Kapitel 49

So saßen zwei verliebte Paare am Tisch, Hannes legte eine CD auf, zwei verliebte Paare tanzten engumschlungen, aßen noch ein paar italienisch-französische Leckerbissen, tranken noch einen Schluck Wein, rauchten noch eine Zigarette, tanzten noch engumschlungener, setzten sich auf Sofa und Sessel, schmusten ein wenig, streichelten sich ein wenig, knutschten ein wenig, himmelten sich an.

Sarah ging mit Markus aus der Wohnungstür, ob er sie zu einem Taxi brachte oder in sein zwei Meter breites Bett, wussten Hannes und Mia nicht, ging sie auch nichts an, überhaupt nichts! Aber, als sie ganz schnell auf den Balkon gingen – natürlich nur, um etwas frische Luft zu schnappen - kam niemand aus der Haustüre.
Außerdem hing ihre Jacke noch in der Garderobe, was nun schon gewisse Schlüsse zuließ.

„Wir sind Kuppler!" lachte Hannes.
„Ist das nicht strafbar?"
„Nur, wenn sie minderjährig wären oder wir Geld dafür bekämen!" versicherte er.
„Na, das ist ja beides nicht der Fall!" sagte sie beruhigt.
„Aber die sind schlauer als wir!"

„Du meinst, schlauer als ich?"
Hannes schalt sich einen Idioten. Man konnte ja nicht die Schicksale, die Situationen der beiden Frauen vergleichen!
„Nein, Süße! Verzeih! So schlau wie du warst, kann keine andere Frau sein! Der Idiot war ich!"
Mia kuschelte sich an ihn. „Ja! Dieses eine Mal warst du der Idiot! Aber nur dieses eine Mal! Sonst warst du phänomenal!"
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Markus wollte Sarah eigentlich wirklich zum Taxistand um die Ecke bringen.
Sie küssten sich die Stufen hinunter, merkten an der Haustüre, dass sie ihre Jacke oben vergessen hatte.
„Die können wir jetzt nicht mehr stören!" meinte Markus. „Schauen wir mal, ob ich etwas Passendes für dich zu drüberziehen finde!"

Aber kaum hatte er die Türe seiner Wohnung geschlossen, nahm er sie eigentlich unbeabsichtigt, aber sehr gewollt in die Arme und küsste sie sehr, sehr leidenschaftlich.
Sie schmolz in seinen Armen, war erregt wie noch nie in ihrem Leben, er konnte schon küssen, dieser Bruder von Mias Verlobten!

„Schöne Sahra!" flüsterte er und war nicht mehr Herr seiner Sinne. „Schöne Sahra, lass uns etwas Wunderschönes miteinander erleben!"
Und sie erlebte die Nacht ihrer Nächte, erlebte einen Mann, der sich ihrem Körper widmete, wie noch nie ein Mann vorher, und nicht nur einmal in den folgenden Stunden!

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Mia und Hannes tanzten noch ein wenig zu den Klängen der CD. Sahen sich an, waren überwältigt von ihrem Anblick, wussten in diesem Moment, dass sie sich immer lieben würden, dass sie immer verliebt bleiben würden, dass sie immer hungrig aufeinander sein würden wie heute, dass sie sich immer atemlos fühlen würden wie heute, wenn sie sich nahe waren.

Aber sie wollten den Abend auch noch nicht beenden.
Wollten das Glück noch ein wenig genießen. Sie wussten, sie würden sich heute noch ins Universum lieben, sich schwindelig küssen, sich bis zur absoluten Ekstase streicheln.
Aber sie wollten sich auch noch auf das Sofa kuscheln, über den heutigen Abend reden, zusammen lachen, miteinander Spaß haben, sich ein wenig aufziehen, ein paar Sätze mit vielen Nebensätzen sagen, ein paar intelligente Wortspiele spielen, sich noch ein wenig anheizen, reizen, abkühlen.

Sie fütterten sich mit ein paar Leckereien, neckten sich, streichelten sich, küssten sich, tranken einen Schluck Wein, kühlten sich auf dem Balkon ab, heizten sich beim Tanzen wieder an, bis es genug war, bis ihre Beherrschung am Limit war, bis sie sich nur noch ins Universum lieben wollten.

„O Mia! Was machst du mit mir?" stöhnte er nach einer Zeit. „Warum bekomme ich nie genug von dir? Von deinem Körper, deinem wunderbaren Körper, der Dinge mit mir anstellt, von denen ich keine Ahnung hatte! Von deiner Süße, die mich immer wieder fliegen lässt! Von deiner Wärme und Weichheit, die mich süchtig gemacht haben! Was machst du, dass ich so verrückt, so andauernd hungrig nach dir bin?"
Er drückte sie so fest an sich, dass sie kaum noch atmen konnte. Aber das Atmen hatte sie nach seinen Worten sowieso fast eingestellt.

Er begann sie schon wieder zu streicheln. „Und was macht du mit mir, sexy-man? Wenn du mich ansiehst mit deinen Bernsteinaugen, brenne ich lichterloh! Wenn du mich berührst, stehe ich in Flammen! Wenn ich deinen Körper fühle, deinen wunderbaren Körper, schwinden meine Sinne komplett! Wenn du mich liebst, explodiere ich, jedes Mal wieder und wieder! Was machst du mit mir?"

„Ich liebe dich so sehr, Mia! O Gott, ich liebe dich so sehr! Manchmal weiß ich nicht, wie ich diese Liebe aushalten soll! Manchmal nimmt mir diese Liebe vollkommen den Atem!" Seine Stimme klang gepresst.

„Ich liebe dich auch, Hannes, so sehr, vom ersten Tag an habe ich dich so sehr geliebt! Ich weiß nicht, wo dieses Gefühl herkommt, aber ich weiß, dass es da ist - und dass es für immer bleibt!"
Sie klammerten sich aneinander, als ob sie sich retten wollten, als ob sie Kraft brauchten, um dieses Gefühl in ihnen überleben zu können. Dann versanken sie wieder im Strudel der Leidenschaft, und sie hatten danach das Gefühl, doch überleben zu können, da sie überleben mussten, um diese Erfüllung wieder und wieder zu finden. Sie schliefen als das glücklichste Paar der Welt ein. Das zweitglücklichste Paar schlief ein Stockwerk unter ihnen noch lange nicht ein.

Als Mia und Hannes am nächsten Morgen am Frühstückstisch saßen, waren sie glücklich wie noch nie im Leben. Sie hielten sich an der Hand, himmelten sich an, küssten sich, ab und zu aßen sie auch einen Bissen.
„Das war eine schöne Party gestern! Und dass alle Zeit haben und mitfliegen wollen, ist echt super!" Hannes freute sich total. „Und in vier Monaten wirst du meine Frau!"

„Auf den Seychellen! Ich fass es nicht! Ich hatte ja immer noch Angst, alles platzt, weil die uns für verrückt erklären!" Mia hatte wirklich noch nicht so recht an alles geglaubt.
„Aber alle freuen sich, machen klaglos mit! Und Gregor und Mona haben echt super reagiert! Da hatte ich ein wenig Bedenken!"

„Nö, das sind zwei ganz coole Typen! Die sagen alles frei von der Leber weg! Das gefällt mir ja so bei ihnen. Gregor hat mir anfangs seine Kritik genauso schonungslos um die Ohren gehauen wie später sein Lob!" Mia freute sich immer noch sehr, dass Hannes die beiden so mochte.
„Wenn jetzt Markus dich zu so einer Reise eingeladen hätte, wärst du mitgeflogen?"
„Nur mit dir!" sagte Hannes lächelnd.
„Nein, ich meine, du alleine, ohne mich!"
„Alleine? Warum sollte ich da denn alleine mitfliegen?"

„Jetzt stell dich nicht so an! Du weißt genau was ich meine!"
„Dann drück dich klar und deutlich aus, Frau Doktor der Germanistik!" Er konnte ihr Spiel schon auch ganz gut spielen!
„Also, Herr Doktor der Mathematik Hannes Maybach, wärst du in der Zeit, als du mich noch nicht kanntest, alleine, also zusammen mit der Familie, aber alleine, auf die Seychellen geflogen, wenn Markus dich dorthin eingeladen hätte?"
„Wie kann man alleine, also zusammen mit der Familie, aber alleine auf die Seychellen fliegen?" Er erstickte fast vor Lachen.

Sie holte tief Luft. Hannes küsste sie auf den Mund. „Ich weiß schon, Engelchen, was du meinst! Natürlich wäre ich Markus zuliebe mitgeflogen! Apropos Markus! Ist Sarah jetzt dageblieben oder nicht?"

Mia war froh über den Themenwechsel. So klar war ihr Kopf nach der letzten Nacht auch noch nicht, dass sie solche Sprachspagate fehlerlos hinlegen konnte.
„Keine Ahnung!" Plötzlich fing sie an zu grinsen. „Soll ich sie auf dem Handy anrufen?"
Hannes sah sie mit seinem geliebten Dackelblick an. „Klar! Du musst ja fragen, ob sie gut nach Hause gekommen ist! Außerdem hängt ihre Jacke noch immer da, nicht dass sie sie sucht!"
„Ja, nur aus reiner Fürsorgepflicht!"

Sie wählte die Nummer ihrer Cousine. Es dauerte eine Weile, dann hörte sie Sarahs belegte Stimme: „Hallo, Mia, ja, ich liege mit Markus in einem zwei Meter breiten Bett, es war eine wunderbare Nacht, und du brauchst mir auch kein Frühstück bringen, denn ich habe keinen Hunger auf Essen! Tschau!" Im Hintergrund hatte man Markus lachen gehört.
Hannes und Mia fielen sich lachend um den Hals. „Jetzt haben wir zwei solche Biester im Haus!" japste er.

Dann wählte er Markus Nummer. „Ja?" meldete sich der gereizt.
„Ich wollte nur sagen, wenn ich dir mit irgendetwas aushelfen soll, brauchst du nur anzurufen!" meinte Hannes grinsend.
Jetzt musste Markus laut lachen. „Das könnte schon passieren! Wie gut bist du ausgerüstet?"

„Na, ich denke, für heute könnten sie schon für vier reichen, auch wenn zwei davon Leissen-Mädchen sind!"
„Gut! Ich melde mich dann! Hast du verstanden? Ich melde mich!" Er legte auf.
Sarah sah ihn fragend an. „Das war ja klar, dass ich die ganzen Sticheleien jetzt zurückkriege!" erklärte er nur und machte mit dem Frauenverwöhnprogramm weiter.

Hannes und Mia lachten sich kringelig. „Ich könnte ihnen ja ein wenig Orangensaft runterbringen!" schlug sie vor.
Er japste nur noch. „Aber, aber ich glaube, jetzt lassen wir es lieber gut sein! Sonst kriegen wir es irgendeinmal auch wieder zurück!"
„Aber lustig ist das schon! Mein Cousinchen und Markus!"
„Na, jetzt warten wir mal ab, was daraus wird!" Er küsste sie zärtlich. Er wünschte seinem Bruder natürlich eine solche Liebe, wie er selbst erleben durfte, aber nach einer Nacht konnte man ja auch noch nicht zu viel erwarten! Bei dem Gedanken musste er schmunzeln. Außer bei ihm natürlich!

Er dehnte sich genüsslich. „Jetzt hätte ich richtig Lust, dein Buch fertig zu lesen, Süße! So ein schöner, fauler Schmökernachmittag!"
Mia lächelte ihn liebevoll an, brachte ihm die dicke Kladde, das Gedichtheft und das Geschichtenheft.

Er machte es sich auf dem Sofa bequem und fing an zu lesen. Sie brachte ihm ein Glas Mineralwasser, gab ihm noch einen liebevollen Kuss, kuschelte sich auf das zweite, kleine Sofa und versuchte das Buch weiterzulesen, das sie vor Wochen begonnen hatte.
Doch immer wieder schweiften ihre Blicke ab, blieben an ihm hängen. Wenn ihr das vor einiger Zeit jemand gesagt hätte, dass ein Mann, ein so toller Mann, ihr Manuskript lesen würde, ihre Gedichte, ihre Geschichten, sie hätte denjenigen, ohne mit der Wimper zu zucken, in eine Klapsmühle stecken lassen!

Aber jetzt war es ganz normal, dass er jede Zeile las, die sie schrieb.
Normal?
Nein, normal war das nicht!
Es war wunderbar, es stärkte ihr Selbstbewusstsein, machte sie unendlich glücklich!
Er las zwei Stunden, ohne den Blick vom Manuskript zu nehmen.

Er lachte über ihre Formulierungen, sah die Personen, die sie beschrieben hatte, bildlich vor sich, nicht nur die beiden Hauptakteure, alle Menschen, die die Frau oder der Mann trafen, waren so beschrieben, mit kleinen liebenswerten Schrullen, entnervenden oder netten Charakterzügen.
Die Schauplätze luden zum Hinreisen, zum Verweilen ein.
Der Schluss war hart, aber folgerichtig, ein Happy-End konnte es nicht geben!

„Puh!" sagte er nur, wischte sich die feuchten Augen trocken, legte das Manuskript auf den Tisch. Er sah sie an, wusste, sie wartete auf einen Kommentar von ihm. Aber was sollte ein Laie, der zwar gerne las, aber kein Literaturkritiker war, einem Genie sagen?

Gut?
Toll?
Super?
Keines der Adjektive reichte im Geringsten aus, um zu beschreiben, was er empfand.
Er stand auf, setzte sich zu ihr. „Ich finde keine Worte, Mia, echt nicht!"
„Ist es gut oder schlecht? Das wirst du doch sagen können!" fragte sie leise.

„Weder noch! Es ist ... genial! Ja, genial trifft es am besten!" Er strich ihr übers Haar, ganz vorsichtig, als wäre sie aus zerbrechlichem Glas.
Genau so vorsichtig und liebevoll nahm er sie in den Arm. „Du bist ein Genie, und das Buch ist genial!"
Ihre Augen leuchteten. Lange Zeit sprachen sie kein Wort, bewegten sich auch nicht.
„Na gut! Dann ist es also fertig! Und jetzt?"
„Jetzt bringst du es dem höchstinteressierten Peter. Aber erst wenn ich einen Kartoffelsack gekauft habe, in den ich dich stecken kann!"
Mia lachte.

„Ja, stell dir vor, du gehst mit deinem blauen Minirock da hin, meinst du, dass der einen deiner Mammutsätze bis zum Ende durchhält? Nach dem zweiten Nebensatz steigt sein Gehirn aus, das schwöre ich dir!" scherzte Hannes.

„Die Sätze sind zu lang, zu verschachtelt, oder?"

„Süße, ich habe es dir beim letzten Mal schon gesagt, es ist keine leichte Kost! Da muss man sich schon entscheiden, was man lesen will: Baccara-Romane oder Dr. Mia Leissen!"
„Okay, das nehme ich dann mal als Kompliment!" lachte sie. „Obwohl es mich ja schon sehr wundert, woher du Baccara-Romane kennst!"

„Ich habe dir doch von dem Buchpaket erzählt, das Markus und ich von unserer Mutter zum 18. Geburtstag bekommen haben. Da waren ein paar so Heftchen dabei, damit wir lesen können, was Frauen gerne hören! Wir haben uns kringelig gelacht, aber das eine oder andere ist vielleicht doch hängen geblieben!"

Mia krauste das Näschen. „Also, das glaube ich jetzt nicht, dass die schönen Dinge, die du zu mir sagst, aus Romanheftchen stammen!"
Sie musste herzhaft lachen, wenn sie sich die beiden gutaussehenden Jungs mit diesem Lesestoff vorstellte.
„Nein, Süße, das war auch mehr ein Gag von ihr! Aber es ging halt um solche Dinge wie Gefühle zulassen, über Gefühle sprechen!"

„Deine Mutter ist aber schon eine tolle Frau! Die Idee finde ich super! Vielleicht setze ich ja das Buchpaket auf die Literaturliste für meine Leistungskurse!"
Jetzt musste Hannes lachen. „Ein paar Bücher vielleicht, nicht alle!"

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