Kapitel 20

Schließlich gingen alle wieder nach oben. Es war fast halb sieben, keiner schien ans Gehen zu denken.
„Sollen wir Pizza bestellen oder Chinesisch?" fragte Simon seine Süße.
„Superidee!" freute sie sich.
Sie freute sich eigentlich schon den ganzen Tag.

Über den Besuch ihrer Eltern, über Simon, darüber, dass alle sich so gut verstanden, über Simon, darüber, dass seine Eltern sie zu mögen schienen, über Simon, über das schöne Wetter und über Simon.
Sie war einfach glücklich.
Ein paar Tränen rollten über ihre Wangen, sie konnte nichts dagegen tun.
Er erschrak, zog sie an sich. „Mäuschen, was ist denn los?" Hoffentlich dachte sie nicht an die Vergangenheit, wollte die Zeit mit Fabian zurück.
„Ihich bihin, soho glühücklich!" schluchzte sie.

Er küsste erleichtert ihre Tränen weg.
Nichts schmeckte besser als Glückstränen.
„Na, das ist doch gut, wenn mein Glückssternchen glühücklich ist." Er hielt sie einfach fest.
Konnte sich jetzt unmöglich von ihr trennen, konnte sich wahrscheinlich nie wieder von ihr trennen, musste sie wohl für immer in seinen Armen halten.

Die beiden Elternpaare sahen ihre Kinder an, lächelten sich zu.
„Da scheint es aber zwei erwischt zu haben!" bemerkte Paul Carsten.
Peter Reiser wischte sich eine Träne aus einem Auge, nahm seine Frau in den Arm.
„Das hatten wir kaum noch erhofft, nicht war Susi-Schatz, dass dieser Topf von Sohn einen so passenden Deckel findet."

„Will Simon eigentlich Kinder?" fragte Jutta Carsten.
Susanne wurde ein wenig verlegen. „Bisher hat er es immer weit von sich gewiesen. Aber bisher hat er es auch weit von sich gewiesen, eine Frau in diese Wohnung zu lassen, eine Frau einzustellen, eine Beziehung einzugehen, sich zu verlieben, gar zu heiraten und und und. Also würde ich sagen: Ich weiß es nicht."

Die Mutter erzählte die tragische Geschichte von Simons Zwillingsbruder. „Seitdem hat Simon den Frauen ziemlich misstraut!" sagte sie. „Mona hat ihn kuriert. Dem kleinen Sonnenschein konnte er wohl nicht widerstehen."
Die Carstens waren stolz, dass die Reisers ihre Tochter so gerne mochten. Aber wer hätte ihre Mona denn nicht mögen können.

„Gut, dass wir sie noch gemacht haben!" flüsterte Paul seiner Jutta zu. Sie knuffte ihn leicht verlegen.
„Ja, stell dir mal vor: Der arme Simon würde sein Leben lang alleine bleiben müssen." Beide lachten glücklich.
Damals waren sie schon erschrocken als sie, mit 42, Kind Nummer fünf erwartete.
Sonja war zehn, gerade ins Gymnasium gekommen, Florian, der Älteste war 16.
Sie hatten gefürchtet, die Großen würden sich genieren, wenn ihre Mutter noch mal ein Baby bekam, aber alle waren nur voller Freude, liebten die kleine Schwester über alles, stritten darum, wer sie wickeln oder baden durfte, fuhren sie mit dem Kinderwagen spazieren.

Sie spielten stundenlang mit ihr, gingen auf den Spielplatz. Sie war ein ausgesprochen braves Kind, lachte den ganzen Tag, lief mit neun Monaten, sprach mit 15 Monaten ganze Sätze.
Schon bald zeigte sich ihre künstlerische Begabung, was alle verblüffte. Sie war sehr erfinderisch, dachte sich immer wieder Spiele aus, baute fantasievolle Gebilde aus Holz und Steinen, zeichnete kleine Comics.
Sie entwickelte einen Wortwitz, dass die Familie unter chronischen Bauchschmerzen vor Lachen litt.
Ja, sie waren vom ersten Tag an froh, dass sie noch gemacht hatten.

Mona und Simon sahen die Eltern lachen, schlenderten eng umschlungen zu ihnen.
Ihr Vater grinste. „Wir haben uns gerade an den Schock erinnert, als wir erfahren haben, dass du unterwegs warst!" zog er sie auf.

Simon fiel auf ein Knie, griff nach Juttas Hand. „Ich möchte dir von Herzen danken, dass du dieses sicher fürchterliche Kind noch bekommen hast." Er deutete einen Handkuss an.
Alle lachten über den langen Kerl da auf dem Boden kniend.
Da nun eh schon alle um sie versammelt waren, fragte Mona: „Wir wollen Essen bestellen. Pizza oder Chinesisch?"

Fast alle wollten Chinesisch, die anderen ließen sich überreden. Simon holte die Speisekarte, schrieb die Wünsche auf, bestellte telefonisch.
Eine halbe Stunde später kam die Großlieferung an. Alle aßen aus den Verpackungen.
Mona wunderte sich nur kurz, dass Simon nicht bezahlte.
Ah, Monatsrechnung! dachte sie und lächelte.
Simon hatte ein paar Flaschen Wein und Limonade für die Kinder auf den Tischen verteilt, Gläser daneben gestellt.

Christoph, der ein großer Weinkenner war, ließ den guten Tropfen über seine Zunge rollen. „Na, der hat aber auch mehr als 5 Euro gekostet!" sagte er zu seiner Frau. Er nahm die Flasche, las das Etikett.
„Barsolo-Reiser!" las er laut. „Sag bloß, du hast ein Weingut?"
„Ein halbes!" gestand Simon lächelnd. „Ihr könnt gerne dort mal Urlaub machen. Ich habe da eine kleine Villa." Er brachte das so freundlich rüber, dass es niemand auch nur im Geringsten als Angeberei empfand.
„Sei vorsichtig! Wir sind viele!" warnte Christoph lachend.
„Ja, ob sie leer steht oder ob ihr da seid, ist ja egal. Ich komme eh nicht weg zur Zeit. Maria, die Verwalterin, würde sich freuen, wenn mal wieder jemand von den tedesci vorbei käme."

Die Geschwister wurden ganz hibbelig nach dem Angebot.
„Wie viele Schlafzimmer gibt es in dem Häuschen?" fragte Sonja.
Bei dem Wort Häuschen musste Simon grinsen. „Zwölf!" gestand er ein.
„Zwölf?" Sonja glaubte, sich verhört zu haben.
Simon hob entschuldigend die Hände.

Als das Unternehmen begann, wahnsinnige Gewinne abzuwerfen, hatte er eine Möglichkeit gesucht, das Geld sicher und ein wenig gewinnbringend anzulegen.
Da hatte er im Netz das Angebot gefunden, einen halben Anteil an diesem Weingut zu erwerben. Dazu hatte die Villa, gerade erst komplett renoviert, gehört.

Der Vorbesitzer hatte sich bei dem Luxusausbau finanziell übernommen. Anfangs war er selbst noch ein paar Mal im Jahr in die Toskana gefahren, dann wurde die Zeit immer knapper, erst recht, als der Bau seines Hauses begann.
„Da hätten wir ja alle Platz." Florian hatte es fast die Sprache verschlagen. Die Familien verstanden sich ausgezeichnet, hatten schon öfter alle zusammen Urlaub gemacht. Ohne Mona allerdings, Fabian war überhaupt nicht gerne weggefahren.

Die drei Brüder und Sonja verreisten meistens in den Pfingstferien, für den August hatten noch keiner etwas geplant. Florian sah Simon eindringlich an. „Du meinst das ernst?" sicherte er sich noch einmal ab.
„Ja, freilich! Vollkommen! Ich hole die Schlüssel, rufe Maria an, ihr könnt die ganzen Ferien dort bleiben."
„Und was kostet da die Woche?" fragte Kilian, der Finanzminister der Familie.

Simon lachte. „Fünf Küsse pro Person und Tag, zahlbar von eurer kleinen Schwester."
Mona hatte dem Gespräch mit großen Augen und offenem Mund zugehört.
Träumte sie jetzt?
Hatte Simon wirklich eben gesagt, dass er eine zwölf-Zimmer-Villa in der Toskana besaß, und hatte er wirklich ihrer Familie gerade angeboten, dort Urlaub zu machen?
Er sah sie an, drückte sie an sich. „Jetzt macht keine so große Sache draus. Packt eure Koffer, fahrt hin."
Die vier Geschwister samt Anhang beratschlagten kurz. „Ja, gut! Machen wir! Super! Danke!"

„Hört jetzt auf!" Er sprang auf, suchte den Schlüssel, gab ihn Florian. Dann wählte er Marias Nummer.
„Wann?" fragte er schnell noch.
„Ja, am Dienstag, oder?" Florian sah fragend in die Runde. Alle waren einverstanden.
Simon unterhielt sich in fließendem Italienisch mit der Verwalterin, gab das Anreisedatum und die Personenzahl durch.
„Schlafen die Kids zu zweit in einem Zimmer, oder soll sie für jeden eines herrichten? Wäre kein Problem!"
„Nein, nein! Die schlafen im Urlaub immer zusammen!" versicherte Sonja.

Simon palaverte noch eine Weile mit Maria, legte dann lachend auf.
„Ich habe ihr gesagt, es ist die Familie meiner zukünftigen Frau, jetzt dreht sie am Rad." Er lachte sich erst einmal aus. „Also, acht Zimmer werden hergerichtet, alle oben, immer zwei haben ein Bad zusammen. Sie kauft den Grundbedarf fürs erste Frühstück ein, kocht ein Abendessen, wahrscheinlich Lasagne, die lässt sich in der Mikrowelle am besten wärmen."

„Aber das zahlen wir dann schon!" forderte Kilian.
„Das kommt auf die Monatsrechnung!" meinte Mona lapidar.
Simon lachte Tränen. Seine Süße war die letzten Minuten verstummt, meldete sich mit voller Schlagfertigkeit zurück. Allerdings verstand den Gag nur er, aber das machte nichts.
„Genau!" brachte er gerade noch hervor.

Da fiel ihm etwas ein. Er ging nach innen, ließ eine Leinwand von der Decke, schaltete einen Computer und einen Beamer ein.
Dann holte er alle herein. „Ich habe Fotos vom Haus."

Die Familie stürmte ins Zimmer, die Kinder ließen sich auf dem Boden nieder, die Erwachsenen rückten sich Sofas, Sessel und Stühle zurecht.
Simon begann mit der Fotoshow. Sie sahen eine riesige Villa mitten in einem Weinberg, einen terrassenförmigen Garten, einen großen Pool, eine umlaufende Terrasse, hinter dem Haus ein kleines Fußballfeld und einen Tennisplatz.

Innen gab es eine riesige Küche mit allen technischen Geräten, die man sich vorstellen konnte, zwei großen Kühlschränken, einem gemütlichen Tisch, dann eine Wohnhalle mit Stuckdecke, vielen Polstermöbeln und Regalen. Die Zimmer lagen im ersten Stock, waren alle neu möbliert, die Bäder hoch modern renoviert. Im Keller gab es den Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine und Trockner, einen Fitnessraum, eine Sauna.
„Boa!" Die Kinder waren begeistert, die Erwachsenen hin und weg.

Mona musste lachen. Sie war ja gespannt, welche Überraschungen sie noch serviert bekam.
„Ach übrigens, Simon, ich würde gerne mal auf Mallorca Urlaub machen. Hast du da nicht zufällig auch ein klitzekleines Haus?" zog sie ihn auf.

Er grinste sie an, öffnete einen neuen Ordner. Es erschien ein Haus, kleiner als die Villa, auf einem Felsen über dem Meer. Überlaufpool, überdachte Terrasse, moderne Küche, Schlafzimmer mit Himmelbett, Traumbad, Dachterrasse.

Es war mucksmäuschenstill im Raum. Er öffnete einen Ordner, der Flugtickets enthielt, auf sie beide ausgestellt, Business Class, für Mitte bis Ende September.
Sie hatte das Gefühl, in Ohnmacht zu fallen.
Er hielt sie mit einem zärtlichen Kuss bei Bewusstsein.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du dir einen tollen Hecht geangelt hast!" flüsterte er ihr zu.
Sie konnte nur nicken, im Moment war alles zu viel.

Florian begann als erster zu lachen. Die anderen stimmten nach und nach ein.
„Aber echt bist du schon, oder?" japste ihr großer Bruder.
„Frag Mona!" antwortete der schmunzelnd.
„O ja! Der ist echt echt!" erklärte sie, schüttelte aber den Kopf. „Er ist unglaublich echt. Oder echt unglaublich?" Ihre Liebe zu Wortspielen kam langsam wieder zurück.

Sie gingen alle wieder hinaus, es war eine tropische Nacht. Simon zündete die Windlichter an, die beleuchtete Stadt lag vor ihnen.
Alle waren aufgedreht, planten, die Eltern freuten sich für ihre Kinder und Enkel, die Kids waren aufgeregt wegen des unverhofften Urlaubs.
Die Weinflaschen leerten sich langsam. Simon brachte noch Eis und Schalen, wer wollte, bediente sich zwanglos. Beobachter hätten den Eindruck gehabt, die Anwesenden würden sich schon Jahre lang kennen.
Um zehn brachen die Gäste auf.

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