Kapitel 14

Markus war lächelnd in seine Wohnung zurückgegangen.
Da hatte er ja einen Fang gemacht, sein Bruder! Schön, klug, schlagfertig und offensichtlich sehr verliebt in ihn. Und nach vier Tagen zog sie bei ihm ein und machte Hannes damit augenscheinlich überglücklich.

Plötzlich hatte er eine Idee. Er holte einen Schraubenzieher, schraubte die Türschilder oben und unten sowie das am Briefkasten ab, ging in die Stadt und ließ bei einem Schlüsseldienst unter den Namen seine Bruders Dr. Mia Leissen eingravieren. Während der Wartezeit trank er einen Kaffee im derzeit angesagtesten Café der Stadt, musterte die Frauen, sah aber keine, die annähernd so attraktiv war wie die kleine Doktorin seines Bruders.

Markus, bist du neidisch?
Nur ein bisschen! antwortete er der Stimme in seinem Kopf.
Er gönnte Hannes sein Glück von Herzen, aber irgendwann wollte er schon auch so eine Frau für sein Herz finden wie die schöne Mia! Er holte die Schilder ab und schraubte sie zu Hause wieder an. Dann sah er sich einen schnulzigen Liebesfilm im Fernsehen an.

Als die beiden Verliebten wieder zu klaren Gedanken fähig waren, wurden sie sich des Durcheinanders in der Wohnung bewusst. Sie zogen sich an und begannen aufzuräumen.
„Da habe ich ja ein ganz schönes Chaos in dein Leben gebracht!" stellte sie lächelnd fest.
„Und ich danke dir von Herzen dafür!" gab Hannes zurück.

Er ging mit ihr ins Arbeitszimmer, hängte zuerst einmal die Urkunde ihrer Doktorarbeit, auch summa cum laude mit Prädikat, unter seine, dann die mit ihrem Diplom unter seines.
„Na, wenn das nicht gut aussieht!" freute er sich.
Dann stellte er einen Schreibtisch, der unbenutzt in einer Ecke gestanden hatte, neben die Tische von ihm, legte ihre Schulsachen darauf.

Als nächstes schob er in einem Regal die Bücher und Ordner enger zusammen, schuf Raum für ihre Unterlagen.
Im Schlafzimmer machte er im Schrank Platz für ihre Kleidungsstücke. Alles geschah vollkommen wortlos, denn sprechen mussten sie nicht darüber, dass sie nun hier war, in seinem Leben, hier wohnte, in ihrer gemeinsamen Wohnung.
Die Taschen und den Koffer verstaute er in einem Wandschrank ganz oben in einem Regal, unerreichbar für sie.

Als alles verräumt war, nahm er sie in den Arm. „Willkommen zu Hause, süße Mia, Liebe meines Lebens!" sagte er leise. Ihre Augen wurden feucht, eine Träne löste sich und kullerte ihre Wange hinab.
Er küsste sie fort. „Mögen alle deine Tränen von nun an Freudentränen sein, Schönheit!" Wieder hielten sie sich lange im Arm, vollkommen eins mit sich, der Welt und ihren Gefühlen. „Vielleicht sollten wir wieder einmal einen Happen essen?" schlug er schließlich vor.

„Vielleicht! Aber ich möchte dich noch nicht los lassen!" antwortete sie verträumt.
Er drehte sich mit ihr im Kreis zu einer gefühlten Melodie.
„Na, dann halte mich doch einfach ein Leben lang fest!" flüsterte er.
„Das ist ein guter Plan, mein Traummann! Das werde ich tun!"
Er presste sie an sich, halb verrückt vor Liebe. „Und ich halte dich fest, ein Leben lang, denn wenn ich dich je wieder los lassen muss, werde ich das nicht überleben!"

Und er wusste, dass das die Wahrheit war. Würde er sie verlieren, würde er sterben, sein Herz würde einfach aufhören zu schlagen. Er war ihr ausgeliefert für immer, und er war es von ganzem Herzen gern!
Schließlich konnten sie sich doch voneinander trennen.

Sie machten Abendessen wie ein Paar, ein festes Paar.
Sie aßen zusammen wie ein Paar, ein festes Paar.
Sie tranken ein Glas Wein, rauchten auf dem Balkon eine Zigarette.
Sie erzählten sich voneinander, von ihren Jobs, von ihrem Leben.
Sie waren eins, sie waren glücklich, sie waren zusammen.
Sie sah ihn an, fassungslos, dass ein so gutaussehender Mann sie liebte, er sah sie an, fassungslos, dass eine so schöne Frau ihn liebte!

Dann überwältigte sie wieder die Sehnsucht nach einander, nach Leidenschaft, nach ihren Körpern, ihrem zarten Körper, der trotz ihres geringen Gewichtes so perfekt proportioniert war, seinem kräftigen, muskulösen Körper, ihrer weichen duftenden Haut, ihren Händen, die sich gegenseitig höchste Lust bereiten konnten, genauso wie ihre Lippen und ihre Zungen.

Sie flogen höher als je zuvor, weil sie angekommen waren zu Hause, weil die Angst, sich wieder trennen zu müssen, verflogen war, weil sie sich loslassen und wieder auffangen konnten, weil sie sicher waren in der Liebe des anderen.

Viel später fragte sie Hannes: „Was machst du eigentlich bei Siemens?"
„Das ist ein eher ruhiger Job! Wartung des Hauptrechners, Notfallhilfe, wenn sie die Einzelcomputer wieder einmal gecrasht haben, Virenschutz, Programme installieren, so Sachen halt!"

„Und wann machst du das so?"
„Bisher meistens nachmittags, aber das stell ich jetzt natürlich um auf vormittags! Ich kann kommen, wann ich will. Ich habe noch einen Vollzeitkollegen, einer ist immer da. Ich sollte nur auf meine 20 Stunden die Woche kommen, aber ich hab ein halbes Jahr Überstunden angesammelt!"

„Gut! Ich hatte schon Angst, du gehst aus dem Haus, wenn ich aus der Schule komme!" Plötzlich erschrak sie ein wenig über das, was sie gesagt hatte. „Aber das heißt jetzt nicht, dass du den ganzen Tag Gewehr bei Fuß für mich stehen musst! Ich will nicht klammern!"

„O Gott, süße Mia! Du kannst gar nicht viel genug klammern!" zerstreute er ihre Bedenken. „Und wie arbeitest du?"
„Montag bis Donnerstag bis 12.15, Mittwoch habe ich dann nachmittags diese komische Computer-AG, bis 16.00, Freitag frei. Dann sind halt immer wieder Konferenzen, Elternabende, Sprechstunden und so weiter."
„Freitags frei! Das ist ja genial!"
„Ja, mein Chef schaut immer, dass ich einen guten Stundenplan habe, keine Freistunden, nur einen Nachmittag!"

„Aha, und wie alt ist dein Chef?" Er grinste sie wissend an.
„56, klein und dick, glücklich verheiratet, aber wirklich sehr nett und kollegial!"
„Genehmigt!" Hannes küsste sie zärtlich. „Ja, ich muss schon aufpassen auf dich! Und was machst du in der Computer-AG?"
Sie lachte. „Da gibt es ein Skript, ich bin den Schülern immer ein Kapitel voraus. Aber es sind die Kleinen, da geht das noch! Zurzeit formatieren wir Texte in Word, Einladungskarten und solche Sachen. Aber das System stürzt auch oft ab, dann machen wir einfach Mathe!"

„Zeigst du mir mal das Skript?"
Sie sprang aus dem Bett, kam mit einem ziemlich zerfledderten Geheft zurück. Er sah auf die Titelseite. „Das ist für Word 2!" stellte er entsetzt fest.
„Und?" fragte sie verständnislos.
„Momentan arbeitet man mit Word 7!"
„Ist da so viel Unterschied?"
Hannes lachte. „Welten! Komm ich zeig's dir!"

Sie zogen sich an, und Hannes begann mit der ersten Nachhilfestunde in Informatik.
Er startete an einem Computer Word 2, an einem anderen Word 7, er erklärte die Unterschiede, die Möglichkeiten des neuen Programmes. Sie begriff schnell, hatte Spaß an der Arbeit am Computer, aber am meisten Spaß hatte sie an Hannes, wie er ihr alles erklärte, ganz der Profi, aber nicht von oben herab, sondern in kleinen verständlichen Schritten, mit leiser Stimme.
Ihr wurde schon wieder ganz anders.

„Du wärst ein guter Lehrer!" stellte sie fest und himmelte ihn an. „Du könntest eigentlich meine AG übernehmen!"
Er lächelte sie an. „Da wären die Jungs aber nicht damit einverstanden!"
„Die sind doch erst elf! Außerdem sollten wir für die Mädchen auch einmal was tun! Meine männlichen Kollegen sind leider nicht so ein Augenschmaus wie du!"

„Leider!? Leider!? Hört, hört! Das hätte sie wohl gern, meine schöne Studienrätin, am Arbeitsplatz ein bisschen flirten mit gutaussehenden Kollegen! Ich glaube, ich bringe dich sicherheitshalber jeden Tag in die Schule und hole dich wieder ab, und in der Pause sitzt du dann brav auf meinem Schoß!"
„Brav auf deinem Schoß? Meinst du, dass das klappt?" Es knisterte schon wieder gewaltig zwischen ihnen.

Hannes, reiß dich mal zusammen! sagte die Stimme in seinem Kopf.

Morgen! antwortete er.

„Mein Gott, ich brenne schon wieder!" flüsterte er und zog sie zu sich. „Was machst du nur mit mir, kleine Schönheit mit den Saphiraugen?" Seine Hände hatten sich schon wieder selbstständig gemacht. „Wie kann ein Satz von dir mich so erregen?" Seine Küsse waren zärtlich, wurden leidenschaftlich, fordernd.

Sie klammerte sich an ihn, atmete kaum noch, ihr Körper war Wachs in seinen Händen.
„Sagst du es mir, wenn es dir zu viel wird, süße Mia?" stöhnte er.
„Falls es mir zu viel wird, ja!" Und er liebte sie wie jedes Mal mit einer Hingabe, die sie immer noch staunen ließ. Und sie ließ sich lieben und liebte ihn mit einer Hingabe, die ihn immer noch staunen ließ, ihn in den Himmel hob!
Dann schliefen sie trunken vor Glück aneinander gekuschelt ein.


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