Kapitel 40

Hannes dachte an seine kleine Philosophin, die den Schülern heute so viel auf ihrem Weg ins Leben mitgegeben hatte.
Er dachte an ihre Cousine, die sie zum Lachen gebracht hatte.
Er dachte daran, wie sie das Problem von Markus gelöst hatte, mit ein paar offenen Worten.
Und er dachte an seine Erkenntnis, dass sie nie mit ihm geschlafen hätte, hätte er sie nicht überzeugt, dass er sehr verliebt in sie war.

Es ging ihr niemals um ein Abenteuer, um ein Spiel, darum, als Frau bestätigt zu werden, es ging ihr immer nur um ihn und seine Liebe, die sie gefühlt hatte!
Ich sollte auch schlafen gehen, dachte er.
Das würde wieder schwierig werden, neben ihr zu liegen, sie zu fühlen, aber immer noch besser, als sie nicht zu fühlen.

Es wurde oft schwierig, er hatte einen unruhigen Schlaf, seit er sie kannte, wurde immer wieder wach, hatte sie im Arm, oder sie hatte ihn umschlungen, als würden zwei Magnete sie gegenseitig die ganze Nacht zusammenhalten.
Da brauchte es oft ein paar sehr tiefe Atemzüge und ein paar schwere Kopfrechenübungen!

Er öffnete leise die Schlafzimmertüre, zog sich aus.
Mia war sofort eingeschlafen, aber nach einer halben Stunde plötzlich aufgewacht, hochgeschreckt, etwas fehlte!
Hannes fehlte!
Ihr Herz raste, bis ihr einfiel, dass er ja bald kommen würde.

In diesem Moment kam er herein, zog sich aus.
Sie öffnete ein Auge, diesen Anblick konnte sie sich doch nicht entgehen lassen!
Seinen breiten Rücken, seine langen, muskulösen Beine, seine Armmuskeln durfte sie doch ansehen! Er drehte sich um, sie schloss schnell das Auge.
Hannes hatte aber das letzte Blinzeln bemerkt.
„Schau an, eine kleine Voyeurin liegt da in meinem Bett!" flüsterte er, falls er sich getäuscht hatte und sie doch schon schlief.

„Gar nicht! Ich habe tief und fest geschlafen!" flüsterte sie zurück.
Er legte sich an den äußersten Rand seiner Betthälfte. „Dann schlaf schön weiter, Süße!"
Sie drehte sich zu ihm hin, rutschte fast unmerklich näher zu ihm, ihre Beine berührten sich schon. 

Wenn er noch weiter auswich, würde er auch aus dem zwei Meter breiten Bett rollen.
„Ich hätte aber auch durchaus nichts gegen ein bisschen Zärtlichkeit einzuwenden!"
Hannes drehte sich zu ihr, strich ihr übers Haar, der Daumen liebkoste ihr Gesicht. „So, hättest du nicht?"

„Nein, nicht im mindesten!"
Und den Mann gab es auf der ganzen Welt nicht, der ihr jetzt noch hätte widerstehen können, dachte Hannes. Sie würden den nächsten Tag schon irgendwie schaffen, auch wenn sie sich jetzt noch ein wenig Zärtlichkeit schenkten. Sie waren ja noch jung!

„Dann lass uns doch noch ein wenig zärtlich sein!" So genossen sie einfach Zärtlichkeit, Nähe, Leidenschaft, Kuscheln, Schmusen. Diese Stunde Seligkeit konnte ihnen niemand mehr wegnehmen.
Das Nachschmusen ist auch schön, dachte Hannes noch, so neu für ihn wie das Kuscheln, aber sehr schön!
Dann schliefen beide engumschlungen ein.

Das Aufstehen am nächsten Tag fiel überraschend leicht. „Das machen die Endorphine!" stellte Mia fest.
„Gut zu wissen!" stimmte Hannes seiner Süßen zu.
Beim langen Abschied sagte er: „Ich bin dann um halb neun an der Schule, gegen neun kommen die Computer."

„Heute komme ich aber lieber nicht rauf. Gestern habe ich ganz schön geschwänzt! Ich werde noch eine faule, schlechte Lehrerin, wenn ich dich dauernd küsse!"
„Du bist eine fabelhafte Lehrerin! Ich habe gestern gelauscht, als du deinem Leistungskurs die Selbstverantwortung erklärt hast. Also, nicht direkt gelauscht, ich wollte dir schnell was sagen, und hab' s halt gehört!" gestand er.

Mia machten seine Worte stolz, so stolz, dass sie ihn noch einmal küssen musste. Trotzdem kam sie pünktlich in die Schule.
Am Lehrereingang traf sie auf Uschi und Pia, zwei Kolleginnen, 10 Jahre älter als sie, mit denen sie sich angefreundet hatte. Die beiden hängten sich links und rechts von ihr ein.

„Na, dein Hannes ist aber ein echtes Sahnestückchen! Dass du da abends überhaupt die Augen zubringst!" meinte Pia schwärmerisch.
„Ja, das ist echt schwer! Siehst du meine Augenringe nicht?"
„Gut drauf ist der auch! Und schwer verliebt!" merkte Uschi noch an.
„Ulla kann gar nicht fassen, dass er dich nicht sofort stehen lässt und mit ihr in die Büsche springt!"

Die drei lachten. „Sie hat es aber auch schwer, seit du da bist! Erst spannst du ihr Gregor aus und jetzt kann sie bei deinem Hannes nicht landen!" Pia kicherte beim Gedanken an die Kollegin, die sich für unwiderstehlich hielt.

Mia erschreckte aber der Hinweis auf den Freund. „Willst du sagen, Gregor und Ulla...?" fragte sie verstört. „Nein, Quatsch! Aber sie bildet sich ja immer gerne einen verliebten Mann ein!"
Mia atmete auf. In diesem Moment kam ihnen Gregor entgegen. „Ah, meine drei schönsten Kolleginnen auf einmal!" scherzte er. „Da weiß man ja gar nicht, wen man zuerst ansehen soll!"

„Na, wen schon! Mia natürlich!" Uschi spielte mit. „Als ob du uns je ansehen würdest, wenn sie in der Nähe ist!"
„Nein, das ist vorbei! Ich habe verstanden, dass ich gegen Hannes keine Chance habe!"
Lachend kamen die vier in die Aula, trafen auf Ulla.

Die dumme Nuss! dachte die. Erst nimmt sie mir den Gregor weg, der in mich verliebt war, dann schleppt sie auch noch so einen tollen Mann wie diesen Dr. Maybach an, turtelt aber lustig mit dem Kollegen weiter!
Gespielt freundlich lächelte sie die ewige Konkurrentin an. „Na, Mia, kommt dein Hannes heute wieder?"

Mia registrierte, wie sich die Kollegin heute herausgeputzt hatte. Ein Minirock hart an der Grenze des für eine Lehrerin Angemessenen, ein tief ausgeschnittenes Shirt, wahrscheinlich mit Push-Up-BH drunter, Stiefel mit hohen Absätzen, stark geschminkt, die dunklen Haare offen, mit einem Lockenstab in sanfte Wellen gelegt.

Mia musste direkt lachen. „Ja! Dein ganzer Aufwand muss sich ja lohnen!" Langsam trug die andere schon ein wenig dick auf. Glaubte die denn, dass Hannes sie einfach stehen ließ, weil sie mit einem Minirock auftauchte? dachte sie und ging einfach weiter.

„Und wann kommt er?" rief Ulla ihr nach.
„Mein Gott, ist die hartnäckig!" Gregor schüttelte den Kopf. „Das ist aber jetzt direkt peinlich!"
„Er müsste schon oben sein!" warf Mia über die Schulter zurück.
„Lieferst du ihn tatsächlich der Verrückten aus?" fragte Pia.
Mia lachte schadenfroh. „Er kommt erst um halb neun!" sagte sie gelassen. „Soll Sie ruhig ein paar Stufen hochstöckeln! Hannes ist ja sooo unpünktlich!"

„Da muss ich mir was einfallen lassen, damit wir sie ihm vom Leibe halten! Er hat doch mit Sicherheit heute den ganzen Tag zu tun, bis alles installiert ist. Die bringt es fertig, und hockt sich am Nachmittag zu ihm rauf! Und wenn du ihn bewachst, kommt er auch zu nichts!" Er grinste Mia an, die ihn in die Seite boxte. „Ich denke mal, ich lade sie zum Essen ein und rufe dann Mona an, dass sie zufällig vorbeikommt!"

„Du kannst auch gleich Ihren Mann anrufen. So eine blöde Nuss! Erst spannt sie ihn seiner Frau aus, und dann flirtet sie sich quer durch die Stadt!" Uschi war mal eine Zeitlang befreundet mit Ulla gewesen, aber deren Verhalten ging ihr zu sehr auf die Nerven. Es gongte, alle gingen zu ihren Klassen.


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