Kapitel 10
Simon und Mona
Er küsste sie wie ein Ertrinkender, sie erwiderte seinen Kuss, alles war gut, alles war bestens.
Sie war seine Süße, nichts hatte sich geändert, seit er weggefahren war.
Fabian linste um die Ecke, sah seine Frau, die leidenschaftlich einen anderen Mann küsste, und der Anblick machte ihn glücklich.
Sie hatte es verdient, und auch er würde eine neue Liebe finden.
Doch die Freundschaft zwischen ihnen würde bleiben. Sie würde immer einen Platz in seinem Leben haben und er in ihrem.
Bis dass der Tod uns scheidet, hatten sie sich einmal versprochen. Die Liebe hatte nicht so lange gehalten, aber die Zuneigung zueinander würde es tun.
Simon löste sich von Mona, musste Atem holen. Er sah Fabian genau in die Augen. Der ging auf ihn zu, reichte ihm die Hand.
„Hallo! Ich bin Fabian, ihr bester Freund!" stellte er sich vor. „Ich freue mich, dass sie glücklich ist."
Simon war überrascht von der Aussage des vermeintlichen Konkurrenten. Offen sah er dem anderen in die Augen. „Ich werde dafür sorgen, dass sie immer glücklich ist!" Die Worte kamen wie von selbst über seine Lippen.
„Das will ich dir auch geraten haben!" sagte Fabian, umarmte Mona noch einmal, nahm seine Koffer und ging.
Simon hielt Mona im Arm. „War es schlimm?" fragte er leise.
„Nein! Nicht im Geringsten. Es war alles ganz leicht. Es ist alles ganz klar" antwortete sie, und aus ihren Augen strahlte das pure Glück.
Und beim Anblick dieses puren Glückes überschwemmte ihn die Leidenschaft, wie er es noch nie erlebt hatte.
Er würde augenblicklich sterben, wenn er jetzt nicht mit ihr schlafen konnte, wenn er ihr jetzt nicht sofort all die Zärtlichkeit geben konnte, die er in sich fühlte, wenn er jetzt nicht sofort ihre Zärtlichkeit spüren konnte.
So holten sie erst viel später die Einkaufstüten aus seinem Wagen. Mona lachte Tränen, als sie die Massen sah, die er eingekauft hatte.
„Ich wusste ja nicht, was du magst!" verteidigte er sich.
„Ich mag alles, was ich nicht selbst kochen muss!" erklärte sie verschmitzt. „Bei mir brennt sogar das Nudelwasser an."
„Das ist sehr gut!" Simon gefiel das wirklich.
Er wollte kein Hausmütterchen, konnte sich dieses schöne Wesen nicht mit Schürze am Herd vorstellen.
„Ich bin überhaupt eine lausige Hausfrau, nur damit du dir keine falschen Hoffnungen machst." Sie grinste ihn frech an. Er liebte dieses offene Grinsen an ihr, unter anderem.
„Noch besser!" Er strahlte sie an. Er wollte diese Frau auf Händen tragen, nicht ihr zusehen, wie sie mit dem Staubsauger durch seine Wohnung tobte.
Durch deine Wohnung, Simon?
Durch die absolute Tabuzone für Frauen?
Du siehst sie in deiner Wohnung?
Er kannte sich kaum noch selbst.
Sie mussten oft laufen, weil sie sich engumschlungen hielten und so nur eine Hand frei hatten. Es dauerte auch immer sehr lang, bis sie die paar Meter bis zur Eingangstüre geschafft hatten, weil sie sich so oft küssen mussten.
Ihr Nachbar Peter hing am Fenster, beobachtete das Geturtel der beiden. Na, hatte sie sich einen neuen angelacht? Eigentlich schade. Es war kein schlechter Gedanke gewesen, sie allein in der Wohnung neben seiner zu wissen. Irgendwann hätte sich vielleicht einmal die Gelegenheit ergeben, die Schönheit trösten zu müssen. Und er hätte sich gerne für diesen Job angeboten.
Seine Frau trat neben ihn, sah, an wem seine Augen schon wieder einmal hingen, sah aber auch zufrieden den neuen Mann an Monas Seite.
„Ah! Hat sie einen Neuen! Das ist gut!" meinte sie zweideutig. Sie hatte die Schwärmerei ihres Mannes für die hübsche Nachbarin schon hin und wieder bemerkt, hatte auch fast ein wenig Verständnis dafür. Mona war wirklich eine Hübsche! Aber Peters Schwärmerei war in etwa so einzuordnen wie ihre eigene für Richard Gere. Ein Traum, der nie in Erfüllung gehen würde. Sie trug es Mona auch nicht nach, dass sie die Herzen aller Männer um sie herum brach. Sie war zu nett, zu liebenswert, als dass man ihr das hätte übel nehmen können.
Das Kochen konnten sie dann auch erst viel später beginnen, weil sie sich erst noch einmal lieben mussten.
Denn sie waren viel hungriger auf ihre Körper als auf das beste Mahl.
„Mädchen! Was machst du bloß mit mir?" fragte er leise und strich ihr die wunderschönen Haare aus dem verschwitzten Gesicht, diesem so wunderschönen Gesicht. „Was stellst du mit mir an?"
Sie lächelte süß, räkelte sich wohlig, ganz nah an ihm, das Blut schoss ihm schon wieder in die Lenden, seine Wirbelsäule kribbelte wie wahnsinnig.
„Ich? Ich mach gar nichts!" Ihre blauen Augen strahlten, eindeutig ging die Farbe ins Violette, er erinnerte sich wieder an den Unterschied zwischen Lila und Violett, musste schmunzeln, dass ihm der Gedanke jetzt gerade kam.
„Nein! Du machst gar nichts!" Seine Stimme hatte einen ironischen Unterton. „Du verdrehst mir den Kopf! Du machst mich an! Du vernebelst mein Hirn! Du bringst meine Seele zum Fliegen! Du lässt meinen Körper brennen! Vor Sehnsucht nach dir verglühen! Immer wieder! Du weckst Gefühle in mir, die mich atemlos staunen lassen! Aber sonst machst du nichts!"
Mona sah ihn fassungslos an.
Er war ja ein Dichter!
Solche Worte konnte ein Mann zu ihr sagen?
Ein toller Mann wie er sagte solche Worte zu ihr?
Sie streichelte sein Gesicht, seine Lippen, sah in seine Augen, wusste, dass er diese Worte auch so gemeint hatte, genau so.
Simon erwiderte ihren Blick. Solche Worte hatte er bei Gott noch nie zu einer Frau gesagt, nicht im Geringsten auch nur gedacht!
Aber bei ihr hätte er noch lange so weiter sprechen können, es gab noch viel, was sie mit ihm machte, das er nicht kannte.
Doch jetzt musste er sie erst einmal küssen, weil es so schön war, ihre samtenen Lippen zu spüren.
Er würde dieses Mal auch versuchen, dabei zu atmen, wusste aber, dass er es wieder vergessen würde.
Um elf Uhr konnte er dann endlich mit dem Kochen beginnen. Er zählte die Gerichte auf, für die er Zutaten hatte besorgen lassen. Sie entschied sich für Rindersteaks mit Bratkartoffeln und Salat.
Alles andere verstaute er in ihrem Kühlschrank, dessen Türe sich kaum noch schließen ließ.
Sie beobachtete ihn genau, als er zu schnippeln begann.
Zu genau für seinen Geschmack, denn dadurch konnte er sich ganz schlecht konzentrieren.
Immer wieder fiel er in ihre blauen Augen, immer wieder klebte sein Blick an ihrem lächelnden Mund, immer wieder brauchte er ein paar Küsse, ein paar Streicheleinheiten.
Am Ende waren die teuren Steaks verbrannt und zäh, die Kartoffeln roh, weil er vergessen hatte, die Herdplatte einzuschalten, der Salat versalzen, was auf das Maß seiner Verliebtheit schließen ließ.
Mona lachte Tränen. „Exzellenter Koch, hm?" zog sie ihn auf.
Er grinste sie an, ihm war nichts peinlich, er war einfach nur glücklich. „Man muss eben Prioritäten setzen!"
„Stimmt!" Sie zog ihn an sich. „Mir ist ein exzellenter Liebhaber auch lieber als ein exzellenter Koch!" flüsterte sie, wunderte sich im gleichen Moment über ihren Mut, das auszusprechen.
Aber mit ihm war alles so leicht, so einfach, so normal und so wunderbar.
„Puh, Mädchen!" stöhnte er. „Sei vorsichtig mit dem, was du sagst!"
„Warum?" hauchte sie in sein Ohr.
Sie lockte! dachte er. Sie lockte ihn!
Er hatte sich so sehr vorgenommen, sich zu beherrschen.
Essen zu kochen, sich mit ihr zu unterhalten, Musik zu hören, ein Glas Wein bei Kerzenlicht zu trinken, sie kennen zu lernen.
Er wollte sie mit seiner Gier nach ihr nicht überfordern, wollte seine Lust zügeln, unbedingt, aber sie lockte ihn.
Ihre Zunge spielte mit seinem Ohr, ihre Hände suchten seine Haut, sie presste sich an ihn, rieb sich an ihm – und er konnte nicht mehr.
Das Blut rauschte in seinen Ohren, sein Herz raste, seine Hände machten sich selbstständig, waren überall auf ihrem Körper unterwegs, zogen sie aus, zogen ihn aus, seine Lippen verwöhnten jeden Zentimeter ihrer Haut, sein Finger suchte ihre Feuchtigkeit, seine Zunge folgte, er schmeckte sie, trank ihre Lust, nahm sie auf dem Küchentresen, hob ab, hob mit ihr gemeinsam ab, genoss, wie sie sich um ihn zusammenzog, wie sie die Muskeln anspannte, diese kleine Hexe, ihm damit einen Kick verschaffte, wie er ihn nicht kannte, noch nie erlebt hatte.
Und er wusste, er war ihr verfallen, ausgeliefert sein Leben lang.
Wusste aber auch, dass es nicht nur der grandiose Sex mit ihr war, der ihn hilflos machte. Es war ihr Anblick, ihr Lachen, ihre Stimme, ihr Lächeln, ihre Intelligenz, ihre Sanftheit, ihre Ruhe, ihre Bewegungen, sie, ganz einfach sie.
„Ich liebe dich, Mona!" stieß er hervor. „Ich liebe alles an dir so sehr, so sehr!"
Nie im Leben war er so glücklich gewesen.
Sie strich über seinen dichten wilden Haarschopf, sah ihn wieder einmal verwundert an, sein männlich schönes Gesicht mit diesen unglaublich hellblauen Augen, seine Figur, breite Schultern, flacher Bauch mit einem Sixpack, das ihre Augen flimmern ließ, schmale Hüften, endlose Beine.
Gut – ein Mann musste nicht schön sein, aber ein schöner Mann schadete bei Gott nicht. Sie lächelte bei diesem Gedanken.
„Warum lächelst du so?" fragte er.
Sie überlegte, ob sie ihm sagen sollte, was sie gedacht hatte. Aber warum nicht?
„Ich finde dich schön!" sagte sie, sah ihm offen ins Gesicht.
„Na, das schadet ja auch nicht, wenn ein Mann einer schönen Frau gefällt!" Er grinste sie frech an. Sie liebte das.
„Nein, nein, das ist mehr als gefallen." Sie war mit seiner Interpretation nicht ganz einverstanden.
„Du siehst einfach wahnsinnig gut aus. Alles ist perfekt. Dein Gesicht, dein Körper, du bist einfach schön."
Er wurde nun doch etwas verlegen, ein ganz kleines bisschen.
Was sagte man auf solche Worte, wenn man sie so noch nie gehört hatte?
„Danke!" brachte er schließlich hervor und nahm sie in die Arme. „Ich bin froh, dass ich zu dir passe. Wäre ja blöd, wenn die Leute sagen würden: Was will die Schönheit mit dem hässlichen Kerl?"
Sie lachte. „Dir sind bestimmt die Frauen ganz schön nachgelaufen!"
Er wurde noch ein wenig verlegener. Biest! „So wie dir die Männer wahrscheinlich!"
„Na klar! Scharenweise!"
„Wusste ich's doch!" zog er sie auf, wurde dann aber ernst. „Aber Süße, du weißt schon, dass du die schönste Frau bist, die ich je gesehen habe? Du bist dir schon bewusst, wie du auf Männer wirkst?"
„Nein, aber ich kann's ja lernen!" schlug sie vor.
„Jetzt brauchst du es auch nicht mehr zu lernen. Diese Chance hast du vertan, als du in den Biergarten gekommen bist. Ab jetzt gibt es nämlich keine Männer mehr für dich, ist das klar?" Ein langer Kuss besiegelte seine Aussage, erstickte aber auch einen etwaigen Widerspruch im Keim.
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