Kapitel 66

„Sag mal, deine Eltern wollen uns gar nicht besuchen?" wunderte sich Mia, als sie sich die Pasta mit verschiedenen Saucen schmecken ließen, die Hannes gezaubert hatte.
„O Gott! Jetzt will sie schon wieder Besuch!" jammerte er, lächelte sie aber liebevoll an. „Ich glaube schon, dass sie möchten! Aber sie wollen uns wohl nicht zur Last fallen!"

„So ein Quatsch! Wir haben irgendwie ständig die Bude voll, und ausgerechnet deine Eltern halten sich zurück! Ich ruf nach dem Essen gleich an!"
„Denkst du eigentlich auch mal an dich selbst oder nur immer an andere Menschen, Engelchen?"
fragte er.

„Also, als erstes denke ich an dich! Als zweites bis neuntes auch! Dann denke ich an mich, da höre ich aber schnell wieder auf, weil wenn ich daran denke, wie viel Glück ich in meinem Leben habe, wird mir schwindelig, und dann kriegst du wieder Angst, dass mit etwas fehlt, und ich weiß nicht, welche Rosskuren du mir dann verordnest!"
„Ja, mit den Rosskuren musst du dich abfinden, du Nebensatz-Junkie!"

„Dieses Mal hast du den Satz wohl verstanden?" zog sie ihn auf.
„Dieses Mal warst du ja einen Meter von mir entfernt und vollständig bekleidet! Da funktioniert mein Gehirn einigermaßen!" schoss er zurück.
Sie räusperte den Frosch in ihrem Hals weg. „Also? Soll ich anrufen?" fragte sie noch einmal nach.

„Ja, Mäuschen! Natürlich! Sie würden sich sicher freuen, wenn du sie einlädst!"
Sie wählte gleich die Nummer seiner Eltern, Helena meldete sich.
„Hallo, Schwiegermama! Du, ich habe gerade überlegt, ob ihr uns nicht auch einmal besuchen wollt?" Sie war dafür, gleich offen zu sprechen.

Helena freute sich. Sie hatte sich schon ein paar Mal mit ihrem Mann unterhalten, dass sie gerne sehen wollte, wie ihr Hannes und der kleine Sonnenschein Mia in Paris lebten.
Doch Peter wollte den jungen Leuten auch Zeit für sich selbst geben, gerade weil die jungen Leute der Familien ständig bei ihnen zu Besuch zu sein schienen.
„Doch, natürlich, Schwiegertöchterchen, wir würden euch schon gerne mal besuchen, wenn es euch nicht zu viel ist!"

„Nein, komm! Gar nicht!" versicherte Mia. „Also, Ostern wollten wir nach Hause fliegen, da habe ich eine Woche frei, aber in der Zwischenzeit seid ihr uns herzlich willkommen!"
Peter hörte mit, freute sich, dass die feinfühlige Mia angerufen hatte.
Das war etwas anderes, als wenn das Hannes gemacht hätte, und die Kleine wusste das genau. 

Das Ehepaar Maybach konnte dadurch sicher sein, bei beiden herzlich willkommen zu sein. Und der kleine Engel, der immer in die Herzen der Menschen sehen konnte, hatte das gefühlt.
Sie vereinbarten, dass Hannes Eltern in drei Wochen für ein paar Tage kommen würden.
Hannes nahm seine Süße in den Arm. Keine wusste wie sie, was man wann zu wem wie sagen musste!

Dieses starke Kerlchen, das gerade wieder einmal davon gesprochen hatte, wie viel Glück in ihrem Leben war, obwohl sie 13 Jahre an der Seite eines Kretins vergeudet hatte!
Aber dann kam ihm ein neuer Gedanke. Vielleicht hatte sie diese Jahre gar nicht wirklich vergeudet! Sie hatte ihr Studium durchgezogen, ohne nach links oder rechts zu sehen, hatte sich diesen Weg erkämpfen müssen!

Vielleicht hatten diese Jahre sie so stark gemacht, so weise! Vielleicht konnte sie deshalb jungen Leuten den richtigen Weg ins Leben zeigen, weil sie diese Erfahrung gemacht hatte!
Vielleicht wäre sie ein verwöhntes Mädchen geworden wie Sarah war, wenn sie diesen Underdog nicht kennengelernt hätte!
„Woran hast du denn gerade gedacht?" fragte Mia. Sein Blick war unverwandt auf ihr gelegen, seine Augen waren feucht.

Er zog sie in seine Arme, versuchte ihr seine Gedanken zu erklären. Sie sah ihn ernst an, versuchte den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken, was aber nur bedingt gelang.
„Ja, deshalb bezeichne ich diese Zeit ja auch nicht als Hölle, sondern eher als so etwas wie ein Erziehungscamp!" Ihr Scherz half wieder einmal, die Stimmung fröhlich zu machen.
„Ich liebe dich, Mia!" konnte Hannes nur sagen, und nie zuvor hatte er so die Wahrheit gesagt.

So vergingen wieder ein paar Wochen Alltag. Sie bereitete ihre Klassen auf das Abitur vor, war sicher, dass alle Schüler die Prüfungen schaffen würden. Wieder einmal hatte sie viele junge Leute zu Höchstleistungen motivieren können, auch in den anderen Fächern, weil sie ihnen immer wieder gepredigt hatte, dass sie selbst für ihr Leben verantwortlich waren.
Dass sie die Zeit, die sie jetzt möglicherweise vergeudeten, nicht zurückkommen würde.
Dass sie jetzt die Weichen für ihre Zukunft stellen konnten, sie ganz alleine!

Hannes' Programme verkauften sich phänomenal, bis nach China oder Indien. Die halbe Welt arbeitete mit seinem Buchhaltungsprogramm. Unsummen gingen auf dem Konto ein. Ihr Buch wurde in weitere Sprachen übersetzt, wurde in Italien und Spanien der Renner, Hollywood fragte wegen Filmrechten an. Auch in Frankreich wollte man das Buch verfilmen, das Land mochte ja ausländische Produktionen nicht sehr, brachte oft eine eigene Version eines Stoffes heraus. Das Geld, das sie verdiente, war für sie unfassbar, wenn es auch nur Peanuts waren im Vergleich zu dem, was Hannes bekam.

Eines Tage saßen sie gemütlich kuschelnd vor dem Fernseher, als beide gleichzeitig aus ihren Gedanken heraus zu sprechen begannen.
„Duuu, Hannes....!
„Duuu, Mäuschen......!"
Sie spielten lachend Schnick-Schnack-Schnuck, wer anfangen durfte, Mia gewann.
„Also, Hannes, Superhannes, ich habe mir gedacht, dass ich Paris gerne etwas zurückgeben würde für die schöne Zeit hier! Ich würde hier gerne ein Haus wie in Regensburg bauen lassen!"

Hannes sah sie ungläubig an, aber dann wurde ihm klar, dass sie ja oft das Gleiche dachten!
„So, jetzt drehen wir mal die Zeit ein bisschen zurück und ich fange an, okay? Also Mäuschen, ich würde Paris gerne etwas zurückgeben, für die schöne Zeit hier! Ich möchte so ein Haus bauen lassen, wie in Regensburg!"
Mia strahlte ihn an. „Dann bauen wir zwei Häuser?"

Er stutzte kurz. „Ja! Ja, klar! Eines du und eines ich!" Sie klatschten sich ab.
Dann fuhren sie zu George hinunter, baten ihn, für sie einen Architekten ausfindig zu machen, der auch eine gewisse soziale Ader hatte, und der auch die Verwaltung der Häuser in ihrem Sinn übernehmen könnte.

Der Concierge bekam feuchte Augen, als er von den Plänen des verehrten deutschen Paares erfuhr. Die beiden waren schon unglaublich! Sie waren offensichtlich schwerreich, aber dabei so auf dem Boden geblieben, dass es eigentlich ein Wunder war.
„Ich habe einen Cousin, der Architekt ist und sich sehr in den Vortorten engagiert. Seine Frau ist Maklerin, die immer auf der Suche nach Wohnungen für sozial Benachteiligte ist." schlug er vor.
„Na, besser geht es doch nicht!" waren sich Hannes und Mia einig.

George machte gleich einen Termin aus, zwei Stunden später saßen die beiden Franzosen ungläubig vor den beiden Deutschen.
Zwei Häuser zu je sechs Wohnungen sollten entstehen, eine Art Stiftung mit einer größeren Summe sollte den Bewohnern im Alltag finanziell unter die Arme greifen.
Ähnliches planten die beiden auch für ihre Projekte zu Hause.

Fünf Stunden später saßen die Vier, die sich ausnehmend gut verstanden, noch immer im Wohnzimmer, beratschlagten, entwarfen, planten, rechneten. Hannes' Französisch hatte sich stark verbessert, er konnte der Unterhaltung mühelos folgen.
Zwischendurch tranken sie Kaffee, aßen ein paar belegte Brote, schließlich stießen sie mit einem Glas Champagner auf den Erfolg des Projektes an.

Dann beschlossen sie, zusammen essen zu gehen.
Unten nahm der Architekt seinen Cousin in den Arm. „Das sind zwei ganz besondere Menschen!" flüsterte er ihm ins Ohr.
„Ich weiß!" antwortete einer der beiden Georges, der sicher war, diese Meinung auch mit dem zweiten George zu teilen.
Als Hannes und Mia an diesem Abend nach Hause kamen, waren sie ordentlich angeturnt. Sie hatten in einer kleinen Bar noch ein wenig gefeiert, getanzt, geschmust, geknabbert.

„Was ist morgen für ein Tag?" fragte Hannes heiser.
„Keine Ahnung!" antwortete sie ziemlich stimmlos.
„George? Was ist morgen für ein Tag?" Er versuchte es bei dem Concierge.
„Samstag, Herr Dr. Maybach!"
„Sicher?"
„Ja, ganz sicher!" George lächelte, er konnte sich schon denken, warum der junge Mann das unbedingt wissen musste.

„Dann hat meine Süße morgen frei!" Er küsste sie bis zur absoluten Atemlosigkeit.
„Im wievielten Stock wohnen wir?" fragte er George sicherheitshalber.
„Im vierten, Herr Doktor!"
„Gut, dass ich Mathematik studiert habe!" hauchte Hannes seiner Süßen auf dem Weg zum Aufzug ins Ohr. „Eins, zwei, drei, vier!" Er zählte die Knöpfe ab.

Mia hatte Bauchschmerzen vor Lachen, vor Erregung, vor Liebe!
Sie fielen ins Bett, nahmen begierig die Zärtlichkeiten an, die sie sich schenkten, genossen die Liebe, die Erregung, die Befriedigung. Sie schliefen ein paar Stunden, begannen mit Halbschlafsex eine neue Runde. Um elf Uhr hielten sie sich vollkommen erschöpft, verschwitzt, erfüllt in den Armen, lagen in einem vollkommen zerwühlten Bett, lächelten sich an.
„Lächle nicht so!" bat Hannes.
„Wie lächle ich denn?" fragte sie.

„Lüstern!"
„Lüstern? Wie lächelt man denn lüstern?"
„Soll ich dir einen Spiegel bringen?"
„Nein, beschreibe es einfach!" Sie schmiegte sich noch enger an ihn, er stöhnte auf.
„Die Augen halb geschlossen, etwas dunkler als sonst, ein bisschen verschleiert, die wundervollen Lippen halb geöffnet, die Mundwinkel ein wenig nach oben, die Haut zart, weich und rosig!" flüsterte er.
„Meine Haut lächelt auch?" zog sie ihn ein bisschen auf.

„Ja, unglaublich oder? Bei meinem schönen Schmetterling lächelt auch die Haut!" Er küsste die lächelnde Haut zart, streichelte ihre Wangen. Es stimmt ganz genau, was ich gesagt habe! dachte er noch, bevor er kontrollieren musste, ob das auch für die Haut an ihren ganzen Körper zutraf.

„Na, das war ja heute wieder ein Marathon!" stellte er um ein Uhr fest.
„Obergrenze?" fragte sie nur.
„Pf! Die Hoffnung habe ich schon lange aufgegeben!"
„Hoffnung?" Mehr brachte sie nicht heraus, ihr Mund war vor lauter Stöhnen total ausgetrocknet.

Er zog sie lachend auf sich. „Nein, nicht wirklich! Aber manchmal denke ich schon, es wäre vielleicht besser, wenn du mich nicht gar so verrückt machen würdest! Jetzt sind wir schon fast ein Jahr zusammen, und mein Begehren wird immer größer!"
„Armer Hannes! Wenn ich mal Zeit habe, bedauere ich dich, okay?"
„Danke, Schatz! Das hilft mir dann schon, mein schweres Los zu ertragen!" Er lächelte sie an.
„Aber, was ist denn der Auslöser, dass mir manchmal die Sicherungen komplett durchbrennen?"

„Vielleicht haben Männer auch ihre Tage, und an denen sind sie dann besonders heiß?" vermutete Mia.
Puh, Mädchen, eine gefährliche Wortwahl! dachte er.
„Vielleicht sollte ich diese Tage mal im Kalender notieren, um eine Regelmäßigkeit zu erkennen? Und du kannst dann stochastisch berechnen, wie die Häufigkeit mit bestimmten Faktoren zu- oder abnimmt!" schlug sie vor.
Und wieder einmal stellte er fest, wie animierend es war, eine intelligente Frau im Bett und im Leben zu haben.
Solche Gespräche nach dem Liebesspiel hatte er sich früher auch nicht vorstellen können!

„Also, als Faktoren könnte ich Schönheit, Charme, körperliche Nähe, Bekleidung ansetzen, aber das ist ja von Tag zu Tag nicht sooo unterschiedlich! Es muss noch andere Faktoren geben!" schlug er vor.

„Könnte es sein, dass auch glücklich sein, weil man etwas Wichtiges auf den Weg gebracht hat, als Faktor zählt? Dass man sich auf den Weg gemacht hat, seinem Ziel ein wenig näher zu kommen?" fragte sie ihren Doktor der Mathematik.

„Ja, Schönste aller Diplommathematikerinnen, das könnte durchaus sein!" Er küsste seine weise Philosophin, die ihn auf diesen Weg geführt hatte und ihn auf diesem Weg begleiten würde.

Gleichzeitig begannen ihre Mägen zu knurren. „Komm Süße! Ein paar tausend Kalorien tanken!" sagte er leise. Er liebte dieses Mädchen, diese Frau, seine Ehefrau, seinen Kobold, seine beste Freundin, seine Seelenverwandte, diesen netten Kerl, diese sinnliche, umwerfende Geliebte, sein Babygirl unbeschreiblich, dankte wieder einmal allen guten Mächten des Universums für den Tag, an dem er sie kennenlernen durfte, und dass er sie nach zwei fürchterlichen Tagen zurückbekommen hatte.

„Welchen Tag sollen wir eigentlich feiern?" fragte er unvermittelt bei einem opulenten Frühstück.
„Den Samstag oder den Montag?"
Sie verstand, worauf er anspielte, bald waren sie ein Jahr zusammen. Sie dachte nach. Am Samstag war sie glücklich gewesen, aber nicht sehr verliebt, ein bisschen vielleicht. Sie war als Frau bestätigt gewesen von dem Interesse, das die Männer an ihr hatten. Aber Hannes war eine Erfahrung gewesen, die sie sammeln wollte, und er hatte sie herausgefordert, weil er sein Versprechen nicht gehalten hatte. Liebe war es am Montag geworden.

„Den Montag!" schlug sie deshalb vor. „Da wurde die neue Mia geboren!" Sie hatte das so empfunden. Sie hatte ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen, hatte die Initiative ergriffen, hatte Mut bewiesen.
Er sah sie voller Liebe an. „Geboren wurde sie nicht! Aber vielleicht aus einem langen Schlaf aufgeweckt, mein schönes Dornröschen!"
„Ja!" antwortete sie. „Von einem sehr attraktiven Prinzen!"

„Klar!" scherzte er, um die Rührung über ihr süßes Kompliment ein wenig zu überspielen. „Prinzen sind immer höchstattraktiv! Sie müssen ja zu den wunderschönen Prinzessinnen passen!"
„Na, heute hat er es aber drauf mit schönen Worten, der Herr Dr. Hannes Maybach!"

„Jackpot?" fragte er.

„Das kannst du annehmen!"
„Aber du hast mal gesagt, so ein Gewinn gilt lebenslang?"
„Stimmt!"
„Dann würde ich ihn dieses Mal gerne aufheben und später einlösen!"
„Obergrenze?"
„Im Moment, ja!" gab er lächelnd zu. „Was sich aber sicher schnell ändern würde, wenn einer der Faktoren sich ändern würde! Aber ich sollte ein bisschen programmieren!"
Sie legte ihm schnell den Finger auf den Mund. „Sprich dieses Wort nicht aus! Du weißt genau, dass das einer meiner wichtigsten Faktoren ist!"

Er zog sie hoch, nahm sie fest in den Arm. Schon wieder stieg die Erregung in ihm hoch, aber er würde sie in den Griff bekommen!
Er bedeckte ihr Gesicht mit unzähligen Küssen. „Meine Süße! Meine süßeste Süße! Meine süße, süße Mia!" flüsterte er dabei, wollte seine Liebe herausschreien, herausbrüllen, wollte singen, lachen, tanzen! „Ich liebe dich so sehr, so sehr, so sehr!"
Dann drückte er sie ganz fest an sich, hielt sie eine Weile einfach nur fest.
„Uff!" stöhnte er dann, ließ sie los, strahlte sie an. „Ich bin der glücklichste Mann der Welt!" versicherte er, drehte sich um, ging an seinen Computer.

Mia schüttelte den Kopf über ihren verrückten Ehemann. Da ging er hin, verdiente schnell wieder einmal ein paar Millionen, ließ sie mit zitternden Knien zurück. Lächelnd ließ sie sich auf das Sofa sinken. Ein Jahr würde es nächsten Dienstag werden, seit sie mit klopfendem Herzen diese Disco betreten hatte.
Was war seit dem alles geschehen!

Wie wäre es mit ihrem Leben weitergegangen, wenn sie diesen Schritt nicht getan hätte? Wären sie sich irgendwo über den Weg gelaufen? Er hätte sie ja vielleicht erkannt!
In irgendeiner Bar, in die sie mit Carla und Robert manchmal ging? Hätte er sich zu erkennen gegeben? Hätte sie einen anderen Mann kennengelernt, einen normalen, einen für Wolke vier oder fünf? Hätte ihr das genügt?

„Hätte, hätte, Fahrradkette!" sagte sie zu sich selbst.
Sie hatte einen lebenslangen Jackpot gewonnen vor einem knappen Jahr, weil sie einen Schritt in die richtige Richtung gegangen war, einen Schritt in ein neues Leben, weil sie nicht mehr auf Zufälle warten wollte, weil sie ihren Leuchtturm unbedingt an diesem Montag erreichen wollte, weil er sonst vielleicht verschwunden sein würde, wenn sie wieder aus dem zähen Strom auftauchen würde.

Sie stand auf, ihre Knie waren wieder stabil. Sie ging ins Arbeitszimmer, öffnete die Türe. Er drehte lächelnd den Kopf zu ihr.
„Du kannst mich schon nochmal einfach so stehen lassen, so kurz vor einem Ohnmachtsanfall!" haute sie ihm hin, die Arme in die Taille gestützt.
„Reiner Selbstschutz!" Er hatte die ewig langen Beine von sich gestreckt, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, die Ärmel hochgeschoben, dass die muskulösen Unterarme mit den weichen Härchen frei waren, die Haare waren noch verstrubbelt, rasiert hatte er sich auch noch nicht.

Ein Bild von einem Mann! schoss es ihr durch den Kopf. Sie bewegte sich auf ihn zu, er flüchtete mit seinem rollenden Schreibtischstuhl vor ihr.
„Stop, Mäuschen! Bitte!" rief er gequält.
„Na, du hast aber heute eine Angst vor mir!" Sie musste lachen.
Da rückte er mit der Sprache heraus. „Also, die Wahrheit ist, Zuckerpüppchen, dass wir sehr knapp mit Kondomen sind! Wir haben in der letzten Nacht die berechnete Ration deutlich überschritten!"

Nun bekam sie einen Lachanfall. Das war in Paris an einem Wochenende schon ein Problem, Kondome gab es nur in ausgewählten Drogeriefachmärkten!
„Das ist schon Slapstick, wenn einem in Paris die Pariser ausgehen!" Sie bekam kaum noch Luft.
Er grinste sie an. „Und du sagst nicht Dummkopf zu mir?"
„Nein, mein Schatz, auch ein Dr. der Mathematik kann sich mal verrechnen!"
„Schuld sind nur die Faktoren!"

Sie hielt sich den Bauch. „Und jetzt?"
„Abstinenz!"
Plötzlich hatte sie eine Idee. „Oder George fragen!"
„Das machst aber du!"
„Kein Problem!" sagte sie und machte sich auf den Weg.
Hannes schüttelte den Kopf.
Das brachte nicht einmal sie fertig!
Sie foppte ihn nur! dachte er.

Doch zehn Minuten später stand sie wieder vor ihm, hielt ihm triumphierend eine Großpackung vor die Nase. „Ich fasse es nicht! Du bist echt der Hammer!"
Er zog sie auf seinen Schoß.

Zurückhaltung war nun nicht mehr nötig. „Was hast du zu ihm gesagt?"
„Dass wir einen schlimmen Notfall hätten, dass es in Deutschland Kondome an Automaten oder an Tankstellen gebe, wir nicht daran gedacht hätten, dass es in Frankreich anders wäre!"
„Und was hat er geantwortet?"
„Dass das kein Problem sei, dass alle Concierges immer eine gewisse Auswahl auf Vorrat bereithielten!"

Hannes lachte los. „Auch noch eine Auswahl! Und da hat die Fachfrau hoffentlich richtig gewählt!
Ah, die Größe passt schon mal! Danke, dass du nicht small genommen hast!"
Jetzt musste Mia kichern. „Also, ich habe da jetzt nicht wirklich Vergleichserfahrungen, aber, dass small nicht passen würde, weiß ich auch!"

Er drehte sich mit seinem süßen Clown im Kreis. „Weißt du, als du mit mir damals in diesen Drogeriemarkt marschiert bist und mich vollkommen cool nach meiner Lieblingsmarke gefragt hast, da wusste ich schlagartig, dass ich dich heiraten würde, also ich meine, dass wir heiraten würden, wenn du mich haben wolltest!" sagte er atemlos.

Er erschien ihm überheblich, zu sagen, er hatte sie heiraten wollen. Bei einer solchen Frau musste er ganz demütig sein und Gott dankbar, wenn sie ihn wollte, das war ihm auch damals schon klar gewesen.
Auch Mia hörte den feinen Unterschied zwischen den beiden Aussagen und küsste ihn zärtlich dafür.
„Aber ich lasse dich jetzt trotzdem arbeiten! Wir haben gestern ja ganz schön Geld ausgegeben!"

„Hast du eigentlich einen Überblick über unseren Kontostand?" fragte er schmunzelnd.
„Ja, schon! Ich weiß schon, dass das Hungertuch ein Stück weit weg ist, trotz gestern!" räumte sie ein. „Aber ich habe das Gefühl, der große Junge will ein wenig am Computer spielen!"


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