Kapitel 62

Sie waren drei Stunden im Studio gewesen, das hieß, drei Sendungen, immer mittwochs zur besten Sendezeit. Der Regisseur war total hinüber.
„Guter Job, Christin!" lobte er.
Im Wagen nahm Hannes seine Süße in die Arme. „Du warst umwerfend, sagenhaft, unglaublich!" schwärmte er.
„Und du? Du warst sensationell, phantastisch, supertoll!"

Er zog sie in seine Arme. „Du hast so schön ausgesehen auf der Bühne. Ich war vollkommen atemlos bei dem Gedanken, dass diese Schönheit meine Frau ist."
„Und ich war hin und weg von dem schönen Mann im Publikum. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihn um ein Date zu bitten."

„Das kannst du ja immer noch tun!" schlug Hannes heiser vor.
„Meinst du, dass der sich interessiert für mich?"
„Einen Versuch wäre es doch wert, oder?"
„Also, wenn du meinst, dann trau ich mich einfach. Mehr als ablehnen kann er ja nicht."

„Genau!" Er hatte kaum noch eine Stimme, wenn er daran dachte, dass die bezaubernde Frau neben ihm ihn nach einem Date fragen würde.
„Ah, Monsieur, haben Sie heute Abend schon etwas vor? Ich würde mich freuen, wenn Sie mit mir zum Essen ausgingen. Und vielleicht könnten wir dann bei Ihnen noch einen Kaffee trinken?"

„Sehr gerne, Madame! Aber wir könnten auch zuerst bei mir einen Kaffee trinken und dann zum
Essen gehen."
„Voulez vous coucher avec moi, ce soir?" fragte sie leise.
„Oui! Ich möchte nichts lieber als das! Mit einer wunderschönen, reizenden Frau zu schlafen, wäre das Schönste für mich, das ich mir vorstellen könnte."

Zum Glück war die Limousine an ihrem Wohnhaus angekommen. Sie rasten durch die Halle, George, der Concierge, beeilte sich wieder, den Aufzug zu öffnen, die beiden in den vierten Stock zu schicken. Er hatte den ersten Teil der Talkshow gesehen, war hin und weg von dem deutschen Liebespaar.

Oben rissen die beiden sich die Kleider vom Leib, trunken vor Begierde, vor Lust, vor Verlangen!
Sie drängte sich an ihn, rieb sich an ihm, forderte.
„Mach langsam, süße Mia! Bitte mach langsam!" Er schob sie ein wenig von sich, atmete tief durch. „Bitte! Ich bin nur ein Mann! Ein sehr verliebter Mann! Ein sehr erregter Mann!"

Sie stöhnte, die Sehnsucht nach ihm nahm ihr den Atem.
„Können wir nicht danach zärtlich sein und jetzt leidenschaftlich?" flehte sie und seine Schranken brachen. Er warf sie aufs Bett, konnte sie aber trotz seiner wahnsinnigen Erregung mitnehmen auf den Gipfel.

Noch nie war er so hochgeflogen, noch nie war sein Herz so gerast, hatte sein Körper so gebebt, ihr Körper so gebebt! Noch nie hatte er so laut gestöhnt, so laut ihren Namen gerufen, noch nie hatte sie so laut seinen Namen gerufen wie bei diesem Höhepunkt, den sie beide im absoluten Rausch der Gefühle erreichten.
„Das war gut, Babygirl!" stöhnte er, als die Welt um sie herum sich wieder manifestiert hatte.
„Ja, loverboy, der Kaffee hat gut getan!" Hannes lachte über seine verrückt Geliebte, seine geliebte Ehefrau.

„Möchtest du noch eine Tasse, oder darf ich dich zum Essen ausführen?" fragte er.
„Ich denke, eine Tasse könnte ich noch vertragen!"

Und wieder brach seine Beherrschung in nichts zusammen, aber er konnte sich Zeit nehmen für seine unglaubliche Zärtlichkeit, die sie in sich aufnahm wie eine Droge. Sie brachte sie hoch und höher, ließ sie explodieren, machte sie willenlos, lieferte sie ihm aus. Dieses Mal flogen sie genau so hoch, nur langsamer. Doch es war oben genau so faszinierend wie vorher.
Vollkommen glücklich, glücklicher als sie je glaubten, sein zu können, gingen sie zum Essen. Sie genossen die Genüsse der französischen Küche, der französischen Weinkeller. Sie tranken einen Kaffee, mussten lachen darüber.

„Wir werden nie wieder einen Kaffee trinken können, ohne uns in die Arme zu fallen!" stellte Hannes fest.
„Dann trinken wir in Zukunft halt nur noch Cappuccino!" beschloss Mia.
„Okay! Wenn du meinst, dass das hilft!" Hannes hatte so seine Zweifel.

„Einen Versuch ist es wert!" meinte Mia mit blitzenden Augen.
„Ich liebe dich!" schloss Hannes die Diskussion ab. „Ich liebe dich sehr! Ich liebe dich unendlich!"
Und in der Wohnung über Paris, in dem 2,20 m breiten Bett musste er ihr noch einmal beweisen, dass das stimmte. Damit sie es glauben konnte, damit er sicher war, dass sie es glaubte.

So vergingen die Tage und Wochen in Paris. Oft wurden sie auf der Straße erkannt, das hübsche deutsche Paar, und um Selfies gebeten. Die Talkshows liefen an drei Tagen hintereinander, der Sender hatte sein Programm ändern müssen, weil die Zuschauer wissen wollten, wie es weitergegangen war. Massen von Mails und Anrufen hatten die Verantwortlichen in Zugzwang gebracht.
Mia liebte den Unterricht mit den französischen Schülern, schliff ihnen Grammatikfehler aus, brachte ihnen die deutsche Literatur nahe, weckte in ihnen die Liebe zur Mathematik.

Hannes arbeitete jeden Vormittag ein paar Stunden, musste aber auch oft losziehen, um Überraschungen für seine Süße zu kaufen.
„Hannes, du musst mir doch nicht dauernd Geschenke machen!" sagte sie eines Tages.
„Doch, natürlich muss ich das!" antwortete er nur lächelnd.

Immer mehr Firmen kontaktierten ihn, viele hingen in der Warteschleife, taten das auch geduldig. Er liebte seinen Job über alles, außer über Mia. Er hielt sein Versprechen, nichts von ihrer gemeinsamen Zeit für die Arbeit abzuzwacken. Einmal flog sogar der Vertreter eines englischen Großunternehmens nach Paris, um ihn zu überreden, seinen Betrieb schneller zu bedienen, doch er lehnte ab.

„Es ist gar keine schlechte Idee, sich rar zu machen! Das macht es für die Firmen noch interessanter!" scherzte er eines Tages.
„Komm bloß nicht auf die Idee, das bei mir auszuprobieren!" warnte Mia lächelnd.
„Mich rar zu machen? Bei dir? Ich schneide mich doch nichts ins eigene Fleisch!" Und zum Beweis, dass er daran ganz und gar nicht dachte, knutschte er sie erst mal nieder.

Als er ein Plakat sah, das ein Konzert mit den bekanntesten Chansonniers ankündigte, bat er George, zwei von den besten Karten zu besorgen.
An einem Freitag im Oktober zogen sie sich schick an, er führte seine Schönheit zum Essen aus.
Danach führte er sie in eine ganz falsche Richtung.
„Wo läufst du denn heute hin?" fragte sie lachend.
„Du hast heute noch ein Date, Süße!" meinte er nur. Je näher sie der Halle kamen, desto mehr gutgekleidete Menschen strömten in die gleiche Richtung wie sie.
Erst am Eingang merkte sie, wohin er sie führte und fiel ihm um den Hals. Sie liebte französische Chansons, kannte fast alle Texte auswendig.

Hannes zeigte an der Kartenkontrolle seine Vip-Karten, George hatte sehr gute Beziehungen!
Sofort kam ein Ordner, der sie zu dem abgeteilten Bereich direkt bei der Bühne führte. Mia strahlte ihren Mann ungläubig an, und für dieses Strahlen hätte er seine Seele verkauft. Zum Glück brauchte er das nicht, ein paar große Euroscheine hatten gereicht.
Mia war vollkommen abgehoben, hing an den Lippen der Stars ihrer Jugend, sang mit dem Publikum die Refrains mit, ihre Augen glänzten wie die eines Kindes unter dem Weihnachtsbaum.

Hannes bekam von dem Geschehen auf der Bühne wenig mit. Seine Blicke hingen an seiner geliebten, wunderschönen Ehefrau, an ihrem leuchtenden Blick, an ihrem lächelnden Mund. Er war der glücklichste Mann auf Erden, weil er es geschafft hatte, sein Wundermädchen ein bisschen glücklicher zu machen.
Nach der Pause gab es eine Überraschung, mit der auch er nicht gerechnet hatte.

Jaques D., der unangefochtene Großmeister, trat mit dem Mikrofon in der Hand an den Rand der Bühne, um ein paar Worte an seine Fans zu richten.
„Meine Damen und Herren, es ist mir eine große Ehre, heute eine junge Dame im Publikum zu begrüßen, der ganz Paris zu Füßen liegt, die Frankreich im Sturm erobert hat. Eine wunderschöne deutsche Studienrätin, die seit September hier unterrichtet und der die Herzen unserer Grande Nation zugeflogen sind, umso mehr, da sie halbe Französin ist!"

Mia checkte noch immer nicht, dass sie gemeint war, das wäre ja vollkommen irreal gewesen, dass der große Chansonnier von ihr sprach! Aber Zufälle gab es schon! War da noch eine deutsche Studienrätin in Paris! Hannes sah schon klarer, da hatte wohl George seinen Beziehungen ein paar Informationen zukommen lassen.

„Da ich weiß, dass die junge Dame auch sehr gut singen kann, bitte ich sie, mir die Ehre zu erweisen, mit mir gemeinsam das nächste Chansons zu singen. Madame la Docteur Mia Maybach, würden Sie mir bitte die Freude machen?"
Mia sah fassungslos zu Hannes. Der schüttelte lachend den Kopf. Seine Kleine war echt ein Star geworden in Paris!

„Moi?" fragte sie und war unbewusst ins Französische umgeschwenkt. „No, je ne crois pas!"
„Va!" sagte er nur. „Geh!"
Wie ferngesteuert stand sie auf, ging zu dem Star auf die Bühne.
Er begrüßte sie charmant mit Küsschen rechts, Küsschen links, Küsschen rechts.
Reicht schon! dachte Hannes. Mehr Küsschen bekommt sie nur von mir!
Aber der Chansonnier hatte noch mehr Informationen bekannt zu geben. „Madam Maybach ist auch die Autorin des Bestsellers La mosaique, den ich mit großer Freude gelesen habe, und den ich Ihnen allen empfehlen möchte. Der Text ist so lyrisch, dass man ihn als Musiker gerne vertonen möchte."

Er bat sie auf einen Stuhl neben seinem, stimmte die ersten Töne an, sie sang zuerst zaghaft, dann mit fester Stimme mit.
Am Ende des Liedes ertönte frenetischer Applaus. Sie verneigte sich vor dem Publikum, dann vor dem Künstler, der sie galant die Treppe hinunter zurück zu Hannes führte. Gesprochen hatte sie kein Wort, was bei ihr auch eher selten vorkam.
„Ich danke Ihnen, Herr Dr. Maybach, dass Sie mir Ihre entzückende Gattin kurz ausgeliehen haben!" wandte sich D. an ihn.

Dann ging er auf die Bühne zurück.
Hannes hatte atemlos seine Schöne auf der Bühne singen gehört, sie verzückt angesehen.
Das ist meine Ehefrau! Das ist wirklich meine Ehefrau! schrie es in ihm, und er fürchtete, überzuschnappen vor Glück.
Er nahm sie in den Arm, küsste eine Träne fort, die sich aus ihrem Auge gelöst hatte.
„Ich liebe dich, Hannes!" Mehr konnte sie im Augenblick nicht sagen, und mehr brauchte er auch in seinem ganzen Leben nicht zu hören.

Nach dem Konzert gingen sie in eine kleine Bar in der Nähe der Konzerthalle, Mia immer noch mit wackligen Beinen vor Glück, Hannes fest auf der Erde, er musste seinen süßen Käfer ja aufrecht halten. Immer wieder musste er ihr entrücktes Gesicht küssen, immer wieder in ihre glücklich strahlenden Augen sehen.

Sie tranken ein Glas Wein, langsam fand sie wieder zu sich, zurück in die Wirklichkeit. „Das vergesse ich in meinem ganzen Leben nicht mehr! Jaques D. hat mit mir in Paris ein Lied gesungen!" Sie sah ihn immer noch ungläubig an. „Das war mein zehntschönstes Erlebnis!"
Hannes lachte. „Dein zehntschönstes?" fragte er.
„Ja, denn meine neun schönsten Erlebnisse haben alle mit einem wunderbaren Mann namens Hannes zu tun!"

Und das war auch nicht schlecht zu hören, dass es neun Erlebnisse mit ihm gab, die besser waren als mit Jaques D. auf einer Bühne in Paris ein Chansons zu singen. Welche genau das waren, brauchte er gar nicht zu wissen. Oder vielleicht fragte er sie auch einmal danach, zu Hause, im Bett, denn er hatte so seine Vermutungen.

Viele Besucher des Konzerts trafen nach und nach im Gastraum ein. Immer wieder kamen Leute an ihren Tisch, um ein wenig zu plaudern, mit ihnen anzustoßen. Sie genossen die Freundlichkeit, die Aufmerksamkeit, genossen es, ihr Glück mit fremden Menschen zu teilen. Mia genoss die Blicke der Französinnen auf ihren so gutaussehenden Ehemann, Hannes genoss die Blicke der Franzosen auf seine so wunderhübsche Ehefrau.

Sie tranken noch ein Glas Wein, knabberten an einer vorzüglichen Käseplatte, knabberten ein wenig an sich, denn in Paris durfte man auch in einer Bar ein wenig knabbern. Sie tanzten zu ein paar Schmusesongs, und er war ihr dankbar, dass sie seinen Nacken nicht berührte. Er stand sowieso schon in Flammen, und er hätte kein Hotel in der Nähe gekannt.
Sie bestellten zwei Calvados, rauchten vor der Bar dazu eine Zigarette, um ein wenig abzukühlen.

„Glücklich?" fragte Hannes und küsste sie zärtlich auf die Wange.
„Passt schon!" antwortete sie mit strahlendem Blick in seine Bernsteinaugen, streichelte zärtlich sein schönes Gesicht mit dem sehr gefährlichen Bartschatten.
Danach ging nicht mehr viel. Er zahlte, sie hielten ein Taxi an, zum Glück war kaum noch Verkehr auf den Straßen der Stadt der Liebe. Hannes warf George, der seltsamer Weise immer Dienst zu haben schien, einen 100-Euro-Schein auf den Tisch, fand selbst noch den richtigen Knopf im Aufzug, den richtigen Schlüssel, traf sogar das Schlüsselloch.
Er war erregt bis zum absoluten Limit, doch auch so erfüllt von einer unfassbaren Zärtlichkeit, dass er sie lieben konnte, wie er es liebte, sie zu lieben. Glücklich lächelnd schlief sie in seinen Armen ein.

Hannes lag noch lange wach, ließ den Abend Revue passieren, sah sie vor sich, wie sie zusammen mit dem Idol ihrer Jugend auf der Bühne gestanden hatte, schön wie die Sünde, wie sie gesungen hatte, wie sie gelächelt hatte.
Mannomann, das hübsche Mädchen vom Piratenball war schon ein echtes Brett!
Da öffnete sie die Augen, lächelte ihn schon wieder an, wenn auch etwas verschlafen, räkelte sich, schmiegte sich noch enger an sich.

„Machen wir noch ein bisschen Halbschlafsex?" flüsterte sie und schloss die Augen. Auf Antwort wartete sie nicht wirklich, so viel hatte die Kleine, die nicht viel von Männern verstanden hatte, schon gelernt. Taten würden für sich sprechen.
Vielleicht eines der neun schönsten Erlebnisse? überlegte Hannes. Er würde sie morgen fragen.
Heute wollte er ihren Wunsch erfüllen, sie streicheln, küssen, ihr gut tun, diesen hingebungsvollen Körper liebkosen, der erst voll erwachte, wenn er in sie eindrang, dann aber dafür umso wacher war.


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