Kapitel 75
Die nächste Generation
Leonie
Leonie wollte ihren 25. Geburtstag mit einer großen Party feiern. Ihre Eltern waren zwar auf Mallorca, würden auch nicht so schnell nach Hause kommen, hatten ihr aber telefonisch das Okay für die Fete im Loft gegeben.
Alle halfen bei den Vorbereitungen, die Erwachsenen hatten versprochen, den Abend und die Nacht außer Haus zu verbringen.
Sie wussten, sie konnten sich auf ihre Kinder verlassen.
Nick vom Kiosk sorgte für das Essen, Wein gab es von den Weingütern, Bier besorgte Jonas.
Das Wetter sollte halten, sie bauten auf der Dachterrasse Biergarnituren auf.
Gegen neun trudelten die ersten Gäste ein.
Sie hatte hauptsächlich Schul- und Studienfreunde von sich und Jonas eingeladen, die Clique eben, mit denen sie auch sonst rumzog.
Aber auch ein paar junge Leute, die sie durch die Stiftung kennengelernt hatte.
Inga, eine der Sekretärinnen brachte einen jungen Mann mit, der vor kurzem als Sozialpädagoge angefangen hatte.
Leonie sah ihn kurz an. Er war gegenüber den Männer ihrer Großfamilie, die alle um die 1,90 m groß waren, eher klein, vielleicht 1,75 m?
Sie beachtete ihn nicht weiter, begrüßte die neuen Gäste.
Florian
Florian blieb fast das Herz stehen, als er der Gastgeberin vorgestellt worden war.
So eine schönes Mädchen hatte er noch nie gesehen.
Er hatte lange gezögert, bis er eingewilligt hatte, Inga zu der Party zu begleiten.
Es war praktisch das Haus seiner Chefs, der schwerreichen Firmenbesitzer, die die Stiftung gegründet hatten.
Doch er hatte nichts Besseres vor, und Inga war durchaus ein heißer Käfer.
Aber von dem Moment an, als er das Geburtstagskind gesehen hatte, hatte er nur noch Augen für sie.
Jonas, dem die schwärmerischen Blicke des jungen Mannes bald auffielen, begann ein Gespräch mit ihm.
Er musste ja ein wachsames Auge auf seine Freundin haben.
Sie waren beide keine Kinder von Traurigkeit gewesen in den letzten Jahren, hatten durchaus ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht, er vielleicht mehr als sie.
Aber immer hatten sie ihre Partnerinnen und Partner respektvoll behandelt, so wie sie es aus dem Elternhaus gewohnt waren.
Er unterhielt sich eine ganze Weile mit dem jungen, ernsthaften Mann, der so ganz anders war als die lauten, selbstbewussten Mitglieder ihres Freundeskreises.
„Bist du ihr Bruder?" fragte Florian schließlich.
„So was Ähnliches, ja. Wir sind zusammen aufgewachsen!" antwortete Jonas und erzählte kurz ihrer beider Geschichte.
„Sie gefällt dir, oder?" fragte er danach geradeheraus.
Florian grinste. „Natürlich! Wem würde sie nicht gefallen. Aber sie ist wohl eine Nummer zu groß für mich, nicht nur körperlich!" erklärte er selbstironisch.
In diesem Augenblick schnappte ihn sich Inga und zog ihn auf die Tanzfläche.
Sie hatte sich ja einiges von diesem Abend erhofft.
Bisher war nach ihrem Geschmack noch nicht genug in dieser Richtung geschehen.
Da musste eben sie die Initiative ergreifen.
Doch bald bemerkte sie, wie einsilbig Florian war.
Sie folgte seinem Blick, der natürlich an Leonie hing.
Das war keine gute Idee gewesen, ihn mit hierher zu bringen! dachte sie. Mit der Tochter des Hauses konnte sie es natürlich nicht aufnehmen.
Fast tat ihr auch Florian ein bisschen leid.
Eine Leonie Reiser würde sich wohl kaum für einen jungen Sozialpädagogen interessieren.
Das nahm auch Florian schmerzlich wahr.
Sie flirtete sich quer durch die Riege ihrer Bewunderer, lachte alle jungen Männer an, würdigte ihn keines Blickes.
Na, denn! Musste er sich eben innerhalb seiner Möglichkeiten umsehen und Inga ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken, um diese Nacht nicht alleine verbringen zu müssen.
Ein paar Stunden später waren die Gäste ziemlich alkoholisiert, die Mitglieder der Gastgeber-Großfamilie und Florian bildeten die Ausnahme.
Dumme Partyspielchen wurden veranstaltet, der Lärmpegel stieg beachtlich.
Florian stand wieder bei Jonas, der froh war, noch einen nüchternen Gesprächspartner gefunden zu haben.
Leonie tanzte mit einem jungen Mann vorbei, der kräftig an ihr herumzufummeln begonnen hatte.
Es hatte schon ein paar Mal kräftig eins auf die Finger gegeben, aber er war unbeeindruckt davon geblieben.
Jonas beobachtete die Szene, kam seiner Freundin zu Hilfe.
Er führte sie zu dem Platz, an dem er sich gerade mit Florian unterhalten hatte.
„Bleib jetzt besser bei uns. Da bist du in Sicherheit!" bat er sie. „Langsam sollten wir vielleicht die Taxen bestellen."
„Na ja! Gib ihnen noch eine Stunde!" Sie ließ sich neben Florian fallen, der sein Glück kaum fassen konnte.
Inga war auch ziemlich angesäuselt auf der Tanzfläche unterwegs.
Das würde wohl nichts werden heute Nacht.
Im Moment war er darüber auch gar nicht böse.
Leonie sah ihn überrascht an. „Dich habe ich heute noch gar nicht gesehen!" sagte sie lächelnd.
Er lachte. „Na ja! Deine Blicke sind immer etwas höher ausgerichtet gewesen."
Leonie lachte mit. Der Typ war lustig mit seiner Selbstironie.
„Und du bist wer?" fragte sie geradeheraus.
„Florian Berg, Sozialpädagoge bei eurer Stiftung!" stellte er sich vor.
Das interessierte Leonie wirklich. „Ah! Super! Erzähl mal, was du so machst."
Florian glaubte im falschen Film zu sein. Da saß dieses wunderschöne Mädchen, lächelte ihn bezaubernd an und fragte ihn nach seinem Job.
Alles hätte er vermutet, aber dass sich eine schwerreiche Schönheit für seinen Job interessierte? Nicht im Geringsten!
Doch das war natürlich ein tolles Thema für ihn. Er brannte für seine Arbeit
Er fing an zu erzählen, von Ungerechtigkeiten, die das Schicksal zuließ, davon, dass es sein Ziel war, ein paar davon auszugleichen, von seinem Kampf gegen Drogensucht und Chancenlosigkeit, von ersten Erfolgen, davon, wie toll er die Stiftung fand, wie er ihre Eltern bewunderte, die mit ihrem Geld so viel Sinnvolles bewirkten.
Florian spürte ihr echtes Interesse, redete und redete.
Leonie
Leonie hing an seinen Lippen.
In ihrer Lebens-Gemeinschaft war ein großes soziales Bewusstsein gang und gäbe.
Aber unter den jungen Leuten ihres Freundeskreises war das nicht so selbstverständlich.
Für die meisten zählten Erfolg, Geld und Statussymbole.
Gut, sie war mit dem goldenen Löffel geboren worden, aber das waren viele von den anderen auch. Aber sie und alle jungen Leute in ihrem Haus waren anders erzogen worden.
Jonas merkte schnell, dass er die beiden vielleicht alleine lassen sollte, tanzte mit Annika, mit Ronja und mit einem Mädchen, das noch nüchtern genug schien, um auf den Beinen zu bleiben.
„Ich finde deine Ansichten toll, sehr erwachsen!" sagte Leonie schließlich zu Florian. „Unsere Familie denkt ähnlich. Diese Häuser wurden ja ursprünglich von Jonas' Eltern gebaut. Seine verstorbene Mutter war die Initiatorin, sie wollte so viel wie möglich die Welt besser machen. Das erste Haus war das Hochzeitsgeschenk seines Vaters an sie!"
Und ehe sie sich versah, erzählte sie diesem ernsthaften jungen Mann die Geschichte beider Familien.
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