Kapitel 29

Das Großraumtaxi fuhr vor, brachte Kunden und Verkäufer in die Stadt.
Georg begrüßte sie herzlich, führte sie zu ihrem Tisch, flüsterte mit Simon. Der lächelte und nickte. „Aber vor dem Essen!" rief er Georg nach.

Er erklärte am Tisch, dass ein Journalist ein Foto mit einem kurzen Text machen wollte. „Es ist mir immer lieber, ich weiß davon, als wenn irgendwelche Schnappschüsse gemacht werden."
 Fünfzehn Minuten später war der Journalist da, sie zogen schnell in ein Nebenzimmer um. Simon gab ein Statement ab, ohne natürlich Zahlen zu nennen.
Mona hing an seinen Lippen, wie auch schon bei den Verhandlungen.
Seit Stunden kribbelte ihre Wirbelsäule, seit Stunden wollte sie ihn berühren, seit Stunden wollte sie ihn küssen.

Mein Gott, sah der Mann gut aus!
Sie konnte immer noch nicht recht fassen, dass er sie liebte!
„Nein, nein! Das stimmt schon. Wir werden heiraten. Bald schon. Das mit den vier Kindern war natürlich Quatsch. Aber da hätten Sie uns ruhig fragen können."

Der Schreiberling hatte anscheinend nach ihr gefragt, ihre Gedanken waren abgeschweift, sie hatte die Frage gar nicht gehört.
Aber die Antwort gefiel ihr schon sehr.
Sie lächelte Simon an.
Und wieder kämpfte er dagegen an, in ihren Veilchenaugen zu versinken.
Den ganzen Tag hatte er schon Konzentrationsschwierigkeiten, weil sie ihm so nah war, er sie aber kaum berühren konnte.

Gerade heute, wo sie so wunderhübsch aussah. Und dann musste er auch immer auf diesen amerikanischen Wichser achten, dass der ihr nicht zu nahe kam.
Was wohl in dessen Kopf vorging?

Jetzt hatte sie ihn zweimal niedergebügelt nach allen Regeln der Kunst, glaubte der wirklich, dass sie zu ihm in die Falle sprang, nur weil er Kohle hatte?
Schon dafür verdiente er eine Abreibung.
Weil er sie für so eine Frau hielt.
Seine Mona!

Er merkte, dass seine Gedanken abgedriftet waren.
Alle sahen ihn an.
Der Zeitungsmann wiederholte seine Frage: „Können wir dann das Foto machen?"
Alle stellten sich auf, Simon platzierte sich hinter Mona, nahm sie in die Arme. Endlich fühlte er sie wieder an sich, schlagartig wurde er hart.
Hoffentlich brauchte der mit seinen Bildern eine Stunde.
Es war schön, so schön, sie zu halten, einfach fest zu halten.

Doch viel zu schnell war der Augenblick vorbei.
„Ich liebe dich, Schönheit!" flüsterte er ihr noch zu.
Sie wandte sich lächelnd zu ihm um.
Der Fotograf drückte schnell noch auf den Auslöser.
Dieses herzerwärmende Bild würde er mitten im Artikel unterbringen.

Die Gruppe ging zurück, bestellte Essen, stieß mit Champagner auf den Geschäftsabschluss an.
Mr. Holms registrierte überrascht, dass Mona sich mit Mr. Huen in Mandarin unterhielt.
Der zurückhaltende Chinese blühte sichtlich auf.
Er sah die Kleine versonnen an.
Er könnte sich direkt vorstellen, die schlagfertige blonde Schönheit zu seiner Ehefrau Nummer fünf zu machen, und vielleicht könnte das mit einer wie ihr dann sogar einmal klappen.

Simon sah diese Blicke, sein Kragen wurde eng. Zum Glück unterhielten sich die Jungs mit den beiden Amerikanern.
Die Blicke von Simon und Mr. Holms trafen sich, maßen sich, keiner wollte nachgeben.
Vergiss es! Sie gehört zu mir! sagten Simons Augen.
Wir werden sehen! Die Nacht ist noch jung! sagten die Augen seines Kunden. Er lächelte süffisant.

Plötzlich musste Simon lachen. Der Kerl war verrückt. Er schüttelte den Kopf.
Mona sah ihn fragend an. „Er glaubt immer noch, dass er dich haben könnte!" sagte er auf Deutsch zu ihr.
Jetzt lachte sie auch. „Eher friert die Hölle ein!"
Er küsste sie nur kurz. „Schon, oder? Niemand kann dich mir wegnehmen, oder? Sag es mir, bitte!"
„Niemand, Simon! Niemals!" Sanft strich sie über sein Gesicht.

Mr. Holms sah die rührende Szene, und leise Zweifel an seinem Erfolg tauchten in ihm auf. Gegen diese Liebe würde sein Geld nicht ankommen, noch dazu, da der junge Mann ja auch nicht gerade ein armer Schlucker war. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass das nicht der Hauptgrund für sie war, Mr. Reiser so anzusehen.

Seine Blicke trafen wieder auf Simons, er lächelte, hob den Daumen, senkte ihn dann.
Ich gebe mich geschlagen! hieß das und Simon verstand, lächelte zurück.
Nun wurde es ein lustiger, gelungener Abend.
Mona erzählte viele amüsante Geschichten, übersetzte sie für Mr. Huen. Alle lachten viel.
Nach dem Essen sprach der Chinese Simon an. Er hatte neben der Beteiligung an BigWare noch eine große Firma in den USA, deren gesamte Software total veraltet war.
Er würde gerne Programme von Reimon einsetzen, die aber in einigen Punkten modifiziert werden mussten.
Es ging um eine Auftragssumme von ca. 20 Millionen.
Mona übersetzte, ihr wurde ganz schwach.

„Hauptgrund, warum ich mich an Sie wende, ist, dass ich hier eine Ansprechpartnerin habe, die mich versteht, die meine Sprache spricht, das ist mir sehr wichtig!" erklärte er lächelnd. „Natürlich sind auch Ihre Programme sehr gut und hochgelobt, aber das sind andere auch."
Mona zierte sich ein wenig, das zu übersetzen. Ihr war bang, dass jemand glaubte, sie erfinde Teile von dem was sie sagte.

Der Chinese sah sie lächelnd an, verstand ihr Zögern. Asiaten mochten bescheidene Menschen.
Deshalb, versuchte er in Englisch auszudrücken, was er sagen wollte. Simon verstand schnell.
„Warum hast du das nicht übersetzt, Süße?" fragte er.
„War ein bisschen peinlich." Sie wich seinem Blick aus.

„Daran müssen wir noch dringend arbeiten. Du darfst dich nie unter deinem Wert verkaufen. Kopf hoch und sage einfach: Ich bin gut. Ich bin unglaublich. Denn das bist du, Schönheit. Du bist unglaublich." Er küsste sie noch einmal vorsichtig.
Wenn bloß diese Amis nicht so prüde wären, wenigstens nach außen hin.

Die Mehrheit entschied sich nach dem Essen, nur noch kurz in eine Bar zu gehen.
Simon atmete auf. Dann wäre eine Ende dieses langen monalosen Tages abzusehen.
Sie diskutierte mit den Amerikanern, alles überzeugte Republikaner, über ihr Gesundheitssystem, brachte sehr überzeugende Argumente vor.

Mit Mr. Huen sprach sie über die chinesische Politik, war auch hier ausgezeichnet informiert.
Nein, dachte Simon, Rosamunde-Pilcher-Filme schaute diese Frau mit Sicherheit nicht.
Eher, wie er, politischen Sendungen.

Das war bei den Frauen in seiner Vergangenheit auch oft ein Problem gewesen: Die Themen, über die er sich mit ihnen unterhalten konnte, waren sehr begrenzt. Er sah keine Doku-soaps oder Serien, sie sahen keine informativen Sendungen. Er las wenig Romane, nur besonders hoch bewertete, mehr Sachbücher, sie liebten Krimis oder Liebesgeschichten.

Aber mit Mona hätte er sich jahrelang unterhalten können, wenn sie denn mal zu Reden kommen würden.
Bei diesem Gedanken musste er lächeln.
Aber  sie kannten sich erst eine gute Woche.
Da brannte eben die Leidenschaft noch lichterloh, so wie jetzt, als er ihr zusah, sie ansah, seine hochintelligente Schönheit, die fünf Sprachen sprach, in vier davon ein Dolmetscher-Diplom hatte, die Programme schrieb nach einem Schnellkurs, die Klavier und Gitarre spielte, die malte und auch noch sehr sportlich war.

Die Erinnerung an ihre muskulösen Oberschenkel und was sie gestern mit ihm gemacht hatten, überschwemmte ihn, ließen ihn leise aufstöhnen.
Er musste sich zusammenreißen, musste sich am Gespräch beteiligen.
Aber seine Süße unterhielt die Gruppe perfekt, er konnte ruhig noch ein wenig träumen.
Sieben Männer hingen an ihren Lippen, maßen sich mit ihrer Schlagfertigkeit, zogen alle den Kürzeren.

Seine Gedanken schweiften ab, landeten bei diesem ersten Dienstag, als er gedacht hatte, er würde wieder eine Jagd eröffnen.
Ein bisschen flirten, ein paarmal lächeln, dann alles klar machen für die Nacht.
Aber schnell wusste er, dass da mehr gewesen war als der Wunsch, eine schöne Frau in ein Hotelbett zu bekommen.

Dann kam der Schock, der absolute Tiefschlag.
Doch das Schicksal war gnädig gewesen, dieses Mal, als es so wichtig war für ihn, so lebenswichtig. Es hatte sie ihm geschenkt, er hatte eine Chance bekommen, er durfte sie lieben, er durfte fassungslos ihre Liebe annehmen.

Die Amerikaner wurden müde, sie hatten einen langen Flug hinter sich. Simon entließ seine Jungs, gab ihnen für den nächsten Tag frei.
„Aber wir haben die Autos an der Firma!" gab Kai zu bedenken.
„Oh! Ja! Dann fahren wir gemeinsam!" Sie brachten die Kunden zum Hotel. Es gab viele Küsschen auf die Wangen von Mona, aber Mr. Holms hatte sich den restlichen Abend zurückgehalten.
Mr. Huen sagte etwas sehr Schönes zu ihr: „Jeder Mann, der die Ehre hat, Sie kennenlernen zu dürfen, wird Sie für immer im Herzen tragen."

Als sie für Simon die Worte übersetzte, nahm er sie in den Arme. „Ich hoffe aber, nur platonisch!" scherzte er. „Nein, sorry, Süße. Aber da hat er sehr recht. Dich wird niemand je wieder vergessen können, der die Ehre hatte, dich kennenzulernen, ich meine, richtig kennenzulernen."

Tränen schossen ihr in die Augen.
Das war jetzt langsam ein bisschen viel an Lob und Komplimenten an diesem Tag.
Daran war sie nicht wirklich gewöhnt.
Es war eigentlich von allem ein bisschen zu viel.
Und es war viel zu wenig von Simon.
Sie riefen sich wieder ein Großraumtaxi, ließen sich zur Firma fahren.

Dann waren sie endlich alleine.
Alles war gut gegangen, besser als gut.
Mr. Holms hatte aufgegeben, sie anzubaggern, bevor er seine Schneidezähne verlor, sie hatten ein paar Millionen verdient, Optionen auf weitere Geschäfte, die er einzig und alleine ihr verdankte, weil sie ihr Gehirn mit Mandarin hatte füttern müssen.
Sie betraten die Wohnung, er riss sie in seine Arme, war so verrückt nach ihrer Nähe.
Doch da fühlte er ihre Erschöpfung, und er war dankbar, dass er sie fühlte.

Er führte sie ins Schlafzimmer, half ihr beim Ausziehen, deckte sie liebevoll zu, küsste sie kurz, aber unendlich liebevoll auf den Mund, strich ihr übers Haar, aus dem er die Klammern entfernt hatte.
„Schlaf gut, Süße. Und danke für diesen Tag!" flüsterte er und ging auf die Terrasse.
Mona lag im Bett. Sie war ihm nicht dankbar, dass er sich zurückgezogen hatte, es war normal, es war richtig.

Sie war müde, er forderte nichts, was sie ihm heute nicht mehr geben konnte.
Es war gut so, es machte sie glücklich, dass es so war.
Lächelnd schlief sie ein.

Simon saß auf der Terrasse, war glücklich wie nie im Leben. Sie war müde, und er hatte es gefühlt.
Er hatte sie den ganzen Tag lang begehrt, aber er hatte sie ins Bett gebracht, ohne auch nur den geringsten Versuch zu unternehmen, sie zu verführen.
Das machte ihn stolz auf sie beide.
Sie hatte ihre Erschöpfung nicht versteckt, er hatte sie akzeptiert.
Er konnte sicher sein, dass sie das Versprechen, das sie ihm vor ein paar Tagen gegeben hatte, halten würde.

Dass er sich in Zukunft nie als Schuft fühlen musste.
Er trank ein Glas Wein, rauchte lächelnd.
Nie war ihm die Welt schöner erschienen.
Nie war er zufriedener mit sich.
Er holte sein Handy heraus, sah die Fotos an, die er von ihr gemacht hatte, als sie durch die Wohnung getanzt war.

Sie war verdammt fotogen.
Sie lächelte, lachte in die Kamera, das Glück stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Sie war glücklich, ja, sie war glücklich mit ihm, er konnte sie glücklich machen.
Das zählte mehr als die Millionen, die er heute gemacht hatte.

Er dachte an ihr verweintes Gesicht, als er sie an jenem Mittwoch vor einer Woche das erste Mal besucht hatte.
Nie sollte sie wegen ihm so weinen.
Immer sollte sie strahlen wie auf den Fotos, diese wunderschöne Prinzessin mit den unfassbaren Talenten.
Und dann war sie auch noch der Hammer im Bett.
Stop, Simon!
Andere Gedanken!
Sofort!

Denk nicht an ihren anschmiegsamen Körper, an ihre streichelnden Hände, an... Puh!
Denk an ein Programm, ein EDV-Problem, an eine Einkaufsliste für morgen, an Mr. Holms, der sich eingebildet hatte, dir dein Mädchen ausspannen zu können.
Deine Freundin mit den langen Beinen, den perfekten Brüsten.
Bist du schon wieder beim Thema?
Er grinste vor sich hin.
Es war schwer, nicht daran zu denken, was für ein wunderbares Wesen da in seinem Bett ein paar Meter entfernt lag.

Schließlich ging er schlafen, versuchte auf seiner Seite zu bleiben, versuchte, Körperkontakt zu vermeiden.
Doch als ob sie magnetisch von ihm angezogen würde, rutschte Mona zu ihm, kuschelte sich eng an ihn, seufzte wohlig im Traum, der hoffentlich von ihm handelte.
Er legte den Arm um sie, atmete ihren Duft ein, zählte Schäfchen, merkte bald, dass er Küsse zählte, aber das half auch.
Letztendlich schlief er ein.


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