Kapitel 1
Mia saß in ihrem Wohnzimmer, ließ den Zeiger der Uhr nicht aus den Augen.
Es wurde eins, ihr Herz klopfte schneller, es wurde halb zwei, das Atmen fiel ihr schwer.
Es wurde zwei, und die erste Träne rollte über ihre Wange.
Okay, sie hatte es ja geahnt!
Er würde nicht anrufen!
Er hatte gespielt mit ihr ein paar Stunden lang, hatte seinen Spaß gehabt!
Aber warum war er ihr den ganzen Abend lang nachgelaufen?
Wo sie auch war, beim Essen im Restaurant, wenn sie mit anderen tanzte, wenn sie mit einem Verehrer an der Bar stand, immer war er plötzlich neben ihr, hat sie in den Arm genommen, sie geküsst, mit ihr getanzt.
Sie war immer wieder weggelaufen vor ihm, er war als Frau verkleidet gewesen.
Fürchterlich!
Sie wusste gar nicht, wie er aussah.
Gut, er war groß, sein Gesicht schien okay zu sein, aber er hatte bestimmt eine Glatze, oder langes fettiges, strähniges Haar! redete sie sich ein.
Warum wollte er denn unbedingt ihre Nummer, hat sie aufgeschrieben, in seinen Geldbeutel gesteckt?
„Geh nicht! Ich möchte dich im Arm halten, die ganze Nacht, wir können noch einen Kaffee trinken gehen! Du bist so süß!"
Warum hatte er all diese Dinge in ihr Ohr geflüstert, wenn er dann nicht einmal einen Anruf fertig brachte?
Sie fetzte ihre Hausschuhe in die Zimmerecke.
Männer!
Verdammte Idioten!
Ein einziger Anruf!
Warum wollte sie jetzt ausgerechnet ihn?
Ihn, von dem sie nur den Vornamen Hannes wusste?
Wahrscheinlich war er doof!
Geredet hatten sie ja praktisch gar nichts!
Dafür mehr geküsst!
Sie lächelte vor sich hin.
Ja, küssen konnte er, der Idiot!
Küssen konnte er wirklich!
Und zärtlich sein!
Nur ein bisschen!
Nicht übergriffig!
Die Sofakissen folgten den Hausschuhen.
Er hatte alles genauso gemacht, wie es ihr gefallen hatte.
Sie war ja mit ihren 28 Jahren absolut unerfahren im Umgang mit Männern.
Aber wie er sie behandelt hatte, das hatte ihr wirklich gefallen.
Und er hatte sie angelächelt, sie erinnerte sich wieder an dieses nette Lächeln, und seine hellbraunen Augen sah sie jetzt auch wieder vor sich.
Die Tischsets landeten in der Ecke.
Dann begannen die Tränen zu laufen, in Strömen.
Verdammter Idiot!
Ein Anruf!
Ein einziger Anruf!
Sie hatte so darauf gehofft, als sie mit ihrer Schwester und ihrem Schwager nach Hause gefahren war.
Auf der Treppe hatte er sie noch einmal so fest in die Arme genommen, sie noch einmal geküsst.
„Ich ruf dich zwischen eins und zwei an!" hatte er versprochen. „Hoffentlich erinnerst du dich dann noch an mich!"
Er hatte sie ganz ernst angesehen.
Als ob ich diese Küsse vergessen würde! hatte sie gedacht, aber nur genickt.
Jetzt war es fünf!
Sie sammelte die Sachen wieder ein, die in der Zimmerecke lagen, machte sich ein Brot, das sie hinunterwürgte, legte sich aufs Sofa, begann einen ihrer Tagträume, wie es hätte weitergehen können, wenn er nicht so ein Idiot! Idiot! Idiot gewesen wäre.
Vielleicht hätte sie bleiben sollen?
Aber sie war ohne Auto in der Stadt, sie konnte doch nicht bei einem Wildfremden bleiben!
Die Mädchen heute machten das wohl einfach, aber sie wusste nicht, wie sie sich hätte verhalten sollen.
Wahrscheinlich hatte er noch eine gefunden, die bei ihm blieb oder mit ihm ging, wohin auch immer.
Da war sie wohl ganz schnell vergessen gewesen, die zickige Kleine, die gegangen war.
Aber anrufen hätte er trotzdem können, oder nicht?
Machten das Männer nicht mehr?
War eine, die nicht gleich mitgehen wollte, uninteressant?
Sie hatte keine Ahnung von Männern!
Zwei Gläser Wein, eine halbe Schachtel Zigaretten später hatte sie die nötige Bettschwere, träumte sich noch ein wenig in seine Arme, da auf dem Ball in der Bar, dachte noch ein wenig an seine Küsse, seine Hände, die ganz sanft ihr Gesicht und ihre Schultern gestreichelt hatten und schlief schließlich ein.
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