame Benehmen. Plötzlich fiel bei Ihm der Groschen.
„Die beiden sind ein Fake!" rief er und klatschte auf den Tisch. „Der will sich an dich ranmachen und hat Carina auf mich angesetzt."
Anfangs lachte Anna noch, doch je weiter er sprach und die Fakten aufzählte, umso mehr musste sie ihm zustimmen.

„Na! Dann werden wir da doch mitspielen!" schlug sie vor. „Also ich! Du nicht!" Sie drohte ihm mit dem Finger.
Er zog sie auf seinen Schoß. „O Gottchen, Süße! Von einem solchen Farbkasten droht dir wirklich keine Gefahr." Zum Beweis küsste er sie leidenschaftlich.
„Bist du früher auf solche Frauen abgefahren?" fragte sie ihn.
„Wenn ich eine schnelle Nummer gesucht habe, sicher! Da ist dieser Typ Frau gerade richtig!" erklärte er lachend.

Dann heckten sie ihren Plan aus. Am nächsten Abend ging Anna alleine zum Dorf hinaus. Wie erwartet dauerte es nicht lange, und Roman war an ihrer Seite.
„Hast du Stress mit Johannes?" fragte er mitleidig.
Sie nickte, scheinbar tottraurig. „Seine Blicke kleben nur noch an Carina. Mich sieht er gar nicht mehr."

Er legte tröstend den Arm um sie, sie schmiegte sich an ihn.
„Dann ist mein Plan ja aufgegangen!" verriet er sich.
Sie sah ihn gespielt ungläubig an. „Wie meinst du das?"
Sein Griff verstärkte sich. „Du weißt genau, wie scharf ich auf dich bin." Er versuchte sie zu küssen, sie wich seinen Lippen geschickt aus. „Wenn Carina Johannes vernascht hat, gehörst du mir."

Anna musste sich sehr, sehr zusammenreißen, um nicht loszulachen. Der Typ war ja noch doofer, als sie gedacht hatte. Sie versuchte schnell, aus dem amüsierten Gesichtsausdruck einen strahlenden zu machen.

„Du willst mit mir zusammenleben?" fragte sie scheinbar vollkommen begeistert.
Roman kam ein wenig ins Schwitzen. „Ja! Ja! Sicher!" stammelte er etwas überfahren.
„Du gehst mit mir nach Deutschland zurück, kaufst ein Haus für mich und meine Kinder? Dann musst du dir aber noch einen Zweitjob suchen. Ich kann ja nicht arbeiten mit den nervigen Kleinen. Was meinst du, wie kaputt ich abends immer bin, bis die Monster schlafen.
Und ich habe auch keine Kohle mehr. Habe alles in dieses Kaff hier gesteckt. Und Kinder kosten Geld, das kann ich dir sagen. Also, wann fahren wir?"

Roman hatte einen tiefroten Kopf. Doch er glaubte noch immer, sein Ziel erreichen zu können. Er blieb stehen, zog sie an sich. „Küss mich doch erst einmal!" flüsterte er, wie er annahm, verführerisch.

„Nee, lass mal! Mit dem ganzen Sex-Getöns habe ich seit den beiden Geburten nichts mehr am Hut!" wehrte sie ihn ab.
Doch sein Griff verstärkte sich. Seine linke Hand griff nach ihrer Brust, drückte sie fest. „Aber ich kann es dir doch ganz anders besorgen als der Schnulli!" krächzte er heiser. „Komm, Anna, ich will dich schon so lange."

Er bemerkte die Männer nicht, die hinter ihm aus dem Gebüsch auftauchten. Zwei von ihnen hakten sich in seine Ellbogen, zogen ihn einfach mit sich, verfrachteten ihn in das bereitstehende Auto, Duncan saß grinsend am Steuer.

Das Gepäck von den beiden ungebetenen Gästen lag im Kofferraum. Der junge Mann, mittlerweile Leiter der Schreinerei, hatte Carina aus der Lodge gelockt. „Master warten auf schöne Deutsche!" hatte er ihr erklärt und ihr heiße Blicke geschenkt. Er sprach zwar perfekt Deutsch, stellte sich absichtlich etwas dumm. „Will ficki-ficki!" Er lachte dämlich. Danach stand sie etwa eine Stunde in einer abgelegenen Ecke des Gastbereiches, hörte nicht das Kichern der Frauen, als sie immer wieder nach Johannes rief.

Währenddessen packten einige die Sachen der beiden Gäste ein, ihre Söhne brachten die Koffer zu Duncan.
Anna beschloss schließlich, das arme Mädchen zu befreien. Langsam schlenderte sie auf sie zu.
„Wartest du auf jemanden?" fragte sie unbeteiligt.

Carina wurde etwas rot. „Klar! Auf Roman!" versuchte sie sich aus der Bredouille zu ziehen.
„Ah! Auf Roman! Der sitzt da vorne im Auto. Vielleicht hast du etwas falsch verstanden?" wunderte sich Anna.

Da wusste auch Carina, dass das Spiel zu Ende war. Hocherhobenen Hauptes stöckelte sie in die Richtung, in die Anna gezeigt hatte.
Unter lautem Gelächter der Dorfbewohner fuhr Duncan ab, hupte noch ein paar Mal und brachte das Pärchen zum Flughafen.
Dort überließ er sie ihrem Schicksal.


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