Kapitel 73

Schließlich verabschiedeten sich alle voneinander, Taxis brachten die Gäste zum Flughafen.
Mia und Hannes machten sich zu Fuß auf den Weg. „Ich brauche mal wieder ein bisschen Bewegung!" stellte sie fest, das Joggen hatte er auch gestrichen. Aber das sah sie ja ein.

„Hattest du heute Nacht nicht genug Bewegung?" fragte er anzüglich, zog sie an sich.
Lachend und tanzend liefen sie durch die Straßen, Passanten sahen ihnen lächelnd hinterher. Das waren doch die deutschen Engel von Paris?

Das Frühstücksfernsehen hatte heute einen ausführlichen Bericht über den Geburtstagsempfang für die Kleine gebracht.
Sie tranken noch einen Cappuccino in einem Straßencafé, und Hannes genehmigte ihr ein Stück Sahnetorte, das sie genussvoll verspeiste.

Zwei Tage später hatten sie den dritten Termin beim Professor. Der erste Ultraschall konnte gemacht werden. Die Tränen liefen bei beiden in Strömen, als sie ihr Baby das erste Mal sahen. Hannes packte das Bild vorsichtig in seine Brieftasche.
„Nächstes Mal können wir vielleicht schon das Geschlecht feststellen, wenn Sie es wissen wollen!" versprach der Arzt.

Hannes sah Mia fragend an. „Ja, ich möchte es schon gerne wissen!" sagte sie.
„Ich auch. Schon wegen des Namens. Wir können ja nicht bis zur Geburt Baby sagen. Kinder hören nämlich, was man zu ihnen sagt!" erklärte Hannes.
Professor Legrand lächelt wieder einmal über den gutinformierten Vater in spe.
Schade, dass sie zu Hause in Deutschland entbinden würde! bedauerte er bei sich.
„Was möchtest du eigentlich lieber?" wollte Mia auf dem Weg nach Hause wissen.

Er nahm sie in den Arm. „Das ist mir vollkommen egal, wirklich. Nur gesund sollen beide sein, du und das Kind." Tränen traten ihm in die Augen. Manchmal überkam ihn die Panik, dass ihr etwas geschehen könnte bei der Geburt.

„Und hast du schon über einen Namen nachgedacht?" fragte sie weiter.
„Also, ich suche den Mädchennamen aus und du den Jungennamen!" schlug er vor.
„Aber mit Veto-Recht!"
„Okay!" stimmte er zu. „Also, Leonie würde mir gefallen!"
„Gut! Klingt süß. Kein Veto. Und ich hätte gerne einen kleinen Jonas."
„Akzeptiert! Gefällt mir. Auch kein Veto." Er küsste sie glücklich.


Am Freitag meldete sich Sasha Moneri , die Komponistin, kam kurz darauf vorbei.
Hannes kochte Kaffee, setzte sich zu den Damen.
„Willst du aussuchen, was wir übersetzen können?" fragte Mia ihn. Er hatte ein gutes Gefühl für ihre Gedichte entwickelt.

Hannes nahm sich die ersten Hefte vor. Es genügte ihm, immer ein paar Worte zu lesen, er kannte alle fast auswendig.
Seine Favoriten markierte er mit einem Bleistiftherz. Am Ende angekommen hatte er 48 Herzen verteilt. Die anderen waren zwar auch sehr gut, aber sehr persönlich, manches war für Außenstehende schwer zu verstehen. Ein paar hatte er nicht markiert , weil sie ihm gehören sollten, weil er bei manchen ihrer Worte nicht wollte, dass sie jemand anders hörte, las oder aussprach.

Dann ging er nochmal seine Auswahl durch, vergab zweite Herzen.
Es waren immer noch 36 Texte über.
„Die restliche Auswahl müsst ihr treffen." Er stand auf. „Ich muss auch ein wenig arbeiten."
Er ging ins Arbeitszimmer, war emotional schon wieder einmal am Anschlag. Die Gedichte hatten ihn an so viele wundervolle Situationen und Ereignisse erinnert, dass er kaum noch atmen konnte vor Glück.
Er fuhr zwar den Computer hoch, wusste aber genau, dass er es nicht schaffen würde zu arbeiten. Er sah sich lieber Fotos ihrer gemeinsamen Zeit an, Schnappschüsse ihres Lebens.

Mia übersetzte Text für Text, Sashas Lächeln wurde immer breiter. Sie hörte unzählige Melodien in ihrem Kopf, die Gedichte vertonten sich quasi von selbst. Sie konnte und wollte auf keinen der 36 Texte, die Hannes ausgesucht hatte, verzichten.

„Ich muss mal telefonieren!" erklärte sie.
Sie wählte Jaques' Nummer. „Ich habe hier eine Goldader gefunden!" begann sie ohne Umschweife.
„Entweder, du machst eine Doppel-CD, oder ich biete die Lieder jemandem andern an. Ich werde alle 36 Texte vertonen."

Mia hörte die Antwort des Chansonniers nicht, aber Sashas Lächeln ließ sie etwas vermuten.
Lächelnd legte die Komponistin auf. „Yep!" rief sie aus. „Er kauft alle 36 Texte!"
„Was heißt: Er kauft?" Mia verstand nur Bahnhof.
„Ja, er nimmt die Lieder auf, die ich zu deinen Texten schreibe, und du bekommst 7 Prozent Tantiemen wie ich auch!"

„Aha!" Mia war vollkommen platt.
„Übersetzen musst du sie halt noch! Aber das machen wir zusammen, weil ich dann schon weiß, was ich für Zeilenlängen zur Melodie brauche." Sasha war in ihrer Aufregung zum Du übergegangen, Mia war es Recht.
„Komm!" schlug Sasha vor. „Fangen wir gleich mit dem Paris-Song an. Hast du zufällig ein Klavier hier?"
„Ja, im Gästezimmer." Sie ging voran. Sasha hatte seit dem Galaabend eine Melodie im Kopf.
„Schreib bitte den französischen Text auf!" forderte sie Mia auf.

Ein Stunde später stand das erste Chanson für den bekannten Sänger, den Schwarm ihrer Jugend, der zwar menschlich ein wenig in ihren Augen verloren hatte seit dem Gefummel, aber sie mochte seine Musik und seine Texte schon lange sehr.
Sie sang das Lied einmal durch, Sasha begleitete sie am Klavier, sie konnte selbst nicht singen.
Hannes spitzte die Ohren, ging leise hinüber, ohne sich bemerkbar zu machen.
Wow! dachte er. Das war ja der Hammer, was die beiden da geschaffen hatten.

Er klatschte leise in die Hände, als Mia fertig gesungen hatte.
Sasha grinste ihn an. „Sie sollte das selbst singen!" meinte sie. „Der deutsche Superstar. Das würde ein Selbstläufer."
„Hör auf!" wehrte Mia ab. „Sonst noch was!"
Hannes war froh, dass sie nicht auch noch Gesanges-Ambitionen hatte.
„Aber das Lied ist super!" lobte er die Komponistin.

„Komm, eines machen wir noch! Hannes soll es aussuchen!" bat Sasha. Mia erzählte ihm, dass der Sänger alle 36 Songs kauft, dass sie sogar Geld dafür bekam. Er schüttelte lächelnd den Kopf.
Vor Wochen hatte er ihr schon geraten, Gedichtbände heraus zu geben, um anderen ihre Worte zu leihen, die nicht so gut damit umgehen konnten.
Und jetzt würde Frankreichs Superstar ihre Texte singen. Das Mädchen war unglaublich!
Er stand im Türrahmen, beobachtete seine Kleine, wie sie übersetzte, Zeilen ansang, umformulierte, wie sie Sasha anlächelte, mit ihr lachte.

Aber er sah auch, wie die Komponistin Mia ansah, wie sie sie anlächelte, wie ihre grünen Augen sich leicht verdunkelten, wie sie immer wieder sein Mädchen berührte, scheinbar unbeabsichtigt, aber seine Antennen empfingen durchaus die erotischen Schwingungen.
Autsch! dachte er. Jetzt muss ich auch noch bei Frauen aufpassen.
Er wusste natürlich, wie auch bei Anmachen von Männern, dass keine Gefahr drohte, aber er mochte es nicht.

Er mochte nicht, dass Menschen, ganz egal welchen Geschlechtes, seine Frau anbaggerten.
Man musste doch respektieren, dass sie zu ihm gehörte, man konnte doch nicht immer und überall versuchen, sie ihm auszuspannen.
Das machte man einfach nicht.
Es gab Grenzen.

Er konnte nicht schweigen, er musste mit Sasha sprechen.
Mia sollte diese CD machen, sollte mit der Komponistin zusammenarbeiten, aber alle sollten endgültig einmal begreifen, dass Mia zu ihm gehörte.

Er bat die junge Frau ins Arbeitszimmer, während Mia Kaffee kochte.
„Sasha, ich habe deine Blicke auf meine Frau gesehen. Aber ich verstehe sie nicht. Genauso wenig, wie ich die Blicke der Männer auf sie verstehe, diese bestimmten, begehrlichen Blicke, die über das normale Bewundern hinausgehen. Ich meine, sie ist meine Frau, sie ist die Liebe meines Lebens, sie liebt mich. Warum baggert ihr sie immer wieder an?"

Die junge Frau sah ihn ernst an. „Weil sie außergewöhnlich ist? Weil sie faszinierend ist? Weil sie wunderschön ist? Weil ein Hauch von Hoffnung bleibt, auch wenn wir alle wissen, wie hoffnungslos dieser Hauch ist? Weil wir alle Träume brauchen?"

„Aber sie ist mein Traum! Sie gehört zu mir!"
Sasha sah ihn lange ernst an. Ihre Augen wurden ein wenig traurig. Doch dann lächelte sie. „Wenn du jetzt gesagt hättest: Sie gehört mir! hätte ich nicht aufgegeben. Keine Frau gehört einem Mann. Aber du weißt das. Du hast gesagt: Sie gehört zu mir. Wenn ich hetero wäre, würde ich wohl dich anbaggern!" erklärte sie lachend.

„Na, da habe ich ja echt Glück gehabt!" meinte Mia lachend, die gerade mit dem Tablett das Zimmer betrat.
Ihr Scherz entspannte die Situation.
Hannes nahm sie in den Arm.
Niemand würde ihm sein Mädchen wegnehmen.
Niemand sollte auch nur mit dem Gedanken spielen.
Sie war kein Freiwild, nur weil sie schön und bezaubernd war.
Mia küsste ihn. Sie fand es toll, wie er Sasha in ihre Grenzen verwiesen hatte. Sie hatte das Gespräch mitgehört, war schon eine Weile vor der Türe gestanden.

So konnte die Arbeit an der CD in den nächsten Wochen weiter gehen. Hannes hatte Grenzen gezogen, Sasha respektierte sie.
Von ihren Träumen musste ja niemand etwas wissen.
Als die Texte und Melodien standen, waren die beiden Autorinnen sehr zufrieden, Hannes war begeistert.
Er war auch ein Fan und Kenner des französischen Chansons geworden, seit sie in Paris lebten, und die Lieder, die die beiden Frauen verfasst hatten, waren echt der Hammer.

Ein paar Tage, nachdem die Lieder fertig waren, rief Jaques D. bei den Maybachs an. Er fragte, ob Mia nicht eines der Lieder, das über den Leuchtturm am Ende des Weges, mit ihm im Duett singen wollte.
Hannes verdrehte die Augen.

Der nächste Baggerfahrer rollte an.
Mia lachte über ihren armen Mann. „Kommst du mit ins Studio?" fragte sie.
„Das kannst du aber annehmen, mein heißbegehrtes Fräulein!" antwortete er.
Sie sah ihn anzüglich grinsend an, schmiegte sich an ihn. „Heiß stimmt und begehrt hoffentlich auch!" flüsterte sie.

„Das kannst du annehmen!" wiederholte er heiser. „Sehr heiß und sehr begehrt!" Sie waren zwar gerade erst aus dem Bett gekommen, aber sie waren jung, sie waren verliebt, sie waren in der Stadt der Liebe, es war Samstag und es war Frühling. Sie fanden keinen einzigen Grund, warum sie nicht wieder zurück sollten.
„Haben wir heute eigentlich schon gefrühstückt?" fragte er gegen Mittag.
„Also, ich hatte nur eine Portion leckeren Hannes!" räumte sie ein, fuhr sich mit der Zunge genüsslich über die Lippen.

Er sprang lachend aus dem Bett. „Dann wird es aber Zeit für einen leckeren Smoothie."
Mia verdrehte die Augen. Sie hätte eigentlich Appetit auf etwas anderes gehabt.
Sie lief ins Bad, zog sich dann hübsch an, tanzte zu ihrem Aufpasser.
Brav kippte sie die Vitaminbombe. Er konnte die Augen kaum von ihr lassen.

„Für wen hast du dich denn so rausgeputzt?" fragte er lächelnd.
„Ach weißt du, da gibt es so einen großen, kräftigen Kerl mit dunklen Haaren und Wahnsinns- Bernstein-Augen, der hat mir ganz und gar den Kopf verdreht!" erklärte sie völlig unbeteiligt.
„Ah! Und den möchtest du wohl anbaggern?"
„Schon! Ja! Aber ich weiß nicht, ob ich bei dem gutaussehenden Typen landen kann!"
„Frag ihn halt mal nach einem Date!" schlug er vor.
„Meinst du? Ich als Frau? Wahrscheinlich bekomme ich einen dicken Korb!" Sie lächelte ein bisschen zu verführerisch, als dass er so cool bleiben konnte, wie er es für das Rollenspiel, das sie so liebte, bleiben sollte.

Er räusperte sich. „Versuch's ruhig mal! So wie du aussiehst, wird er wohl kaum ablehnen. Ich kenn' mich da aus."
Sie lachte, sah ihn schmachtend an. „Also, schöner Mann! Hätten Sie Lust..."
„Ja!" unterbrach er sie.

„Sie wissen doch gar nicht, was ich fragen wollte." War da nicht etwas Ähnliches damals geschehen, an diesem Rosenmontag, als er sie nach Hause gefahren hatte? Als sie fast panisch überlegt hatte, was er von ihr erwarten würde? Wie leicht doch heute alles war im Vergleich zu dieser Nacht.
„Ich habe Lust auf alles, was Sie vorschlagen, belle Madame!" Seine Augen ließen sie nicht los. Ihre hakten sich an seinen fest.

„Also, dann.....!"Sie zögerte spielerisch ein bisschen. „Könnten wir ja......ein bisschen.....spazieren gehen!"
„Mh! Ja, könnten wir! Kommt darauf an, wohin, wie weit, wie lange!" stimmt er zu.
„Zum bois de bologne?" schlug sie vor.
Gut, das wäre in Ordnung. Ein bisschen durch die Straßen der Stadt ziehen, ein bisschen mit ihr angeben, ein bisschen auf einer Parkbank knutschen, ein bisschen anheizen! Vielleicht machte sie dann noch einen anderen Vorschlag, wenn er ihr ein Kugel Eis genehmigte?
Er war ein hinterhältiger Erpresser!
Bei dem Gedanken musste er schmunzeln.

Dabei hätte er das überhaupt nicht nötig! So wie sie ihn ansah, hätte er nur mit den Fingern schnippen müssen, und sie wären wieder im Bett gelandet! Aber frische Luft war wichtig, für das schwangere Ehepaar genauso wie für das Baby.
Außerdem machte das Hinauszögern Spaß, das Anturnen, das Spiel! Ihm genauso wie ihr.
Also schmiss er sich in Schale, sie sollte ruhig auch ein wenig leiden! Ihn ein wenig anblitzen, anhimmeln!

Sie sollte ruhig noch mehr Lust bekommen, ihre Hände unter sein Shirt krabbeln zu lassen, ein wenig am Hosenbund entlang zu kratzen.
Er musste tief einatmen.
Beim Frisieren dachte er, dass er dringendst einen Haarschnitt brauchte, wusste aber auch, dass er den Friseurtermin wieder hinauszögern würde, weil ihr die längeren Haare an ihm so gut gefielen. Aus diesem Grund verzichtete er auch auf eine Rasur. Seine Süße liebte ihn mit Ein-, Zwei- oder Drei-Tage-Bart.
Da nahm er gelegentliche Juckattacken gerne in Kauf!

Als er zurückkam, grinste sie ihn an.
Es war ihr schon klar gewesen, dass sein Outfit sie herausfordern sollte!
Sie schloss kurz die Augen, atmete tief ein.
Dabei sah er immer umwerfend aus, ganz egal was er anhatte!
„Also, Monsieur, dann darf ich Sie zum Date bitten?" Sie hielt ihm ihren Arm hin.
Er hakte sich lächelnd ein. „Natürlich, belle Madame! Wer könnte Ihnen schon widerstehen?"

Sie gingen durch die Straßen wie ein Paar im vorletzten Jahrhundert. Wenn sie einen Boulevard überquerten, legte er sanft seine Hand auf ihren Rücken, griff mit seiner Linken nach ihrer, um sie zu führen. Nur hin und wieder rutschte sein rechter Daumen ein wenig ab, fuhr leicht über die nackte Haut an ihrem hinteren Ausschnitt. Diese harmlose Berührung jagte ihr Blitze durch die Nervenbahnen.

Im Park ließ er sie wieder bei sich einhaken, plaudernd gingen sie über die Wege.
Seltsamer Weise erregte ihn dieser brave Spaziergang fast so wie der damals durch die nächtlichen Straßen ihrer Heimatstadt.
Ab und zu lächelten sie sich an, ab und zu sahen sie sich in die Augen. An einem Straßencafé erinnerten sie sich, dass sie noch immer nicht gefrühstückt hatten.

„Darf ich Sie auf ein spätes Dejeuner einladen, belle Madame?" fragte er höflich.
„Sehr gerne, Monsieur!" antwortete sie mit einem gekonnten Augenaufschlag.
Er rückte ihr den Stuhl zurecht, bestellte Café au lait und zwei belegte Baguettes. Er berührte vorsichtig ihre Hand, ließ sie nicht mehr los, als er keine Abwehr spürte.
Seine Finger spielten ein sehr sinnliches Spiel mit ihren.

Er führte ihre Hand zu seinen Lippen, hauchte einen zarten Kuss auf ihren Puls.
Sie bekam Gänsehaut am ganzen Körper.
Danach gingen sie weiter, setzten sich bald auf eine Bank.

Er streichelte ihr Gesicht vorsichtig mit einem Finger.
Seine Lippen bewegten sich auf ihre zu.
Der hübsche Mann möchte mich küssen! dachte sie aufgeregt.
Aber sie war ja eine ehrbare Madame! Durfte man sich als solche schon beim ersten Rendezvous küssen lassen?

Sie schloss die Augen, er streifte ihren Mund nur ganz leicht.
„Pardon, Madame!" flüsterte er. „Aber Ihre Lippen sind wie Rosenknospen, wunderschön und samtig weich!"
Wieder senkte sich sein Mund auf ihren, verweilte dieses Mal etwas länger.
Na, ob das noch schicklich war? dachte sie.

Er zog sich etwas zurück, legte den Arm um ihre Schultern, sah sie mit tiefem Blick an.
„In der Schönheit Ihrer Augen kann ein Mann ertrinken!" flüsterte er.
Sie lächelte ihn an.
„Und Ihr Lächeln lässt das Herz eines Mannes fliegen!" Sein Daumen glitt über ihre volle Unterlippe.
„Der Mann, der Sie einmal besitzen darf, wird der glücklichste der Welt sein, belle Madame!" Seine Hände glitten langsam an ihrem Rücken hinunter.

„Und jetzt muss ich dich endlich richtig küssen, Baby!" stieß er hervor und tat, was er tun musste.
Lang, ganz lang, unendlich lang strichen seine Lippen über ihre, sanft knabberte er an ihnen, saugte, liebkoste, reizte, bat um Antwort, um Reaktion, um Zugang.

Ja, das war ein Kuss! dachte sie und erinnerte sich wieder einmal an den ersten vor langer Zeit.
Im Restaurant, damals, als er plötzlich hinter ihr saß. Sie hatten eine Runde getanzt zusammen, sie war mit Carla und Robert zum Essen gegangen, als jemand sie von hinten antupfte. Genervt hatte sie sich umgedreht und in diese Augen gesehen. 

Wahrscheinlich war es da schon um sie geschehen gewesen. Er hatte sie frech an sich gezogen, so lange geküsst, bis die Schmetterlinge in ihrem Bauch so tobten, dass sie ihm wortlos ihr halbes Schnitzel gab, aufstand und wegging.
Doch er hatte sie wiedergefunden, hatte einen Verehrer, mit dem sie an der Bar stand und kräftig flirtete, böse angesehen und sie auf seinen Schoß gezogen.

Oft und oft hatten sie diese Szene in der Vergangenheit heraufbeschworen, hatten den Kopf geschüttelt über ihre verrückten Reaktionen.
„Ich glaube, das habe ich nicht einmal als Teenager gemacht, dass ich ein Mädel antupfe und dann niederschmuse!" hatte er lächelnd erklärt.
„Und warum ich dir meinen Teller hingehalten habe, weiß ich bis heute noch nicht!" hatte sie lachend gekontert.
„Wahrscheinlich wolltest du dich freikaufen!" vermutete er. „Aber da hätte es schon mehr gebraucht als ein halbes Schnitzel."

Auch jetzt auf dieser Bank mitten in Paris überfiel sie wieder die Erinnerung an diesen verrückten Abend, als sie einen Schritt zurück in ihr eigenes Leben gehen wollte, als sie endlich einmal jung und frei sein wollte!
Dreizehn Jahre zu spät, aber früh genug!

Als sie gefühlt hatte, dass Männer sie beachteten, was sie kaum fassen konnte.
Und dann war er aufgetaucht, hatte sie mit Beschlag belegt, nur um dann am anderen Tag aus ihrem Leben zu verschwinden.

Wäre sie erfahrener gewesen, hätte sie die ganze Sache einfach auf sich beruhen lassen.
So war es eben im Fasching! Eine heiße Nacht, da musste nichts nachkommen!
Aber sie hatte es wütend gemacht, dass er nicht angerufen hatte!
Deshalb war sie ihm nachgelaufen.

„Das hätte auch ganz schön peinlich werden können für mich!" sagte sie aus ihren Gedanken heraus.
Er sah sie fragend an. „Na, da im ZAP! Am Rosenmontag! Du hättest mich ja auch auslachen können! Die dumme Kleine! Was bildet die sich denn ein! Ein Faschingsflirt, und sie macht so ein Wesen draus!"

Hannes drückte sie an sich. Auch er war in Gedanken wieder einmal auf diesem Ball gelandet. Diese langen Küsse erinnerten ihn immer an den Tag, als sie sich das erste Mal von ihm hatte küssen lassen, als er vollkommen den Kopf verloren hatte, als er nur noch sie sah, sie im Arm halten wollte, sich vollkommen und total verliebt hatte wie noch nie im Leben.
Dieser Schmerz, den er bei Roberts Worten gespürt hatte, hatte alles übertroffen, was er je erlebt hatte.

Und heute saß er hier auf einer Bank, durfte das schöne Käferchen noch immer küssen, war der glücklichste Mann auf der Welt.
„Ja, das war mutig von dir, Süße!"
„Ich hatte ja nicht darüber nachgedacht, dass du nur einfach ein bisschen Spaß haben wolltest an diesem Abend! Du hättest ja in festen Händen sein können, hättest am Montag mit deiner Freundin da sein können! Ich war einfach zu unerfahren, um auf solche Gedanken zu kommen!"

„Dafür danke ich Gott jeden Tag, Mäuschen!" Er hatte sich das auch oft und oft gesagt, welch großes Glück er gehabt hatte, dass er sie zurückbekommen hatte!
Aber jetzt brauchte er dringend noch einen Kuss. Keinen, der sie beide in die Vergangenheit entführte, sondern einen, der die Zukunft versprach, die relativ nahe Zukunft, einen sehr heißen Kuss mit ein bisschen Fummeln!

Als sie sich mit weichen Knien aufmachten, um weiter zu gehen, oder doch nach Hause? lächelten sie beide selig vor sich hin. Sie gingen nicht mehr schicklich Arm in Arm, sie hielten sich engumschlungen, suchten sehr viel Nähe mit ihren Körpern.
Als sie an einem Eiswagen vorbeikamen, sah sie ihn sehnsüchtig an.

„Eine Kugel?" fragte sie vorsichtig.
Er lächelte sie zärtlich an. „Natürlich, Süße!"
Er holte ihr ein Amarena-Eis, freute sich über das Strahlen in ihren Augen, freute sich aber auch auf den Anblick, wenn sie das Eis schlecken würde.

Er hatte noch nie eine Frau gesehen, die so erotisch Eis leckte.
Da kamen ihm schon manchmal einige heiße Gedanken, wenn ihre Zunge so hingebungsvoll über die Oberfläche glitt, wenn ihre Lippen die süße Köstlichkeit umschlossen.
Und am schönsten war es, die süße Köstlichkeit von ihren Lippen zu lecken, seine Zunge mit genießen zu lassen.

Der Eisverkäufer grinste. So konnte man auch Eis essen!
Als die Waffel vertilgt war, als er sich die letzten Krümel aus ihren Mundwinkeln geholt hatte, lachte sie ihn an. „Das ist praktisch! Da braucht man keine Serviette!"
„Ja!" flüsterte er. „Praktisch ist das auch! Aber, es ist auch höchsterotisch, Kätzchen!"
Und er wusste, jetzt war es genug mit Spielen, mit Worten! Jetzt brauchte er Taten! Jetzt brauchte er Haut, Berührungen, Nähe, streichelnde Hände, forschende Lippen! Jetzt brauchte er SEX! Schon wieder! Er war verrückt!


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