Teil 24

In diesen Tagen überlegte Anna manchmal, ob sie ihm von dem einzigen Geheimnis erzählen sollte, das sie vor ihm hatte. Aber sie wollte ihn unbedingt überraschen!
Silke hatte ihre Geschichten gelesen, war ehrlich begeistert davon gewesen. Sie hatte  Anna überredet, sie an einen Verlag zu schicken. Aber sie sollte nach Ansicht der Freundin die wahre Geschichte, die mit ihr und Mister X auch erzählen, als Auflösung sozusagen.

Anna hatte versucht, das hinzukriegen und hatte alles tatsächlich an einen Verlag gesandt, ohne sich natürlich große Hoffnungen zu machen. Doch zu ihrer riesengroßen Überraschung bekam sie eine Mail aus dem Lektorat, ein Matthias bat um ihren Anruf.

Mit zitternden Fingern wählte sie die angegebene Nummer, ein paar Tage später bekam sie einen Autorenvertrag zugesandt und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Sie bekam Änderungsvorschläge, denen sie zustimmen oder die sie ablehnen konnte, einige Passsagen wurden gekürzt.
Es war sehr schwer, sich gegenüber Johannes nicht zu verraten, aber sie freute sich zu sehr auf sein Gesicht, wenn sie ihm die fertigen Bücher hinlegte.

Weihnachten feierten sie bei seinen Eltern, ihre Familie war ebenfalls da, genauso wie Ingas. Es gab viele Geschenke und gutes Essen, das natürlich Johannes gekocht hatte.
Sie hatte ihn einmal gefragt, wo er so gut kochen gelernt hatte.
„Ich habe einen Kochkurs gemacht!" antwortete er grinsend. „Lukas hatte behauptet, das wäre eine tolle Single-Börse."

„Und? War da was dran?" fragte sie lachend.
„Klar! Ich wäre gleich am ersten Tag weg vom Markt gewesen. Wenn ich auf übergewichtige, mittelalterliche Damen gestanden wäre. Aber ich habe immerhin kochen gelernt."

Am ersten Feiertag luden sie Freunde zu ihr in die Stadt ein, am zweiten verschleppte er sie wieder einmal. „Ich hätte Lust auf Skifahren!" erklärte er todernst und lachte sich halb kaputt, als er ihren entsetzten Blick sah.
„Das zahle ich dir heim, Vanmeeren!" schwor sie ihm.

Er brachte sie aber nicht in ein Skigebiet, sondern zum Flughafen. Bevor sie sich versah, saß sie in einem Flieger nach Teneriffa.
„Du hast echt einen Vollknall!" schimpfte sie. Aber ihr Blick sagte etwas anderes. Er sagte eindeutig: Ich liebe deine Verrücktheiten, Vanmeeren!
Und wahrscheinlich sagte er auch: Ich liebe dich, Johannes.

Bisher hatte sie es noch nicht ausgesprochen, aber er fühlte es bei ganz vielen Kleinigkeiten. Auch er sagte diese drei Worte sehr selten, weil er ebenso wusste, dass sie es fühlen konnte.
Es wurden wunderschöne Tage. Sie genossen die Wärme, die Landschaft. Sie machten ein paar geführte Wanderungen mit, bestiegen unter anderem den Teide.

Oft machten sie sich auch auf eigene Faust auf, um die Insel zu erkunden.
Oft machten sie sich aber auch gar nicht auf!
Johannes hatte eine tolle Villa gemietet, sie hatte schon vor einer Weile aufgehört, sich wegen des Geldes Gedanken zu machen.

Auch die Abende und die Nächte waren noch angenehm warm, sie konnten auf der Terrasse bei einem Glas Wein den Blick zum Hafen genießen. Im großzügigen Pool konnten sie nackt schwimmen.

Manchmal kochte Johannes, manchmal gingen sie in eine Tapasbar.
Er war glücklich wie noch nie, weil sie endlich alles annahm, was er ihr bieten wollte. Im Städtchen sahen immer wieder die Menschen dem glücklichen Paar hinterher.
Manchmal dachte Anna an ihre Geschichten, an die Träume, die sie gehabt hatte. Wie sehr doch die Wirklichkeit ihre Wünsche eingeholt hatte!

Und noch dazu mit diesem feinfühligen, wunderbaren Mann, der außerdem reell war.
Immer wieder lag es ihr auf der Zunge, ihm von allem zu berichten, doch sie konnte sich stets in letzter Sekunde einbremsen.
Nein! Diese Überraschung musste sie voll auskosten!
Oft malte sie sich aus, wie er reagieren würde, wie er sie stolz ansehen würde, wie er ungläubig den Kopf schüttelte.
Nicht einen Augenblick zweifelte sie daran, dass er gut finden würde, was sie gemacht hatte.
Auch wenn sie ihre gemeinsame Geschichte öffentlich machte.

Die Zeit raste nur so dahin. Bis sie sich dreimal umdrehten, war Ostern vorbei, es ging auf Pfingsten zu. Der Schullandheimaufenthalt rückte näher, und seine Laune sank immer mehr in den Keller.
Eine Woche ohne sie! Das würde er nicht überleben.

Und eigentlich war es nicht nur eine Woche. Sie hatte sich breitschlagen lassen, über zwei Wochenenden dort zu bleiben. Das waren neun Tage! Klar! Die Eltern waren froh, den Nachwusch so lange wie möglich aus dem Haus zu haben.
Und an ihn dachte niemand!

Noch dazu fuhr sie alleine, ohne Begleitperson, konnte sich also auch nicht mal eine Stunde abseilen, falls er sie besuchte.
Seine Eltern und sein Bruder bedauerten ihn offen. Auch seine Freunde litten mit ihm, allerdings hatte er den Verdacht, dass alle sich eher ein wenig lustig über ihn machten.

Anna war hin und her gerissen. Einerseits freute sie sich auf die Tage mit den Kindern, andererseits wusste sie, dass es eine verdammt harte Zeit ohne ihn werden würde.
Am Tag vor dem großen Abschiednehmen sagte sie so nebenbei: „Schade! Ich hatte noch ein paar Bücher bestellt mit Spielen. Wenn sie heute oder morgen ankommen, kannst du mir ein paar Seiten kopieren und faxen? Hauptsächlich die für die dritte Klasse?"

„Klar! Dann bin ich wenigstens beschäftigt!" Er hatte mit ihr ausgemacht, dass er während der Trennung in ihrer Wohnung blieb.
Zum einen war er ihr da irgendwie näher, zum anderen konnte er sich um ihre Pflanzen kümmern, innen und auf dem kleinen Freisitz. Zu Hause bei sich konnten das seine Eltern übernehmen.

Dann war da noch die Post. Silke hatte sie ja den Schlüssel abgeschwatzt, nachdem sie einmal in die Wohnung gestürzt kam, als sie sich gerade ein wenig „niedergelegt" hatten.
Die Freundin hatte auch durchaus Verständnis gezeigt. Wider Erwarten!
„Nicht, dass ich noch blind werde!" hatte sie nur angemerkt.


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