Kapitel 57
Simon
Simon setzte sich wieder neben Carlotta, das Kind auf dem Schoß.
„Ich habe ziemlich viel Geld!" fuhr er fort. „Ich werde für euch sorgen. Und vielleicht kann ich den Jungen ja ab und zu sehen?"
Er musste natürlich erst mit Mona sprechen.
Er musste ihr gestehen, dass er auch noch einen Sohn gezeugt hatte, einen Sohn, den er seit heute lieben konnte.
Er musste ihr von Carlotta erzählen, die ihn gepflegt und aufgenommen hatte.
Aber er wusste, sie würde verstehen. Er würde auch alles verstehen, was sie gemacht hatte in diesen Jahren, in denen sie geglaubt hatte, dass er tot war.
Doch ein wenig verkrampfte sich sein Magen.
Alles?
Wenn sie mit einem anderen Mann geschlafen hätte?
Er müsste es akzeptieren, aber er hoffte, dass es nicht so war.
Das gestand er sich ganz offen ein.
Carlotta sah ihn bei seinen Worten ernst an.
Ja! dachte sie. Das wäre gut. Wenn die Zukunft von Marco finanziell abgesichert wäre, wenn er den Kontakt zu seinem Sohn halten könnte.
„Was wird deine Frau dazu sagen?" fragte sie vorsichtig.
„Sie wird verstehen. Mona ist ein guter Mensch. Ein sehr guter." Er erinnerte sich an ihr Lebensziel, das sie ihm ganz am Anfang genannt hatte: Gut sein und glücklich werden! Aber natürlich war es schon viel, was er von ihr verlangen würde: Sein Kind von einer anderen Frau zu akzeptieren.
„Und wenn nicht?" wandte Carlotta ein.
Simon hatte keinen Plan B, weil er sicher war, dass er keinen brauchte. Denn sollte Mona diesen Sohn absolut und komplett ablehnen, hätte er sich in ihr getäuscht, und dann hätte er ein viel größeres Problem.
Denn dann wäre sie nicht die Frau, als die er sie gesehen hatte.
Aber so würde es nicht sein.
"Keine Angst! Es wird alles gut!" Er küsste das Kind auf seinem Schoß. „Papa wird für dich sorgen. Du wirst deine Schwester Leonie kennenlernen, und du wirst eine zweite Mama haben."
Am Abend telefonierte er lange mit Mona. Sie erzählte von der Firma, den neuen Mitarbeitern, von Leonie, er erzählte von seinem Leben als Gärtner.
Sie schmiedeten Pläne für die Zukunft.
Doch er sprach nicht über Carlotta und auch nicht über seinen Sohn.
Das wollte er nicht am Telefon machen.
Am nächsten Tag ging er mit Carlotta zum Amt, ließ sich als Vater und Sorgeberechtigter eintragen, gab seine Adresse in Deutschland an. Er meldete sich ab, kündigte seinen Job, verabschiedete sich von Kollegen und seinen Ärzten.
Dann war eigentlich alles erledigt, er hatte befürchtet, es würde länger dauern.
Abends rief er Mona an. „Morgen komme ich!"
Sie weinte vor Glück. Er heulte zusammen mit ihr. Eine Weile schnieften sie nur ins Handy.
„Ich kann es kaum glauben, Simon. Ich habe so gelitten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr!" sagte sie schließlich leise. „Das ist alles wie ein Wunder."
Simons Herz platzte beinahe.
Er bekam sie zurück.
Er wusste nicht, was schwerer gewesen war: Was er erlebt hatte oder was sie durchgemacht hatte.
Wenn er sich vorstellte, sie wäre gestorben, er hätte nicht weitermachen können.
Aber sie hatte die Kraft gehabt, weil sie weiterleben musste für ihr Kind.
Und letztendlich auch für ihn, auch wenn sie das unmöglich hatte wissen können.
„Ich liebe dich, Mona!" flüsterte er. „Weißt du, wie sehr?"
„Nein!" antwortete sie. „Denn dann kann ich mich jeden Tag überraschen lassen!"
„Bis morgen!" brachte Simon gerade noch heraus, bevor er auflegen musste, weil ihn das Schluchzen schüttelte.
Diesen Satz hatte sie ganz am Anfang zu ihm gesagt, und er hatte ihm so sehr gefallen.
Drei Jahre hatten sie verloren, aber das ganze Leben hatten sie dafür zurückbekommen.
Wenn er nicht nach Hause zu diesem verrückten Franzosen hätte fliegen wollen, wären sie alle zusammen abgestürzt.
Er hatte sich retten können, wie durch ein Wunder, aber die Liebe seines Lebens, seine und ihre Eltern hätten das nicht geschafft.
Er hatte seit gestern immer wieder darüber nachgegrübelt, auch über die Ursache für das Unglück.
Er tippte auf minderwertigen Treibstoff, mit dem man die Maschine aufgetankt hatte.
Er konnte es nicht beweisen, war aber ziemlich sicher.
Alle Instrumente an Bord hatte er akribisch geprüft, trotz des Zeitdrucks.
Alles war in Ordnung gewesen.
Er ging zu Carlotta. „Lass uns zum Essen ausgehen. Wir drei!" schlug er vor.
Sie lächelte ihn an.
Jetzt! dachte sie. Wie lange hatte sie auf einen ähnlichen Satz gewartet.
Doch sie fühlte, dass ihre Liebe, ihre Verliebtheit, vielleicht auch ihre Vernarrtheit überstanden war. Sie hatte vor allen anderen gewusst, dass es eine Mona gab, sie hatte geschwiegen.
Immer wieder hatte er in seinen Träumen den Namen der anderen erwähnt, sie hatte es ihm nie erzählt-
Sie war schuld, dass er so lange nicht zu sich zurückgefunden hatte.
Sie hatte sich an ihre Hoffnungen gekrallt, obwohl sie wusste, dass es hoffnungslos war.
Und nun musste er gehen, nach Hause, in sein Leben, das er womöglich schon lange gefunden hätte, wenn sie gesprochen hätte.
„Ja!" stimmte sie zu. „Lass uns Abschied nehmen."
Sie verbrachten einen schönen Abend im Restaurant.
Simon sprach zum ersten Mal richtig mit ihr, hörte ihr zum ersten Mal zu.
Er merkte, dass er sie als Freundin mögen konnte, als Mutter seines Sohnes schätzen konnte. Dann nahmen sie Abschied von ihrem gemeinsamen Leben, das nie ein gemeinsames gewesen war, das aber diesen wunderbaren Sohn geschaffen hatte.
Früh am nächsten Morgen fuhr Simon mit dem Taxi zu einer Leihwagenfirma, mietete einen Wagen. Er war aufgebrochen, bevor Carlotta und Marco wach wurden, wollte keinen weiteren Abschied mehr.
Er rief zu Hause an, Mona meldete sich atemlos.
„Ich fahre los, Süße Ich komme nach Hause!" sagte er nur. Sie konnte nicht sprechen, doch er wusste, dass sie glücklich war.
Oder vielleicht mehr als glücklich?
Nach Hause! dachte er.
Nie hatte er wunderbarere Worte gedacht.
Er fuhr sehr vorsichtig. Nie war er ein ängstlicher Typ gewesen, nicht am Boden und auch nicht in der Luft. Aber er wollte die Ironie des Schicksals nicht herausfordern.
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