Kapitel 83

Als Mona aufwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Erstaunt sah auf die Uhr.
Halb zwölf! Sie sprang entsetzt aus dem Bett.
Was war denn los mit ihr?

Da erinnerte sie sich an die kurze Ohnmacht, und ihr Herz zog sich vor Angst zusammen. Der Schwindel setzte schlagartig wieder ein, das rechte Auge sah gar nichts, das linke nur Geflimmer.
Sie versuchte wie in den letzten Tagen öfters, das seltsame Gefühl wegzublinzeln, weg zu schütteln.
Simon öffnete vorsichtig die Türe, sah dass sie wach war, riss sie in seine Arme.
„Mäuschen! Hast du endlich ausgeschlafen?" fragte er und lächelte sie glücklich an.

Da wusste sie, dass sie ehrlich zu ihm sein musste.
Auch, damit sie ihre Angst mit ihrem Mann teilen konnte.
Das war zwar vielleicht egoistisch, aber sie hatten immer alle Sorgen und Freuden zusammen durchlebt.
Es war nicht fair Simon gegenüber, ihn dieses Mal außen vor zu lassen.
Sie nahm sein noch immer schönes Gesicht in ihre Hände.

„Ich möchte nach Hause, Simon. Irgendetwas stimmt in meinem Kopf nicht. Ich muss das untersuchen lassen, damit ich nichts versäume." Sie atmete tief aus, war froh darüber, es ausgesprochen zu haben. Sie hätte es von ihm genauso erwartet.

Er wischte über sein Gesicht, küsste sie liebevoll. „Natürlich, Liebste! Ich habe heute Nacht mit Ronja und Marlon gesprochen, die haben mich etwas beruhigt. Aber wir fliegen gleich heute heim."
„Du hast die Kinder aufgeweckt?" Sie lächelte ihn an.
„Klar! Dafür haben wir sie ja schließlich Medizin studieren lassen!" versuchte er einen halbherzigen Scherz.

Als Monas Sehvermögen sich etwas normalisiert hatte, gingen sie engumschlungen zu ihren Freunden. Hannes hatte mitbekommen, dass Mona aufgewacht war, hatte frischen Kaffee gekocht, Eier und Speck in die Pfanne gegeben.
Britta nahm die Freundin in die Arme. Zum Glück sah sie heute etwas besser aus.
Aber die Erinnerung an Hannes' Worte quälten sie.
Mona aß mit gutem Appetit, saugte das Koffein gierig in sich.
„Wir fliegen heute!" erklärte Simon dann. „Wenn ihr noch bleiben wollt, kein Problem."

Hannes schüttelte nur den Kopf. Natürlich würden sie mitkommen.
Alle packten, wie immer ließen sie einen Teil der Sachen zurück.
Das machten sie jedes Mal so, es sollte ihnen die Sicherheit geben, dass sie zurückkommen würden.

Simon überlegte einen kurzen Moment, ob er fähig sein würde, die Maschine zu fliegen,
oder ob er sicherheitshalber einen Piloten chartern sollte.
Doch er riss sich zusammen.
Natürlich würde er die Schönheit mit den Veilchenaugen und seine besten Freunde gut nach Hause bringen.

Mona fühlte sich viel besser als am Vortag. Sie würde sich dem stellen, was nicht mit ihr stimmte, und Simon würde an ihrer Seite sein.
Genauso wie ihre Kinder und ihre Freunde.

Ronja, Marlon und Oliver begleiteten sie und Simon zum CT.
„Ich kann doch nicht mit der halben Familie dort ankommen!" wehrte Mona lachend ab.
„Halt die Klappe, Mum! Weiß Gott, was die Halbgötter in Weiß dir erzählen!" erklärte ihr wunderbarer Sohn.
Den anderen hatten sie bislang nicht von den Untersuchungen erzählt, die Ronja in die Wege geleitet hatte.

Der Chefarzt empfing die Kollegen, seine Patientin und ihren Mann mit gespieltem Lächeln. Simon merkte das sofort, sein Herz raste, sein Magen zog sich zusammen.
Nein!
Seine Süße durfte nicht ernsthaft krank sein!

Ihr durfte nichts wirklich Schlimmes fehlen!
Er wischte sich den Schweiß von der Stirne, versuchte Zuversicht auszustrahlen.
Mona fühlte seine Angst, griff nach seiner Hand, drückte sie fest.
„Also!" begann Dr. Regner.

Ronja, Marlon und Oliver standen vor den Aufnahmen, die am Leuchtrahmen hingen.
Sie waren erstarrt, erkannten das, was auf keinen Fall sein durfte, sofort.
Simon krallte seine Finger in die Hand seiner geliebten Frau, bekam die Blicke der drei Ärzte nicht mit. Er starrte nur den behandelnden Arzt an, wartete auf eine positive Diagnose, ersehnte eine einfache Erklärung für Monas Beschwerden.

Dr. Regner räusperte sich. Er musste das jetzt hinter sich bringen. So eine Nachricht war immer verdammt schwer auszusprechen.
Und bei dieser Frau, die so viel Gutes für die Stadt getan hatte, war es noch um vieles schwerer.
„Also, Frau Reiser! Wir haben einen Tumor in Ihrem Gehirn ausgemacht. Wir können nicht sehen, ob er gut- oder bösartig ist, das muss eine Biopsie klären. Allerdings ist er relativ groß, hat sich um den Sehnerv geschlungen, ist ins Bewegungszentrum gewuchert. Er ist leider inoperabel, aber wir werden ihn mit Bestrahlungen ganz gut in Griff bekommen."

Danach herrschte Schweigen in dem Zimmer.
Tödliches Schweigen!
Lähmendes Schweigen!
Ronja schluchzte auf, Marlon nahm seine Zwillingsschwester in die Arme. Die beiden wussten wie Oliver, was die Diagnose bedeutete.

Mona drehte sich um, lächelte ihre Kinder und ihren Freund an. „Fahrt nach Hause! Bitte! Das schaffen jetzt Papa und ich alleine!"

Die drei erfüllten ihren Wunsch. Sie wussten, Mona wollte vor ihnen keine Schwäche zeigen.
Als sich die Türe geschlossen hatte, sah Mona den Arzt offen an.
„Wie lange noch?" fragte sie und trieb ein Messer in Simons Herz.

Doch der Professor schüttelte den Kopf. „Nein, Frau Reiser! Darüber sprechen wir noch nicht! Der Tumor ist stark abgegrenzt, es sind keine Metastasen zu erkennen, ich tippe sehr auf ein gutartiges Exemplar. Die Bestrahlungen werden nicht angenehm, es kann auch zu leichten Beeinträchtigungen beim Sehen oder bei gewissen Bewegungen kommen. Aber die Behandlungsmethoden sind erprobt, wir hier sind auch sehr erfahren. Vier Wochen werden Sie unsere Gastfreundschaft genießen, danach circa sechs Wochen Reha, und Sie sind wieder wie neu!"

Simon begann wieder zu atmen. Sie würden noch eine Chance haben weiterzuleben.
„Können Sie gleich hierbleiben?" fragte der Chefarzt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, das es besser ist, wenn die Patienten nicht mehr viel Zeit haben, sich zu sorgen, Ängste aufzubauen.

Mona sah Simon fragend an. Er streichelte liebevoll ihr Gesicht. „Natürlich, meine Schöne! Britta und Hannes bringen uns schon, was wir brauchen."
„Uns?" fragte sie lachend, hatte ihr Elend schon fast wieder vergessen.
Er zog sie an sich. „Klar! Meinst du vielleicht, du kannst dir ein paar schöne Tage ohne mich machen?"

Der Doktor schmunzelte. Die Liebe des Ehepaares war über die Grenzen der Stadt hinaus legendär.
Aber genauso in aller Munde war, was die ganze Familie und der Freundeskreis um sie an Gutem getan hatte. Schon deshalb würde er alles unternehmen, um die beiden zusammen in einem Zimmer unterzubringen.
„Kein Problem!" erklärte er dann auch. „Natürlich können Sie mit in eine unserer Luxussuiten einziehen."


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