Kapitel 71

Zwei Wochen vor Mias 30. Geburtstag traf ein Schreiben ein, das Hannes Pläne ein wenig über den Haufen warf, was er aber auch wieder in den Griff bekam. Schließlich war er geübt darin, Überraschungen für sie zu organisieren.

Der Bürgermeister von Paris bat das Ehepaar Maybach um die Ehre, zum runden Geburtstag von Frau Dr. Mia Maybach einen Empfang mit Galadinner und anschließendem Tanz veranstalten zu dürfen. Einzige Ehrengäste wären sie beide, Besucher aus Familie und Freundeskreis wären herzlich willkommen, sie möchten bitte nur die Personenzahl angeben, für Unterbringung im an den Veranstaltungssaal angeschlossenen Hotel auch für das Paar Maybach, wenn gewünscht, würde auf Kosten der Stadt gesorgt.

Mia musste den Text zweimal lesen. „Den Brief könnte ich geschrieben haben!" stellte sie schließlich fest.
Hannes setzte sich erst einmal fassungslos hin, sah sie ungläubig an.
„Besuch aus der Familie! Wie der sich das vorstellt! Dass die alle herfliegen wegen mir?"
Hannes begann zu lächeln, in seinem Kopf ratterten die Gedanken!
„Sie kommen alle!" gestand er schließlich.

Mia sah ihn überrascht an. „Steckst du da dahinter?"
„Nein, dahinter nicht! Aber geplant hatte ich schon was!" Seine Bernsteinaugen blitzten sie an.
Sie musste grinsen. „Na klar! Wie auch nicht!" Sie hatten nie über ihren Geburtstag gesprochen, irgendwie war er ihr immer ausgewichen, wenn sie davon anfing, was sie ja schon etwas verwundert hatte.
Er nahm sie in den Arm. „Aber da muss ich wohl umdisponieren! Gegen einen Bürgermeister komme ich nicht an!"
„Du meinst echt, wir sollen dahin gehen?" Sie war noch immer nicht auf den Boden der Tatsachen angekommen.

„Auf deinen eigenen Empfang der Stadt Paris? Ja, ich denke, da sollten wir schon hingehen!" Hannes drückte seine etwas konfuse Süße etwas fester an sich.

„Und wer kommt alles? Also, wer wollte kommen, zu dem, was du geplant hattest?"
„Alle! Die ganze Hochzeitsclique! Plus Niklas und Freundin!"
„Wow!" Sie war fix und alle. „Aber da steht: Abendkleidung, das heißt langes Kleid für die Frauen und Smoking für die Herren! Das haben auch nicht alle!"
„Das muss ich halt telefonisch klären. Es gibt ja auch einen Verleihservice, oder wir shoppen halt hier! Das sind doch alles keine Probleme!" Er küsste sie zart auf die süßen Lippen, die vor Aufregung offen standen.
„Ich rufe jetzt alle durch, es ist ja keiner dabei, der zicken würde, wenn ich offen spreche!"

Nach einer Stunde tauchte er wieder auf. „Also, alle sind begeistert! Oliver und Anja kommen einen Tag eher, wir kaufen was für sie oder leihen was. Ich muss mal George fragen, wie das in Paris abläuft. Gregor passt noch in seinen Hochzeitssmoking, Mona bekommt ein Kleid. Niklas und Karen besorgen sich etwas. Markus und Sarah waren vor ein paar Wochen auf einem Ball, haben sich dafür eingekleidet. Unsere Eltern probieren, was sie haben, kaufen sich eventuell was. Alle bleiben natürlich im Hotel neben dem Palais. Wir auch, oder?"

Mia schwirrte der Kopf. Im Organisieren war er echt gut, ihr hübscher Mann!
„Ja! Ja, freilich! Ich liebe Hotels!" Mittlerweile konnte sie schon wieder lächeln.
Sie hatten manche Nacht in Hotels quer durch Paris verbracht.
Immer wieder hatte Hannes sie überrascht mit Karten für ein Konzert oder eine Theateraufführung und anschließender Übernachtung.
Nicht ganz uneigennützig, wie sie vermutete.
Auch er liebte das Prickeln, das eine Nacht in einer fremden Umgebung in ihnen auslöste.

„So, so! Du liebst Hotels! Ich habe immer geglaubt, du liebst mich!" zog er sie auf und begann einen seiner unglaublichen, endlosen Küsse.
„Wir, wir müssen noch Bescheid geben!" stöhnte sie atemlos.
„Schon passiert!" flüsterte er heiser.
„Na klar!" brachte sie gerade noch heraus, bevor er ihren lächelnden Mund wieder in Besitz nahm.

Nach einer sehr ausgedehnten Runde, während der sie ihm eindringlich bewies, dass sie ihn weit mehr liebte als Hotels, musste sie ihren Riesensmoothie trinken, der ihr mittlerweile schon zur lieben Gewohnheit geworden war, umso mehr, da sie jedes Mal das beruhigende Gefühl hatte, dem Baby etwas Gutes zu tun.
Danach gab es Putenschnitzel natur mit Salat.
„Dann schaun wir mal nach einem Kleid für meine Prinzessin und einem Smoking für ihren Frosch!" schlug Hannes vor.

„Aber ich habe drei Abendkleider im Schrank!" wehrte sie ab.
„Mäuschen! Du wirst doch nicht in diesen alten Fetzen da auftauchen wollen!" zog er sie auf. Er wusste genau, dass sie jedes Kleid erst einmal getragen hatte, aber für diesen Anlass musste es schon etwas Besonderes sein.
Sie sah zwar in allem entzückend aus, was sie trug, am entzückendsten natürlich..... Stop, Hannes! Denk an etwas anderes als an Mia in roter Spitzenunterwäsche!

Mia war zur sehr Weibchen, als dass sie der Gedanke an ein neues Abendkleid nicht begeisterte.
Noch dazu, weil Shoppen mit Hannes immer ein reines Vergnügen war.
Er kaufte begeisterter ein als jede Frau, schleppte stets Unmengen von Klamotten an, die sie probieren musste. Die dabei arbeitslosen Verkäuferinnen lachten sich jedes Mal kringelig über den verrückten, großen Jungen!

Lachend zogen die beiden los, fanden in den ersten Läden ein paar Jeans für beide, ein paar gefährliche Blusen und Tops für sie, ein paar ausgefallenen Shirts für ihn, die er dringend brauchte, denn die 30, die er hatte, waren ja wirklich nur die allernötigste Grundausstattung!
Im sechsten Laden wurden sie dann fündig.
Die zehn prall gefüllten Einkaufstüten hatten Boten schon zu George in die Lobby gebracht. Der kannte das schon, wenn die beiden loszogen, hatte er immer eine Menge nach oben zu schaffen! Wie immer brachte er auch dieses Mal die Sachen hinauf in die Wohnung, packte aus, legte alles aufs Bett, damit nichts verknitterte.
Er durfte das, sie freuten sich darüber, sie waren mittlerweile so etwas wie Freunde geworden.

Als Mia in dem saphirblauen Traum aus Spitze und Seide aus der Kabine trat, pfiff nicht nur Hannes durch die Zähne, auch dem Geschäftsführer entkam dieses Zeichen der Bewunderung.
Die beiden Männer grinsten sich verständnisvoll an.
Sie sah wirklich aus wie die schönste Prinzessin der Welt. Der Preis war zwar astronomisch, manchmal hatte Mia noch ein schlechtes Gewissen, wenn sie so viel Geld für ein Kleidungsstück ausgab, das sie wahrscheinlich nur einmal tragen würde.

Andererseits gaben sie viele Sachen bei einem Second-Hand-Shop ab, den die sozialen Einrichtungen ihrer Heimatstadt unterhielten, natürlich ohne etwas dafür zu verlangen.

Passende Schuhe und eine Handtasche vervollständigten ihr Outfit. Gut, dass ich das Hochzeits-Diadem eingepackte habe! dachte Hannes zufrieden.

Anschließend probierte er Smokings an, es hingen zwar zwei im Schrank, aber auch er wollte an diesem besonderen Tag so gut wie möglich für die Schönheit neben sich aussehen.
Als er im letzten und besten Outfit aus der Kabine kam pfiffen Mia und die Verkäuferin, die sich verschwörerisch anlächelten. Der Prinz, der alle seiner Gattung um Längen schlug, stand vor ihnen.

Es ist schon der Hammer, wie gut dieser Typ aussah! dachte sie.
Gut, dass er sich auf dem Ball damals so verunstaltet hatte! Sonst wäre sie bestimmt noch in dieser Nacht mit ihm mitgegangen!
Es wäre nicht schlimm gewesen, es wäre sicher auch Liebe geworden, aber immer noch war sie froh, damals die Initiative ergriffen zu haben.
Sie war auch froh um die zwei Tage, in denen er sie so vermisst hatte.
Geschadet hatte das sicher nicht!
„Wow!" stieß sie schließlich heiser hervor.
„Selber wow!" krächzte er und räusperte sich.

Alle Angestellten, die die zwei natürlich erkannt hatten, applaudierten dem schönen Paar, das sich kokett verbeugte.
Der Geschäftsführer bat darum, ein Foto machen zu dürfen für die Galerie an der Wand, die berühmte Kunden zeigte. „Natürlich hängen wir das Bild erst nach dem Empfang auf!" versicherte er.
Die Kleidungsstücke wurden an ihre Adresse geliefert. George freute sich, als er die schönen Teile auf Bügel hängte.
Da würde die süße Deutsche wieder einmal alle Männerherzen brechen, und ihr gutaussehender Ehemann die der Frauen. Wenn die beiden so weitermachten, ließ Paris sie wirklich nicht mehr nach Deutschland zurück.
Dann gab es eine Zwangs-Einbürgerung!

Oliver und Anja kamen am 30. Mai an. Sie machten sich zu viert gleich auf, nach einem passenden Outfit zu suchen, wurden auch schnell fündig. Oliver wehrte Hannes' Versuch zu bezahlen ab.
„Ist eh dein Geld, das ich auf den Kopf haue!" erklärte er lachend.
Sie lebten sehr sparsam in der mietfreien Wohnung, lernten viel zusammen, aßen in der Mensa, gingen nur einmal in der Woche aus.

Sie hatten sich schon ein gutes finanzielles Polster von den großzügigen Zuwendungen geschaffen. Die Flüge nach Paris bezahlte Hannes sowieso immer, zu den Geburtstagen und zu Weihnachten hatte es große Summen als Geschenk gegeben.
Das Kleid für seine Schöne wollte Oliver aber unbedingt selbst bezahlen. Für ihn liehen sie einen Smoking mit Hemd und Hose.

Oliver und Anja schliefen die erste Nacht bei ihnen, alle vier feierten in Mias Geburtstag hinein. Oliver überreichte ihr wieder ein sehr besonderes Geschenk. Sein Freund hatte nach seinem Entwurf eine plastische Abbildung des Goethe-Gymnasiums als Anhänger angefertigt. Hinten hatte er eingraviert: „Wecke ihre Neugierde!"
„Nur, damit du weißt, wo dein Platz ist!" erinnerte er sie. „Auch mit Baby!"
Hannes grinste den jungen Mann an. „Hat sich das schon rumgesprochen?"
„Na klar! Mias Vater hat den Figaro abonniert! Wir erfahren per Rundruf alles von euch!"

Dann gingen alle schlafen, die nächste Nacht würde kurz werden.
Der Rest der Gäste fuhr am kommenden Tag gleich ins Hotel, man würde sich dann erst auf dem Empfang treffen. Oliver und Anja zogen mittags um.
Um sechs holte eine Limousine das deutsche Paar ab. Beinahe wären sie nicht rechtzeitig fertig geworden, weil sie aus Versehen angefangen hatten, sich zu küssen.

„Mann, das soll ein Geburtstag sein!" maulte sie, als Hannes sie schweratmend von sich schob.
„Wir holen alles nach!" versprach er grinsend mit blitzenden Bernsteinaugen.
Und dieser Blick soll mich wohl abkühlen oder was? dachte sie sehnsüchtig.
Hannes konnte sich kaum von ihrem Anblick losreißen. Sie hatte die Haare locker hochgesteckt, was ihren wunderschönen Hals und Nacken betonte. Er hatte vorsichtig das Diadem festgemacht, war vollkommen zerschmolzen bei dem Bild, das sich ihm bot.

Sie fuhren hinunter, George blieb fast das Herz stehen bei so viel menschlicher Schönheit. Er öffnete ihnen ehrfürchtig die Eingangstüre, führte sie zum Wagen, bei dem der Chauffeur schon die Türe für Mia aufhielt. Sie fühlte sich wie ein großer Star.

Am Palais lag doch tatsächlich ein roter Teppich, über den Hannes sie fast platzend vor Stolz führte. Zahlreiche Zaungäste säumten ihren Weg, Handys liefen heiß vor lauter Fotografieren. Dazu Blitzlichter, Viva-Rufe, Beifall, Glückwunschrufe.

„Gehen wir eigentlich zur Oscar-Verleihung?" fragte sie lächelnd.
„Besser!" sagte er und sah sie liebevoll an.
Ja, was seine Kleine auf den Weg gebracht hatte, was sie geleistet hatte, war mehr als eine Rolle in einem Film gut zu spielen.
Sie hatte die Welt ein ganzes Stück besser gemacht!

In der Halle warteten Verwandte und Freunde auf die beiden. Sie gratulierten Mia, bewunderten ihr Aussehen, viele Küsse und Umarmungen wurde ausgetauscht, auch ein paar Tränen flossen.
Schließlich holte ein Lakai in Livree die Deutschen in den Saal.
Für große Gesten haben sie schon ein Faible, die Franzosen! dachte Mia lächelnd. Fehlt eigentlich nur noch die Marseillaise! Flüsternd teilte sie Hannes ihre Gedanken mit.
Und in diesem Augenblick begann die Nationalhymne. Lachend betrat das schöne Paar den Saal, was sie allen noch sympathischer machte. Die beiden schienen immer zu lachen, zu lächeln, zu strahlen, etwas, was auf ihre Umgebung abfärbte.

Der Bürgermeister und seine Frau begrüßten sie, gratulierten ihr herzlich, sie wurde unzähligen Menschen vorgestellt, Managern, Ärzten – sie freute sich, dass auch Professor Legrand darunter war – Stadträten, Künstlern aller Sparten. Sie konnte sich unmöglich alle Namen merken. Alle umarmten sie, sprachen ihre Glückwünsche aus. Schließlich führte der Bürgermeister sie auf einen Platz vor den dem Pult , die Gäste nahmen um sie herum Platz.
Die Reden begannen. Zuerst der Maître de ville, dann ihr Schulleiter, Abgeordnete der wichtigsten Parteien, eine berühmte Schauspielerin, ein Sänger, ein Vertreter der europäischen Gesellschaft und der Vertreter einer Sozialeinrichtung.

Alle berichteten davon, wie das deutsch-französisch-italienische Ehepaar die Stadt und das Land begeistert und auch ein wenig verändert hatte.
Zum Schluss ergriff der Bürgermeister noch einmal das Wort.
„Sehr verehrte Frau Dr. Maybach, liebe Mia! In Ihrer letzten Talkshow haben Sie sich bei der Person bedankt, die Ihrem Engagement folgen und auch Häuser mit Sozialwohnungen bauen wird.

Wir freuen uns, Ihnen heute und hier ein besonderes Geburtstagsgeschenk machen zu können, das Ihnen, wie wir glauben, wichtiger ist als ein materielles Geschenk.
Es hat sich nicht nur eine Person gefunden, die Ihnen nacheifert, es waren fünf! Es werden zusätzlich zu ihren beiden zehn weitere Mia-Maybach-Häuser entstehen. Die Bauherren bestehen darauf, dass dieser Name auf allen Neubauten stehen soll, damit niemand in dieser Stadt die kleine deutsch-französische Schönheit mit dem riesengroßen Herzen jemals wieder vergisst - und natürlich ihren großzügigen Ehemann. Ich darf Sie beide nach vorne bitten, um Ihnen die Bürgermedaille der Stadt Paris in Platin zu überreichen!"

Bei der Erwähnung der neuen Häuser brachen in Mia alle Dämme. Sie begann wie ein Schlosshund zu heulen. Hannes, dem selber die Augen überliefen, nahm sie fest in den Arm, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, gab ihr ein Taschentuch, wischte ihr mit einem anderen zärtlich die Tränen ab.

Wie gut, dass sie nie Make-Up braucht! dachte er blödsinniger Weise.
Dann trocknete er seine Augen, führte sie nach vorne. Die Bilder der beiden flimmerte über die TV-Schirme des ganzen Landes, rührten wieder einmal Millionen von Franzosen.
Der Bürgermeister befestigte die Auszeichnungen an ihrem Kleid und seinem Smoking.
„Möchten Sie ein paar Worte sagen?" fragte er Mia.
Sie nickte und nahm dankbar einen Schluck Wasser an.
„Hallo Paris!" begann sie und Applaus brandete auf.
„Wenn die künftigen Bauherren anwesend sind, wäre es schön, wenn sie zu uns nach vorne kommen könnten."

Ein Raunen ging durch den Saal, Bewegung entstand in den Reihen der Zuhörer. Vier Männer und eine Frau kamen zu ihnen, ließen sich umarmen, umarmten sie.
„Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für dieses schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens! Aber ich hätte auch nichts gegen weitere solche Geschenke in den nächsten Jahren einzuwenden." Das Publikum lachte.
„Paris ist schließlich groß! Ich danke auch den Firmen, die die Programme meines sehr begabten Ehemannes kaufen, denn die Kohle für meine Pläne muss je irgendwoher kommen.
Ich danke meinem innig geliebten Hannes für die Großzügigkeit, mit der er alles unterstützt." Wieder gab es Beifall.

„Ich danke meiner Schwiegermutter und meinem Schwager Markus, die nicht unbeträchtliche Summen eingebracht haben, und vor allem danke ich all den Spendern kleinerer Beträge, die auch schon eine schöne Geldmenge beigetragen haben.
Ich danke Ihnen, Maître, für diesen unvergesslichen Abend. Ich danke Paris - und ich danke Frankreich für jeden Tag hier und für jedes liebe Wort.

Ich schreibe ja ab und zu ein paar meiner Gedanken auf, mein unvergleichlicher Ehemann nennt sie dann Gedichte. Ich habe ein solches Gedicht vor ein paar Wochen über meine Zeit hier geschrieben. Es ist in Deutsch verfasst, deshalb klingt es in Französisch vielleicht etwas holprig. Aber es drückt das aus, was ich fühle. Erlauben Sie mir bitte, dass ich ein paar Zeilen daraus zitiere.
Paris-
eine fremde Stadt
wurde
zur Heimat
Boulevards-
fremde Straßen
wurden
zu Wegen ins Licht.
Eine fremde Wohnung -
wurde
zum Zuhause.
Fremde Menschen -
wurden
zu Freunden.
Eine vertraute Liebe -
wuchs
ins Unermessliche."


Schweigen herrschte im Saal, Menschen atmeten tief ein, sie hatten es vergessen, während sie zuhörten. Taschentücher raschelten, Tränen liefen über Wangen von festlich gekleideten Menschen.
Dann begannen die ersten zu applaudieren, bis ein tosender Beifallsturm erklang.
Als die Menge sich beruhigt hatte, bat der Bürgermeister gerührt zu Tisch. Mia und Hannes nahmen an der Ehrentafel Platz, ihre Besucher aus der Heimat hatte man um sie herum platziert. Sie selbst saßen neben dem Maître und seiner Frau.

Es war ein vorzügliches Menü, Hannes genehmigte jeden Gang lächelnd, hielt immer wieder ihre Hand, war hin und weg, von ihrem Anblick, vor Stolz auf das Engelchen, das sich vor Urzeiten ein Taxi genommen hatte, weil es zurück ins Leben wollte, weil es eine Antwort von ihm wollte, ihm, dem zu diesem Zeitpunkt vor Schmerz Zerfressenen, der, ohne nachzudenken, beinahe ihre gemeinsame Zukunft zerstört hatte, bevor sie hatte beginnen können!
Schon damals war sie stark gewesen, verdammt stark, denn sonst hätte sie ihre Vergangenheit nicht so unbeschadet überstanden.

Sie war stärker gewesen als der Kerl, mit dem sie geglaubt hatte, verheiratet zu sein.
Sie war stark genug, alles hinter sich zu lassen, zu ihm zu ziehen, mit ihm zu leben.
Und jetzt würde sie stark genug sein, ein Kind mit ihm zusammen zu bekommen.
Und wenn er sie jetzt noch länger anschmachtete, noch länger über sie nachdachte, würde er sie auffressen vor lauter Liebe, dann könnte ihm das Essen, das unentwegt aufgetragen wurde, gestohlen bleiben, er würde sie einfach anknabbern!

Gequält stöhnte er leise auf. Die Frau des Bürgermeisters lächelte vor sich hin. Schon ein paar Mal hatte sie das Wort an ihn gerichtet, doch er hatte nicht reagiert, seine Blicke und wohl auch seine Gedanken hingen an der Frau auf seiner anderen Seite fest.
Hannes riss sich los, sah die Tischnachbarin auf seiner rechten Seite entschuldigend an, zuckte mit den Schultern.

„Ich liebe sie so sehr!" stieß er hervor, widmete aber dann seine Aufmerksamkeit der Dame, die ihn verständnisvoll anlächelte. Sie anzusehen war auch für sein Seelenheil viel besser!
Nach dem Dessert, das Hannes auch erlaubte, hoben sich die Tischgesellschaften auf. Den Kaffee nahm man zwanglos an Stehtischen.


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