Teil 28

Anna

Anna saß mit Thomas und Inga in ihrem verwüsteten Wohnzimmer. Sie hatte noch keinen Handstrich getan, hatte nur geheult.

Sie hatte den beiden erzählt, wie die Bücher entstanden waren.

„Ich war alleine. Mein Mann hatte mich betrogen, ich habe ihn hinausgeworfen. Dann war dieser Ball! Es war das erste Mal seit 13 Jahren, dass ich ohne ihn irgendwo war. Ich wollte es wissen, ich wollte ein Abenteuer. Dann war da dieser Mann, der mich geküsst hat, der gesagt hat, er wollte mich kennen lernen, dass er anrufen würde am nächsten Tag. Was er natürlich nicht getan hat. Dann habe ich begonnen zu träumen, was hätte sein können, und dann habe ich die Geschichten aufgeschrieben. Das war meine Art, mich von meinem Mann zu lösen. Etwas, das ich nur für mich getan habe.

Johannes war da, weil er mich kennenlernen wollte, weil Gerd ihm von mir erzählt hatte. Aber er hat mir irgendetwas erzählt, wie gut er Tennis spielt und Ski fährt! Das waren die Hauptthemen meines Ex, und ich habe beide Sportarten zutiefst gehasst. Darum habe ich auch nicht einen weiteren Gedanken an Johannes verschwendet. In den Büchern habe ich eben auch über ihn geschrieben, aber ich habe das im vierten Band ja alles aufgelöst. Dass wir uns wieder getroffen haben, dass ich mich verliebt habe, dass ich ihn geliebt habe, dass ich mehr als glücklich war mit ihm. Aber das hat er wohl nicht mehr gelesen!"

Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus.
Thomas und Inga hörten zu, fragten Details nach. Danach sahen sie die Angelegenheit etwas lockerer, waren nicht mehr so wütend auf Anna.
Das war eben vollkommen dumm gelaufen!
Hätte sie Jo das alles so erklären können, hätte er sicher verstanden.
Jetzt mussten sie ihn nur noch finden. Mit ihm reden. Hoffen, dass er nicht vollkommen durchgedreht war.

Sie halfen alle zusammen, um das Chaos zu beseitigen, das Jo hinterlassen hatte.
Mitten in der Arbeit klingelte Thomas' Handy. Lukas war dran.
„Bist du alleine?" fragte der Kumpel von Johannes. „Was ich dir erzähle, muss echt unter uns bleiben, ja? Ich bin meinen Job los, wenn das rauskommt. Ich zapfe da ein paar Quellen an, die ich auch mit reinziehen würde. Also, habe ich dein Wort, Thomas?"

„Warte! Ich gehe schnell raus!" antwortete Thomas. „So! Jetzt können wir reden! Natürlich hast du mein Wort, Lukas."

„Okay! Jo ist auf Teneriffa, hat sich ein Auto und eine Klitsche gemietet. Er hat das Haus für vier Wochen im Voraus bezahlt. Die Adresse kann ich dir texten, wenn du versprichst, dass du sie gleich wieder löschst." Er hörte sich ein wenig gehetzt an. „Kannst du mir kurz erklären, was passiert ist?"

Thomas dachte nach. Allzu viel wollte er nicht preisgeben. Das war die Sache von Anna und Jo.
„Du weißt, dass ich alles genauso für mich behalten werde wie du. Aber Jo ist mein bester Freund. Ich muss wissen, was vorgefallen ist, dass er alles, auch seinen Job, hinter sich lässt und abhaut. Das passt so gar nicht zu ihm!"

„Ja! Klar! Also, die beiden, Anna und Jo haben Stress, weil sie Bücher geschrieben hat, bevor sie ihn kennengelernt hat. Und die sind nun herausgekommen - und über ihn steht da auch was drin, weil sie sich ja schon früher mal getroffen haben. Er hat nun einiges in den falschen Hals bekommen und ist durchgedreht."

Lukas verstand nun wenigstens etwas von dem Ganzen. Er hatte schon geahnt, dass alles mit Anna zu tun hatte. Nichts sonst hätte den Kumpel so aus der Bahn geworfen.
„Aber er wird doch nicht an Annas Liebe zweifeln?" fragte er nach.
„Doch! Im Moment sieht alles danach aus." Thomas verstand Jos Reaktion auch nicht so ganz.
Annas Liebe war so offensichtlich, so über jeden Zweifel erhaben.

„Und was machst du jetzt?" fragte Lukas.
„Ja, wenn ich Anna nichts sagen kann, muss ich eben versuchen, sie zu beruhigen, noch ein paar Tage warten - und wenn er sich nicht meldet, runterfliegen!" meinte Thomas.

„Dann komme ich mit!" erklärte Lukas bestimmt. Er hatte Jo einiges zu verdanken. Er hatte in seiner Jugend so manchen Mist gebaut, und der Freund hatte ihn immer wieder rausgehauen, hatte oft die Schuld auf sich genommen an teilweise fast kriminellen Aktionen, weil er gewusst hatte, dass seine Eltern zu ihm halten würden. Und auch, dass Lukas' Vater ihn tot prügeln würde.

Er würde für Jo durch die Hölle gehen.
Und er und Anna waren das Paar des Jahrhunderts, darüber waren sich alle einig.

Thomas ging zurück zu den Frauen.
„Gibt es etwas Neues?" fragte Anna voller Hoffnung.
Thomas brach der Schweiß aus. Wie sollte er diesem ängstlichen Blick aus diesen großen Augen standhalten? Aber er hatte sein Wort gegeben.

„Ja!" stieß er hervor. „Aber ich darf dir nicht sagen, was - und von wem ich das habe! Und bitte, Anna, bohr nicht weiter!"
Sie sah ihn aufmerksam an. „Lukas! Er ist bei der Kripo, er wird was herausgefunden haben. Das ist gut. Aber ich frage nicht weiter."
Er verdrehte die Augen. Es war ein Kreuz mit diesen intelligenten Frauen. Er hatte ja selbst so ein Exemplar zu Hause.

Mittlerweile sah die Wohnung wieder normal aus. Seltsamerweise war der Teil des letzten Buches, in dem sie die Wahrheit geschrieben hatte, fast unversehrt.
Sie drückte es Thomas beim Abschied in die Hand. „Wenn du ihn siehst, gib ihm das. Dann wird er zu mir zurückkommen!" sagte sie leise und ließ die Tränen einfach laufen.

Thomas und Inga warteten eine Woche. So viel Zeit wollten sie ihm lassen. Den Eltern erzählten sie eine Geschichte von Urlaub mit Anna, seinem Chef von einer plötzlichen Erkrankung Jos. Der fragte zum Glück nicht nach einem Attest. Sein bester Mann würde schon wieder kommen, wenn er gesund war.

Nach sieben Tagen fand Thomas eine Textnachricht auf seinem Handy. Es geht mir gut, Jo. Macht euch keine Sorgen!


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