Kapitel 9
Simon
Simon fuhr widerwillig von Mona los.
Was für ein verdammtes Timing!
Musste der Typ gerade auftauchen, als er wegfuhr.
Und wenn er zurück kam?
Würde sie dann wieder verheult sein?
Würde der ihr wieder wehtun?
Würde es ihr noch wehtun, dass der da war, nach dieser Nacht?
Er fuhr auf die Autobahn und geradewegs in einen Stau.
Himmeldonnerwetter!
Musste das auch noch sein?
Er stand eine halbe Stunde, nichts ging vorwärts.
Er ließ sich über Bluetooth mit der Firma verbinden.
Thorsten ging ran.
„Sorry! Ich stecke im Stau. Informiere dich doch bitte in der Zwischenzeit über einen Ersatzserver oder einen Notserver. Das geht so nicht weiter. Und gib mir bitte Kai."
Als der Kollege, der Mona besser kannte als er, sich meldete, bat er ihn. „Kai, könntest du mir bitte was besorgen im Supermarkt? Und, weißt du was Mona gerne isst? Isst sie Fleisch, oder ist sie Vegetarierin?"
Es machte ihn schon leicht nervös, dass er so wenig über die Frau wusste, die er liebte.
Er hatte außerdem so gar keine Erfahrungen, wie man Beziehungen begann oder führte. Er war dates gewohnt, one- oder two-night-stands, gelegentliche Treffen, aber nicht die Art von Beziehung, die er vorhatte, mit Mona zu beginnen.
„Also, soviel ich weiß, isst sie alles. Aber ich könnte Fabian anrufen und fragen" schlug Kai vor.
„Vergiss es. Der hockt gerade bei ihr." Simon wusste nicht, warum er das dem Kollegen erzählte. Er brauchte wohl ein Ventil.
Kai lachte. „Eine interessante Konstellation. Du steckst im Stau, und er sitzt bei deinem Mädchen?"
„Mach mich nur fertig. Bohr ruhig in meiner Wunde!" antwortete Simon, knirschte mit den Zähnen.
Kai verstand die Welt nicht mehr ganz.
Simon Reiser, Herzensbrecher der Nation, dessen Weg unzählige gebrochene Frauenherzen säumten, schien sich verliebt zu haben. Und ausgerechnet in die schöne Mona, die ihm selbst viele schlaflose Nächte bereitet hatte. Er war oft mit ihr und Fabian und wechselnden Freundinnen von ihm selbst ausgegangen, hatte gegen sein Herzklopfen gekämpft, hatte immer wieder versucht, seine Blicke, die an ihr klebten, von ihr zu lösen.
Hatte die Blicke der Männer gesehen, die ihr folgten, die sie aber nie wahrzunehmen schien. Sie war aber auch der Hammer: Lange, dichte, goldblonde Haare, die fast bis zur Taille reichten, ein Gesicht, so hübsch, dass jeder Blick darauf eine Qual war, dunkelblaue Augen mit einem Stich ins Violett, ein Mund, der aussah, als hätte ihn die Natur mit Fotoshop bearbeitet, volle Lippen, klar abgegrenzt, purpurrot.
Eine Figur zum Niederknien, endlos lange Beine, Rundungen an genau den richtigen Stellen.
Er kannte keine schönere Frau in der Stadt.
Sie hätte jeden Schönheitswettbewerb gewonnen.
Daneben war sie auch noch so natürlich, so witzig, so blitzgescheit.
Auf Unifeten hatte sie immer einen Kreis an Bewunderern um sich gehabt. Oft fragte er sich, ob Fabian eigentlich klar war, was für einen Edelstein er da hatte.
Als er erfahren hatte, dass der Kumpel ausgerechnet mit Anna etwas angefangen hatte, war er versucht gewesen, ihn in die Psychiatrie einweisen zu lassen.
Eine Frau wie Mona mit der Schlampe vom Dienst zu betrügen, das konnte nur ein vollkommen Verrückter tun.
Seine eigene Verliebtheit hatte er erst überwunden, als er Sandra kennengelernt hatte, die sein Herz und seine Gedanken seit einem halben Jahr beherrschte.
Und jetzt also Simon! Es war schon zum Lachen!
„Okay! Was soll ich einkaufen für das Liebesdinner zu zweit? Oder zu dritt?" spottete er
„Wenn du so weiter machst, kannst du dir einen neuen Job suchen!" drohte Simon.
„Genau! Und du stellst dann Fabian ein!" Kai konnte nicht aufhören, Simon aufzuziehen.
„Jetzt sag bloß, das war der andere Bewerber?"
„Yep!" sagte Kai nur. „Also los! Ich schreibe mit!"
Simon gab die Einkaufsliste für ungefähr zehn Mahlzeiten durch. Seine Süße sollte dann selbst entscheiden, was er kochen sollte.
Seine Süße!
Der Gedanke war gut.
Er hoffte, sie war noch seine Süße, wenn er wieder zu ihr zurückkam.
Kai lachte wieder. „Willst du sie mästen?"
„Jetzt halt die Klappe und kauf ein. Nimm dir Geld aus der Kasse."
„Weißt du was, Simon? Dieses Essen spendiere ich euch. Das ist es mir wert, dass Mona dich so flasht, was ich im Übrigen vollkommen verstehen kann. Dieses Mädchen hat noch alle Männer in ihrer Nähe geflasht. Sie hat es nur nie gemerkt."
„Dich auch?" fragte Simon vorsichtig.
„Natürlich! Lange Zeit! Bis Sandra kam!" gestand Kai. „Also, ich mach mich auf zum Supermarkt." Er hielt kurz inne. „Nur eins noch, Simon. Tu ihr nicht weh. Was immer auch daraus wird, tu ihr nicht weh."
Simon traten schon wieder einmal die Tränen in die Augen. „Das werde ich nicht! Niemals!" versicherte er und beendete das Gespräch.
Ihr wehtun!
Wie könnte er ihr je wehtun!
Ich hoffe nur, dass sie mir nicht wehtun wird.
Denn ich weiß, dass sie das könnte wie keine Frau vor ihr.
Endlich kam Bewegung in die Schlange vor ihm, der Stau löste sich auf, eine halbe Stunde später hatte er seine Firma erreicht.
Thorsten hatte schon ein lukratives Angebot für einen zweiten Server eingeholt.
„Kaufen!" wies Simon ihn an.
Er lief zum Server, sprach ein paar beruhigende Worte, schaltete ihn aus und wieder ein, und das Ding lief wieder.
Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Verdammte Maschine!
Kai lud die Einkaufstüten in Simons Flitzer, der ging schnell in die Wohnung, packte ein paar Sachen in eine Reisetasche, damit er nicht wieder Fabians Unterhosen tragen musste, die eindeutig eine Nummer zu klein waren.
Er duschte schnell, zog sich um.
Dann wählte er ihre Nummer, während sein Herz bis zum Anschlag pochte.
„Hallo, Süße!" sagte er, als sie sich meldete.
„Hallo, Simon!" Er hörte das Strahlen in ihrer Stimme, war glücklicher als je in seinem Leben.
„Es hat ein bisschen gedauert. Es war Stau. Aber jetzt komme ich gleich, wenn es dir recht ist."
„Natürlich ist es mir recht!" Ihre Stimme klang zärtlich.
Kann eine Stimme zärtlich klingen? fragte er sich lächelnd.
Ihre schon! beantwortete es sich seine Frage.
„Ist Fabian noch da?" Er musste das jetzt wissen, obwohl es eigentlich keine Rolle spielte. Sie hatte nicht geweint, sie war glücklich über seinen Anruf. Das allein zählte.
„Er packt gerade seine restlichen Sachen. Es ist alles gut. Wir werden Freunde bleiben, er hat sich von Anna getrennt." sprudelte es aus ihr heraus.
Simon schluckte an ihren Worten, aber nur ein bisschen.
Freunde, okay!
Wenn es sein musste!
Von Anna getrennt?
Warum gerade jetzt?
Aber das Wichtigste war, dass sie nicht geweint hatte, dass er keine Macht mehr über sie hatte, dass er sie nicht mehr traurig machen konnte.
Dass ihre Stimme gestrahlt hatte.
Kann eine Stimme strahlen? fragte er sich.
Ihre schon! antwortete er sich selbst.
Als er vor dem Haus ankam, in dem sie wohnte, stand Fabians Auto noch immer da.
Er ließ die Lebensmittel erst einmal in seinem Wagen, nicht dass der andere auch noch zum Essen bleiben wollte.
Er läutete, der Summer erklang, sie fiel ihm um den Hals, als sie die Wohnungstüre öffnete.
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