Kapitel 58

Zu Hause machten Anja und Oliver Nägel mit Köpfen. Sie besichtigten die Wohnung, fanden sie toll, von der Lage her perfekt, fuhren zu ihren Eltern, erzählten von ihrem Plan zusammenzuziehen.
„Und wovon wollt ihr leben?" fragte ihr Vater süffisant.
„Vielleicht von der Unterstützung unserer vermögenden Eltern?" schlug Anja vor.

„Das kannst du vergessen. Du hast zu Hause alles, was du brauchst!"
„Nein, habe ich nicht. Ihr lasst ja Oliver nicht bei mir wohnen!"
„Auf keinen Fall!" mischte sich ihre Mutter ein. „Hast du denn nichts aus deiner Vergangenheit gelernt?"

Da reichte es Oliver. „Komm, Anja, lass gut sein!"
„Ich hole dann nächsten Monat meine Sachen!" sagte sie noch.
„Tu, was du nicht lassen kannst. Aber rechne dann nicht mehr mit uns!"
„Das konnte ich doch nie!" sagte sie mit feuchten Augen.

Oliver nahm sie in den Arm, führte sie zum Auto.
Das Gespräch mit seinen Eltern lief ähnlich. Auch sie lehnten es ab, Anja in ihrem Haus wohnen zu lassen, ebenso, wie ihn finanziell zu unterstützen.
„Und jetzt?" fragte Anja. „Jetzt sind wir obdachlos!"
„Jetzt verkaufen wir die Karre, nehmen ein billigeres Auto, dann haben wir wenigstens vorrübergehend Kohle." bestimmte Oliver.
Sie erledigten alles sofort, nahmen einen schon zugelassenen Kleinwagen, bekamen einen Scheck, den sie sofort einlösten.

Dann fuhren sie zu Markus. Der bot ihnen ohne lang zu überlegen an, in seinem Gästezimmer zu wohnen, bis die Wohnung frei war.
Sie fanden einen Job in einem Biergarten, wollten so viel Geld wie möglich sparen, damit sie Hannes nicht so sehr auf der Tasche liegen mussten.
Innerhalb eines Tages hatten sie erwachsen werden müssen.
Mia wäre stolz auf uns! dachte Oliver, der immer noch nach den Wertvorstellungen leben wollte, die sie ihren Schülern vermittelt hatte.

„Bleiben Sie neugierig! hat sie immer am Schuljahresanfang an die Tafel geschrieben. Ich bin neugierig auf unser Leben, Anjamaus!" berichtete er. „Und dann hat sie immer gesagt: Lassen Sie sich nie verbiegen! Laufen Sie nie mit den Schafen! Wer seine Freiheit nicht nützt, dem nützt seine Freiheit nichts!"
Anja sah ihn ernst an. Eigentlich müssten ja Eltern ihren Kindern so etwas auf den Weg geben! Und wenn sie so eine Lehrerin gehabt hätte, vielleicht wäre sie nicht so abgestürzt mit 17!
„Sie war schon ein Glücksfall!"
„Sie war meine Lebensretterin!"

Mia und Hannes genossen noch zwei Flitterwochen. Das neue Ressort war genauso traumhaft, aber hier waren natürlich auch fremde Gäste.
Die beiden schlossen schnell Bekanntschaften mit ihrer offenen Art und den vielen Sprachen, die sie beherrschten. Sie joggten am Strand, liehen sie Räder, mit denen sie die kleine Insel erkundeten, es gab Grillabende, Themenbüffets, Tanzveranstaltungen. Sie machten Bootausflüge, mieteten sich mit einem anderen Paar, das eine Woche vor ihnen geheiratet hatte, ein Flugzeug, dessen Pilot sie auf eine der Nachbarinseln brachte.

Die Frau war einen Kopf größer als ihr Gatte und sicher 20 Kilo schwerer, schien aber Geld zu haben. Der Mann zog Mia so offensichtlich mit seinen Augen aus, dass Hannes ziemlich sicher war, dass er den Pornokanal im Bräutigamzimmer eingestellt hatte. Am Abend erzählte er ihr die Story, sie lachte sich halb kaputt!

„Du magst keine Pornos?" fragte sie ihn dann etwas später seelenruhig.
Ihm verschlug es momentan die Sprache. Sie saßen auf der Terrasse unter dem Sternenhimmel. Da war das schon eine eher ungewöhnliche Frage.

„Nein!" Er sah sie grinsend an. „Nein, ich mag keine Pornos, mochte sie noch nie!"
„Aber du hast welche angeschaut?"
Puh, heute wollte sie es aber genau wissen.

„Na, für Jungs gehört das irgendwie zur Allgemeinbildung!" gab er zu.
„Ist dir das jetzt peinlich?" Sie sah ihn überrascht an. „Wir haben doch ausgemacht, dass wir über alles reden können!"
Er lachte ein bisschen verlegen. „Das haben wir schon, ja!"
„Also, aber gefallen haben sie dir nicht?"
Er wurde langsam lockerer.

Sein verrückter Kobold! Gut, unterhielten sie sich halt über Pornos!
„Nein, ich habe mich eigentlich immer nur kaputt gelacht! Das ist alles so konstruiert, so unnatürlich, so an der Realität vorbei!" Jetzt wollte er aber den Spieß umdrehen, hatte Spaß an ihrem Spiel gefunden. „Und, Süße, wie sieht es bei dir aus mit Pornos?"

Sie sah ihn offen an. „Ich hab noch nie einen gesehen! Aber jetzt brauch ich auch nicht mehr damit anzufangen!"
Hannes lachte Tränen. „Nein, süße Mia! Das glaube ich auch!"
Mein Gott, war sein Käferchen süß!

Sie schien eine Weile nachzudenken.
Sie dachte auch wirklich nach, ob sie eine bestimmte Frage, über die sie schon eine ganze Zeit nachgegrübelt hatte, stellen konnte.
„Ich hätte noch eine Frage!"
O nein! Was kam jetzt noch? Er lächelte sie aufmunternd an.
„Dann frag doch, MMchen!"

„Also, ich hab zwar noch keinen Porno gesehen, aber ich habe bei Filmen mit Liebesszenen auch nicht immer gleich weggeschaltet! Und da, also da, da sieht man immer Verschiedenes!"
„Verschiedenes? Was meinst du jetzt damit?"
„Na, also, Männer und Frauen, wenn sie sich lieben, verschieden eben!"
Plötzlich wusste er, worauf sie hinaus wollte!
Und diese Frage war jetzt auch durchaus legitim, fand er.

„Du meinst, warum ich bei der Liebe immer die gleiche Stellung will?" Er sah sie liebevoll an, sie war schon mutig drauf heute, aber sie hatte Recht zu fragen, er fand das toll!
„Also, Süße, ich finde das großartig, dass du das Thema so locker ansprichst!"
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. „Gott sei Dank!"
„Das kann ich dir auch erklären. Mit dir mag ich wirklich nur diese Stellung! Ich will dich sehen, die Liebe in deinen Augen sehen, will merken, wenn diese Augen dunkler werden, wenn sie sich verschleiern! Ich will dein schönes Gesicht sehen, wenn ich dich liebe! Ich will nicht auf deinen Rücken schauen, verstehst du?"

„Ja!" Sie war todernst bei der Sache. „Aber, aber man sieht auch oft, die Frau, also die Frau oben!" Jetzt war's raus.
Er hätte sie auffressen wollen vor Liebe. Mein Gott, er war der zweite Mann in ihrem Leben, das durfte er nie vergessen, und was Liebe anging, wahrscheinlich sogar der erste! Woher hätte sie es denn wissen sollen, wen hätte sie denn fragen sollen!

Er war überglücklich, dass er es sein durfte, der ihr diese offenen Fragen beantwortete.
„Ja, aber da kann ich dann nicht so gut verzögern, weißt du? Wenn du oben bist, bestimmst du das Tempo, verstehst du? Und ich muss manchmal langsam machen, um dich mitnehmen zu können nach ganz oben!"

„Jetzt bin ich aber froh, dass ich gefragt habe!" Sie war wirklich erleichtert.
Hannes musste sie aber jetzt unbedingt in den Arm nehmen, sie küssen, seine unschuldige süße Ehefrau, dieses kleine Püppchen, das immer noch lernte, die Liebe kennenzulernen.
„Wie lange geistern denn diese Gedanken schon durch dein schönes Köpfchen?" fragte er sie dann leise.

„Eine Weile!" gestand sie lächelnd. Alles war gut! Er verstand alles! Er war perfekt!
„Ich habe gedacht, du traust dich nicht, weil ich so, so, so wenig Erfahrung habe, dass du mich nicht erschrecken willst oder so!" Sie kam wieder ein wenig ins Stottern.
Jetzt war es endgültig um ihn geschehen. Er riss sie in seine Arme, küsste sie so zärtlich wie noch nie. 

„Süße Mia!" stöhnte er. „Wann endlich wirst du mir denn glauben, dass du die Erfüllung meiner Träume bist, auch derer, die ich noch gar nicht geträumt habe?"
„Ich, ich will nur nicht, dass du zu viel Rücksicht auf mich nimmst in diesen Dingen, weil, weil ich kann ja noch lernen!"

Er lächelte sie an und in seinen wunderschönen Augen lag seine ganze Liebe, und sie sah sie auch.
„Mäuschen, ich nehme keine Rücksicht auf dich, also bei diesen Dingen, bei der Liebe! Zumindest nicht, was die Stellungen angeht! Und lernen, Kätzchen, lernen brauchst du nicht das Geringste!"

„Dann ist ja alles gut!" Sie schmiegte sich in seine Arme.
Tränen rollten über sein Gesicht. „Ja, Mia! Alles ist gut!"
Von diesem Tag an waren sie noch vertrauter miteinander. Sie wussten endgültig, dass sie wirklich über alles miteinander sprechen konnten.

Sie nahmen sich viel Zeit für sich, für die Liebe, für Gespräche, auch fürs Nichtstun.
Sie konnte ihm endlich sagen, wie stolz sie auf ihn war nach den Worten von Tom, was den sonst so selbstbewussten Dr. Hannes Maybach dann doch etwas verlegen machte.
Bei dem Stichwort Tom kam ihm sein Programm wieder in den Sinn.

„Duuu, Miamaus? Meinst du, ich kann mal Tom anrufen, ob das Programm läuft?"
„Ich glaube schon, dass du das kannst! Schau, das ist gar nicht schwer! Du schaltest dein Handy ein, wählst seine Nummer, und wenn er sich meldet, dann sprichst du da unten rein, probier's mal!"
Er zog seinen Clown in die Arme. „Bleib aber da! Vielleicht musst du mir helfen!"

Tom lobte das Programm in höchsten Tönen, es lief vollkommen fehlerfrei in allen Niederlassungen auf der ganzen Welt, die Buchhaltungen waren begeistert, hatten ihn schon längst heiliggesprochen für die Arbeitsersparnis, die sie nun hatten.
„Ich habe auf deiner Website im Gästebuch einen umfangreichen Bericht hinterlassen und die Fachpresse informiert, die werden sich wegen eines Interviews bei dir melden. Also vielleicht überlegst du dir einstweilen, wo du ein paar gute Mitarbeiter herbekommst!"

Mia bekam den Mund nicht mehr zu.
„Wow! Hannes Superstar!" stieß sie hervor, als er aufgelegt hatte.
Er brauchte selbst ein bisschen, bis er das Gehörte verdaut hatte. Natürlich tat Lob jedem gut, aber wollte er das? Dass er Mitarbeiter einstellen musste, dass er Tag und Nacht programmieren sollte? Er wollte mit Mia leben, Mia lieben, hin und wieder ein paar Jobs erledigen, Geld brauchten sie nicht!

Was, wenn ihn der Ehrgeiz packte, er immer mehr wollte, immer größere Aufträge? Mehr Angestellte, eine größere Firma?
„Ich will das nicht!" sagte er und sah sie ernst an. „Ich will leben! Ich will mit dir leben, Süße!"
„Das ist gut, Hannes, das ist sehr gut! Aber jeder braucht auch Anerkennung für das was er tut, sonst baut sich irgendwann Frust auf, sonst erscheint das Leben sinnlos!" Sie sah ihn liebevoll an. „Wir könnten beide aufhören zu arbeiten, durch die Welt jetten, das Leben genießen! Aber meinst du, dass wir dabei glücklich wären? Jeder braucht immer auch ein Ziel, nicht nur einen Weg!"

Er lächelte seine kleine Philosophin an.
Sie hatte Recht, sie hatte immer Recht mit dem, was sie sagte!
Was sie ihren Schülern sagte, was sie Markus gesagt hatte, was sie Sarah gesagt hatte, was sie ihm sagte!

Sie hatte es einfach drauf mit den Worten!
Und auch dafür liebte er sie so unendlich: Für die Weisheit eines langen Lebens, das diese 29jährige von sich gab, weil es ein Talent von ihr war, weise zu sein!
Das hatte er aus ihrem Buch herausgelesen, aus vielen Gesprächen herausgehört, das empfand er bei ihren Geschichten, ihren Gedichten: Diese Weisheit eines Geistes, der viel nachgedacht hatte, der vieles durchschaute, der viel wusste!

Im Moment konnte er nur flüstern: „Ich liebe dich, Mia! Ich muss dich einfach lieben, kleine, kluge, weise Mia!"
„Weise? Ich bin doch keine Oma!" wies sie seine Worte entrüstet zurück.
„Nein, aber du bist eine wunderschöne 29jährige weise Frau!" Er strich eine Locke aus ihrem Gesicht, war ihr so nah wie noch nie.
Seine Seele berührte ihre.
Er räusperte die Rührung fort.

„Also, Süße, ich versuche das mal mit der Arbeit. Aber ich werde nur arbeiten, wenn du in der Schule bist, oder für die Schule etwas machen musst, oder wenn du schreibst! Ich werde keine Minute von unserer gemeinsamen Zeit klauen!"
„Aber vielleicht kann ich ja was für die Schule machen oder schreiben, wenn du etwas arbeiten musst?"

Er musste wieder lächeln. Ihren Argumenten konnte er nichts entgegensetzen.
„Okay, dann warten wir mal ab, wie sich alles entwickelt! Ich kann sowieso nur annehmen, was ich von Paris aus bearbeiten kann!"
Dann machte er den Fehler, seine Mailbox abzurufen.
Der Verlag der Fachzeitschrift bat um einen Rückruf, ebenso wie drei DAX-notierte Unternehmen. Peter vom Verlag erinnerte ihn an das versprochene Programm.
Das hatte er komplett vergessen wegen der Arbeit für die Kontax! Er verdrehte die Augen.

„Hey, ich bin in Flitterwochen mit der schönsten Frau der Welt! Spinnen die, oder was?" Mia musste lachen, sie fand es nicht schlimm, wenn mal ein paar Stunden für die Arbeit abgezweigt wurden, schon gar nicht, wenn es die Arbeit ihres sexy Diplominformatikers war!
„Was musst du denn da machen für die Firmen? Programmieren, tippen mit deinen wunderschönen Händen, Daten herunterladen, Grafiken einfügen, Raster erstellen, Algorithmen entwickeln? Das ist keine Arbeit, das ist ein Vorspiel!"
Puh, ihm wurde vielleicht heiß!

„Ja!" flüsterte er heiser. „So ungefähr! Aber dann muss natürlich noch alles auf externe Festplatten gespeichert werden, ein Probelauf gestartet, einzelne Bausteine ausgetauscht werden!"
„Die Bausteine haben es mir besonders angetan! Schon damals beim Anwalt! Und das Modifizieren, wenn ich auch immer noch nicht weiß, was das ist!"
„Meine kleinen Geheimnisse werde ich dir auch nie verraten!" Er küsste sie schwindlig, weil ihn das Flirren ihrer Augen verrückt machte, und weil er sie so gerne küsste!
Heute musste er sehr lange kuscheln, nachknutschen, weil sie so unheimlich knuddelig war!
Eigentlich hatten sie einen Ausflug gebucht, aber wie immer waren sie schwer dafür, Prioritäten zu setzen.

Die zweite Flitterwoche verbrachten sie damit, zu telefonieren, sich zu lieben, sich am Leben zu freuen, sich aneinander zu erfreuen, zu telefonieren.
Er durfte an den Computer im Haupthaus, begann schon mit den ersten Gerüsten für die Programme.
Ein, zwei Stunden am Tag, nie mehr, er war wirklich gut!
Mia schrieb in dieser Zeit Gedichte, Geschichten, begann einen neuen Roman. Und sie waren glücklich wie noch nie!

„Weißt du knuddeliges Schnuckelchen, im Grund bin ich ein großer Junge, der gerne spielt. Und das Programmieren ist ein faszinierendes Spiel. Du sitzt vor dem leeren Bildschirm, denkst ein bisschen nach, gibst ein paar Befehle ein, und am Ende hast du ein großes Problem gelöst! Das macht einfach nur Spaß!" erklärte er ihr am zweiten Tag.
Er sah so schelmisch drein, sah so zufrieden aus, dass ihr Herz fast platzte! Sie musste ihn küssen, ihren großen Jungen, weil sie ihn so sehr liebte, und weil sie ihn so gerne küsste!

„Das ist beim Schreiben ähnlich! Ich beobachte irgendetwas, dann gehen meine Gedanken auf die Reise, ich denke mir irgendetwas aus, schreibe es hin, und irgendwann ist es eine Geschichte oder ein Buch. Und dann sagt irgendjemand: Oh, so ein Talent!"

Sie sah ihn mit so viel Schalk in den Augen an, dass sein Herz fast platzte! Und er musste sie küssen, seine wunderhübsche Dichterin, weil er sie so sehr liebte, und weil er sie so gerne küsste! Viel später lagen sie lachend nebeneinander im Bett. „Erzählen dürfen wir das aber niemandem, dass wir so glücklich gearbeitet haben in den Flitterwochen!" japste er.

„Warum nicht? Wem bitteschön sind wir denn Rechenschaft schuldig für unser Leben? Fragt uns denn die Welt, ob wir einverstanden sind mit dem, was geschieht? Warum sollen wir dann die Welt fragen, ob sie einverstanden ist mit dem, was wir tun?"
Wieder sah er sie fassungslos an. „Aber weise bist du nicht, oder?"
„Nicht die Bohne! Aber heiß bin ich, Loverboy!" Er lachte sich durch eine Runde heißer Liebe.
Dann telefonierte er mit den Firmen, bat um letzte Informationen, die ihm mit eMail zugeschickt wurden.

Dabei lag er nackt im Bett, hielt seine nackte Ehefrau im Arm, streichelte viel Haut, und die Gesprächspartner wunderten sich, dass ein Programmierer so glücklich klang, während er so komplizierte Probleme wie ihre löste!
„Wir sind komplett verrückt!" stellte er danach fest. „Und es ist wunderbar! Kein Tag in meinem Leben war je wunderbarer!"
Kurz bevor ihre verrückten, wunderbaren Flitterwochen zu Ende waren, rief er bei Markus an. Der erzählte ihm, dass Oliver und Anja seit ein paar Tagen bei ihm wohnten, weil sie zu Hause rausgeflogen waren.

„Hast du ihnen Geld gegeben?" fragte er nach.
„Nein, Oliver hat sein Auto verkauft, und sie jobben. Sie essen bei mir, aber sie bringen oft auch was aus dem Biergarten mit!"
Mia hörte das Gespräch stolz mit. „Eigenverantwortung!" sagte sie nur. „Sie wollen keine Almosen! Sie sind erwachsen!"
„Sie haben ein Ziel, wollen nicht nur den Weg gehen, nicht wahr?" fragte er.

„Ganz genau!" antwortete sie und war froh, dass er sie verstand. „Weißt du, der Job in der Schule ist schon manchmal hart, ich bräuchte ihn ja nicht mehr zu machen, seit ich mir einen so tollen Hecht geangelt habe! Aber wenn ich dann sehe, was ich bewirken kann bei dem oder der einen oder anderen, dann gibt es keine Alternative! Es sind ja nicht nur so krasse Fälle wie Oliver, es sind auch viele kleine Dinge, die mich sicher machen, etwas Wichtiges zu tun!"

„Mäuschen, dein Beruf ist enorm wichtig! Du hast es echt drauf, mit den Kleinen und den Großen! Ich weiß noch genau, wie du an diesem ersten Montag gezögert hast, mir zu sagen, was du beruflich machst! Ich dachte, was ist da schief gelaufen in ihren Beziehungen, dass sie nicht sagen will, dass sie Lehrerin ist?"

„Und ich weiß noch genau, was du geantwortet hast! Das war das Schönste, was je jemand gesagt hatte zu mir! Bis dahin, zumindest!" Sie lächelte ihn an. „Seit dem hast du noch unendlich viel Schönes zu mir gesagt!"
„Dafür sind Loverboys doch da, dass sie ihren Babygirls schöne Sachen sagen, oder?"

Leider fand dieses Gespräch bei einem Abendspaziergang am Strand statt, sonst hätte sie sich gleich für diese wunderschönen Worte erkenntlich zeigen können. So musste er sich mit ein paar Küssen zufrieden geben, und er war mehr als zufrieden!

Andererseits, es war niemand am Strand unterwegs, es gab Felsengruppen, die Blickschutz boten, sie waren verrückt, verrückt nacheinander, sie waren jung, sie waren verliebt, verknallt ineinander. Vielleicht konnten sie etwas mehr als ein paar Küsse teilen? Vielleicht konnte er etwas Haut unter ihrem Kleid suchen?

Vielleicht konnte er diese Haut, wenn er sie denn fand, streicheln und vielleicht sogar küssen? Vielleicht fand ja auch sie etwas Haut unter seinem Shirt?
Vielleicht konnte sie diese Haut liebkosen, bis er Sterne sah?
Vielleicht konnten sie sich auch lieben, da vorne hinter diesen Felsen, im weißen Sand, während die Wellen sanft ans Ufer stießen?
Vielleicht sollten sie es einfach einmal versuchen?

Aufstöhnend umarmten sie sich, aufstöhnend vor Lust, vor Erregung sanken sie in den noch warmen, pudrigen Sand und liebten sich, erfüllt von unglaublicher Zärtlichkeit, unglaublicher Leidenschaft, liebten sich unglaublich zärtlich, unglaublich leidenschaftlich.

Dann lauschten sie den Wellen, sahen in die Sterne, kuschelten, knutschten, schliefen ein, verborgen hinter den Felsen, nackt aneinander geschmiegt.
Am nächsten Tag verabschiedeten sie sich von ihrem Urlaubsparadies, flogen in ihr Paradies zu Hause.

„Eigentlich hätten wir ja dableiben können! Ein schöneres Büro gibt es ja nicht!" meinte Mia verträumt im Flieger.
„Das wäre wohl ein bisschen teuer auf Dauer!" schränkte Hannes grinsend ein.
„Was hat jetzt das Ganze eigentlich gekostet?" wollte sie wissen, sie hatte noch nie danach gefragt.
„Geld!" antwortetet er.
„Kasper! Wie viel, meine ich!"
„Dann sag das halt!" forderte er sie auf.

Sie knuffte ihn. „Also: Wie viel hat der Spaß gekostet?"
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. „Du musst nicht alles wissen, süßes MMchen! Billig war es nicht, auch für unsere Verhältnisse, aber jeden Cent wert, okay?"
„Okay!" Er hatte Recht, alles musste sie nicht wissen. Im Grunde reichte es ihr zu wissen, dass er sie liebte!

Als sie zu Hause in Regensburg ankamen, hatten sie das Gefühl, sich schon zehn Jahre zu kennen, so vertraut waren sie miteinander, aber auch, als hätten sie sich erst gestern ineinander verliebt, so sehr brannten sie. Ein Blick genügte, um sich blind zu verstehen, aber ein Blick genügte auch, um sie atemlos vor Verlangen zu machen.

Sie hatten noch eine Woche, bis die Geräte von Hannes und Teile ihres Gepäcks abgeholt wurden. Sie telefonierte mit der europäischen Kommission, er mit den Firmen, lieferte sein Programm bei Peter ab, der gleich drei weitere in Auftrag gab, die aber nicht eilten. Er fragte Mia nach einem neuen Roman. Sie wiegelte ab. „Jetzt geht es erst einmal nach Paris!"

„Na, wenn ich deinen Hannes so richtig mit Arbeit eindecke, könnte ich dich ja mal in Paris besuchen!" scherzte er ein wenig arg plump.
„Einen ähnlichen Satz habe ich vor kurzem schon mal gehört, bloß besser!" antwortete sie, und Peter schnappte kurz nach Luft.
„Origami!" flüsterte Hannes ihr ins Ohr, und sie grinste.

Am Freitag kam das Team der Fachzeitschrift zum Interview. Mia sollte dabei bleiben, es sollte auch ein Foto vom frischverheirateten Ehepaar geben. Sie hielt es lange aus, sehr lange, hörte zu wie ihr Hannes mit Fachausdrücken nur so um sich warf, fachmännisch Auskunft gab, alle Fragen geschliffen beantwortete.

Nach dem Foto mit ihnen als Paar, kurz bevor ihr der Schweiß ausbrach, atmete sie tief ein.
„Ich, ich muss mal Markus was fragen!" sagte sie und flüchtete.
Er grinste ihr hinterher.
„Ihre Frau interessiert sich wohl nicht für ihren Job?" fragte einer der Reporter etwas pikiert.
„Doch!" Hannes schmunzelte. „Sie interessiert sich sogar sehr für meinen Job!" Aber dann muss ein Bett ganz in der Nähe sein! dachte er den Satz zu Ende.
Die Pressevertreter blieben noch eine Stunde, versprachen ein Belegexemplar nach Paris zu schicken.

Hannes brachte sie zur Türe, läutete bei Markus. „Du kannst wieder hochkommen, Süße! Ich habe gelüftet, alle Byts und Bites sind aus der Luft!" Sein Bruder sah ihn seltsam an, er nahm sein Mädchen in den Arm und flog mit ihr nach oben.
Sie packten zwei große Koffer, dann kamen die Leute mit dem Transporter, packten Hannes' Geräte in sichere Transportkisten, nahmen die Koffer mit, brachten alles in die Wohnung in Paris.
I

n der letzten Woche zu Hause schloss Hannes die Arbeit an den Buchhaltungsprogrammen ab, die Vertreter der Firmen gingen bei ihnen ein und aus, wurden von Mia bewirtet und unterhalten, einige Flirtversuche konterte sie geschickt, sie wurde immer besser im Zusammenfalten, machte das aber so charmant, dass ihr auch keiner böse sein konnte.
Wahnsinnige Summen trafen auf dem Konto oder in Form von Schecks ein.
Sie besuchten die Baustelle ihres gemeinnützigen Wohnhauses, gaben noch einmal eines in gleicher Größe in Auftrag.

Oliver und Anja bezogen ihre Wohnung, fühlten sich wie im Paradies. Sie hatten günstige Möbel gekauft, luden alle zu einer Einweihungsfeier ein.
Hannes überreichte ihnen 24.000 Euro für das erste Jahr, weil er vergessen hatte, sich die Kontonummer geben zu lassen.

Mona und Gregor hatten die versprochene Summe überwiesen bekommen. Man sprach nicht groß über diese Dinge, ein Lächeln und ein kurzes „Danke" genügte.
Mutter Maybach überwies die Einkünfte aus dem Weingut von drei Jahren, Markus Mieteinnahmen des letzten Jahres.
Hannes seufzte: „Wie zerronnen, so gewonnen!"

Mia lachte. „Wir haben es schon schwer! Kriegen einfach unser Geld nicht los!"
Dieser Satz freute Hannes am meisten. Sie verdiente mit ihren Büchern gutes Geld, aber der Mammutanteil ihres Vermögens war schon seines. Aber sie machten seit langem nicht mehr getrennte Kasse, sie sprach immer von „unser", nie mehr von „dein"!
Die Androhung, Haushaltsgeld bezahlen zu müssen, wirkt wohl nachhaltig! dachte Hannes lächelnd.

Sie gaben eine Abschiedsparty, zu der auch einige Kolleginnen Mias mit Partnern kamen, sowie ihr Chef, ansonsten die Hochzeitsclique, wie sie sich nannte und Niklas. Sarah hatten sie nicht eingeladen, hatten auch nichts mehr von ihr gehört.
Es wurde wieder ein fröhliches Fest, aber mit ein wenig Schwermut. Man würde sich gegenseitig sehr vermissen, hatten in den letzten Monaten so viel zusammen erlebt. Besuche in Paris wurden geplant, viele Abschiedsküsschen verteilt.

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