Kapitel 34
Hannes führte sie zu ihrem Platz, als sie saß, holte er das Päckchen aus seiner Sakkotasche, holte zwei Ringe heraus, kniete vor ihr nieder und stellte auf Italienisch die Frage, die seit Tagen in seiner Seele brannte: „Süße Mia, Sonne meines Lebens, Liebe meines Lebens, willst du meine Frau werden?"
Die anderen Gäste hielten den Atem an, der Klavierspieler spielte und sang noch immer dasselbe Lied. Mia sah ihn fassungslos an, sie kannten sich noch nicht einmal zwei Wochen, aber die Antwort, die ihr Herz ihr diktierte, war eindeutig: „Ja, Hannes, Liebe meines Lebens, Mann meines Lebens, das will ich!"
Er steckte ihr einen glatten Weißgoldreif und einen Vorsteckring mir einem großen Saphir an den Ringfinger der linken Hand.
Er küsste sie zärtlich. „Möchtest du mich vielleicht auch etwas fragen?" flüsterte er in ihr Ohr und drückte ihr einen weiteren Ring in die Hand.
„Ja, von Herzen gerne frage ich dich, Hannes, verrückter Hannes, liebenswerter Hannes, umwerfender Hannes: Willst du mein Mann werden?"
„Oh ja, Schönheit! Das will und das werde ich!"
Sie steckte den Ring, breiter und größer als ihrer an den Ringfinger seiner linken Hand.
Der Pianospieler konnte endlich ein anderes Lied beginnen, die Gäste in der kleinen Bar klatschten, es wurde Champagner auf allen Tischen serviert, alle stießen auf das Glück des hübschen, verliebten Paares an.
Die beiden waren eine Weile versunken im Glück, küssten sich, schenkten sich kleine Zärtlichkeiten, waren fassungslos vor Liebe, vor Seligkeit.
Menschen kamen an ihren Tisch, um zu gratulieren, setzten sich kurz, stießen mit ihnen auf eine glückliche Zukunft an, machten wieder Platz für die nächsten, der Chef servierte kleine Leckereien, der Ober schob ein paar Tische zusammen.
Wildfremde Menschen feierten mit ihnen, aßen, tranken, lachten, palaverten kreuz und quer. Hannes erzählte frei von der Leber weg, was sie machten, woher sie kamen, wie kurz sie sich kannten. Die Männer himmelten Mia an, die Frauen Hannes. Mia konterte Flirtversuche schlagfertig, Hannes hörte stolz zu.
Der Pianist machte Pause, Hannes nahm Mias Hand, zog sie zum Klavier, spielte und sang für sie ein paar Liebeslieder. Die Gäste hörten gebannt zu. War der junge Deutsche womöglich ein Popstar, so gut wie er sang? Den Foreigner-Song sang Mia mit, den Text konnte sie auswendig. Die Kleine hat aber auch eine tolle Stimme, dachten die Gäste. Die schienen ja gut zusammenzupassen!
Der Pianospieler kam zurück. „Jetzt bin ich wohl meinen Job los!" scherzte er. „Aber das macht nichts! Du spielst Klavier, und ich ziehe dafür mit deiner Schönen weiter!"
Blitzschnell stand Hannes neben Mia, nahm sie in den Arm. „Eine ganz schlechte Idee!" stellte er fest.
Mia bedankte sich bei dem jungen Mann für seine Geduld beim Spielen. „Es hat ein wenig gedauert, bis ich verstanden hatte!"
Der Musiker nahm sie in den Arm, küsste sie links und rechts auf die Wange. „Ich hatte schon gehofft, du willst nicht verstehen!" sagte er lachend.
„Bin ich doof, oder was?" gab sie zurück.
Hannes schoss mit den Augen Löcher in die Decke, pfiff furchtbar falsch ein paar Töne, bis der andere sie endlich wieder losließ. Das erste Mal war er nicht direkt eifersüchtig, er wusste, er hatte keinen Grund dazu.
„Was hatte der denn zu flüstern mit dir? Wollte der deine Telefonnummer?" scherzte er, als er seine schöne Verlobte endlich wieder in den Armen hielt und sich mit ihr auf der kleinen Tanzfläche drehte.
„Ja, klar! Ich hab sie ihm auch gegeben! Mal sehen, ob er anruft!" Sie sah ihm tief in die Augen. Hannes verstand schon, worauf sie anspielte.
„Der ruft nie an! Der weiß ja, dass du verlobt bist! Obwohl, bei einem Italiener kann man da nicht so sicher sein, ob ihn das aufhält!"
„Bei einem Halbitaliener sieht das ein wenig anders aus, oder?"
„Ja, ist schon gut Süße! Im ersten Moment habe ich halt überreagiert! Aber ich habe auch zwei Tage mit einem zerrissenen Herzen dafür bezahlt!" Er küsste sie zärtlich. Seine Hand fand den Schlitz am Rücken, spürte, dass sie keinen BH trug. „Olala! Heute hat sie sich oben gar nicht eingepackt, die leckere Mia!"
Mia holte tief Luft. „Finger auf den Stoff, aber ganz schnell!" stöhnte sie.
„Sonst?"
„Sonst frage ich ganz laut in die Runde, ob es hier in der Nähe ein Stundenhotel gibt!"
„Das wäre ja eine sehr gute Idee!" Hannes wurde es schon wieder kalt und heiß. Er befahl seinen Händen lieber, ihre Haut zu verlassen und sich auf den Stoff zu legen.
„Und jetzt sag nur nicht, dass du eines kennst!" warnte sie ihn lächelnd.
„Ich? Ein Stundenhotel? Was macht man denn da?"
Mia begann zu lachen. „Da ist er wieder, der Dackelblick!" Und es störte sie nicht im Geringsten, dass er womöglich genau wusste, was man in einem Stundenhotel in Bardolino machte, denn das war ja Vergangenheit.
Sie gingen zu ihrem Platz zurück, lachten, feierten noch ein wenig. Mia sah immer wieder ihre Ringe an. Sie sahen wunderschön aus. In Gedanken nahm sie den Vorsteckring ab, sah dass er graviert war. „Mia, Liebe meines Lebens" las sie.
Sie sah auch im anderen Ring nach „Hannes und Mia für immer", las sie hier. Eine Träne löste sich aus ihrem Auge, kullerte die Wange hinunter. Hannes wischte sie mit dem Daumen weg, küsste die restlichen Tränen aus ihren Augen fort.
„Was steht bei dir?" fragte sie leise.
„Dasselbe, nur anders herum!" flüsterte er und zeigte ihr die Gravur „Mia und Hannes für immer". Es war nur eine Kleinigkeit, aber Mia registrierte sie glücklich. Der Partner / die Partnerin sollte immer an erster Stelle stehen, in Zukunft das Wichtigste sein! Und ihr Herz gab ihm das Versprechen, dass es genauso sein würde, und sein Herz versprach das Gleiche.
Um ein Uhr brachen die meisten Gäste auf, verabschiedeten sich herzlich, das eine oder andere Küsschen auf Mias Wangen musste Hannes noch ertragen, tat es aber lächelnd voller Stolz. Dann wollte er zahlen. Der Chef winkte ab, es sei ihm eine Freude gewesen, so viel Glück in seinem Hause gehabt zu haben. Hannes gab dem Ober und dem Pianospieler ein sehr großzügiges Trinkgeld.
Draußen war es noch immer lau, aber Hannes war froh, eine Jacke für sie mitgebracht zu haben. Zum einen hatte sie ja nur ein dünnes Kleidchen an, zum anderen war es ganz gut, wenn sie sich ein wenig verhüllte. Sie gingen noch zur Seepromenade hinunter, wollten nicht, dass der Abend schon zu Ende war.
„Das war sehr schön, Hannes!"
Er erzählte ihr von seinen Bedenken im Vorfeld.
„Nein, das war perfekt! Glück teilen ist immer gut!" versicherte sie ihm.
Hannes wollte noch etwas wissen. Sie kannten sich so kurz, immer noch hatte er Angst, etwas falsch zu machen. Nicht mehr so viel wie anfangs, aber ein Rest war schon zurückgeblieben, würde vielleicht auch immer bleiben.
„Du süße Mia, war das jetzt eigentlich übergriffig mit den Sachen, die ich gekauft habe für dich? Ich meine, du hast natürlich lauter schöne Sachen zum Anziehen, ich wollte auch nur ein oder zwei Teile kaufen, aber dann konnte ich mich nicht beherrschen!"
„Ach Hannes! Die Frau zeigst du mir, die es übergriffig findet, wenn ihr Traummann ihr Sachen zum Anziehen schenkt! Vor allem, wenn er einen so guten Geschmack hat!"
Erleichtert küsste er sie. „O ja! Einen guten Geschmack habe ich mit Sicherheit!" Er sah sie bewundernd an.
„Ich aber auch!" sagte sie und sah ihn bewundernd an. Sie gingen engumschlungen weiter.
„Wann hast du eigentlich Geburtstag, Schönheit?" fragte er später.
Mia fing an, leise zu lachen.
„Wir sind schon von der ganz schnellen Truppe!" Sie bekam kaum noch Luft. „Ich ziehe bei dir ein und weiß noch nicht einmal, wie die Straße heißt! Dann verloben wir uns und wissen noch nicht einmal, wann wir Geburtstag haben!"
Hannes musste schmunzeln. „Man muss halt Prioritäten setzen! Sag halt jetzt!"
„Am 31. Mai! Ich bin ein ganz genau geplantes Lehrerinnenkind, acht Wochen vor Ferienbeginn geboren! Und du?"
„Am 31. Juli, wir sind ganz und gar nicht geplante Arztjungen!"
„Wie, nicht geplant?"
„Nein, so habe ich das nicht gemeint, geplant waren wir schon, also zumindest einer von uns!" Hannes lachte. „Aber als Doppelpack waren wir auch okay!"
Wieder gingen sie ein paar Minuten schweigend weiter, bis ihr eine Frage auf der Zunge brannte.
„Du, Hannes, was wäre eigentlich geschehen, wenn ich nicht nach dem Ball mit Carla und Robert nach Hause gefahren wäre? Wenn ich geblieben wäre?"
Unter einer Laterne blieben sie stehen. Hannes sah sie lange an. „Ich denke mal, das Gleiche wie am Montag!" sagte er schließlich leise. „Etwas schneller vielleicht?"
„Warum schneller?"
„Weil ich mit Sicherheit nach Hause gefahren wäre mit dir, um mich umzuziehen."
„Ich hätte im Auto gewartet!"
„Hättest du nicht!" Er küsste sie, wie er sie auf dem Ball geküsst hatte, mit federleichter, aber erregender Zärtlichkeit.
„Doch! Ich hätte viel zu viel Angst gehabt, mit nach oben zu kommen!"
„Ich hätte dir deine Angst schon genommen!" Er küsste sie noch einmal.
„Und in deiner Wohnung?"
„Hätte ich mich so herausgeputzt, dass du mir nicht hättest widerstehen können!"
„Hattest du das so geplant, als du gesagt hast, du möchtest die ganze Nacht nur neben mir liegen?"
„Nein, Mäuschen, geplant hatte ich für diese Nacht gar nichts. Als ich dich das erste Mal gesehen hatte, habe ich geplant, dich kennenzulernen, dich zu erobern, alles andere kam von selbst, wäre auch von selbst weitergegangen, aber ich hätte genau wie am Montag respektiert, wenn du Grenzen gezogen hättest!"
„Die habe ich ja mords lange gezogen, die Grenzen!" Sie musste lachen, als sie an den Montag zurückdachte. „Wahrscheinlich hattest du dich so herausgeputzt, dass ich dir nicht widerstehen konnte!"
„Vielleicht!" flüsterte er und küsste sie ganz sanft. „Vielleicht hast du aber auch nur gefühlt, dass es in Ordnung ist, wenn ein verliebter Mann und eine verliebte Frau etwas sehr Schönes miteinander erleben wollen?"
Sie lächelte in Erinnerung an seine Worte in ihrem Haus in jener ersten Nacht, bevor die Wellen der Lust über ihr zusammengeschlagen waren, bevor sie ihre Angst überwinden konnte.
„Ja, das habe ich gefühlt!" flüsterte sie und küsste ihn ganz zart, federleicht, liebevoll, verliebt. „Gott sei Dank habe ich es gefühlt!"
Als Hannes wieder ein wenig klarer denken konnte, musste er auch noch eine Antwort auf eine Frage haben: „Aber weißt du, was mich interessieren würde? Ich habe dich auf dem Ball ja eine Weile beobachtet, weil ich wissen wollte, ob du mit einem Mann da warst. Du bist von einem zum anderen geflogen, hast geflirtet, aber keiner durfte dich küssen, und es waren ein paar ernst zu nehmende Konkurrenten darunter! Warum ich?"
„Ich habe keine Ahnung, Hannes, ich habe mich das auch schon gefragt, auf dem Nachhauseweg oder am Sonntag. Vielleicht waren es deine unglaublichen Augen, die Art, wie du mich angesehen hast? Es hat sich einfach richtig angefühlt, mich von dir küssen zu lassen, bei den anderen nicht. Es hat sich richtig angefühlt, mich auf deinen Schoß zu kuscheln und mit dir zu schmusen. Ich habe mich einfach gut dabei gefühlt!"
„Und so wird es auch bleiben Süße, oder? Du wirst dich einfach gut fühlen bei mir, ja? Und es wird sich nie wieder richtig anfühlen, dich von einem anderen küssen zu lassen, oder?" fragte er leise.
„Was hätte ich für einen Grund, das auszuprobieren?" antwortete sie. „Und wie fühlst du dich bei mir, Hannes?"
„Gut! Sehr gut! Am Ziel! Angekommen! Zu Hause!" Bei jeder Bestätigung küsste er sie, und jedes Mal war sein Kuss leidenschaftlicher. Dann löste er sich abrupt von ihr. „Bleib stehen, bitte Engelchen!" bat er, als er ein paar Schritte zurückwich.
„Knapp?"
„Äußerst knapp!" Er atmete tief durch. „Hast du nicht eine Matheaufgabe für mich?"
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, einen Kniffel zu bekommen?"
„4:6!" antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
„Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, drei Kniffel hintereinander zu bekommen?"
Dieses Mal dachte er ein wenig länger nach.
„0,0097 Prozent!"
„Und, wirkt es schon?" fragte sie lachend. Sie musste ihm das glauben, nachzurechnen wäre ihr zu schwer gefallen.
Erstaunt sah er sie an. „Es wirkt, schöne, kluge Mia! Wir können es wagen, unser Auto anzusteuern!"
„Ich muss mir mal eine Kladde anlegen mit einem Fundus an Rechenaufgaben, die ich dann in meine Handtasche stecke, um für etwaige Notfälle vorbereitet zu sein, denn so leicht fällt mir bei Notfällen das Stellen von Rechenaufgaben auch nicht!"
„Das war wieder ein schöner Mia-Satz! Vergisst du eigentlich nie ein Subjekt oder ein Prädikat?"
„Selten!" lachte sie. „Vor allem, da seit ein paar Tagen das Subjekt meist männlich, sehr männlich, sehr attraktiv und sehr sexy ist, und das Prädikat meistens etwas mit küssen, streicheln, lieben zu tun hat!"
Hannes musste schon wieder tief durchatmen. Liebesgeplänkel mit einer intelligenten Frau konnte höchsterregend sein, war höchsterregend!
„Noch eine Matheaufgabe, bitte!" brachte er gerade noch heraus.
„Wenn du mich pro Stunde 13 Mal küsst, wie viele Küsse kann ich dann in 24 Stunden genießen?"
„312!"
„Und in 12 Tagen?"
„3744!" Er musste schon ein bisschen rechnen.
„Und in einem Jahr?"
„113880 in einem normalen Jahr, 114192 in einem Schaltjahr!" Ein paar Minutenwar er abgelenkt von seiner Sehnsucht.
Mia lachte: „Also, nachrechnen kann ich das jetzt nicht, aber wie alles, glaubeich dir auch das!"
„Du glaubst mir alles? Dann glaubst du mir auch, dass ich dich immer und ewigwahnsinnig lieben werde, nur dich, immer nur dich?" fragte er.
„Ja, Hannes, das glaube ich dir!"
„Und du weißt auch, dass es mir mit dieser Verlobung sehr, sehr ernst ist? Dass das kein Gag war, dass ich dichunbedingt heiraten will?"
„Ja, mein wunderbarer Verlobter, Mann meiner Träume, auch das glaube ich dir!Mein Herz glaubt dir, meine Seele glaubt dir, und sogar mein Verstand, derimmer ein wenig hinter den anderen beiden herhinkt, glaubt dir!"
Auch das Liebesgeplänkel mit einer süßen, wunderschönen Dichterin und Doktorinder Germanistik konnte sehr erregend sei, war sehr erregend.
Zu seinem Glück hatten sie das Auto erreicht, und nach Hause waren es nur zehnKilometer. Das würde er auch noch schaffen!
Mein Gott, dachte er auf der Fahrt zur Villa. Was habe ich mir da für einewunderbare Frau eingefangen?
Er hatte sich in ein wunderhübsches Mädchen verliebt bis über beide Ohren, ohneetwas über sie zu wissen, hatte einen Abend mit ihr verschmust, vollkommenunschuldige Zärtlichkeiten mit ihr ausgetauscht, oder fast unschuldigeZärtlichkeiten, hin und wieder wurde es schon auch etwas heißer, bis sie sichwieder an ihre Grenzen erinnerte.
Er hatte sie fast verloren, hatte sie vom Schicksal zurückbekommen, durfte einebezaubernde, hochintelligente, humorvolle Frau lieben und sein WundermädchenMia zu sich holen. Ganz egal, ob Gott, das Schicksal oder irgendein Stern imUniversum dafür verantwortlich war, er bedankte sich sicherheitshalber beiallen für diese entzückende Frau.
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