Kapitel 21
„Danke, dass du mir das alles erzählt hast!" flüsterte er schließlich.
„Danke, dass du zugehört hast!" erwiderte sie.
„Mia, bitte! So etwas möchte ich nicht hören!"
Wieder hingen sie ihren Gedanken nach.
„Und deine Mutter fürchtet jetzt, dass noch einmal ein Mann ihre Kleine verletzt?"
„Das nehme ich stark an, ja! Darum habe ich ja gesagt, du wirst es nicht leicht mit ihr haben!" Sie lächelte schon wieder ein wenig, was Hannes dankbar sah. Er küsste ihre Nasenspitze.
„Dann muss ich eben mein Möglichstes tun, um dich glücklich zu machen, bis sie mir glaubt!"
„Und dann hörst du auf damit?"
Er lachte. Sein kleiner Clown war wieder da. „Nein, aber dann kann ich dich glücklich machen ohne Leistungsdruck, ohne Protokolle darüber führen zu müssen, ohne Leistungsberichte für die Schwiegermutter schreiben zu müssen!"
Mia lachte und registrierte am Rande ihres Gehirns die „Schwiegermutter".
„Ja, so ähnlich kann es schon kommen! Kennst du meine Mutter zufällig? Ich denke mal, sie wird ein Arbeitsheft entwickeln, das du abarbeiten musst!"
„Ich hoffe, da steht ganz viel über Küssen, Streicheln, Lieben, dir die Welt zu Füßen legen, dich auf Händen tragen drin, dann würde mir das Abarbeiten nämlich sehr leicht fallen!"
„So ungefähr werden die Aufgaben aussehen, ja!"
„Dann fahren wir gleich hin und holen das Arbeitsheft ab!"
„Willst du nicht vorher noch ein bisschen üben?" schlug sie vor.
Er spielte den Beleidigten. „Wenn du meinst, dass ich Übung brauche!"
„Übung macht den Meister!" Sie stutzte. „Nein, das war jetzt Quatsch! Ein Meister bist du ja schon! Und heute Nacht hast du dein Meisterstück abgeliefert!"
Er zog sie noch näher an sich heran. „Das war irre heute Nacht, oder? Ich habe gedacht, ich verbrenne vor Lust und Leidenschaft! Ich konnte einfach nicht genug von dir bekommen!"
Er küsste sie schon wieder voll Lust und Leidenschaft. „Aber das kann ich ja eigentlich nie!"
Er streichelte ihr schönes Gesicht, küsste die letzten Tränenspuren fort.
„Was machst du mit mir, Mädchen mit den schönen Locken?"
Sie konnte nicht mehr antworten, weil seine Hände und seine Lippen sie schon wieder auf den Gipfel der Lust führten. Aber sie hätte auch keine Antwort gewusst!
Am Frühstückstisch, der eigentlich ein Mittagstisch war, konnten sie noch immer nicht die Hände von einander lassen. „Man könnte meinen, wir sind frisch verliebt! Dabei haben wir schon fast eine Woche auf dem Buckel!" scherzte sie.
„Was, so ein altes Paar sind wir schon? Ja, aber die zwei schlimmen Tage Sonntag und Montag müssen wir abziehen!" schränkte er ein.
„Stimmt! Na, dann sind wir doch noch eine frischverliebtes Paar!"
„Gott sei Dank!" Hannes war erleichtert, dass er noch als frischverliebt durchging. Denn dann war es nicht so schlimm, dass er Tag und Nacht vor Sehnsucht nach ihr brannte.
Plötzlich sprang sie auf. „Halb drei! Morgen ist Schule! Ich weiß nicht einmal mehr, welche Klassen ich habe!" Sie holte ihren Stundenplan.
1. Std. Ma 5a
2. Std. D 9a
3. Std. Ma 9a
4. Std. Ma-L 13
5. Std. D-L 13
„Na Prima! Volles Programm!"
Hannes sah über ihre Schulter. „Du hast zwei Leistungskurse? Deutsch und Mathe? Hut ab!"
„Ja, aber ich muss jetzt echt in meine Unterlagen schauen! Mein Kopf ist vollkommen leergeliebt!"
Hannes lachte. „Dann sagst du deinen Schülern einfach: Heute malt ihr was, mein Kopf ist leergeliebt!"
„Ja, das geht vielleicht in der Grundschule. Wenn ich sage: Heute malt ihr was, stehen morgen die Eltern auf der Matte! Also ich muss jetzt echt rüber, was tun!"
Hannes ging mit, setzte sich an einen seiner Computer, wollte mit dem Programm für den Lektor beginnen.
Mia holte sich die notwendigen Bücher und ihre Wochenpläne.
Erste Stunde Mathe 5a: Da konnte sie im Buch die Wiederholungsseite bearbeiten, die das Thema abschloss, das sie vor den Ferien gehabt hatten. Sie machte sich Notizen und arbeitete sich konzentriert durch den Tag, sicherheitshalber plante sie auch noch den Rest der Woche, die Arbeit ging ihr wieder flott von der Hand. Sie suchte Material zusammen für die Leistungskurse, das sie noch kopieren musste, notierte sich die Literatur, die sie aus der Bücherei besorgen musste.
Hannes hatte sich nicht lange konzentrieren können. Immer wieder sah er zu ihr hinüber.
Sah, wie sie blätterte, überlegend in die Luft blickte, wie sich die Nasenwurzel krauste, wie sie sich genervt durch die Locken fuhr, wie sich ihr Gesicht erhellte, wenn sie ein Idee hatte, wie sie sich Notizen machte.
Nach zwei Stunden klappte sie die Bücher zu, er hatte nicht einmal angefangen mit dem Programmieren, hatte sie nur angesehen.
„Fertig! Die ganze Woche! Uff! Hast du auch was geschafft?" fragte sie.
„Hm! Ich habe es geschafft, dich zwei Stunden anzusehen und auf meinem Stuhl sitzen zu bleiben! Ich bin ganz schön stolz auf mich!" antwortete er.
Mia lachte, Hannes stand auf, um ihre Unterlagen anzusehen, er interessierte sich sehr für ihre Arbeit. „Was ist mit diesem Packen Blätter da?"
„Das muss ich noch kopieren, muss ich morgen ein bisschen eher los!"
„Kopieren kann ich für dich oben!"
„Wie oben?"
„Oben ist noch ein größeres Büro. Komm ich zeige es dir!"
Sie stiegen eine Treppe höher. Das, was unten Wohn/Esszimmer mit offener Küche war, war hier ein Raum mit weiteren Computern, Druckern und ein paar Kopierern.
Sie sah ihn fassungslos an. „Wir haben für die ganze Schule zwei Kopierer, und du hast sechs Stück! Wofür brauchst du denn so viele?"
„Für Skripten, ich halte hin und wieder Fortbildungen."
„Wow, da komme ich auch mal! Wenn mein toller Dr. Hannes Maybach eine Fortbildung in Informatik hält!" Sie überlegte kurz. „Ja, da muss ich sowieso mit! Jemand muss dich ja vor den verliebten Damen beschützen!"
Hannes lachte. „Da gibt es keine Damen!"
„Oh, armer Hannes! Aber ich weiß schon, warum! Es hat sich rumgesprochen, wie sexy der Referent ist, und dass man da als Frau nicht ohne gebrochenes Herz raus kommt!"
Er lachte Tränen. „So wird's sein!"
„Jetzt gib die Blätter her!" sagte er. Bevor ich wieder den Kopf verliere, wenn du mich sexy nennst! dachte er.
„Das sind farbige Vorlagen dabei, willst du Farbkopien haben?"
„Die sind zu teuer!"
Er lachte schon wieder. „Du kannst mir ja Kopiergeld bezahlen!"
„Von deinem Geld, ja freilich!"
Hannes sah sie ernst an. „Das auf deinem Konto, das du vor lauter Stolz nicht anfassen wirst?"
Sie sah an ihm vorbei, er kannte sie genau.
Er schüttelte den Kopf, das brauchte einen guten Plan, damit sie das Geldthema endlich einmal locker sah. Ihm war voll bewusst gewesen, dass sie die 10.000 Euro bis an ihr Lebensende auf dem Konto stehen lassen würde, dass sie versuchen würde, das Minus nach und nach mit ihrem Gehalt auszugleichen, ja, dass sie auch versuchen würde, ihm nach dem Hausverkauf wenigstens einen Teil der 300.000 Euro zurückzugeben.
Aber was sollte er mit seinem ganzen Geld anfangen, wenn sie nichts davon annehmen wollte?
Irgendwann würde sie darauf bestehen, ihm Haushaltsgeld zu geben. Zuzutrauen wär's ihr!
Bei diesem Gedanken musste er schmunzeln.
„Was hast du? Warum schmunzelst du so?"
„Das sage ich dir ein anderes Mal! Da wird ein längeres Gespräch!"
„Oh! Oh!" Sie wusste schon, dass es wieder um sein Geld gehen würde, aber davon wollte sie im Moment nichts hören. Ernste Themen hatten sie heute schon genug gehabt!
„Also, dann mach halt in Gottes Namen Farbkopien! Die Schüler wird's freuen!"
„Siehst du, so einfach ist kann das sein! Ich biete dir etwas an, und du nimmst es an!"
Er ließ die Blätter durchlaufen, es ging rasend schnell. Ohne zu sprechen gingen sie nach unten. Er sortierte ihr die Packen, sie beschriftete sie nach Jahrgang und Fach. Noch immer sprachen sie kein Wort. Irgendwie war der Wurm drin an diesem Abend!
Dieses verdammte Geld! dachte sie.
Dieser stolze Sturkopf! dachte er.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top