Kapitel 81

Leonie hielt ihren geliebten Mann fassungslos im Arm. „Das war eine wunderbare Idee, Florian!" stieß sie hervor.
Florian lächelte sie glücklich an. Ein Lob von seiner Prinzessin war noch immer das Beste, was ihm in seinem Leben passieren konnte.

Er war ein ungeplantes Kind gewesen, doch er hatte das riesige Glück gehabt, Eltern zu finden, die ihn das niemals spüren ließen. Die ihn so sehr gewollt hatten, wie Eltern sich nur ein Kind wünschen konnten.

Einen Vater, der das Glück Vater geworden zu sein, täglich genoss, weil es für ihn eigentlich unmöglich gewesen war.
Eine Mutter, die den richtigen Schritt getan hatte, als sie Fabian geheiratet hatte. Für sich, weil sie die wirkliche Liebe gefunden hatte, und für ihr Kind.
Eine Mutter, die ihn geliebt hatte, die ihn aber auch dazu erzogen hatte, den richtigen Weg zu gehen.

Den Weg, der ihn zu Leonie geführt hatte, der ihn zu seiner Prinzessin geführt hatte, der ihm wunderbare Kinder beschert hatte, wunderbare Freunde, eine riesige Familie und einen Beruf, der ihn erfüllte, wie es kein anderer hätte tun können.

Er liebte auch Mona, die so lange Zeit mit seinem Vater zusammen gewesen war. Er war froh, dass sie in Simon einen Mann gefunden hatte, der ihr ebenbürtig war, ihr, der Frau mit den vielen Talenten und dem riesengroßen Herzen.

Er verstand schon genau, dass Fabian ihr dieser Mann nie hatte sein können, und sie war auch nicht die Frau, die ihm gutgetan hatte. Er war ihr immer unterlegen gewesen, hatte erst dann seinen Weg gehen können, als er Franziska gefunden hatte.

Seine Mutter, die Fabian grenzenlos bewunderte, die ihn ohne Wenn und Aber liebte, die ihm das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. Erst da konnte er sich entfalten, konnte er Karriere machen.

Als Überraschungsgäste bei dem Fest waren Jean und Marc eingetroffen, die beiden Georges aus Paris, zu denen Hannes immer noch losen Kontakt hielt. Jonas hatte ihre Adresse herausgefunden, was für einen Spitzen-Informatiker kein großes Ding gewesen war.

Die französischen Zwillinge hatten lange mit sich gerungen, ob sie fahren sollten, ob sie nicht alte Wunden aufreißen würden.

Doch Hannes freute sich wie verrückt.
Im Grunde hatte er es ja den beiden zu verdanken, dass er zurück ins Leben gefunden hatte, dass er nicht an seinem Schmerz zugrunde gegangen war, dass er zu seinem Sohn gefunden hatte.

Sie berichteten, dass in Paris noch immer Mia-Maybach-Häuser gebaut wurden.
Sie hatten Fotos von jedem einzelnen Gebäude dabei. Sie arbeiteten mittlerweile ehrenamtlich bei der Verwaltung der Häuser mit, freuten sich immer, wenn sie Mietern von der schönen deutschen Studienrätin und ihrem Mann erzählen konnten.

Viele der französischen Mieter hatten Briefe geschrieben, in denen sie sich bedankten, viele Kinderzeichnungen lagen bei dem dicken Bündel, das die Franzosen Hannes überbrachten.

Er las stolz und glücklich, hatte Britta an sich gezogen, lächelte, aber er vergoss keine Tränen mehr. Die Wunde war vernarbt, blutete nicht mehr, brannte auch nicht mehr.

Simon hielt Mona später am Abend im Arm. „Jetzt haben wir schon fast 40 gemeinsame Jahre auf dem Buckel, Mäuschen! Unglaublich, oder?" Er sah sie an.
Sie war noch immer so schön wie damals im Biergarten.

Gut, wenn sie neben ihre Töchtern stand, die ihr Ebenbild waren, sah er die feinen Fältchen um Augen und Mund, sah er natürlich den Unterschied.
Aber mit den Augen seines Herzens sah er nur ihre Schönheit, die sich nicht verändert hatte.
Mona blickte ihn liebevoll an.

Noch immer war er der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.
Natürlich, wenn er neben seinen Söhnen stand, sah sie Falten bei ihm, bemerkte die grauen Schläfen.
Aber mit dem Blick der Liebe betrachtet, sah er immer noch aus, wie damals im Biergarten, als er sie angeflirtet hatte, und als sie es sogar bemerkt hatte.
Als sie hin und weg war von diesem gutaussehenden Mann.
Und sie war noch immer hin und weg.

„Ich liebe dich, Mädchen mit den Veilchenaugen!" flüsterte er in ihr Ohr. „Und ich will dich jetzt lieben!"
Er brannte für sie wie am ersten Tag.
Unauffällig verzogen sie sich, lebten ihre Sehnsucht aus.
Es wurde eine Nacht der Nächte.
Sie waren seltener geworden, aber es gab sie noch immer.

Die Nächte, in denen sie die Hände nicht voneinander lassen konnten.
Die Nächte, wenn sie sich küssten, als gäbe es kein Morgen mehr.
Die Nächte, in denen sich heiße Liebe mit Zärtlichkeit abwechselte.
Die Nächte, in denen sie sich schmutzige Worte zuflüsterten, und in denen sie sich zart streichelnd in den Himmel hoben.
Die Nächte, in denen sie lachend durchs Bett rollten, weil sie so verrückt waren, noch immer so verrückt nacheinander.

Hannes war auch mehr als zufrieden. Er war 70 Jahre alt, seit vielen Jahren mit Britta verheiratet, glücklich verheiratet.
Sie waren Großeltern, sein Sohn und ihre Tochter waren ein Paar geworden, etwas, was sie kurzfristig erschreckt hatte, was aber dann auch irgendwie logisch war.

Mia war eine Erinnerung in seinem Herzen, die nicht mehr schmerzte, oder zumindest meistens nicht. Sie war seine erste Liebe gewesen, die man eben nie vergisst.
Die Zeit mit ihr war eine rauschhaft glückliche Zeit gewesen, die ihm viele unglaublich schöne Erinnerungen hinterlassen hatte.

Das - und einen wunderbaren Sohn!
Doch dann hatte sie ihn so weit frei gegeben, dass er sich noch einmal verlieben konnte.
Die Liebe zu Britta war anders, und sie wusste das auch. Sie wusste, dass er auch heute noch manchmal vor Mias Bild stand, dass er ihr jeden Abend eine gute Nacht wünschte, ihr für sein Kind dankte.

Doch es kamen beinahe keine Tränen mehr, wie in der Anfangszeit, als sie ihn kennen gelernt hatte.
Sie hatten damals oft über den Schmerz gesprochen, der ihn immer wieder überrollte, oft aus unersichtlichen Gründen, oft mitten in der Nacht, wenn Träume ihm Trugbilder vorgaukelten.
Manche Nacht hatte sie ihn im Arm gehalten, ließ ihn reden, holte ihm ein Glas Wein.

Sie war nie eifersüchtig auf Mia, im Gegenteil, sie bewunderte sie zutiefst. An ihrer Schule waren ihre Lehrwerke noch immer im Einsatz, ihre Idee vom freien Schreiben hatte die Jahre überdauert.

Die schöne Studienrätin war allgegenwärtig, als sie am Gymnasium angefangen hatte.
Sie konnte kaum ermessen, was es für Hannes bedeutet hatte, sie zu verlieren.
Aber sie versuchte immer, ihn seinen Verlust etwas vergessen zu lassen, und es war ihr auch zunehmend gut geglückt.

Sie trafen sich oft mit Simon und Mona im Loft oder auf der Terrasse, spielten Karten oder würfelten, tranken eine Flasche Wein zusammen, schmiedeten Pläne für die Stiftung, freuten sich über ihre Kinder und Enkelkinder, freuten sich am Leben.

Einmal im Jahr flogen sie zusammen auf Mallorca, verlebten dort zwei wunderbare Wochen.
Sie bummelten zu viert durch die Straßen von Arta, zwei schöne Paare, etwas älter, aber sie strahlten so viel Liebe und Zufriedenheit aus, dass ihnen noch immer alle Blicke folgten. Ihr herzhaftes Lachen steckte an, genauso wie ihr offensichtliches Glück.

Simon kaufte noch immer leidenschaftlich Klamotten für seine Süße, flippige, ausgefallenen Teile, mit ihrer Figur konnte sie alles tragen.
Ihr Haar allerdings hatte sie um die Hälfte gekürzt, es war aber immer noch wunderschön.
Noch immer drehten sich Männer nach ihr um, auch jüngere, was Simon voll Stolz zur Kenntnis nahm.
„Gut, das Leonie nicht dabei ist!" merkte er eins ums andere Mal an.
Sie lächelte ihn an, ihren charmanten Mann, der sie immer noch glauben ließ, sie sei 30.

Doch es war ihr eigentlich egal, wie alt sie wirklich war! Ihr Herz war junggeblieben durch ihn, aber auch durch das Leben in diesem verrückten Haus im Gewerbegebiet am Rande der kleinen Großstadt.

Sie fühlte sich jeden Tag in ihrem Leben wohl.
Auch zu Simons 75. Geburtstag waren sie wieder auf Mallorca.

Die Viererbande – wie sie sich selbst nannten – hatte ein ruhiges Fest gefeiert, froh und dankbar für all die Jahre der Liebe und der Freundschaft.
Wieder einmal zogen sie lachend und berstend vor Glück durch das Städtchen, in dem sie so viele schöne Tage verbringen hatten dürfen.

Sie hatten Tapas verputzt, Champagner getrunken, hatten sich an all die Jahre erinnert, an alles, was sie erreicht hatten.
Nicht nur beruflich, vor allem auf dem sozialen Sektor. Sie hatten Mias Erbe verwaltet, hatten das Lebenswerk der kleinen, starken Studienrätin ausgebaut.
Das machte sie alle vier zufrieden mit ihrem Leben.


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