Teil 42
Am 12. Mai, dem Tag der standesamtlichen Hochzeit, strahlte die Maisonne vom Himmel. Anna hatte sich beim Shopping mit Mona für ein knappes Korsagenkleid entschieden, im Grau ihrer Augen, das nicht im geringsten trist aussah, sondern sie leuchten ließ.
Als Johannes sie zum ersten Mal sah, blieb ihm fast das Herz stehen. Ihr ging es nicht anders bei seinem Anblick. Er hatte sich für einen legeren hellen Leinenanzug entschieden, mit einem mittelbraunen Hemd in dieser bestimmten Farbe, die Inga einmal für ihn ausgesucht hatte, und einer hellen Krawatte.
„Bleiben wir lieber zu Hause!" stöhnte sie.
„Ja, ja! Jetzt bekommt sie Muffe, die Süße!" Er zog sie an sich, küsste sie vorsichtig. Schließlich hatten sie ja durchaus ernstzunehmende Pläne für diesen Tag.
Lachend wie so oft liefen sie durch die Straßen, sie hatten es nicht weit zum Alten Rathaus.
Glückstrahlend kamen sie im Reichssaal an, Lukas und Mona waren schon angekommen, stilecht mit einem blumengeschmückten Oldtimer.
Mona hatte sich für ein ähnliches Kleid wie Anna entschieden, nicht ganz so knapp geschnitten, ihre Formen waren etwas üppiger.
Lukas sah ebenfalls fantastisch aus. Er trug einen blauen Anzug mit weißem Hemd, eher klassisch.
Die Zeremonie ging unspektakulär vor sich.
Trauzeugen waren bei beiden Paaren Thomas und Inga.
Max und Maria hatten kein Problem damit. „Ich heul sowieso die ganze Zeit!" hatte Max erklärt, und alle hatten herzlich gelacht.
Die Feier fand im Elternhaus Vanmeeren statt, Anna und Johannes wollten die Nacht dort in seinem alten Zimmer verbringen.
Einen unschönen Zwischenfall gab es, als Lukas' Vater auftauchte, zu dem er seit Jahren keinerlei Kontakt mehr hatte. Seit langer Zeit war er eigentlich der dritte Sohn der Vanmeerens gewesen. Der Familie hatte er viel zu verdanken, sie hatte ihn gerettet. Wäre er nur seinem Vater ausgeliefert geblieben, wäre er entweder total abgestürzt oder zum Mörder geworden.
„Was willst du hier?" fuhr er seinen Erzeuger an, als der plötzlich vor ihm stand.
„Mein einziger Sohn heiratet, und ich bin nicht eingeladen?" fragte Dr. Scholz amüsiert.
Er war der Notar am Ort, aber kein angesehener Bürger des Marktes. Alle wussten um die Geschichte, dass er seine schöne, liebenswerte Frau durch ständige Misshandlungen aus dem Haus getrieben hatte, dass er danach seine immer wieder aufschäumende Wut an seinem Sohn ausgelassen hatte.
Lange waren die Angriffe auf den Kleinen unbemerkt geblieben, erst Mutter Vanmeeren hatte nachgefragt, als Lukas immer wieder mit blauen Flecken bei ihnen ankam.
Sie hatte Dr. Scholz offen den Kampf angesagt, falls er den Kleinen noch einmal anfassen würde.
Danach waren die Grausamkeiten eher seelischer Art gewesen.
Während der Pubertät war Lukas mehr als einmal mit einem Bein im Gefängnis gestanden, doch die Familie, allen voran Jo, hatte unverbrüchlich zu ihm gehalten.
Er hatte Jura studiert, nicht weil er seinem Vater einen Gefallen machen wollte, sondern um ihn zu brüskieren. Dr. Scholz hatte überall erzählt, dass sein Sohn in seine Fußstapfen treten würde, doch der hatte das nie vorgehabt.
Ihn interessierte das Strafrecht, aber er wollte nicht die Verbrecher freibekommen, er wollte sie hinter Gitter bringen. Bei der Kripo hatten sie ihn mit Kusshand genommen, er hatte eine steile Karriere hingelegt.
Von seinem Doktortitel wussten die wenigsten, ein promovierter Bulle kam nicht so gut an.
Das alles zog in Sekundenschnelle vor seinen geistigen Auge ab, während sein Vater ein Kuvert aus der Sakkotasche zog.
„Nicht eingeladen und nicht erwünscht!" antwortete er.
Der Vater hielt ihm den Umschlag hin. „Ist mein Geschenk auch unerwünscht?"
„Ja!" antwortete Lukas, und die Galle stieg in ihm hoch.
Geld! Ja genau! Nach jeder Prügelattacke hatte es Extra-Taschengeld gegeben.
„Ich habe gehört, deine Ehefrau..." Er betonte das Wort auf höchst unangenehme Weise. „Hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel?"
Lukas Faust ballte sich, fing an zu zucken.
Mona hatte nachsehen wollen, wo ihr frischangetrauter Ehemann blieb und musste den letzten Satz mit anhören.
Lächelnd trat sie zu Lukas, legte den Arm um seine Hüften. Ihr Gesicht war eine freundliche Maske, auch wenn es in ihr kochte. Nicht wegen der Beleidigung, das berührte sie nicht im Geringsten, sondern wegen der Frechheit des Vaters, hier aufzutauchen.
„Das stimmt!" sagte sie leise und beherrscht. „Aber ich bin gut im Bett, und ich habe Kohle!"
Damit schloss sie die Türe und zog Lukas mit sich.
Der sah sie eine Weile lang verdutzt an und begann dann, herzhaft zu lachen.
Und dieses losgelöste Lachen vertrieb die Erinnerungen an seine trostlose Kindheit, die wegen der Vanmeerens zu einer ganz guten Jugend geworden war.
Er küsste seine Mona, die Liebe seines Lebens, seine Ehefrau.
Strahlend kamen sie zu den Gästen zurück. „Na? Ein Quickie? Jetzt schon?" zog Johannes die beiden auf.
Lukas grinste. „Nein! Erst später! Mein Vater hat sich herabgelassen, uns zu beehren."
„Was?" Johannes sprang hoch. Das konnte doch nicht wahr sein! Es gab nicht viele Menschen, die er abgrundtief hasste und verachtete. Aber Dr. Scholz führte diese kurze Liste eindeutig an.
Lukas legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Bleib cool, Bro! Mona hat ihn schon zerlegt."
Da lachte auch Johannes wieder. „Haben wir uns zwei Flintenweiber ausgesucht?"
„Scheint so!" meinte der Kumpel.
Von da an herrschte nur noch Fröhlichkeit, Liebe, Freundschaft auf der Feier.
Die Hochzeitsnacht genossen beide Paar ausgiebig.
Johannes und Anna mussten etwas leiser sein, weil seine Eltern nebenan schliefen.
Lukas und Mona hätten es vielleicht sein sollen, denn ihre Lustschreie drangen durch das offene Fenster.
Eins ums andere Mal musste Anna so lachen, dass sie das Küssen unterbrechen mussten.
„Morgen bringe ich ihn um!" stöhnte Johannes, war aber doch sehr zufrieden, dass der Freund aller seiner Tage auch sein Glück gefunden hatte.
In die Kirche konnten alle am nächsten Tag zu Fuß gehen, sie lag praktisch um die Ecke.
Anna und Mona trugen wieder sehr ähnliche Kleider. Nicht ganz bodenlang, Anna in Flieder, Mona in strahlendem Gelb, was zu ihrer getönten Haut und dem dunklen Haar sehr gut aussah.
„In meinem Alter werde ich nicht in unschuldigem Weiß vor den Altar treten!" hatte sie kategorisch erklärt.
Die Männer hatten sich für feierliche schwarze Anzüge entschieden, aber mit sehr bunten, fröhlichen Krawatten, die zu den Kleidern ihrer Mädchen passten.
Auf Anhieb hätte keiner sagen können, wer das Brautpaar und wer die Trauzeugen waren.
Johannes und Anna waren sehr überrascht, dass sie am Altar nicht der alte Pfarrer erwartete, sondern ein junger, sehr gut aussehender Typ.
Die Trauung von Lukas und Mona lief sehr herzlich und empathisch ab, ganz anders, als alle das kannten.
„Hiermit erkläre ich euch vor Gott zu Mann und Frau!" schloss der Priester die Zeremonie ab.
Dann wandte er sich Johannes und Anna zu. „Ich habe gehört, dass noch ein weiteres Paar den Bund fürs Leben schließen möchte und dafür Gottes Segen erbittet. Manche meiner Berufskollegen berufen sich auf die Unfehlbarkeit des Papstes, der aber von der Liebe zwischen Mann und Frau keine Ahnung hat, es zumindest nicht haben sollte. Ich dagegen glaube an die Unfehlbarkeit Gottes. Jesus hat einmal gesagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Wir sind heute deutlich mehr. Deshalb bitte ich den Gottessohn, seinen Segen für euch zu senden."
Dann begann er das Hochzeitsritual noch einmal von vorne.
Anna konnte die Tränen kaum zurückhalten, und auch Johannes schluckte kräftig, als er sein Ja laut und deutlich aussprach, ebenso wie sie.
Vor der Kirchentüre stand das halbe Städtchen für Glückwünsche bereit.
Johannes zog Lukas zur Seite. „Danke! Wie habt ihr das denn geschafft?"
Lukas lächelte zufrieden. Er hatte einen Teil seiner Schuld abtragen können.
„Das war unser Hochzeitsgeschenk für euch. Mario ist Monas Cousin, ist in der Mission in Afrika, baut da Schulen und so. Da sieht man das mit der katholischen Kirche nicht mehr so eng. Sie hat es mir auch erst letzte Woche erzählt, als sicher war, dass er kommen würde. Sie hat seinen Flug bezahlt und ihm eine ordentliche Spende für seine Projekte überwiesen. Dann hat sie für den kirchlichen Kindergarten hier noch einmal ein hübsches Sümmchen locker gemacht, damit der Pfarrer seine Erlaubnis für einen Gastpriester gibt."
Johannes nahm seinen Kumpel in die Arme. „Gut, dass ich nach Teneriffa abgehauen bin!" meinte er.
„Fucking gut!" antwortete Lukas.
Zwischen Mona und Anna fand zeitgleich ein ähnliches Gespräch statt. Auch die beiden Frauen lagen sich in den Armen.
Die Feier fand dieses Mal im größten Gasthof der Marktgemeinde statt. Die Brautpaare hatten per Zeitungsinserat eingeladen und der riesige Saal füllte sich schnell.
Sie hatten gebeten, auf Geschenke zu verzichten, stattdessen Geldscheine anonym in eine Spendenbox zu stecken. Jetzt wussten die vier auch, wem sie die Summe übergeben würden.
Es wurde das lustigste Fest, das der Ort je erlebt hatte.
Um zwölf Uhr entführten die Männer ihre Bräute nach Hause. Sie hatten einen ganz besonderen Plan ausgeheckt und es auch geschafft, dichtzuhalten.
Immer wenn die Mädels das Thema Hochzeitsreise angesprochen hatten, hatten sie abgewiegelt.
Lukas bekam angeblich keinen Urlaub, Johannes schob irgendwelche Fakultätsbesprechungen vor. Anna war etwas enttäuscht. Es hätte doch so gut gepasst. Schließlich hatte sie zwei Wochen Pfingstferien.
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