Kapitel 24

Lachend, mit blitzenden Augen betraten sie das untere Stockwerk.
„Wenn es gerade geht, würde ich euch gerne im Besprechungsraum treffen!" rief Simon seinen Angestellten zu.

Die drei schlossen ihre Arbeit schnell ab, setzten sich an den Konferenztisch.
„Also Jungs, ich möchte euch unsere neue Kollegin vorstellen. Sie ist ein EDV-Naturtalent und wird uns unterstützen beim Einstieg in den Markt der Lernprogramme. Ich zeige euch, was sie nach einem Programmier-Schnell-Kurs geschrieben hat, just for fun."
Er schob ihren Stick ein, ein Beamer übertrug ihr Programm auf die Leinwand.
Die drei waren beeindruckt, für eine Laien-Programmiererin war das schon super! Witzig, spritzig, fundiert.

„Nun" fuhr Simon fort. „Wir haben uns ja schon einmal darüber unterhalten, dass digitales Lernen eine große Zukunft hat. Nur, wir haben davon zu wenig Ahnung. Deshalb habe ich mir eine pädagogische Fachkraft geschnappt, ganz uneigennützig natürlich, nur auf das Wohl der Firma bedacht." Er ignorierte die Lacher. „Und diese Süße hier wird uns helfen, den Markt zu erobern."
Ein kleiner Kuss durfte auch in den Firmenräumen sein. „Also, Mona, wie würdest du jetzt vorgehen? Womit sollten wir starten?"

Sie war überrascht, dass sie gleich heute irgendwelche Vorschläge machen sollte. Sie hatte noch gar keine Zeit gehabt, sich einen Plan zurecht zu legen.
Aber warum sollte sie nicht ins kalte Wasser springen?
Sie stand auf, stellte sich vor die vier EDV-Cracks und fing an zu referieren.
„Also ich würde mit einem selbsterklärenden Programm für die vierte Jahrgangsstufe beginnen. Das ist die Übertrittklasse, und Eltern tun und bezahlen alles, damit ihr Kind aufs Gymnasium geht.
Hauptthema der Vierten ist die schriftliche Division, Voraussetzung dafür ist eine Perfektion im Einmaleins und im Überschlag.

Also müsste ein Programm diese Lernschritte berücksichtigen: Einmaleins, Einmaleins mit Zehnerzahlen, Multiplizieren, Zerlegen in Zehner und Einer, Überschlagen, dividieren durch einstellige Zahlen, durch Zehnerzahlen, durch gemischte Zahlen zehnernah, also 51 oder 59, schließlich gemischte Zahlen nicht zehnernah wie 54 oder 57. Da dieses reine Zahlenrechnen schnell langweilig wird, müsste eine Thematik gefunden werden, die die Schüler interessiert. Man kann im Hunderttausenderraum schlecht mit Nüssen oder Blümchen ankommen, das Einzige, das Sinn macht, sind Euro."
Die wichtigsten Stichpunkte notierte sie am Whiteboard, das sie aus dem EffEff bedienen konnte.

„Also müsste man mit Geld motivieren, mit Lottogewinnen, Erbschaften, Geschäftsanteilen etc.
Diese Thematik sollte auch bei den Anfangsübungen angewendet werde, damit die Schüler sich daran gewöhnen. Es hat wenig Sinn, am Anfang mit Schokolade anzukommen, dann auf Gummibärchen zu wechseln, um schließlich beim Geld zu landen.
Es müsste ein umfangreiches Programm sein, gute Schüler lösen sehr viele Aufgaben in kurzer Zeit. Es müsste ein witziges Programm sein, Schüler heutzutage sind anspruchsvoll und verwöhnt, was Medien betrifft. Und es muss ein anspruchsvolles Belohnungssystem geben, zum Beispiel Zugriff auf eine Musik-App, eine Witze-App etc. bei guten Leistungen."

Am Ende stand der komplette Programmablauf sauber als Diagramm vor den Mitarbeitern. Übungsbeispiele machten das Ganze verständlich.
Die vier Männer hingen an ihren Lippen. Wow, die Kleine hatte es echt drauf! Aus dem Stand referierte sie eine halbe Stunde lang, zeigte den Weg auf, den die  gutbezahlten Programmierer zu gehen hatten.
Simon lächelte in sich hinein.
Na, da hatte er aber einen Fang gemacht!
Vielleicht sollte er sich wirklich als Headhunter versuchen?
Seine Süße war wahrscheinlich nicht mit Geld zu bezahlen.
Er hatte es für eine gute Idee gehalten, sie einzustellen, aber er hatte nicht durchblickt, wie gut diese Idee wirklich war.

Es war ein Geniestreich gewesen.
Kai begann als erster zu klatschen, seine Kollegen stimmten ein.
„Respekt!" meinte Jan. „Du hast es aber drauf."
Mona wurde ein bisschen rot. Simons Herz zerfloss zu irgendeiner wachsigen, samtigen, weichen Masse.

Bei dem Gespräch auf der Regierung war ihm heute klar geworden, dass sie es in ihrem Job nicht gewohnt war, gelobt zu werden.
Beim Frühstück hatte er erfahren müssen, wie subtil ihr Ehemann versucht hatte, sie mit ihren unzähligen Talenten klein zu halten.
Aber bei ihm, in seiner Firma, in seinem Leben würde sie alles bekommen, was sie brauchte, was jeder Mensch brauchte: Lob und Anerkennung.

Nicht nur, weil er sie liebte und sie glücklich sehen wollte, sondern, weil sie gut war.
Er würde ihr keine Almosen zuschustern, was sie sowieso bald durchschauen würde.
Sie würde ihr Gehalt verdienen, mehr als verdienen, und das würde sie stolz werden lassen auf sich, auf Mona, den Freigeist, Mona, die Begabte, Mona, die vielseitig Talentierte.
Und wieder einmal musste der taffe, 1,90 m große, kräftige Kerl Tränen wegblinzeln, nachdem er die leichte Röte auf ihren Wangen gesehen hatte, die hochgestiegen war, weil einer seiner Mitarbeiter ein paar flapsige anerkennende Worte gefunden hatte.

„So, meine Herren!" Er musste einen Frosch im Hals wegräuspern. „Dann wollen wir mal die Aufgaben verteilen. Zunächst machen wir ein Brainstorming zum Thema, zu den Figuren, zum Belohnungssystem. Dann wird Kai die Eingangsübungen übernehmen, angelehnt an Monas Programm. Umfang besprichst du mit ihr.

Thorsten versucht, die Überschlagssachen rüberzubringen, mit den Zerlegungen, dem Runden und so weiter. Fragen an Mona.
Jan überlegt sich eine Programmierung von einstelligen Divisionen. Zahlenraum aufsteigend, Probleme klären mit Mona.
Ich stelle einstweilen einen Vermarktungsplan auf.
14 Tage müssten reichen, dass wir alles am Laufen haben und zum Schulanfang liefern können.
Aber jetzt erst einmal in einer halben Stunde wieder hier.
Mona, ich zeige dir deinen Arbeitsplatz, du kannst dann schon anfangen, das nächste Thema zu skizzieren."

Mona hing an seinen Lippen.
Als Mann war er der Hammer, als Chef umwerfend.
Ihr Herz raste, als er sie in den Raum führte, der ihr zur Verfügung stehen sollte.
Sie fühlte sich wie eine Praktikantin, die sich in den Firmenboss verknallt hatte.
Ihr Nacken prickelte, als er seine Hand leicht auf ihren Rücken legte und sie zu einer Türe hinein schob, ihr vollkommen neutral die Geräte erklärte, sie behandelte, wie eine ganz normale Angestellte.
Gänsehaut überzog ihren Körper, als sie sich gemeinsam über einen Plotter beugten, als sein nackter Arm ihren streifte, als Visionen in ihr hochstiegen von mehr Haut von ihm an mehr Haut von ihr.
Er sprach professionell mit ihr, doch sie fühlte, dass seine Augen sie auszogen.

Simon genoss das Spiel „Boss und schöne Angestellte", die er begehrte, aber am Arbeitsplatz nicht anbaggern durfte.
Er genoss die Visionen, wie er sie nach Dienstschluss in seine Wohnung bitten würde, sie verführen würde.
Als er ihren schnellen Atem fühlte, wenn er ihr ein wenig zu nahe kam, wusste er allerdings nicht, ob er bis zum Abend durchhalten würde. Als sein Arm ihren streifte, hielt er das sogar für eher unwahrscheinlich.

„Na, dann spiel ein bisschen ...." Mit mir, wollte er sagen, riss sich aber zusammen. „... mit den Geräten. Mach dich vertraut mit dem Umgang." Lächelnd ging er hinaus, setzte sich an seinen Computer. Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, durch die Haare.
Mannomann! Hat es mich erwischt! dachte er.
Als er sie zum Tor des Biergartens hereinkommen sah, hatte er als Mann zuerst natürlich auf ihre weiblichen Reize reagiert.
Die langen Beine, die unter ihrem kurzen Jeansrock zu sehen waren, hatten ihre Signalwirkung nicht verfehlt.

Er stand auf lange Beine.
Sein Blick hatte schnell die schlanke Taille, das hübsche Dekolleté erfasst.
Er stand auf eine schlanke Taille und ein hübsches Dekolleté.
Die langen blonden, leicht gewellten Haare taten ihr Übriges, fielen wohl jedem Mann angenehm auf.

Diese Frisur mit Mittelscheitel sah aber nur bei Frauen mit dieser schönen Kopfform und dieser hohen Stirn wirklich gut aus. Ihr hübsches Gesicht konnte er dann ausgiebig betrachten, als sie sich gesetzt hatte und er nicht mehr von den anderen Reizen abgelenkt war.
Der wunderbar geformte Mund und die riesengroßen Augen dominierten die perfekten Züge. Doch all das wäre nur ein schönes Bild gewesen, hätte er nicht gesehen, wie sie sprach, auch wenn er nichts verstand, wie sich ihre Züge veränderten, wie sie lächelte, wie die anderen ihr zuhörten, über das, was sie erzählte, lachten.

Langweilig war sie sicher nicht.
Da war ihm klar gewesen, dass er sich verliebt hatte, dass er die Jagd beginnen würde.
Doch schon am nächsten Tag wusste er, dass sie nicht seine Beute war.
Dass sie ihn erlegt hatte, mit ein paar Küssen niedergestreckt hatte.
Dass er sich ihr ausliefern würde ohne jegliche Gegenwehr.
Und heute, eine knappe Woche später, war er sich auch bewusst, dass keiner von ihnen Sieger oder Besiegter war, dass sie Liebende waren, die sich achten würden ein Leben lang.
Die sich erst noch richtig kennen lernen mussten, die noch viel voneinander verstehen mussten, die sich aber bereitwillig auf dieses Abenteuer einlassen würden, das Abenteuer eines gemeinsamen Lebens.

Mona sah sich um, ein Raum voll mit Technik pur.
Sie liebte das, kannte eigentlich alle Funktionen von den Fortbildungen.
Sie setzte sich an einen Computer, der blitzschnell hochfuhr, öffnete das Graphikprogramm.
Das war natürlich schon eine professionelle Sache.

Sie fand schnell Spaß daran, einen Programmbaum für den Mathestoff der ersten Klasse zu entwerfen. Ab und zu musste sie pausieren, um ein bisschen an Simon zu denken, wie er vor ihnen gestanden hatte, strotzend vor Selbstvertrauen, der Chef, der sagte, wo es lang ging, der die Kohle für alle ranschaffte, der sie bezahlte. Sie hatte kaum atmen können bei seinen Worten. Die drei anderen waren auch durchaus hübsche Kerle, gut in ihrem Job, aber diese Ausstrahlung hatte nur Simon.

Wow!
Das war ihr Simon!
Was war aus diesem Lehreressen geworden!
In so kurzer Zeit!
Nach einer halben Stunde ertönte ein leiser Gong, das Zeichen für alle, in den Konferenzraum zurückzukommen.

Simon ergriff das Wort. Er schob Mona eine Liste mit Lehrmittelvertrieben hin. „Such bitte die drei besten bitte aus." Ihre Finger berührten sich leicht, Blitze schossen durch ihre Körper.
Sie genossen beide das Spiel.
Mona kannte alle Verlage von ihrer Arbeit als Lehrmittelbeauftrage und Sachwalterin an der Schule, wusste, was diese so im Angebot hatten.

Ohne lang nachzudenken, hatte sie 1,2 und 3 vor die besten gesetzt, gab Simon das Blatt zurück, er strich leicht über ihren Handrücken, sie schloss ganz kurz die Augen, was er lächelnd registrierte.
Der Nachmittag würde lang werden.
„Nun zum Vermarktungsplan. Wir werden zweigleisig fahren. Zum einen über die Homepage für Privatverkäufe an die Eltern direkt, Werbung in allen Medien. Hier müssen wir klotzen. Es ist Neuland für uns. Zum zweiten mit den Verlagen für die Schulen. Da wird mich Mona bei der Argumentation unterstützen.
Ich denke, 150 Euro für eine Einzellizenz, 1500 mit Upgrades für eine Schullizenz wären okay. Wenn wir es in Deutschland auf den Markt gebracht haben, bespricht das Ganze die Fachpresse, die nimmt alles von uns dankbar auf, dann können wir auf den europäischen Markt vorstoßen."

Alle klopften auf die Tische, waren wieder einmal beeindruckt, wie schnell ihr Chef alles durchdacht hatte.
Kai berichtete vom Ergebnis ihrer Beratungen. Sie hatten an eine Art von Superhelden gedacht, der die Welt retten musste, in dem er sich der umfangreichen Finanzierungen annahm.
Bei den einfachen Aufgaben ginge es um Haushaltspläne von Gemeinden, dann von Städten, Ländern usw. bis zu den Weltfinanzen.

Mona fand die Idee genial, was sie auch gleich ansprach. „Super! Da lernen die Kids auch gleich den geographischen Aufbau und die Finanzwelt kennen. Genial!"
Die drei Vollprofis freuten sich über das Lob der Kleinen wie Schneekönige.
„Das muss aber dann schon auch Hand und Fuß haben, ordentlich ausrecherchiert werden, nicht irgendwelche Märchen!" gab Simon zu bedenken. „Das machen wir beide dann. Ich recherchiere, du schreibst die Texte!" wandte er sich an Mona.

„Haben wir schon einen Namen für unseren Superhelden?" wollte er dann wissen.
Sie warfen ein paar Vorschläge zur Diskussion in den Raum, Monas Vorschlag haute alle um: „Moneticus!" Lautes Trommeln belohnte sie.
Simon musste die strahlende Schöne wenigstens auf die Wange küssen. „Die Figur entwerfen auch wir beide."

Zum Belohnungssystem referierte Thorsten. „Wir haben Monas Idee mit der App aufgenommen. Wir dachten an den Zugang zu einem unserer Spiele, das wir nur ein wenig modifizieren müssen. New Mars, bei dem vom Dorf bis zur Großstadt gebaut werden kann. Die läuft sehr erfolgreich, kostet 49 Euro. Wir könnten pro erfolgreich gelöstem Aufgabenbereich ein Level freischalten."

Simon zog anerkennend einen imaginären Hut. „Chapeau!" sagte er nur. „Jetzt weiß ich wieder genau, warum ich gerade euch eingestellt habe."
Mona schwirrte der Kopf. In nur einer halben Stunde hatte die Jungs alles durchblickt, das Programm stand in den Köpfen.
Na, hoffentlich konnte sie dieses Tempo auf Dauer durchhalten.
„Und Mona, hast du uns schon etwas anzubieten?"


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