Kapitel 60
Er atmete tief ein, nahm allen Mut zusammen.
Es würde eine lange Rede werden und die schwerste seines Lebens.
„Also, sie heißt Carlotta. So lange ich Frederico war, konnte ich sie nicht leiden, habe so wenig Zeit wie möglich mit ihr verbracht. Als ich Simon war, empfand ich Dankbarkeit, dass sie mich aufgenommen hatte, empfand ich Scham, dass ich sie so behandelt hatte.
Vor allem, weil wir...., weil wir.....!" Verdammt, er konnte es nicht aussprechen.
„Weil ihr was?" Ihre Stimme hatte alle Kraft verloren.
„Weil wir ein Kind zusammen haben."
Mona schrie auf. „Nein! Nein! Das nicht! Nein!" Tränen stürzten aus ihren Augen, sie schlug seine Hände weg, die sie beruhigen wollten.
Er wurde auch laut.
Sie musste verstehen, sie musste doch seine verdammte Situation verstehen.
„Mona! Bitte! Ich war ein nieman. Ich hatte nicht einmal einen Namen. Ich habe mit einer Frau geschlafen, die ich nicht mochte, nicht kannte und auch nicht kennenlernen wollte. Sie hat gesagt, sie nimmt die Pille, hat mich aber reingelegt, ich war ein Trottel, aber dann war der Junge auf der Welt. Frederico hat ihn ignoriert, absolut, total. Aber Simon liebt ihn, kann ihn lieben, seit er wieder er selber ist, muss ihn lieben, weil er sein Sohn ist."
„Du hast ein Jahr lang mit einer Frau geschlafen, du hast einen Sohn, den du geliebt hast, bevor du unsere Tochter überhaupt gesehen hast, und du wagst es, mich zu fragen, ob es jemanden in meinem Leben gegeben hat?" Sie schrie ihm Wut und Enttäuschung ins Gesicht.
„Mona! Du warst du. Ich war eine Null." Nun strömten auch über sein Gesicht Tränen. „Und außerdem, was wäre ich denn für ein Mann, der seinen Sohn nicht liebt? Dem ein neun Monate altes Kind, das ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist, egal ist? So ein Mann möchte ich nicht sein, werde ich auch nie sein. Und so einen Mann könntest du auch nicht lieben. So ein Mann war Frederico, aber ich bin anders."
Diese letzten Worte drangen direkt in ihr Herz, tauten es auf, brachten die Zärtlichkeit zurück in ihre Augen.
Wie recht er doch hatte!
Der Schock hatte ihre Sinne total vernebelt.
Das war doch nicht sie gewesen.
Sie konnte doch nicht eifersüchtig darauf sein, was ein fremder Mann, der sich selbst nicht kannte, getan hatte.
Sie konnte doch ein unschuldiges Kind nicht hassen, weil seine Mutter es unbedingt haben wollte.
Sie strich ihm übers Haar, strich mit dem Handrücken über seine Wange.
Er griff nach ihrer Hand, küsste jeden Finger einzeln, wusste, sie hatte verstanden, wusste, sie war seine Mona, wusste, dass er sich nicht geirrt hatte, als er seinem Sohn versprochen hatte, dass er für ihn da sein würde.
„Verzeih mir!" flüsterte sie.
„Nein, Mona! Es gibt nichts zu verzeihen. Ich wusste, dass es ein Schock für dich wäre, aber ich wusste auch, dass dein Herz verstehen würde." Er küsste sie zärtlich. „Denn du bist keine Frau, die ein unschuldiges Kind ablehnt, weil seine Eltern einen Fehler gemacht haben, der sich aber dann als Glück herausgestellt hat. Denn ich bin glücklich über diesen Sohn, auch wenn ich seine Mutter nie geliebt habe. Ist das schlimm?"
„Nein! Das ist gut, Simon. Das ist sehr gut." Und sie fühlte wirklich so. „Wie heißt er?"
„Marco. Ich war nicht einmal bei seiner Taufe." Er war im Nachhinein noch zerknirscht.
„Du wirst alles gut machen, ich weiß das!" versicherte sie ihm.
„Wir werden alles gut machen, ja, Mona?" Seine Augen flehten um ein „Ja".
„Ja, wir werden ihn beide lieben!" Sie wusste, dass es wahr war. Sie hatte Jonas wie ihr eigenes Kind ins Herz geschlossen, und Marco würde darin auch noch Platz finden.
„Und sie, also Carlotta, erlaubt sie, dass wir ihn sehen?"
Dieses „Wir" war das wichtigste Wort, das sie je zu ihm gesagt hatte. Er drückte sie wieder fest an sich, lächelte sie an.
„Sie hat nicht geglaubt, dass du einverstanden wärst, dass ich mich um Marco kümmere, aber ich habe gesagt, dass du ein guter Mensch bist. Ein sehr guter." Er küsste sie, und die Erleichterung brachte die Leidenschaft zurück.
Doch in diesem Moment tönte aus dem Babyphon ein Stimmchen. „Mammi, Mammi, Mammilein!"
Sie hatte Leonie eingeschärft, dass sie nicht alleine aufstehen sollte. Zu viele Gefahren sah sie, wenn die Kleine im Loft ohne Aufsicht unterwegs war. Und Leonie hielt sich immer daran. Sie wusste, dass die Mama sofort kam, wenn sie rief.
Mona sah Simon schelmisch an. „Willst du sie überraschen? Sie weiß ja, dass du kommst."
Er wurde nervös wie ein Teenie vor dem ersten Date. „Meinst du? Kriegt sie keinen Schreck?"
Mona musste lachen. „Einen Schreck? Sie ist weiblich!"
Er grinste seine freche, süße Frau an, schlüpfte in seine Klamotten, lief ins Kinderzimmer.
Leonie sah ihn an, begann zu lächeln. „Bist du mein Papa?" fragte sie.
Simon erstarrte kurz. Vor ihm in ihrem Gitterbettchen stand eine Miniaturausgabe seiner Liebe.
Mein Gott, was für ein hübsches Kind!
„Ja!" brachte er nur hervor.
„Du bist aber schön!" sagte sie ehrfurchtsvoll.
Er lachte sie an. Charmant wie die Mama. „Dankeschön! Du aber auch!" Er hob seine Tochter aus dem Kinderbettchen, drückte sie an sich.
„Hast du mich lieb?" fragte sie verwundert.
„Natürlich! Papas haben ihre Kinder immer lieb."
„Und Kinder haben ihre Papas lieb!" stellte sie fest und schmiegte sich in seine Arme.
Herr im Himmel, die Kleine war zweieinhalb. Sie sprach wie eine Fünfjährige. Aber bei der Mutter war das auch nicht wirklich ein Wunder.
Mona stand in der Zimmertüre und schmolz bei dem Anblick dahin. Was für ein Bild!
Ihr Mann, groß, kräftig, mehr als gutaussehend und ihr blondes Töchterchen auf seinem Arm.
Sie hatte nie geglaubt, dass sie dieses Bild je sehen würde.
Doch ein Wunder war geschehen.
Ein riesengroßes, einmaliges Wunder!
Sie hatte diesen Mann, die Liebe ihres Lebens, zurückbekommen.
Simon sah ihren Blick, und er brannte sich in seinem Herzen ein.
Nie wieder würde er das Glück, das in diesen violetten Augen zu lesen war, vergessen.
Und er ahnte, dass das gleiche Glück aus seinen Augen strahlte.
Er nahm seine Süße mit der freien Hand in den Arm.
Lange standen sie einfach nur da, fühlten die Dankbarkeit dafür, dass sie diesen Augenblick erleben durften.
„Ich habe Hunger!" meldete sich schließlich Leonie zu Wort.
Simon grinste. „Na, dann mache ich mal Frühstück!"
„Kannst du das?" fragte seine Tochter überrascht.
„Ich denke schon. Wenn ich was im Kühlschrank finde!" sagte er lachend.
„Mama kauft immer ein!" versicherte die Kleine ihm. „Aber sie kocht grässlich."
„Immer noch!" stieß er lachend hervor. „Na, dann ist ja alles gut."
„Verräterin!" schimpfte Mona.
„Aber der Hannes kocht gut. Der hat uns ernährt." fuhr Leonie fort.
Simon wischte einen klitzekleinen eifersüchtigen Stich fort. „Da bin ich aber froh, dass der Hannes euch ernährt hat!" sagte er lachend über die Ausdrucksweise der Kleinen, seiner Tochter.
„Ja, den Jonas und mich und die Mama. Die Mama vom Jonas ist auch tot, aber sie ist nicht wieder gekommen wie du." Sie streichelte Simons Gesicht, er schluckte die Tränen schnell weg.
„Und der Jonas ist traurig?" fragte er.
„Nicht mehr so arg. Er hat ja die Mama. Aber der Hannes ist oft noch sehr traurig, sagt der Jonas. Der weint immer in der Nacht. So wie die Mama."
Die nächsten Tränen konnte er nicht mehr wegschlucken, er ließ sie laufen.
Mein Gott, was hatten die beiden ausgehalten, was musste dieser ihm unbekannte Mann immer noch aushalten.
Er gab Leonie Mona, ging ins Bad und duschte Schmerz und Tränen weg.
Seine Fächer im Ankleidezimmer waren voll, die Sachen passten auch noch. Die Arbeit als Gärtner hatte seinen Körper in Form gebracht nach dem langen Krankenhausaufenthalt.
Während er mit seiner Tochter auf dem Arm das Frühstück vorbereitete, ging Mona ins Bad.
Kurz dachte er daran, dass er jetzt gerne bei ihr wäre, da unter der Dusche, aber sie waren jetzt Eltern. So leicht würde es ab sofort nicht mehr sein mit der Liebe.
Aber um nichts auf der Welt hätte er tauschen wollen.
Nach dem Frühstück gingen sie nach unten. Vor diesem nächsten Schritt hatte Simon wieder etwas Angst.
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