Kapitel 71

Hannes hatte schlecht geschlafen.
Ein Date!
Er hatte tatsächlich ein Date ausgemacht!
Er war nervös wie ein Schuljunge.
Er brachte die Kinder zur Schule, bis zum Klassenzimmer.

Aber leider hatten sie in der ersten Stunde ein Fach, das Britta nicht unterrichtete.
Kurz überlegte er, ob er unter irgendeinem Vorwand im Lehrerzimmer vorbeischauen sollte, vielleicht um sich zu erkundigen, ob die Kaffeemaschinen funktionierten?
Er traf Gregor im Gang, der ihn angrinste. Er ahnte schon, nach wem der Freund auf der Suche war.
„Britta hat heute erst zur zweiten Unterricht!" erklärte er.

„Ah! Okay!" Hannes stammelte ein bisschen herum. „Gut! Dann fahre ich mal wieder!"
Er trödelte durchs Haus, vielleicht kam sie ja ein bisschen eher.
Mann!
Was ist denn mit dir los?

Er war wirklich verwundert über sich.
Und er hatte tatsächlich Glück.
Als er ganz langsam zu seinem Auto schlenderte, bog sie in den Lehrerparkplatz ein.
Wie von selbst trugen ihn seine Beine zu ihrem Wagen.
Er öffnete ihr die Türe, half ihr galant heraus.

Sie lächelten sich an.
„Ich hatte gehofft, dich zu treffen!" gestand er und merkte gar nicht, dass er zum du übergegangen war.
„Ich auch!" gab sie zu.
Ihr Harz raste.
Er war schon ein toller Mann.
Kaum zu glauben, dass der sich für sie interessierte.
„Hast du die Kinder gebracht?" Auch sie fand nichts dabei, ihn zu duzen.

„Ja! Ich bin froh, dass ich das wieder kann" Na, jetzt plauderte er aber schon ganz schön sein Seelenleben aus.
Nur gut, dass er nicht zu heulen begann.
Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass Mia oben am Fenster stand und ihm ein: „Gut so!" zurief.
„Es ist gut, dass du vorwärts sehen kannst!" sagte Britta.
Und er wusste, sie würde ihn verstehen, seine Trauer ebenso wie seine Hoffnung.

„Es hat lange gedauert, aber jetzt schaffe ich es, glaube ich." Er lächelte sie an, strich mit dem Finger über ihr Gesicht. Diese kleine unschuldige Zärtlichkeit gefiel ihm, und sie gefiel auch ihr.
Sie wussten beide, sie wollten versuchen, einen Weg gemeinsam zu gehen.
„Also, bis heute Abend!" sagte Hannes und drückte ihre Hand.

Er war froh, sie getroffen zu haben. Es hatte ihm viel von seiner Nervosität genommen. Sie hatten den Weg klar gemacht, sie wusste, dass er an ihr als Frau interessiert war, sie hatte signalisiert, dass ihr das gefiel.

Lächelnd fuhr er zum Einkaufen, Simon würde schon Verständnis haben, wenn er etwas später kam.
Sie hatten zwar eine Terminsache am Laufen, aber der Herr Dr. Reiser kam ja weiß Gott oft genug sehr verspätet nach unten.

Er grinste bei diesem Gedanken.
Die beiden waren schon ein besonderes Paar.

Er hatte anfangs gedacht, ihre Hormone würden sich irgendwann einmal beruhigen.
Aber das Gegenteil schien der Fall zu sein.
Eigentlich sollte man die zwei zur alternativen Energiegewinnung einsetzen, die elektrischen Ströme, die zwischen ihnen immer flossen, müsste man doch nutzen können.

Bei Mia und mir war es auch so! gewesen dachte er, glücklich, eine solche Liebe erlebt zu haben, aber nicht mehr bodenlos traurig, dass sie vorbei war.
Er konzentrierte sich auf die Einkaufsliste im Kopf, lief beschwingt durch die Gänge des Supermarktes, kam zwei Stunden später zu Hause an.
Simon winkte ihm zu, half ihm, seine Einkäufe hinauf zu tragen.

Er erinnerte sich an die Massen von Lebensmittel, die Kai damals für ihn besorgt hatte, als er das erste Mal für Mona gekocht hatte.
Das erste Mahl war etwas missglückt, da hatte die Leidenschaft eindeutig Vorrang gehabt vor Steaks und Bratkartoffeln.
Hannes sah sein Schmunzeln.
Simon erzählte ihm die Geschichte.

„Also, wenn es verbrannt riecht, wissen wir, dass der Blitz eingeschlagen hat!" zog er den Freund auf.
Beide lachten, schlugen sich ab. Simon würde es Hannes so sehr gönnen, wenn der sich neu verlieben könnte.
Er und Mona hatten anfangs immer ein wenig schlechtes Gewissen gehabt, weil sie so glücklich waren und er so traurig. Doch es war immer ein bisschen besser geworden.

Markus schien sich auch wieder umzusehen.
Immer öfter schlief Anna bei ihnen oder bei Jonas.
Doch der Zwillingsbruder seines Kompagnons trug sein Herz nicht so auf der Zunge, sprach nicht so offen über seine Gefühle wie Hannes.
Er hoffte nur, er brächte nicht so eine Zicke wie diese Sarah ins Haus. Einges hatte er schon mitbekommen aus Bemerkungen von Hannes.
So eng, wie sie zusammen lebten, sollten die neuen Frauen der Maybachs schon passen.
Bei Britta hatte er ein gutes Gefühl.

„Und was kochst du?" fragte Simon.
Hannes grinste. „Italienisch natürlich! Eine gemischte Vorspeisenplatte, Pasta mit Shrimps, Saltimbocca und zum Nachtisch Tiramisu."

Simon pfiff bewundernd. „Wow! Volles Programm! Na, da nimmst du dir lieber mal heute frei. Sonst brichst du im Bett zusammen."
Hannes boxte ihn scherzhaft, nahm aber das Angebot gerne an.
Er hatte schon vorgehabt, sich heute abzuseilen.
Die Gerichte ließen sich alle sehr gut vorbereiten, dann konnte er den Abend auch ein wenig genießen.

Den halben Nachmittag stand er in der Küche, dann legte er sich ein wenig aufs Sofa.
Jonas machte Hausaufgaben bei Leonie, würde dann gleich drüben bleiben und auch dort schlafen.

Er dachte an die vielen Male, wenn er für Mia gekocht hatte, aber es tat fast nicht mehr weh.
Er nahm sich fest vor, die Beziehung zu Britta, sollte es denn eine werden, nicht mit der Zeit mit Mia zu vergleichen.

Er war älter geworden, hatte einiges erlebt, hatte enge Freunde gefunden, die alten aber nicht verloren, hatte einen wunderbaren Sohn.
Er war nicht mehr der Aufreißer von damals, der Liebling der Frauen, in den sich seine Kleine verliebt hatte.

Er war ein erwachsener Mann mit Vergangenheit, mit Narben und Wunden.
Das Projekt Sozialer Wohnungsbau forderte viel Zeit, befriedigte ihn aber ungemein.
So etwas hätte der 32jährige Hannes damals nie ins Auge gefasst.
Zu Mias Zeit war sie seine erste Beziehung gewesen, die länger als ein paar Tage gehalten hatte.

Er war sorglos glücklich gewesen, doch der Gedanke an ein Kind hatte ihn erschreckt.
In vielem dachte er heute anders als damals. Deshalb würde eine neue Beziehung auch anders werden als die Ehe mit Mia.
Um halb sieben fuhr er los, nachdem er geduscht und sich schick angezogen hatte.

Britta war hypernervös.
Sie hatte während der Trennungszeit und nach der Scheidung ein paar Dates gehabt, meistens mit Kollegen, die sie auf Fortbildungen kennen gelernt hatte, sie hatte auch mit dem einen oder anderen geschlafen, mit einem auch etwas wie eine Beziehung begonnen, aber so recht war der Funke nicht übergesprungen.

Aber es war noch nie so ein auch nur annähernd gutaussehender Typ dabei gewesen, wie dieser Dr. Hannes Maybach.
Als sein Auto vorfuhr, stolperte sie über den Läufer im Gang und wäre ihm fast in die Arme gefallen, als sie die Türe öffnete.

„Hoppala!" sagte er lachend. „Das nenne ich ja eine nette Begrüßung."
Sie lief rot an, was er entzückend fand.
Er küsste sie leicht auf die Wange, was er sehr schön fand.
Er führte sie zu seinem Wagen, hielt sie dabei am Ellbogen, was sie sehr süß fand.

Britta war gespannt, wie er wohnte.
Als er immer mehr in Richtung Stadtrand fuhr und schließlich in das Gewerbegebiet einbog, erzählte er ihr die Geschichte von Simons Haus, und wie er zu der Wohnung da gekommen war.
Aha! dachte Britta. Das ist ja eine interessante Konstellation. Das gefiel ihr. Menschen, die zusammenlebten, sich halfen, sich liebten, die ihre Kinder zusammen groß zogen, so ein Leben könnte sie sich für sich und Annika auch vorstellen.
Mach mal langsam, Britta! schalt sie sich. Von Zusammenleben kann ja nun wirklich noch nicht die Rede sein.
„Das finde ich toll!" entfuhr es ihr.
Er lächelte sie an. Er fand es toll, dass sie es toll fand.

In der Wohnung sah sie sich staunend um. Eine typische Männerwohnung, aber sehr charmant, eigentlich genau ihr Stil. Ein Bild von Mona im Regal, viele von Jonas. Eine ultramoderne, zum Wohnzimmer offene Küche, eine gemütliche Ledergarnitur, ein großer massiver Holzesstisch mit Lederstühlen.

„Ein Glas Prosecco?" bot Hannes ihr an, war ein bisschen nervös.
„Gerne!"
Sie stießen an, tranken einen Schluck, er küsste sie leicht auf die Wange.
„Ich habe dich heute einfach geduzt. Es kam mir richtiger vor als das Sie. Also, ich bin Hannes."

„Britta!" antwortete sie leise, konnte den Blick nicht von diesem Lächeln und diesen Wahnsinnsaugen lösen.
„Also, also, dann setz dich bitte." Er räusperte einen Frosch im Hals weg. Ihr Lächeln und ihre braunen Augen machten ihm ganz schön zu schaffen.

Er servierte die Vorspeisenplatte, sie begannen, sich von ihrem Leben zu erzählen.
Dann kochte er die Nudeln, wärmte die Sauce auf, danach brachte er den Fleischgang mit Kartoffeln und Salat, anschließend den Nachtisch.

Britta hätte nicht sagen können, was sie gegessen hatte, aber sie wusste, dass seine Stimme schön klang, wenn er sprach, dass seine Lippen weich und voll waren, dass die Muskeln unter seinem engen Shirt zu erkennen waren, dass er wunderbar lächelte, tatsächlich sie anlächelte, dass er wunderschöne Hände hatte.

Sie hatte keine Ahnung, wie das Essen geschmeckt hatte, aber sie wusste, dass ihr gegenüber der schönste Mann saß, den sie je gesehen hatte.
Hannes aß, servierte, aß, servierte, hoffte, dass alles schmeckte, redete, hörte zu, sah ihre schönen Lippen an, wenn sie leise und sanft sprach, bemerkte nach einiger Zeit das hübsche naturfarbene Kleid, das ihr so gut stand, besser als die Schulklamotten, bemerkte das Dekolleté , sah in ihre Augen, räumte das letzte Mal den Tisch ab.

„Hat es geschmeckt?" fragte er und räusperte sich wieder. Wo kam denn der Frosch in seinem Hals heute immer her?
„Ich glaube schon." Mein Gott Britta, was sagst du denn da.
Er lächelte. „Ich weiß es auch nicht wirklich, ob alles gelungen war." Er verstrubbelte seine Haare, war wieder ein wenig verlegen.

Er zog sie hoch, schaltete die Musikanlage ein, drehte sich langsam mit ihr im Kreis, spürte, wie Begehren in ihm hochstieg, wusste, dass er unbedingt schlafen wollte mit dieser ruhigen, sanften, hübschen Frau mit den braunen Augen und dem wunderschönen Lächeln.

Doch er wollte nichts überstürzen, wartete auf Signale von ihr.
Nach einem langen zärtlichen Kuss kamen diese auch eindeutig.
Ihre Hände fuhren unter sein Shirt, er stöhnte auf. Lange hatte er schon keine Frauenhände mehr auf seinem Körper gefühlt.

Er genoss ihre zarten Berührungen, schenkte ihr seine Zärtlichkeiten.
Fragend sah er sie an, als sie sich schweratmend nach einem weiteren Kuss voneinander trennten.
Britta verstand seinen Blick, dachte ein halbe Sekunde lang nach, nickte kaum merklich.
Er trug sie ins Schlafzimmer, zog sie liebevoll aus, und sie erfuhr, wie wunderbar es sein konnte, mit einem Mann zu schlafen, der die Bedürfnisse einer Frau kannte und sie auch ernst nahm.

Hannes genoss die Ruhe, mit der sie ihn sie lieben ließ, mit der sie ihn ihren Körper erforschen ließ, mit der sie seinen erforschte.
Als er in sie eindrang, stöhnte sie auf. Er brachte sie beide zum Höhepunkt, hielt sie danach fest im Arm.
„Ja!" dachte er. „Das war gut!" Er wusste, er hatte sich verliebt.

Sie lag glücklich lächelnd in seinen Armen.
So war sie noch nie geliebt worden, so hatte sie noch nie fühlen dürfen.
Was für ein Mann!
Und er lag neben ihr!
Sie wusste, dass sie sich verliebt hatte, und der Gedanke machte ihr etwas Angst.

„Das war schön!" flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich danke dir, dass ich deinen Körper lieben durfte."

Mein Gott! dachte sie. Was für schöne Worte. Das konnte doch alles nicht ihr geschehen.
„Ja!" flüsterte sie zurück. „Das war schön. Danke, dass du meinen Körper so wunderbar geliebt hast." Sie wunderte sich über ihren Mut, der sie das sagen ließ.
Aber sie fühlte sich ihm so nah, fühlte sich so aufgehoben.

Hannes küsste sie für ihre schönen Worte, fühlte sich plötzlich angekommen nach einer sehr langen Reise. Er stützte sich auf einen Elenbogen, sah ihr tief in die fast schwarzen Augen.
„Ich habe mich ganz schön verliebt in dich, Frau Britta Malnik, Lehrerin meines Sohnes." Sanft streichelte er ihr Gesicht, lächelte sie zärtlich an.

Ungläubig erwiderte sie seinen Blick.
Verliebt?
Dieser Mann?
In sie?
Sie wusste, dass sie keine Schönheit war, ganz hübsch, okay, aber nicht im Entferntesten so wie seine verstorbene Frau.

„Warum?" fragte sie leise und kam sich sehr dumm und unerfahren vor.
Hannes dachte kurz nach.
Ja, warum?
Sie war keine Schönheit wie Mia, das war ihm schon klar, aber sie war ihr trotzdem ähnlich.
Die Stimme, das bezaubernde Lächeln, die Art, wie sie zu den Schülern gesprochen hatte.

„Du hast mein Herz wieder zum Klingen gebracht!" antwortete er schließlich und wusste, dass es so gewesen war.
Ihr Anblick hatte ihn nicht umgehauen wie Mia den 32jährigen damals, aber diese Frau hatte seinem Herzen wieder Träume geschenkt.

Britta hatte Tränen in den Augen.
War er auch noch ein Dichter?
Sie erinnerte sich an ihre Internetrecherche am Nachmittag.
Sie hatte nach Infos über ihn und Mia gesucht, hatte Unglaubliches erfahren.
Er war mit einer Dichterin und Schriftstellerin zusammen gewesen, da war es wohl kein Wunder, dass er solche Sachen sagte.

Unwillig löste sie sich aus seinen Armen. „Ich habe morgen Schule. Ich muss nach Hause!" sagte sie leise, bedauerte ihre Worte schon, als sie sie aussprach.
„Natürlich!" Er sprang aus dem Bett, verschwand schnell im Bad, zog sich dann an, hatte nicht die geringsten Hemmungen. „Möchtest du duschen?" fragte er noch.

„Nein, das mache ich dann zu Hause!" Sie wollte seinen Duft auf ihrer Haut noch ein wenig behalten.
Er fuhr sie nach Hause, sie lachten viel, waren sich sehr nah, fühlten sich ausgesprochen wohl zusammen.
„Wann darf ich deine Tochter kennen lernen?" fragte er.
Sie sah ihn ernst an.

Sollte sie ihr Kind wirklich nach nur einem Tag in diese Sache hineinziehen?
Er bemerkte ihr Zögern, sie waren am Haus ihrer Eltern angekommen.
„Britta, mir ist diese Beziehung zu dir wichtig. Das ist kein Spiel, okay?" versicherte er.
Sie wich seinem Blick nicht aus, glaubte ihm seltsamerweise jedes Wort. Nein, es war kein Spiel!

„Wann hättest du Zeit?"
„Morgen!" schlug er lächelnd vor. „Nachmittags, wenn mein Sohn da ist, und vielleicht der Rest der Bande?"
Na, das klang ja wirklich ernst, das klang wirklich nach Beziehung.
„Gegen vier?"
„Perfekt!" sagte er nur und küsste sie zum Abschied zärtlich und dann so leidenschaftlich, dass es beiden sehr schwer wurde, den Kopf zu behalten.

Aber sie waren nun mal keine Teenager mehr, die im Auto rummachten.
Eigentlich schade! dachte Hannes.
Er verwuschelte sich verlegen die Haare, sprang aus dem Auto, öffnete ihr die Türe, brachte sie zum Eingang.
Ihre Mutter, die am Küchenfenster auf ihre Tochter gewartet hatte, verzog sich schnell nach oben.
„Ein hübscher Mann!" sagte sie lächelnd zu ihrem Mann.
„So! So!" zog der sie auf. „Der gefällt dir also! Da muss ich wohl auf meine Frau aufpassen!"

Britta tanzte die Treppe hinauf, der Abschiedskuss auf den Stufen brannte noch auf ihren Lippen.
Halb ein Uhr!
Morgen um sechs war die Nacht zu Ende.
Aber an Schlaf würde wohl nicht zu denken sein.
Noch immer fühlte sie seine Lippen auf ihren, seine streichelnden Hände auf ihrer Haut, noch immer hörte sie sein dunkles Lachen, sah sie seine Bernsteinaugen vor sich.


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