Teil 34
Plötzlich erfüllte ihn eine so unbändige Lebenslust, wie er sie auch in den Monaten mit ihr noch nie empfunden hatte. Er juchzte vollkommen verrückt auf, warf sie in die Luft, dass sie vor Schreck aufschrie.
„Jetzt gehen wir ein riesiges Eis essen!" rief er vollkommen aufgedreht.
Sie schnappte sich ein wunderschönes Nichts an Sommerkleid und die dazu passenden heißen Sandalen. „Ich zieh mich schnell um! Ich muss ja zu dem eleganten Kerl da passen."
In den Edelklamotten fühlte sie sich wie eine Prinzessin. Aber sie wusste auch, dass das nicht nur an dem Kleid lag.
Als sie zurückkam, bereute er seinen Plan beinahe. Sie sah schon fucking heiß aus!
Aber er ahnte, dass er ihr das später noch sagen und auch beweisen konnte.
Wie zwei aufgedrehte Teenager liefen sie Hand in Hand durch die Stadt, viele lächelnde Menschen sahen ihnen nach. Das Glück, das pure Glück sah schließlich jeder gern.
An ihrer Lieblingseisdiele, bei der sie gern gesehene Stammgäste waren, wurde gerade ein Tisch frei, den sie sich schnell schnappten. Andere hatten zwar schon länger am Rand gewartet, überließen ihn dem stadtbekannten Liebespaar aber gerne.
Johannes und Anna waren sich dieser Rolle gar nicht bewusst, aber in der Stadt wurde viel über die beiden gesprochen. Wo immer sie auftauchten, strahlte das Glück auf die Menschen um sie herum ab.
Die Bedienung kam lächelnd zu ihnen. Auch sie mochte die zwei – und nicht nur wegen des großzügigen Trinkgeldes, das er immer gab.
„Wie immer?" fragte sie.
„Nein! Heute nehmen wir zwei Valentinsbecher!" bestimmte er. Sonst hatten sie sich immer einen Becher geteilt, aber heute mussten es ganz viele Kalorien sein.
Obwohl jeder seinen eigenen Eisbecher hatte, fütterten sie sich doch gegenseitig.
Sie schafften die Zuckerbomben locker.
Danach flogen sie weiter durch die Stadt, diese Nacht sollte noch nicht enden. Am Freisitz der Bar, da, wo sie am ersten Abend nach dem Wiedersehen im Biergarten hängengeblieben waren, tranken sie wie damals ein Glas Prosecco, danach eine Kaffee.
Auch hier waren sie mittlerweile gern gesehene Gäste.
„Ach! Der Jo - han – nes! Und die An – na!" hörten sie plötzlich.
Ben und Oli kamen an ihren Tisch. Ben sah sie beide prüfend an. „Habt ihr eine Fastenkur gemacht?" fragte er. Er hatte einen sehr guten Blick für Menschen.
„Nein!" erklärte Johannes. „Ich habe wieder mal Mist gebaut!"
„Und sie hat dir wieder mal verziehen? Du bist ein echter Glückskerl!" meinte Oli, der Anna liebte wie ein kleine Schwester.
„Yep!" antwortete Johannes und drückte sie an sich.
„Erzähl!" forderte Ben, der Geschichten über Menschen, vor allem Liebesgeschichten, über alles liebte, ihn auf.
Oli verdrehte ein wenig die Augen. Sein Mann war alles andere als dezent! Aber er liebte ihn ja auch wegen seiner offenen Art.
Und Johannes begann zu berichten. Von den Büchern, seiner Reaktion, seiner Flucht.
Ben hing mit offenem Mund an seinen Lippen.
„Wow!" stieß er schließlich hervor. „Das ist ja mal eine Story! Die Süße schreibt Bücher!"
„Aber das bleibt unter uns, ja? Ich will nicht, dass ihr mein Pseudonym lüftet!" Anna war ziemlich besorgt.
„Never, Herzblatt!" versprach Ben. „Aber wir holen uns die Werke unserer Lieblingsfrau morgen, oder, Oli?"
„Logo!" erklärte der lächelnd. „Wie könnte ich dir denn einen Wunsch abschlagen!"
Menschen um sie herum waren zuerst unangenehm berührt von dem schwulen Paar. Doch der eine oder andere hörte und sah den beiden zu, die so verliebt und glücklich, aber auch so normal wirkten. Und womöglich änderte auch ein einziger seine Meinung über Homosexuelle.
Oli bestellte noch eine kalte Platte, Johannes eine Flasche Wein, die vier saßen plaudernd zusammen, bis die Bar schloss.
In dieser Nacht schliefen sie so gut wie seit Wochen nicht mehr. Ein paar Mal wachten sie auf, fühlten sich, hielten sich engumschlungen.
Dann musste sich Johannes der Realität stellen, musste sich an seinem Arbeitsplatz melden. Sein Chef freute sich, ihn gesund und munter wieder zu sehen.
„Wo hat es denn gefehlt?" fragte er, hatte so seine Ahnung. Wenn der höchst zuverlässige Vanmeeren alles um sich herum vergaß, konnte es eigentlich nur mit der schönen Anna zu tun haben.
Johannes grinste, dankbar für so viel Verständnis. „Ein bisschen im Kopf und ein bisschen am Herzen!" antwortete er.
„Und? Alles wieder heil?" fragte der Chef nach.
Johannes nickte. „Ja! Mehr als!"
Anschließend besuchte er seine Klassen. Karl hatte alles gut hingekriegt, die Klassensprecher hatten einfach nach dem Skript, das Johannes erarbeitet hatte, weiter gemacht. Die Praxisstunden hatte Karl übernommen.
„Ich bin dir was schuldig, wieder einmal!" versicherte Johannes.
Sein Stellvertreter grinste ihn an. „Kannst dich ja revanchieren, wenn ich mal Liebeskummer habe!"
Die Gefahr war eher gering, wusste Johannes doch, dass der Kollege seit 25 Jahren glücklich verheiratet und stolzer Vater dreier Töchter war. Die Jüngste war der Star einer der Meisterklassen, seit kurzem liiert mit dem männlichen Pendant der Parallelklasse.
Am frühen Abend kamen Lukas und Thomas zurück, sein Bruder hatte sein Auto ausgelöst und nach Hause gefahren.
„450 Euro! Das gönn ich dir, du Depp!" begrüßte er Jo.
„Wenn sonst nichts ist!" wehrte der ab. Er begutachtete seine heiße Kiste, war froh, dass sie unversehrt zu sein schien.
Thomas begrüßte Anna, die die letzten Ferientage und das Wochenende bei Johannes verbrachte herzlich.
Lukas war schweigsamer als sonst, als Anna ihn nach dem Grund fragte, wich er ihrem Blick aus, nahm Jo zu Seite.
„Ich habe eine Frau namens Mona kennen gelernt!" sagte er leise zu seinem Kumpel. „Ich habe ihre Nummer und würde mich schon gerne bei ihr melden, sie auch wiedersehen. Aber Anna sollte wohl nichts von deinem missglückten Versuch mitbekommen."
Jo sah das Ganze eigentlich locker. Es war ja nichts passiert.
Andererseits, wenn Anna versucht hätte ....?
Panik stieg in ihm hoch.
Und wenn sie ....?
Nein! Das glaubte er nicht! Nicht so schnell!
Aber würde sie verstehen, dass er .....?
„Ich muss mit ihr reden!" sagte er aus seinen Gedanken heraus. Nicht, dass sie es von irgendeiner anderen Seite her erfuhr. Es gab ja die dümmsten Zufälle.
„Was habt ihr denn zu tuscheln?" fragte sie in diesem Augenblick gutgelaunt.
Johannes erschrockener Blick machte ihr Angst.
Was verbarg er?
Welches Geheimnis teilten die beiden Freunde, dass sie beide so belämmert dreinsahen?
Hatte Johannes womöglich ....?
So schnell?
„Hast du mir etwas zu sagen?" fragte sie ruhiger, als es zumute war.
Lukas und Thomas verabschiedeten sich schnell.
„Die nächste Katastrophe?" fragte Thomas Jos Freund betroffen.
„Ich hoffe nicht!" antwortete der. Er hatte keine Ahnung, wie Anna auf Jos Geständnis reagieren würde.
Anna sah Johannes erwartungsvoll an, als sie alleine im Hof standen. Sie atmete kaum vor Angst. Was würde sie erfahren?
Wie würde sie es aufnehmen?
Er war dafür, die Wahrheit zu sagen, nichts zu beschönigen, nicht nach Ausflüchten zu suchen.
„Da war eine Frau, Mona, die hat mich am Strand angebaggert, als ich wieder ziemlich am Ende war vor Sehnsucht nach meinem Leben. Ich habe es für eine gute Idee gehalten, mit ihr zu schlafen, um dich vergessen zu können. Aber es ist nichts passiert, mein Freund wollte nicht."
Sie sah ihn fest an. „Es ist nichts passiert? Keine Küsse, kein Anfassen, nicht von ihr, nicht von dir?" Ihre Stimme klang kalt.
„Doch! Das schon!" gestand er, wich ihrem Blick nicht aus.
Sie schluckte schwer an den Tränen, die hochsteigen wollten. Aber sie würde jetzt nicht weinen! Nicht schon wieder!
„Gab es .... gab es noch andere?" presste sie schließlich hervor.
„Nein, Süße! Sicher nicht! Und es hätte auch sie nicht gegeben, wenn es nach mir gegangen wäre." Er sah ihr noch immer in die Augen.
„Und weil du ein Mann bist, hat es sie eben gegeben, nicht wahr? Denn Männer regeln das nun einmal so, stimmt es?" Sie sprach noch immer leise und gefasst.
„Kann sein! Ja, vielleicht!"
Sie atmete tief durch. Gut! Oder vielmehr, nicht gut! Aber es war passiert! Und er hatte es ihr nicht verheimlicht. Sie hätte wohl nie davon erfahren.
Aber warum hatte er mit Lukas darüber gesprochen, kaum, dass der Freund angekommen war?
„Und Lukas weiß davon? Warum?"
„Er hat sie blöderweise kennengelernt, in seinem Hotel, während ich gelesen habe. Sie hat ihm von mir erzählt, und dass sie mir den Kopf gewaschen hat, weil ich nicht nachgedacht habe, sondern hirnlos abgehauen bin!" berichtete er.
Sie sah ihn verwundert an. „Du hast ihr von uns erzählt?"
Er wusste jetzt nicht genau, ob das gut oder schlecht ankommen würde.
Aber er hatte sich selbst ja zu absolute Ehrlichkeit verdonnert. Nur so konnte er sicher sein, dass sie nicht später einmal irgendwelche Details erfuhr.
„Ja! Und sie hat mir sehr gute Ratschläge gegeben!"
Anna dachte nach. Ratschläge? Irgend so ein junges Ding hatte ihm Ratschläge geben?
Johannes ahnte, was hinter ihre hübschen Stirn vorging.
„Sie ist etwas älter. Ich denke, so um die 40 bestimmt!" erläuterte er.
Wieder schien sie nachzudenken. „Und wenn, und wenn Lukas sie jetzt nicht aufgerissen hätte, hättest du es mir erzählt?"
Noch immer sah er sie offen an. „Nicht so schnell, vielleicht? Oder gar nicht, weil es mir nicht wichtig genug erschien?"
„Okay! Richtige Antwort!" Sie atmete auf. Ja! So dachte sie wirklich. Es war nichts geschehen, was sie nicht vergessen können würde. Eine einsame Frau hatte einen jungen Kerl angebaggert, etwas was die wohl regelmäßig machte. Damit konnte sie leben.
Dass er ihr alles so emotionslos erzählt hatte, kam noch dazu.
Vorsichtig nahm er sie in die Arme, sie sperrte sich nicht. Erleichtert drückte er sie fester an sich, küsste sie.
Lukas hatte das Gespräch der beiden von Thomas' Wohnzimmerfenster aus beobachtet, hatte eine ganze Weile die Luft vor Anspannung angehalten. Erleichtert sah er, dass es eine ruhige Unterhaltung zu sein schien, dass keiner von beiden laut wurde, dass es keine Tränen gab.
Das war sicher blöd gelaufen, dass er sich ausgerechnet in Mona verknallt hatte. Aber er mochte die kluge, schöne Frau wirklich.
Sie war im Grund genau das, was er immer gesucht hatte. Erwachsen, erfahren und verdammt heiß! Die zehn Jahre, die sie trennten, störten ihn nicht im Geringsten.
Er konzentrierte sich wieder auf seinen besten Kumpel und dessen Freundin. Jo küsste Anna, sie sah ihn genauso verliebt an wie immer.
Uff! Das war noch mal gut gegangen.
„Ihr könnt wieder runterkommen!" rief Anna ihm lächelnd zu. Sie hatte genau gewusst, dass sie unter Beobachtung gestanden waren.
Ab da war die Stimmung entspannt und freundschaftlich. Nur, als Lukas begann, von dieser Mona zu schwärmen, musste Anna dringend auf die Toilette. Das war dann schon etwas zu viel!
„Lass das Thema lieber in nächster Zeit!" bat Jo.
Lukas hob entschuldigend die Hände. „Ja! Sorry! Schon klar! Aber irgendwann müssen die beiden auch klarkommen mit einander."
Jo sah den Kumpel verwundert an. „So ernst ist es dir mit ihr?"
Lukas erwiderte den Blick ziemlich unwillig. „Mit Mona, ja!"
Jo lachte. „Ja! Super! Sie ist ein echt netter Kerl, offen und geradeheraus. Sicher intelligent! Ich denke, ihr passt super zusammen!" Er wusste um das Interesse des Kumpels, den schon immer eher die Mütter als die Mädels interessiert hatten.
Der noch nie eine Freundin gehabt hatte, die jünger war als er.
Er hatte auch viel Spott deswegen von den Kumpeln einstecken müssen, hatte das aber locker weggesteckt. Lukas ruhte in sich selbst, ging seinen Weg unbeirrt - im Job wie in der Liebe.
Neckereien über den Bullen oder den mit dem Ödipus-Komplex prallten an ihm ab. Deshalb schliefen sie auch bald ein. Verspotten machte nur Spaß, wenn sich das Opfer ärgerte.
Anna hörte die letzten Worte. Na, prima! dachte sie. Müsste sie die Frau dann auch noch als Lukas' Freundin mögen! Das Schicksal schlug schon seltsame Kapriolen.
Grinsend kam sie zu den Jungs zurück. „Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, deine Freundin kennen zu lernen!" erklärte sie mit dem ihr eigenen schwarzen Humor.
Johannes nahm sie in die Arme. Sie war schon ein tolles Mädchen. Sie brauchte Mona sicher nicht als Konkurrenz zu fürchten.
Lukas sah sie lächelnd an. „Ich wette mit dir, dass du sie mögen wirst. Sie schreibt übrigens Drehbücher. Ihr hättet sicher viel Gesprächsstoff."
Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Na! Man würde sehen!
„Worum wetten wir?" fragte sie gottergeben.
„Worum du willst! Denn ich werde gewinnen!" Wenn Lukas eines wusste, dann das. Die unvergleichliche Anna würde die unvergleichliche Mona mögen - umgekehrt sowieso.
Inga kam mit einem Blechkuchen an, gefolgt von ihrem Ehemann, mit dem sie die lange Backzeit sehr gut genutzt hatte, und Jos Eltern.
Alle feierten ein Wiedersehensfest, als ob sie sich Jahre nicht gesehen hätten.
Lukas ging hinaus, als sein Handy sich meldete. Etwas dümmlich grinsend kam er eine halbe Stunde später wieder zurück.
„Und? Wann kommt sie?" Anna gab sich wirklich Mühe.
„Nächste Woche!" Lukas strahlte sie glücklich an.
Also gut! Konnte sie eine Frau ablehnen, die einen so guten Kerl wie Lukas so glücklich machte?
„Das freut mich für dich!" sagte sie herzlich und ehrlich.
Dann sah sie Johannes streng an. „Für dich nicht!" knallte sie ihm hin. Und alle, die verstanden, worum es ging, lachten mit den beiden mit.
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