Kapitel 80

Monas erstes Enkelkind bescherte ihr Leonie, einen kleinen Moritz.
„So, jetzt hat der Großvater endlich eine Großmutter im Bett!" witzelte Simon.
„Aber ich habe einen Dreifach-Großvater!" schoss sie zurück.

„Meinen Vorsprung wirst du auch nie mehr aufholen können!" parierte er.
„Touchè !" Mona gab sich geschlagen.
Er hatte recht, und es machte ihr nicht das Geringste aus.
Sie war froh, dass es Marco gab, den Sohn, den Frederico Tedesco gezeugt hatte.
Zu Weihnachten flogen sie von der Insel wieder einmal nach Hause.
Marco und seine Familie wurden auch erwartet.

Als sie im Loft zusammen saßen, fragte Mona Leonie lachend: „Wie viele Menschen leben eigentlich mittlerweile hier?"
„Ich habe irgendwann einmal aufgehört zu zählen!" antwortete die Tochter.

Als die Gäste, Familienangehörige und Freunde, sich verabschiedet hatten, nahm Simon seine Süße in die Arme. „Das haben wir gut hingekriegt, oder?" fragte er leise.
Sie sah mit ihren violetten Veilchenaugen in seine hellblauen.
„Bei Gott! Das haben wir. Alle zusammen haben wir das gut hingekriegt."

„Ich würde die Oma jetzt gerne lieben!" flüsterte er in ihr Ohr, seine Zunge unterstützte seine Worte höchst erotisch.
Er war 60 Jahre alt, seine Hormone waren durch die süße Frau an seiner Seite immer noch sehr aktiv.

Ein kleines bisschen ruhiger waren sie beide vielleicht geworden, aber nicht viel.
Sie erlebten immer noch rauschhafte Nächte mit wenig Schlaf, noch immer überfiel sie mitten unter irgendwelchen Tätigkeiten die Leidenschaft.

Nicht mehr so oft vielleicht wie früher, aber sicher noch viel öfter als andere Paare ihres Alters.
Und wenn sie sich nicht gerade leidenschaftlich liebten, waren die Zärtlichkeiten da.
Dauernd hielten sie sich im Arm, dauernd küssten sie sich, dauernd streichelten sie sich.
Sie bekamen nie genug an Nähe.

Das Leben im Haus verlief herrlich unorganisiert.
Leonie und Ronja waren aufgewachsen mit einer Mutter, die nie kochen gelernt hatte und einem Vater, der das umso besser beherrschte. Wenn er nicht zu sehr abgelenkt wurde.

Deshalb übernahmen Florian und Phillip auch in den jungen Familien diesen Part.
Oft kochten sie zusammen, manchmal einer für beide Familien, wie es sich ergab.
Nichts war geplant, die Kühlschränke waren immer gut gefüllt, ihr Inhalt bestimmte das Menü.
Die beiden Schwiegersöhne verstanden sich blendend, waren für einander die Brüder, die sie nie gehabt hatten.

Die mittlerweile fünf Kinder, drei hatte Leonie – einen Sohn und Zwillingsmädchen -, zwei - eine Tochter und einen Sohn - hatte Ronja, wurden von allen gemeinsam erzogen, brachte in den Kindergarten oder zur Schule, wer gerade Zeit hatte.
Das Gleiche galt auch für die Zwillingsöhne von Jonas und Annika und die drei Töchter von Anna und Felix.

Anna und Annika konnten überraschenderweise sehr gut kochen, versorgten immer wieder irgendeinen Vater, eine Mutter oder ein paar Kinder mit.
Die letzten Kinder bekamen Marlon und Sabine, wieder einmal Zwillinge, dieses Mal wurde ein Pärchen geboren. Die Zwillingsgene der Familien Reiser und Maybach setzten sich immer wieder durch.
Marlon trug seine Frau, um die er so lange hatte kämpfen müssen, auf Händen.
Geprägt von der Liebe seines Vaters zu seiner Mutter behandelte er Sabine wie eine Königin.

Die junge Frau, die lange gebraucht hatte, sich für ihr Glück nicht mehr schuldig zu fühlen, genoss jeden Tag an seiner Seite wie ein Geschenk.
Sie stand Mona sehr nahe, ein wenig ähnelte sich ja ihr Schicksal.
Beide hatten nicht gewusst, wo sie gefühlsmäßig standen, als sie ihre zweiten Männer kennengelernt hatten.

Mona war sich schneller klar darüber geworden als Sabine, aber Fabian hatte sie ja auch betrogen gehabt.
Sie hatte sehr mit ihrem Sohn gelitten, der immer wieder nach den Treffen mit seiner großen Liebe tagelang geheult hatte.

Manches Mal hatte er sich in ihre Arme geflüchtet, hatte Trost gesucht, der 30jährige Sohn, ein Ebenbild seines Vaters.
Immer wieder hatte er sie um Rat gebeten. „Mein Gott, Mama! Was soll ich denn bloß machen, damit sie nicht immer wieder zu ihm zurückgeht. Sie muss doch fühlen, wie ich sie liebe und brauche!."

Und letztendlich hatte sie ihm auch zu dem Ultimatum geraten.
Sie hatte gespürt, dass ihr geliebter Sohn die Situation nicht mehr lange ertragen konnte.
Sie war damals oft sauer auf Sabine gewesen, weil sie ihn so quälte, hatte ein ganz falsches Bild von ihr gehabt.

Doch als sie sich näher kamen, merkte sie schnell, dass die Schwiegertochter nicht grausam gewesen war, sondern eine sehr ernsthafte junge Frau, die eben nicht so einfach ihre erste Liebe wegwerfen wollte.

Auch der Nachwuchs im Haus, die dritte Generation, verstand sich ausnehmend gut miteinander. Sie schliefen mal da mal da, mal auch zu Hause.
Oft mussten die Eltern sich am Morgen besinnen, wo ihre Kinder gerade waren.
Die Größeren kümmerten sich wie selbstverständlich um die Kleinen.
Alle erzogen sich gegenseitig.

Mona und Simon verbrachten viel Zeit auf der Insel, die sie ins Herz geschlossen hatten, und deren Bewohner das deutsche Ehepaar liebten.
Es gab dort mittlerweile 20 Häuser zu je 6 Wohneinheiten, die meisten in den touristischen Ballungszentren, sie hatten viele Nachahmer gefunden.

Sie flogen aber auch auf Messen, zusammen mit Leonie und Florian oder auch mit Jonas und Annika. Sie besuchten klassische Konzerte genauso wie auch immer noch Rockkonzerte, reisten zu Musicalpremieren und Opernhighlights.

Sie besuchten Marco auf seinem Weingut, flogen mit Hannes und Britta zu seinem.
Sie genossen das Leben und die Liebe jeden Tag.
„Gut sein und glücklich werden!" Dieses Lebensziel Monas erreichten sie .

Den 70. Geburtstag der Männer feierten sie wieder mit einem großen Fest.
Nicks Imbiss hatte sich mittlerweile zu einem respektablen Cateringservice mit Restaurant entwickelt. Seine Söhne hatten das Geschäft übernommen.

Das Gewerbegebiet war weiter gewachsen, die vielen Feiern der Familien Reiser / Maybach hatten auch zu seinem Erfolg beigetragen.
Es gab unheimlich viele Geburtstage, Verlobungen, Hochzeiten in diesem etwas verrückten Haus, die er belieferte.
Bei der Baugenehmigung für die Gaststätte hatte Simon wieder einmal ein wenig seine Beziehungen spielen lassen.

Niemand konnte seinen Argumenten mit dem sozialen Wohnungsbau wirklich etwas entgegensetzen.
Sie hatten auch ein freies Grundstück gekauft, darauf eine KiTa errichtet, zum einen für die Kinder der Angestellten, die in ihrem Viertel arbeiteten, zu anderen auch für den zahlreichen Nachwuchs, mit dem sie beschenkt wurden, eigenen Enkelkindern und denen der Freunde.

Es wurde ein riesiges Fest, ein lautes Fest.
Es wurde ein Fest der Liebe, der Liebe von Paaren, von Eltern, von Kindern.
Es wurde ein Fest des Glückes, des schier grenzenlosen Glückes von Menschen, die in einem seltsamen Haus zusammen wohnten.

Florian hatte ein Geschenk der besonderen Art für die Jubilare. Er hatte in all den Jahren Lebensläufe gesammelt von Abgestürzten, von Drogensüchtigen, von Alkoholkranken, von Obdachlosen, von gewalttätigen Männern und Frauen, die es mit Hilfe der Stiftung geschafft hatten, ihr Leben in den Griff zu bekommen.

Alle Geschichten entsprachen der Wahrheit, waren von den Beteiligten freigegeben worden, nur die Namen waren geändert. Einige derer, die mit Hilfe der Sozialstation ins Leben zurückgefunden hatten, waren unter den Gästen, arbeiteten in der Stiftung, wohnten in den Mia-Maybach-Häusern, hatten zum Teil Familien gegründet.

Überraschend häufig tauchten beim Nachwuchs der Mieter die Namen Mia und Hannes auf, später auch Simon oder Mona.

Es war ein dickes Buch geworden, das er hatte binden lassen. Drei Exemplare davon überreichte er Simon, Hannes und Markus.
Viele Tränen flossen, als die Geburtstagskinder darin blätterten.

Jonas nahm seinen Vater in den Arm. „Hast du Mama erzählt, was ich mit ihrem Geld gemacht habe?" fragte er.
Hannes presste diesen wunderbaren Sohn an sich. „Ja, Jonas! Und schau nach oben. Der Stern, wie er funkelt. Sie freut sich sehr über ihr Kind."

Jonas wollte seinem Vater gerne glauben. Er hatte, seit er sich dessen bewusst geworden war, darunter gelitten, dass er mehr oder weniger schuld war am Tod seiner Mutter.
Er hoffte aus ganzem Herzen, dass er es wert war, dass diese außergewöhnliche Frau ihr Leben für ihn gegeben hatte.

Hannes hatte immer wieder lange Gespräche darüber mit seinem Sohn geführt. Es hatte ihm das Herz abgedrückt, als der Junge zum ersten Mal darüber gesprochen hatte.

„Nein, Jonas! Dich trifft nicht die geringste Schuld. Wir wollten dich doch unbedingt haben." Er hielt ihn fest im Arm.

Wenn, dann bin ich schuld, weil ich so unbeherrscht gewesen war.
Wir hätten vielleicht später ein Kind gewollt, aber es wäre sicher nicht an einem Tag geboren worden, an dem Eisregen alles lahmlegte und alles zerstörte, was bis dahin meine Welt gewesen war! dachte er.
Doch darüber konnte er natürlich nicht mit einem Acht- oder Neunjährigen sprechen.

Und heute, an diesem besonderen Tag für seinen Vater, sah Jonas zum Himmel, sah den Stern auf den sein Vater gezeigt hatte und wusste, er hatte recht.
Mia war zufrieden mit ihm. Er war der Sohn geworden, den sie sich gewünscht hatte.

Und er hatte ihr Geld in ihrem Sinn eingesetzt. Er hatte damit die Welt ein kleines bisschen besser gemacht, für sie, weil sie es nicht mehr konnte.
Und er würde weiter in ihrem Sinne arbeiten.


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