Kapitel 18

Mia rief endlich wieder mal ihre Schwester an.
„Ja, sag mal! Warum rührst du dich denn nicht? Wir sind alle durch den Wind vor Sorge!"
„Carla, ich bin 28 Jahre alt, es geht mir gut, so gut, wie noch nie im Leben!"
„Erzähl mal von ihm, was macht er denn beruflich?" Die Familie hatte Panik, dass sie wieder an so einen Schmarotzer gekommen war.

„Er hat einen Doktor in Mathematik und ist Diplominformatiker, arbeitet bei Siemens als Techniker und zusätzlich schreibt er Programme für verschiedene Firmen."
Carla fiel ein Stein vom Herzen.
Sie erzählte vom Trouble mit dem FastEX und dem Deal, den sie ausgehandelt hatten.
„Und er bezahlt 300.000 Euro, damit du Ruhe vor dem Kerl hast? Das erfindest du jetzt nicht, oder?"

„Du kannst ihn ja fragen! Ihr immer mit eurem Misstrauen! Könnt ihr euch denn nicht einfach vorstellen, dass ein Mann mich so liebt, dass er das machen will? Außerdem hat er Geld genug!" Mia war kurz davor in Tränen auszubrechen.
„Ist schon gut, Kleine! Das klingt bloß alles ein bisschen wie ein Märchen!"
„Das ist ein Märchen, Carla, aber es ist ein wahres Märchen!" Sie gab der Schwester die Nummer von Hannes durch, jetzt konnte auch Robert nichts mehr durcheinander bringen. Sie fragte auch nicht mehr nach wegen seiner Einmischerei auf dem Ball, wollte gar nicht mehr daran erinnert werden.

Mia räumte den Frühstückstisch ab, setzte sich aufs Sofa, las die letzten Kapitel ihres Buches, fand den Faden sofort wieder und fing an zu schreiben.
Der Weg, den die Geschichte nehmen musste, lag mit einem Mal glasklar vor ihr.
Die Worte flossen aus dem Kugelschreiber förmlich aufs Papier, im Nu war das nächste Kapitel fertig.

Es hatte sich mehr mit dem Mann beschäftigt, der versuchte, sich mit anderen Frauen über den Verlust seiner Frau hinwegzutrösten, aber bei keiner spürte er im Herzen etwas. Immer verglich er die Gefühle mit denen die er für sie gehabt hatte, bevor sie so karrieresüchtig geworden war. Die Erinnerung an das 19jährige Mädchen, in das er sich verliebt hatte, waren so gegenwärtig, dass keine anderen Gefühle Platz in ihm hatten.


Kurz darauf kam Hannes zurück. Er wirkte gelöst und erleichtert, küsste sie nach der langen Trennung erst einmal ausgiebig. „Na, hast du mich vermisst, Schönheit?"
„Brennend heiß!"

„Ich habe geglaubt, man kann nur brennend heiß lieben! Kann man auch brennend heiß vermissen?"

„Vielleicht habe ich da auch was verwechselt!" Sie lächelte ihn süß an. Das Lächeln nahm ihm wie immer den Atem.

Er küsste sie mit brennend heißer Liebe,  sah zur Uhr. „Eine Stunde haben wir noch Zeit! Meinst du, das reicht, dir meine brennend heiße Liebe zu zeigen?"
„Na ja, knapp!" flüsterte sie.
„Dann lass uns lieber keine Zeit verlieren!"
Küssend, streichelnd, stöhnend, bebend erreichten sie das Schlafzimmer, wo sie fast verbrannten vor brennend heißer Liebe.

Als es läutete, rappelte Hannes sich unwillig hoch. „Wer hatte eigentlich die Idee mit der Einladung?" fragte er und sah sie an.
Sie zog schuldbewusst den Kopf ein. „Ich glaube, das war ich!"
„Und ich glaube, da ist später eine Portion Buße fällig!" Er schlüpfte in seine Klamotten und öffnete dem Bruder. „Sorry, wir hatten uns kurz hingelegt!"
Markus lachte: „Hingelegt ja, kurz mit Sicherheit nicht!"

Mia zog sich schnell an, huschte ins Bad, um die wilden Locken wenigstens ein wenig in Ordnung zu bringen. Dann ging sie zu den beiden hinüber. Hannes hatte schon Kaffee aus der Maschine gelassen und den Tisch gedeckt. „Hallo Markus!"
„Hallo Mia! Schön dich zu sehen!" Er versank ganz kurz in ihren hellblauen Augen.
„Danke für die Namensschilder!"

„Gern geschehen! Schön, dir eine Freude gemacht zu haben!" Hannes hörte dem Geplänkel der beiden mit gemischten Gefühlen zu. Er freute sich, dass die beiden sich sympathisch waren, aber zu sympathisch mussten sie sich auch nicht sein!
Du bist aber jetzt nicht eifersüchtig auf deinen Zwillingsbruder? fragte die Stimme in seinem Kopf.
Ich bin eifersüchtig auf jeden Mann! antwortete er. Außerdem hab ich schon das Gefühl, dass seine Augen ein wenig zu sehr an Mia hängen!

Doch am Tisch nahm seine Anspannung etwas ab. Sie plauderten über verschiedene Themen, machten Späße, die Bälle flogen hin und her. Sie küssten sich ab und zu vorsichtig, streichelten sich ein wenig hie und da.
„Der Kuchen ist lecker!" stellte Markus fest.
„Hm, wir hatten heute schon viele leckere Sachen!" sagte Hannes todernst.
Mia prustete los, Markus sah verständnislos drein.
Hannes klopfte ihm auf die Schulter. „Du musst nicht alles verstehen, Bruder!"
Markus grinste ihn an. So vage konnte er sich vorstellen, von welchen Leckereien sein Zwilling gesprochen hatte.

Dann erzählten die Brüder Geschichten aus ihrer gemeinsamen Zeit.
„Markus konnte nie verlieren. Beim Kniffeln flogen regelmäßig die Würfel durchs Zimmer!" erzählte Hannes lachend. „Kannst du kniffeln, Süße?"
„Ich liebe Kniffeln! Aber ich habe auch immer verloren! Jetzt weiß ich auch, warum!" Diese Aussage kostete sie einen etwas längeren Kuss.
Dann sprang Hannes auf, holte drei Würfelbretter mit Zubehör. „Eine Runde?" fragte er. Die beiden stimmten begeistert zu.
Mia spielte die Jungs in Grund und Boden. Ihr gelang einfach alles. Brauchte sie ein Full house, würfelte sie eines. Die große Straße auf die Hand, kein Problem, ein Kniffel, zwei Kniffel, die beiden waren am Verzweifeln, lachten sich aber gleichzeitig halb tot über das Glück der kleinen Schönen.
Im letzten Spiel endlich lag sie weit hinten, ihr letzter Wurf war wieder ein Kniffel, sie hatte auch das sechste Spiel gewonnen.

Alle hatten Bauchschmerzen vor Lachen. „Eigentlich hätte ich heute gewinnen sollen!" beklagte sich Markus. „Schließlich bin ich der einzige in der Runde, der kein Glück in der Liebe hat!"
Hannes sah Mia an. „Also, das gibt mir jetzt schon zu denken, meine Süße, mit deinem Glück im Spiel!"
„Worte sind nur Schall und Rauch!"
Hannes sah Markus grinsend an. „Das ist der Vorteil, wenn du dich in eine Germanistin verliebst! Um Worte ist sie nie verlegen!"

Markus verabschiedete sich. Er war zufrieden und erleichtert. Erleichtert vor allem über sich und seinen Seelenzustand. Seine Blicke und Gedanken hatten sich in den letzten Tage ein wenig zu sehr an ihr fest gehängt, der schönen Frau Doktor Mia Leissen. Aber der Nachmittag mit all dem Lachen, mit all dem offensichtlichen Glück der beiden, hatte ihn geheilt. Er hatte das Gefühl, die Schwester bekommen zu haben, die er nie hatte.

Auch Hannes bemerkte eine Veränderung des Bruders. Er scherzte offen mit Mia, ohne dass seine Augen sich leicht verdunkelten, wenn er sie ansah. Er schien sich wieder eingekriegt zu haben. Es war ja bei Zwillingen nicht ungewöhnlich, dass sie auch bei Frauen denselben Geschmack hatten, bisher war es auch immer ein Running Gag zwischen ihnen gewesen, dass ihnen die gleichen Frauen gefielen, aber bei Mia hätte er das auf Dauer nicht ertragen!

Er nahm seine Schöne in die Arme. „Danke, süße Mia, das war ein schöner Nachmittag! Ein bisschen Glück teilen tut auch gut, oder?"
„Ja, das tut es! Aber ein bisschen Glück allein, tut auch gut!" Sie schmiegte sich an ihn.

„Lockst du mich schon wieder, Kätzchen?" fragte er heiser vor Erregung.
„Nein, nein, nein! Gar nicht! Ich will nur meine Buße so schnell wie möglich ableisten!" schnurrte sie an seiner Brust.
„So schnell wie möglich?" neckte er sie.
„So schnell wie möglich anfangen, so langsam wie möglich ableisten, und so spät wie möglich aufhören!"
„Ich sag's ja, die Germanistin! Nie um ein Wort verlegen!" Er konnte nur noch flüstern.

„Das sagt der Richtige!"
„Und du meinst, ich bin der Richtige?"
„O ja, richtiger geht nicht! Obwohl es von richtig eigentlich keinen Komparativ gibt!"
Hannes musste leise lachen. So war das Liebesgeplänkel mit einer intelligenten Frau! Und er genoss es unendlich, es erregte ihn unendlich!
„Na, dann schauen wir mal, ob es bei der Liebe einen Komparativ gibt!" Dann war es auch genug mit der deutschen Grammatik, er wandte sich hingebungsvoll den Steigerungsformen der Liebe zu.


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