Kapitel 27
Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, sah er sie eine Weile nur an.
„Hast du schon einmal deinen Intelligenz-Quotienten messen lassen? Aber wahrscheinlich sprengt der jede Skala."
Sie lächelte ihn süß an. „Ich lasse mich nicht gerne vermessen!" sagte sie nur.
„Aber wann hast du denn das alles gelernt, Süße? Du bist 28! Du hast zehn Jahre lang gearbeitet, du hast gemalt, Musik gemacht, Schwimmunterricht gegeben, unzählige Fortbildungen besucht. Dein Tag hat doch auch nur 24 Stunden."
„Ich lerne schnell!" antwortete sie. „Ich musste meinen Kopf immer mit irgendwas füttern, ein hungriger Kopf hat mich wirsch gemacht."
Er zog sie in seine Arme.
Seine Bewunderung für dieses unglaubliche Wesen stieg ins Unermessliche.
Aber er hatte auch das Gefühl, dass sie, wenn sie ihren Kopf gefüttert hatte, die Leere in ihrem Herzen hatte vergessen wollen.
In ihm regte sich die vage Ahnung, dass sie nicht in diesem Tempo weiter lernen würde, dass sie mit dem Erreichten zufrieden sein würde, weil ihr Herz nie wieder leer sein würde.
„Ich habe natürlich mit der ganzen Lernerei auch etwas kompensieren müssen!" gestand sie sich und ihm ein.
Es war ihr so noch nie bewusst geworden. Sie sollte nicht mehr malen und Musik machen, weil Fabian beides gestört hatte, aber mit irgendetwas hatte sie sich ja beschäftigen müssen.
Irgendetwas hatte die Leere in sich ja auffüllen müssen.
„Und jetzt musst du nichts mehr kompensieren?" fragte er leise.
„Nein, mein Herz ist ja voll. Und ich darf wieder malen und klavierspielen!"
Mein Gott, Käferchen! dachte er bei sich. Was hat dein vermeintlich bester Freund nur mir dir gemacht.
„Am Donnerstag kommt dein Klavier. Ich habe die Spedition schon beauftragt, deine Eltern wissen Bescheid. Ich wollte dich überraschen, aber ich möchte nicht, dass du glaubst, es wäre mir nicht wichtig. Den Keilrahmen habe ich auch bestellt."
„Ich weiß, dass dir wichtig ist, was ich tue, Simon, und ich weiß auch, dass ich dir wichtig bin!" sagte sie leise.
„Ja, Sternchen! Du bist das Wichtigste in meinem Leben!" antwortete er ebenso leise.
In diesem Moment läutete Monas Handy.
Sie meldete sich und schaltete auf Lautsprecher.
Es war Florian, ihr ältester Bruder. „Hallo, Schwesterchen. Ich wollte euch nur Bescheid geben, dass wir gut angekommen sind. Die Fahrt war problemlos. Die Villa ist ein einziger Traum, die Verwalterin ein Schatz. Wir sind jetzt alle ein bisschen aufgedreht."
„Da wäre ich jetzt gar nicht drauf gekommen!"
„Grüße Simon von uns und nochmal: Vielen Dank!"
„Er hört mit. Wir wünschen euch eine schöne Zeit."
„Danke! Grüße von allen." Er legte auf.
Mona musste lachen. „Florian telefoniert immer, als ob die Sekunde fünf Euro kostet. Bei ihm sind Flatrates noch nicht angekommen." Sie schmiegte sich an ihn. „Sie freuen sich wirklich sehr."
Simon grinste. „Na, dann passt doch alles."
Er küsste sie auf den Scheitel, kämpfte wieder einmal gegen seine Sehnsucht.
Aber heute Nacht musste sie schlafen, morgen würde ein langer Tag werden.
Er schob sie ein wenig von sich, sie sah ihn verwundert an.
O Gott, dieser Blick aus diesen Augen!
Essen!
Sie mussten noch zu Abend essen.
Da kam ihm der Gedanke, der ihn retten konnte.
„Wir, wir könnten eigentlich in den Biergarten fahren. Die erste Woche feiern." Das hatte er sowieso vorgehabt, hatte es nur schon wieder vergessen gehabt.
„Super Idee!" freute sich Mona. Plötzlich stutzte sie. „Ist das wirklich erst eine Woche her?"
„Ja, Mäuschen, wirklich. Unglaublich oder?" Er schüttelte den Kopf.
Sie zog sich um, natürlich etwas aus der Abteilung Simon, das Biest: superenge Jeans, superknappes Top, superdurchsichtige Bluse darüber.
Aber er konnte auch zurückschlagen: Ein neues Shirt von Brigitta, eine neue schmal geschnittene Jeans, ein bisschen eau de toilette.
Irgendwie schafften sie es, sich nicht zu lange anzusehen, die Treppe hinunter zu springen, zum Biergarten zu fahren.
Mona genoss es, mit einem so gutaussehenden Begleiter unterwegs zu sein.
Sie sah, wie er die Blicke der Frauen auf sich zog.
Doch er hatte nur Augen für sie.
Ein Wahnsinnsgefühl war das.
Sie bestellten zwei Gläser Wein, sie hassten beide Bier, und ein Wasser.
Dann eines der berühmten Riesenschnitzel, das sie aber teilen wollten.
Sie hatten wieder einmal Zeit sich zu unterhalten.
„Und wir fliegen echt in Urlaub?" fragte sie.
„Ja, sorry, dass ich dich damit so überfahren habe. Aber ich wollte unbedingt auf diese wunderbare Insel mit dir, in dieses schöne Haus. Es gefällt mir am besten von allen. Es ist klein und kuschelig, und der Blick ist atemberaubend." Er kam direkt ins Schwärmen.
Aber er liebte diese Insel und dieses Haus sehr.
Das in Südfrankreich würde er wieder verkaufen. Dort fühlte er sich nicht wirklich wohl. Aber er wollte es erst Mona zeigen, vielleicht mochte sie es ja.
Die Riesenvilla in der Toskana gehörte nun mal zum Weingut, war aber eigentlich für zwei zu riesig. Aber wenn ihre Familie sich da wohl fühlte, war es ja eine gute Investition gewesen.
„Bist du oft dort gewesen?" fragte sie.
„Ja, so fünfmal bestimmt. Ich hab's noch nicht so lange." erwiderte er.
Sie schluckte. Sollte sie ihn fragen? Ja, sie musste das wissen!
„Warst du, warst du alleine dort?" Jetzt war es raus.
„Nicht immer." Sie schluckte noch einmal, bevor er fortfuhr. „Einmal war ich zu Weihnachten mit meinen Eltern dort, und im letzten Jahr habe ich die Jungs eingeladen auf eine Woche." Er fühlte, was für Gedanken sie quälten.
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Süße, aber ich war noch nie mit einer Frau dort, okay?"
Er küsste sie zärtlich. „Es war keine Frau in meiner Wohnung vor dir, und es war auch keine in einem meiner Häuser."
Sie atmete erleichtert auf.
Natürlich hätte sie es nicht ändern können, wenn es anders gewesen wäre, sie hätte damit klar kommen müssen, er war nun einmal ein Mann mit Vergangenheit, aber so war es ihr eindeutig lieber.
„Mona!" flüsterte er ihr zu. „Auch, wenn es anders gewesen wäre: Mein Leben hat vor einer Woche neu begonnen, verstehst du? Alles, was vor dir war, ist Vergangenheit, ist vorbei, ist vergessen, voll und ganz ausgelöscht worden, als du durch dieses Tor gekommen bist!" Er küsste sie noch einmal, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
„Das ist gut, Simon. Das tut so gut, wenn du mir das sagst." antwortete sie.
„Und ich werde es dir immer wieder sagen, bis du es mir glaubst. Und danach noch hundert Mal." versprach er.
Ihr Schnitzel kam mit einem zweiten Teller. Er teilte, sie fütterten sich mit dem Fleisch, mit den Pommes, mit dem Salat.
Er hatte das Gefühl, nie etwas Erotischerisches erlebt zu haben als diese Mahlzeit.
„Und was sind das für Messen, von denen du gesprochen hast?" stellte sie die nächste Frage.
„Anfang Oktober New York, das wird toll. Da können wir zehn Tage bleiben, und Ende Oktober London, da sollten wir eine Woche einplanen."
„Ich, du, wir?" Sie war komplett durch den Wind.
„Ja, natürlich, du, ich, wir! Meinst du, ich fliege noch irgendwo alleine hin? Ich bin doch nicht doof!"
Er sah sie ernst an. „Du gehörst zu mir Mona. Du bist meine Frau!"
Sie musste dringend atmen, hatte es fast vergessen in den letzten Minuten.
„Und im November dann Paris. Wir müssen auf Messen präsent sein. Wir werden von der internationalen Presse sehr gelobt, weil unsere Programme äußerst zuverlässig laufen und innovativ sind. Und die Konzerne orientieren sich an den Veröffentlichungen. Aber sie wollen auf den Messen die Menschen hinter den Programmen kennenlernen, wollen die Sachen auch ausprobieren. Das ist zwar immer ein Riesenaufwand, aber durchaus lukrativ."
Mein Gott, wie sexy er war, wenn er so referierte! dachte sie. Er war eh schon so attraktiv, dass es ihr fast den Atem nahm, wenn sie ihn ansah, aber wenn er dann auch noch über diese Programme und Messen sprach, schwanden ihr fast die Sinne.
Sie musste es aussprechen. „Ich finde deinen Job verdammt sexy, Herr Dr. Reiser. Ich finde es verdammt sexy, was du geschaffen hast. Ich finde dein Selbstvertrauen verdammt sexy. Ich finde es verdammt sexy, wenn du von diesen Messen und Konzernen und Programmen sprichst. Und jetzt sollten wir zahlen, denn sonst falle ich auf diesem Tisch über dich her."
Simon lachte leise los. Diese süße Schönheit mit den Veilchenaugen wollte ihn, fand ihn sexy, begehrte ihn.
Welche Wünsche blieben denn dann für die Zukunft noch übrig?
Er warf einen Geldschein auf den Tisch, der mit Sicherheit dem doppelten der Rechnung entsprach und zog sie auf die Straße.
Er presste sie gegen die Hauswand und küsste sie. Küsste sie lange, küsste sie zärtlich, küsste sie leidenschaftlich, küsste sie fordernd, küsste sie atemlos vor Begehren.
„Und wie sollen wir jetzt nach Hause kommen?" fragte er hilflos vor Erregung.
Sie konnte diese Frage nicht beantworten. Sie wankten zu seinem Auto, fielen wieder über einander her, kaum dass sich die Türen geschlossen hatten.
Ihre Hände verschafften sich Befriedigung, sie rieben sich, bis sie erleichtert aufstöhnten.
„Sag nie wieder in der Öffentlichkeit, dass du mich sexy findest. Sonst landen wir irgendwann einmal im Knast wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses!" keuchte er.
„Wenn es eine Doppelzelle ist, hätte ich nichts dagegen!" konterte sie.
„Biest! Biest! Biest!" stöhnte er und legte krachend den Gang ein. „Nur gut, dass Endorphine und Adrenalin nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Da würde ich keine Polizeikontrolle überstehen."
Er fuhr in Richtung Ausfallstraße, musste sich konzentrieren, als hätte er fünf Promille im Blut.
Wieder krachte ein Gang.
„Bis wir zu Hause sind, ist das Getriebe hinüber. Aber das ziehe ich dir vom Gehalt ab, ich schwöre es dir."
Mona hing lachend auf dem Beifahrersitz.
Er sah kurz zu ihr hinüber. „Da kann sie lachen, die Süße. Wenn sie meine Sinne total vernebelt. Ich wollte essen gehen, dann schlafen, weil wir morgen einen langen Tag haben. Und was macht sie? Geilt mich auf bis zum Anschlag. Erzählt mir, was sie sexy findet an mir. Heizt mich an, bis ich den Verstand verliere."
Wieder legte er krachend einen Gang ein. „Und dann bringt sie mich auch noch dazu, dass ich mein Auto ermorde. Mein Auto – mein Heiligtum, mein Augapfel wird diese Nacht nicht überleben, weil dieses Biest mich sexy findet."
Sie hatten den Parkplatz erreicht. „Ich schaffe es nicht mehr nach oben!" stöhnte er. „Ich fick dich jetzt auf meinem Schreibtisch."
Seine Worte machten sie total an.
Mona!
Was ist los mit dir?
Das bist doch nicht du?
Diese Frau, ständig erregt, ständig verrückt nach diesem Mann?
Er sagt ein Wort, und du brennst lichterloh?
Du hast im Biergarten sexuelle Fantasien?
Machst mit ihm im Auto rum?
Lockst ihn, forderst ihn den ganzen Tag heraus, genießt es unwahrscheinlich, ihn zu erregen?
Was ist passiert mit dir? dachte sie, lächelte aber dabei.
Mein Gott, Simon! Was macht die Kleine mit den violetten Augen mit dir?
Kannst du dich denn nicht ein wenig beherrschen?
Sie schnippt mit dem Finger, und dir brennen alle Sicherungen durch?
Reiß dich doch einmal zusammen! schimpfte er mit sich selbst.
Keine Lust! antwortete er sich, sah ihr Lächeln, lächelte mit.
Wir sind jung, wir sind hoffnungslos verliebt, da ist es normal, dass wir den ganzen Tag brennen! beschloss er.
Dann war das Denken sowieso unmöglich.
Er schob sie in seinen Arbeitsraum, öffnete ihren Reißverschluss und seine Knöpfe, stieß in sie.
Er wusste, sie war so heiß wie er, sie war so geil wie er, er würde sie zum Höhepunkt mitnehmen.
Danach hielten sie sich in den Armen, zufrieden, dass sie ihre Lust befriedigt hatten, lachten wieder einmal über ihre Verrücktheit, über ihr Glück.
Er setzte sich neben sie auf den Schreibtisch, nahm sie in den Arm, drückte sie an sich.
„Das wollte ich schon seit ein paar Tagen machen!" gestand er lachend.
„Bürosex hat es schon in sich!" gab sie lachend zurück.
„Das war's aber für heute, Fräulein. Morgen wird es happig, und ich will nicht auf dem Zahnfleisch daher kommen."
Mona sah auf die Uhr. Es war fünf Minuten vor zwölf. „Einverstanden! Für heute lasse ich dich in Ruhe!" gelobte sie.
Er hatte ihren Blick schon gesehen, verstand ihre Antwort schon ganz genau.
„Nein! Nein! Nein! Du lässt die ganze Nacht die Finger von mir, ziehst ein dickes, hässliches Flanellnachthemd an, deckst dich bis zur Nasenspitze zu, sonst schlafe ich im Gästezimmer." Er hob sie vom Schreibtisch, ging Arm in Arm mit ihr in die Wohnung.
Das hätte ich auch nicht für möglich gehalten, dass ich das mal zu einer Frau sage! dachte er, musste schon wieder grinsen.
Aber bis vor einer Woche hätte ich manches nicht für möglich gehalten.
Oben drückte er sie wieder an sich. „Danke, Mäuschen, für die schönsten Tage meines Lebens. Danke, dass du bist wie du bist. Und bleibe bitte, wie du bist." flüsterte er, und schon wieder einmal waren seine Augen feucht vor lauter Liebe.
Tatsächlich schliefen sie den Rest der Nacht, zwar engumschlungen und ohne Nachthemd, aber die Hormone gaben Ruhe.
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