Kapitel 36
Natürlich wurden sie wieder einmal viel zu spät wach. Hannes machte Frühstück, dann packte er den Koffer. Mia saß auf der Terrasse, ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen, genoss das Leben, genoss das riesengroße Glück in ihr.
Hannes! rief ihre Seele. Konnte es einen solchen Mann wirklich geben? Sie presste die Hand auf ihr Herz, damit es nicht platzte.
Als er mit dem Tablett hinaus trat, sah er sie lange an. Ihre süße Hand mit den Ringen lag auf ihrem Herzen, als würde sie schwören. Oder es festhalten, damit es nicht davonflog oder zerplatzte? dachte er lächelnd.
Er stellte das Tablett leise ab, stellte sich hinter sie, legte seinen Hand mit dem Ring auf ihre.
„Keine Angst, süße Mia! Das Herz wächst mit der Liebe mit!" flüsterte er in ihr Haar, das in der Sonne glänzte.
„Sicher?" fragte sie leise.
„Sicher! Ich habe es schon oft gespürt, wenn es rasend klopfte und ich dachte, ich überlebe das nicht!"
„Wann klopft denn dein Herz rasend?" wollte sie wissen.
„Wenn ich dich ansehe, wenn ich an dich denke, wenn ich dir zuhöre, wenn ich lese, was du geschrieben hast!"
„Und, du bist sicher, dass man das überlebt, wenn man jemanden so liebt?"
„Ja, ganz sicher! Nur, wenn man jemanden verliert, den man so liebt, wird man das nicht überleben!"
„Aber das wird ja nicht geschehen, oder?"
„Nein, Schönheit! Das wird nie geschehen!"
Er hielt sie noch eine Weile im Arm, damit seine feuchten Augen in der Sonne wieder trocknen konnten.
„Wollen wir frühstücken, Süße?" fragte er schließlich.
Wenn er ihr noch länger so nah war, würden sie mit Sicherheit viel zu spät nach Hause kommen, und morgen begann der Alltag wieder.
„Ja!" stimmte sie zu. Wenn er ihr noch länger so nah war, würde es langsam echt zu spät.
Sicherheitshalber setzte er sich ihr gegenüber. Mia sah ihn verwundert an: „Willst du nicht die schöne Aussicht noch einmal genießen?"
Er lächelte sie verliebt an. „Ich habe die schönste Aussicht, die ich mir vorstellen kann! Du hast dich aber gefährlich angezogen für die lange Heimfahrt! Ich glaube, du setzt dich lieber auf die Rücksitze!"
Mia lachte. „Ich verschlafe sowieso jede Autofahrt!"
„Das wäre auch das Einzige, was mich retten könnte!" Sie alberten noch eine Weile, während sie sich das Omelett schmecken ließen, das Hannes perfekt zubereitet hatte.
Maria und Pedro kamen vorbei, um sich zu verabschieden. Sie gratulierten zur Verlobung, als sie die Ringe sahen. Gerührt beobachteten sie die verliebten Blicke der beiden, wie sie ihre Hände nicht voneinander lassen konnten, wie sie sich immer irgendwo streicheln mussten. Als Hannes das Tablett
hineintragen wollte, hielt Maria ihn auf. „Fahrt nur! Ich mache alles fertig!"
„Das ist gut, wir sind eh zu spät dran!" dankte Hannes ihr, nahm sie in den Arm.
„Ein tolles Mädchen, Hannes!" flüsterte sie ihm zu. „Das Warten hat sich gelohnt!"
Er strahlte sie an.
Zu Mia sagte sie leise: „Liebe ihn, und lass dich dein Leben lang von ihm lieben, dann ist alles gut!"
Mia drückte Maria dankbar an sich.
Pedro musste natürlich auch noch sein Urteil abgeben. „Jetzt weiß ich auch, warum du dich nicht unter den Töchtern hier umgesehen hast!" Er zwinkerte Hannes zu. „So was Hübsches haben wir hier nicht zu bieten!"
Und zu Mia meinte er: „Bleib wie du bist, Mädchen! Genauso bist du richtig für ihn!"
Winkend fuhren die beiden Verlobten schließlich los. Eine halbe Stunde hielt Mia durch, dann fielen ihr die Augen wieder einmal zu. Hannes sah immer wieder zu ihr hinüber, wie sie im Schlaf lächelnd an der Fensterscheibe lehnte.
Ich muss ihr ein Kissen kaufen! dachte er.
Sie kamen für Sonntagnachmittag gut durch. Bei Klausen musste er tanken. Als das Auto stand, wachte Mia auf, beobachtete ihren gutaussehenden Verlobten voll Stolz, wie er sich mit dem Tankwart unterhielt.
„Na, Murmelchen, wieder da?" fragte er liebevoll.
Er parkte das Auto, stieg aus und öffnete ihr die Türe.
„Huh, frisch geworden!" stellte Mia fest.
Hannes nahm sie fest in den Arm, um sie vor dem kalten Wind zu schützen, ging in Richtung Kofferraum. Er holte einen blauen Ledermantel heraus, half ihr hinein, knöpfte ihn fürsorglich zu. Um den Hals wickelte er ihr ein wunderbares Seitentuch.
Mia bekam den Mund kaum zu . „Wo kommt denn das edle Teil her?" fragte sie total verwundert.
Hannes schmunzelte. „Der ist mir noch zugeflogen für kalte Tage zur Sicherheit." Er hatte ihn in der Boutique am Schluss seiner Einkaufstour noch entdeckt, wollte sie aber auch nicht zuschütten mit den vielen Sachen. Er hätte ihn halt irgendwann später herausgerückt.
„Zugeflogen? Aha!" Sie drückte ihn fest an sich. „Dann, Dankeschön, dass du ihn für mich aufgefangen hast!" Ein kleiner Kuss zur Belohnung sollte es sein, ein leidenschaftlicher wurde schnell daraus.
Manch einer auf dem Rastplatz betrachtete die beiden. Erst das tolle Auto, dann der große gutaussehende Mann, der ausstieg und der wunderschönen Frau die Türe öffnete, ihr in einen mit Sicherheit teuren Ledermantel half, mit einem Kuss belohnt wurde.
Hannes grinste schelmisch, als er die Belohnung ausgiebig genossen hatte.
„Ich glaube, da fange ich noch öfter etwas ein, wenn ich so geküsst werde dafür!"
Er zog noch einen weiteren Mantel heraus, in Braun, seiner Farbe, schlüpfte hinein.
„Aber da konnte ich auch nicht wiederstehen!" gab er zu. „Ich dachte, da gefalle ich meiner Süßen mit Sicherheit noch mehr, wo sie doch so auf Leder steht!"
Er sah so umwerfend aus, dass es ihr fast den Atem verschlug. Der lange Kerl mit den breiten Schultern in dem schmalgeschnitten Ledertrench haute sie schon komplett von den Socken!
„Also, eins sage ich dir, Herr Doktor Hannes Maybach, wenn du das Ding anziehst, wenn wir unterwegs sind, brauche ich mehr als ein Stundenhotel!"
Hannes lachte Tränen, hob seinen Kobold hoch und drehte sich mit ihr im Kreis.
Dann sah er sich suchend um. „Hier gibt es wohl keines, oder?" Lachend und engumschlungen gingen sie ins Restaurant, holten sich Kaffee und ein Riesensandwich. Die Kassiererin bekam große Augen.
So ein schönes, glückliches Paar! dachte sie neidisch. Und sie war nicht die Einzige mit diesem Gedanken.
Mia und Hannes tanzten nach draußen, rauchten eine Zigarette, schmusten ein bisschen, kasperten und lachten ein bisschen, stiegen schließlich wieder ein.
„Ich bin ja gespannt, wie lange ich dieses Mal durchhalten kann! Als Kind habe ich immer gesungen im Auto, damit ich wach bleiben konnte!"
„Dann sing halt, Vögelchen!" schlug Hannes vor. „Du singst doch sehr gut!"
„Bist du sicher, dass du das ertragen kannst?"
„Wenn's mir zu viel wird, drehe ich das Radio lauter und höre den Verkehrsfunk ab, okay?" sagte er lächelnd.
„Also, ich singe ein französisches Lied und du ein italienisches!"
Sie begann mit Edith Piafs "Je ne regrette rien", perfekt alle Strophen.
Als sie fertig war, sah Hannes sie liebevoll an. „Das habe ich noch nie gesungen!" sagte Mia leise.
Er drückte ihre Hand, verstand sofort, was ihre Worte bedeuteten. „Ich bereue nichts!" Das hatte sie früher nicht singen können.
„Dann wurde es Zeit, dass du dieses Lied singen kannst!" flüsterte er gerührt.
Sie drückte nun wieder seine Hand, glücklich darüber, dass er verstanden hatte.
Hannes entschied sich für "Bella piccola et fragile", schöne Kleine und Zerbrechliche. Sie hörte gebannt zu.
„Das Lied habe ich auch noch nie gesungen!" sagte er lachend. „Die italienischen Mädchen sind alle etwas kompakter!"
Kaum waren die Worte aus seinem Mund, als er merkte, wie sehr er sich verplappert hatte. „Ich, ich meine, die, die ich so bei der Weinlese gesehen habe, aus ganz weiter Entfernung." versuchte er, die Kurve zu bekommen.
Mia schüttelte sich vor Lachen. „Ah, Weinlese nennt man das! Da haben wir aber eine Menge Wein gelesen an diesem Wochenende! Dabei ist doch erst März!"
Hannes lachte mit, bis ihm die Tränen kamen.
Kurz dachte er an ihre Tränen in der ersten Nacht, als sie an andere Frauen in seinem Leben und in seinem Bett denken musste.
Heute, knapp zwei Wochen später, machte sie Witze über seine Vergangenheit, weil sie vollkommen verstanden hatte, dass sie eben Vergangenheit war.
Sie sangen weiter abwechselnd französische Chansons und italienische Liebeslieder, lachten viel, hielten an manch einem Parkplatz an, um sich ein wenig oder ein wenig mehr zu küssen.
Kurz vor Regensburg fielen ihr aber dann wieder die Augen zu . Um Elf waren sie zu Hause, Hannes führte die verschlafene Mia hinauf, half ihr beim Ausziehen, deckte sie zu und stellte den Wecker auf sechs Uhr.
Er ging nochmal nach unten, um das Gepäck zu holen. In Markus' Wohnung brannte noch Licht, er hörte Stimmen und Kuschelsongs.
Jetzt, Brüderchen, bekommst du ein wenig von deinen Lästereien zurück! dachte er und klingelte.
Es dauerte eine Weile, bis die Türe geöffnet wurde.
Hannes dachte mit: Sich aus den Armen der Frau lösen, in eine Jeans schlüpfen, die Haare notdürftig in Ordnung bringen, zur Türe wanken, genau!
„Oh, Entschuldigung, habe ich gestört?" fragte er unschuldig, als sein Bruder nur mit einer Jeans bekleidet und mit deutlich unordentlichen Haaren vor ihm stand. „Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass wir wieder da sind!"
„Da bin ich aber froh, dass du mich nicht bis morgen früh im Ungewissen gelassen hast!" grinste Markus und schlug ihm die Türe vor der Nase zu.
„Elle court, elle court, la maladie d'amour!" schmetterte Hannes noch und schleppte den Koffer nach oben. Mia öffnete ein Auge. „Was ist denn mit dir los?"
„Mein Bruder hat Damenbesuch, und ich habe mich ein bisschen revanchiert!"
„Du bist ein böser, böser Zwillingsbruder!"
„Ja!" sagte er lächelnd. „Aber ich bin ein braver, braver Verlobter!"
„Gott sei Dank nicht anders herum!" brummelte Mia und schlief weiter.
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