Teil 46 Das achte Jahr
Marie schreibt:
Wir liegen hier in der Sonne, mein Traummann trägt nur eine Badehose, und ich soll über unser achtes Jahr schreiben?
Ich fürchte, das wird ein ziemlich versauter Text!
Ob er jetzt absichtlich seine Armmuskeln so spielen lässt? Hin, her! Was zieht er denn für eine Show ab?
Brustmuskeln, anspannen, Bauchmuskeln folgen! Hu! Mir wird heiß!
Dann fährt er sich auch noch durch seine dichten Haare, die zu meinem größten Glück wieder etwas länger sind als normal.
Ich habe ihm noch zwei Wochen abgetrotzt, bis er zum Friseur darf.
Jetzt fährt er auch noch mit der Zunge über seine vollen Lippen! Das darf nur ich! Worüber er wohl schreibt?
Mein Blick wandert tiefer, zu der Beule in seinen Shorts.
Aha! Kategorie: Nicht jugendfrei!
Ich lächle vor mich hin. Na ja! Stoff gab es in dem Jahr, über das er schreibt, fürwahr reichlich!
Wie in jedem Jahr!
Irgendwie habe ich das Gefühl, wir werden immer verrückter nacheinander!
Unsere Kinder ziehen uns schon auf. Leonies erste Worte waren: „Mama Papa küssen!"
Adrian und Moritz lächeln sich immer wissend an, wenn Niklas' Hand nach mir greift.
Nicola motzt, aber das ist auch nicht böse gemeint!
Also, was soll ich? Schreiben! Klar! Schreiben und wegsehen von diesem Bild von Mann! Schade eigentlich!
Gut! Das achte Jahr! Viele Talkshows, viele fremde Betten, viel Sex!
Themawechsel!
Durch die Berühmtheit, die wir erreicht hatten, flossen auch die Spendengelder. Wir konnten in einem Aufwasch die restlichen Klassenzimmer fertigstellen und sogar eine kleine Turnhalle bauen. Wir haben alle Stellen für Lehrer und Förderlehrer genehmigt bekommen.
Auf Kosten des Vereines haben wir Omar eingestellt, der uns nicht nur bei den Sprachen unterstützt, sondern auch unser Hausmeister ist.
Dazu noch nichtpädagogisches Fachpersonal, das die Aufsichten bei den Mahlzeiten übernimmt, was uns ungemein entlastet.
Die Leistungen unserer Schüler lassen nichts zu wünschen über, unser Konzept scheint aufzugehen, was auch die zuständige Schulaufsichtsbehörde, sprich: das Schulamt, immer wieder betont.
Wir fragen uns nur, warum es dann nicht in allen Schulen so gemacht wird.
Niklas hat eine Fortbildung für Lehrkräfte zusammengestellt, in der er unsere Thesen den Kollegen erklärt. Die Veranstaltungen sind immer sehr schnell voll von den Anmeldungen her.
Die Lehrerinnen und Lehrer finden „Unsere Schule" natürlich gut, aber draußen scheitert es immer an den zu großen Klassen und dem knappen Personaldeckel.
Und wann, reicher Freistaat Bayern, wirst du das auch begreifen und genügend Kohle locker machen? Warum forderst du nicht von den reichen Unternehmen einen Bildungssoli?
Gut ausgebildete Schüler sind deren Arbeitskräfte von morgen!
In einem Interview habe ich mal gesagt: „Wir sehen uns als Zelle im Bildungswesen, und wir würden uns nichts mehr wünschen, als dass diese Zelle sich teilt und teilt und teilt!"
Was dann einen besonders intelligenten Schreiberling zu der Headline animierte: „Unsere Schule – ein Krebsgeschwür?"
Wir haben das nicht einmal ignoriert! Am Anfang hätten wir uns fürchterlich über so etwas aufgeregt, aber mittlerweile sind wir eine ernstzunehmende Instanz, da kratzt uns so ein haarsträubender Blödsinn nicht mehr.
Außerdem suchen wir ja die Öffentlichkeit, wir müssen dann eben auch mit den manchmal unangenehmen Seiten leben.
Apropos unangenehme Seite. Einmal kamen uns in der Stadt Benni und Anne entgegen. Zum ersten Mal! Da hatte ich bisher ja wirklich Glück gehabt.
Als sie schon fast an uns vorbei waren, zischelte sie: „Ach! Die Frau Schulleiterin mit der großen Klappe!"
Mir wär's egal gewesen, aber Niklas haute die Bremse rein, drehte sich mit mir im Arm um, baute sich vor den beiden auf. „Was war das?" fragte er. So wütend habe ich ihn noch selten gesehen. „Meinst du nicht, du hässliches Weib, dass eine große Klappe besser ist als ein kleines Hirn?"
Benni fühlte sich natürlich verpflichtet, die Tussi zu verteidigen, was etwas lächerlich aussah, weil er eineinhalb Köpfe kleiner ist als Niklas und ihm auch nicht in die Augen sehen konnte.
„Nicht frech werden, ja?" druckste er heraus, hielt aber genügend Abstand.
Niklas bewegte sich einen Schritt auf ihn zu. „Nicht frech werden? Soll ich vielleicht so unverschämt werden wie ihr zwei? Die meinem Mädchen ein Kind aberpressen wollten, die vollkommen falsche Informationen über uns verbreiten? Bewusst! Und du?" Er kam Benni noch etwas näher. „Wie viel hast du kassiert, damit du dich von ihr fernhältst?" An Annes Blick konnte man unschwer erkennen, dass sie von dem Geld nichts gewusst hatte. Bingo!
„130.000! Das sind 10.000 für jedes Jahr, das ich an der Seite der frigiden Schnepfe ausgehalten habe!" konterte Benni wütend, wohl auch, weil sein Geheimnis aufgeflogen war. „Das ist wohl nicht zu viel bezahlt!"
Niklas sah ihn fassungslos an, begann zu grinsen, dann lauthals zu lachen. „Frigide Schnepfe!" Er schnappte nach Luft. „Damit meinst du aber jetzt nicht wirklich den heißen Feger da neben mir, oder?"
Langsam atmete er wieder normal. „Schau dir mal einen Porno an! Da bekommst du vielleicht mit, wie man Frauen behandeln kann! Für Learning by doing wird es ein wenig spät sein! Ich glaub nicht, dass du was anderes als die da abbekommst! Und die schaut auch nicht aus, als wüsste sie, wovon ich spreche!"
Damit zog er mich, immer noch leise lachend hinter sich her, wieder in die andere Richtung.
Dann sah er mich plötzlich an. „Sorry, Baby! Das war wohl etwas daneben!"
Jetzt musste ich über sein zerknirschtes Gesicht lachen. „Nein, das war extraordinaire! Ich hätte es nicht schöner formulieren können!" Ich legte den Kopf schief. „Pornos also?"
Wieder begann er zu lachen. „Nein, wirklich nicht! Ich war schon immer mehr für das Originale!"
„Gut! Sonst hättest du meine Wissenslücken diesbezüglich füllen müssen!" forderte ich ihn heraus.
„Und mit dir Pornos schaun?" gab er grinsend zurück. „Süße! Ich kann dir versichern, da lernst du nichts, was du nicht schon kannst!" Ein leidenschaftlicher Kuss sollte mich wohl zum Schweigen bringen. Falsch gedacht!
„Also doch?" flüsterte ich in seinen Mund.
„Halt die Klappe, Goldenberg!" knurrte er. „Sonst vernasche ich dich in der nächsten Gasse! Dann hast du deinen Porno, du Biest!"
Lachend und vollkommen aufgedreht liefen wir weiter durch die Stadt und waren beide nicht älter als sechzehn!
„Was kritzelt ihr eigentlich dauernd?" fragte Nicola, was ihr einen Blick unter hochgezogenen Brauen ihres Vaters einbrachte.
Er war der Einzige, der ihre freche Klappe hin und wieder etwas abbremsen konnte. Wir waren schon dafür, dass unsere Kinder offen über alles mit uns sprechen konnten, aber besonders Niklas legte großen Wert auf einen respektvollen Umgangston innerhalb der Familie.
Nicola wurde etwas rot. Der Papa durfte nicht böse auf sie sein! „Entschuldigung!" sagte sie leise. „Darf ich erfahren, worüber ihr beide schreibt?"
Niklas lächelte seine Große wieder liebevoll an. „Natürlich! Wir schreiben Briefe an uns. Über die wunderbaren letzten Jahre!" erklärte er.
Adrian und Moritz spitzten die Ohren. „Steht da auch was über uns drin?" fragten sie beide gleichzeitig, wie so oft, und kuschelten sich an mich.
Leonie musste natürlich nachplappern: „Über uns drin?" Etwas unsanft ließ sie sich auf Niklas' Körpermitte fallen, der die Luft tief einzog. Ich ahnte, welchen Körperteil die Kleine erwischt hatte!
„Natürlich! Das Meiste!" antwortete ich und wurde nicht einmal rot bei der Lüge.
Da waren alle vier zufrieden. Eltern, die Seite um Seite über ihre Kinder vollschrieben, durfte man nicht stören.
Also, um mich nicht ganz und gar als Schwindlerin zu fühlen: Unsere Kinder!
Aber was soll ich schreiben? Sie waren einfach perfekt! Vom ersten Tag an! Was natürlich auch an den Vaterqualitäten des unbeschreiblich tollen Mannes an meiner Seite lag!
Da! Bin ich schon wieder bei ihm!
Also unsere Kinder:
Nicola war der Star ihrer Schule, hatte unzählige Freunde, war aber nie überheblich oder herablassend. Sie kümmerte sich um alle, die sich nicht so leicht taten wie sie. Manchmal verlieh ihre Lehrerin sie sogar an Kollegen! Sie war musikalisch, konnte sehr gut zeichnen, und hatte als Einziges von mir ihre freche Klappe geerbt. Sie war wunderschön, größer als ihre Mitschüler, die Gene des Papas!
Sie war ein Prachtmädel durch und durch, kümmerte sich um ihre Geschwister, kam mit allen Erwachsenen prächtig aus. Und, ich hoffe, dass ich mich nicht täusche: Sie war glücklich.
Immer!
Jeden Tag tanzte sie durchs Leben!
Adrian und Moritz waren verschmitzte kleine Wonneproppen mit einem trockenen Humor, natürlich auch wunderhübsch, groß und kräftig (siehe oben – die Gene!)
Meistens beschäftigten sie sich miteinander, sie waren nicht nur äußerlich eineiige Zwillinge, auch die Charaktere waren gleich. Sie waren wohl die musikalischsten von allen vieren, sangen in diesem seltsamen Kinderenglisch alle Songs nach, die sie so hörten, ob vom Papa oder im Radio.
„Wir werden eine neue Kelly-Family!" scherzte Niklas manchmal.
„Aber ohne Mama!" erklärte Nicola dann immer. Das durfte sie auch sagen, denn meine Unmusikalität war sprichwörtlich.
Und Leonie? Dieses Kind, das es wirklich nicht hatte geben sollen? Sie war Niklas' Augenstern, auch wenn er das nie zugeben würde. Ein Sonnenschein und Papakind, das mich in den ersten Monaten kaum an sich rangelassen hatte! Das hatte sich erst gegeben, als sie begann zu laufen. Die Begleitung bei den Gehversuchen war bei allen Vieren immer mein Part gewesen, weil ich von der Körpergröße her näher am Geschehen sein konnte.
Ja, unsere Kinder! Vier an der Zahl! Jahrelang hatte ich darunter gelitten, nicht schwanger zu werden.
Heute bin ich dafür natürlich zutiefst dankbar! Ein Kind mit Benni wäre zurückschauend eine einzige Katastrophe!
Okay! Ein Kind ist keine Katastrophe, aber besser ist es so!
Ich war damals schon sauer, wenn Familien sechs, sieben Kinder hatten und jedes vergaßen, sobald es auf der Welt war.
Ich war sauer, als eine Frau von Bennis Freunden immer wieder schwanger wurde, trotz Pille und Spirale.
Ich war gekränkt, wenn immer wieder diese Fragen kamen, wenn ich mich minderwertig fühlte.
Ich wusste, ich konnte eine gute Mutter sein! Aber ich wurde eben keine!
Und heute danke ich Gott von ganzem Herzen, dass Niklas der Vater meiner Kinder ist, sorry, Baby: Unserer Kinder natürlich!
Denn dadurch habe ich nicht nur viele, sondern auch die schönsten Exemplare ever bekommen!
Und die intelligentesten!
Und die liebenswertesten!
Und die lustigsten!
Und die .... die ... die besten eben!
Wegen der Gene! Und seiner großartigen Art, mit ihnen umzugehen!
Kann eine Frau glücklicher sein als ich?
Niemals! Manchmal habe ich ein wenig Angst, dass ich für all das Glück bezahlen muss!
Ich fürchte jeden Arztbesuch wie die Hölle, weil ich glaube, dass ich eine schlechte Nachricht bekomme! Deshalb muss auch Niklas immer mit.
Einmal habe ich mit Sophie über diese Angst gesprochen, sie hat mich in den Arm genommen und mit mir geschimpft. „Bist du total bescheuert, Marie? Du hast 13 Jahre deines Lebens an diesen Kretin vergeudet! Hast du das denn schon vergessen? Du hast Vorkasse beim Schicksal geleistet, wenn es denn so drauf ist."
Ihre Worte haben mich ein wenig beruhigt! Ja, so konnte man das auch sehen, so wollte ich es in Zukunft auch sehen!
Außerdem machten wir ja etwas Gutes aus unserem Leben, warum sollten wir dafür bestraft werden?
Also, falls das Schicksal so drauf war!
Wie bin ich jetzt auf das fatalistische Zeug gekommen? Ach ja, Glück! Glückliche Frau, die ich bin!
Manchmal diskutiere ich auch mit Niklas bei unseren Gesprächen, für die wir immer noch Zeit finden, darüber.
Ich behaupte immer, mir fällt alles in den Schoß, ich bin verwundert, dass ich so überhäuft werde vom Glück.
Er vertritt die Meinung, dass ich für alles gekämpft habe und eben dafür belohnt werde.
Vielleicht haben wir beide Recht, ich kämpfe um das, was mir wichtig ist, und dafür fällt es mir dann in den Schoß.
Auf alle Fälle ist es unglaublich, dass wir uns gefunden haben und unseren Traum verwirklichen konnten. So weit sind wir schon gekommen, es ist unfassbar!
Und immer noch haben wir Zeit für uns, für die Familie, für Freunde. Unsere Tage scheinen 48 Stunden zu haben, und dann kommt noch die Nacht dazu.
Wobei ich wieder bei meinem Lieblingsthema wäre!
Oh, mein innig Geliebter will schwimmen gehen! Braucht wahrscheinlich Abkühlung, er sieht mich schon eine Weile so an. So begehrlich! Oh! Was für ein wunderschönes Adjektiv!
Wahrscheinlich will er ein wenig Petting machen, da drüben an der Holzinsel! Da haben wir schon ein paar heiße Runden absolviert. Irgendwann einmal sperren sie uns ein wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses!
Vielleicht in eine Zelle? 14 Tage lang? Perfekt! Ich werde jeden Pflichtverteidiger ablehnen!
Gut, schreibe ich eben später weiter!
Später
Ich stand auf, räkelte mich ein wenig, sah, wie seine Augen eine Spur dunkler wurden.
Gut! Es macht mich vollkommen an, diese Wirkung auf ihn zu haben, noch immer!
Mit gekonntem Hüftschwung, von dem ich früher nicht die leiseste Ahnung hatte, dass ich ihn beherrsche, ging ich langsam zum Wasser, ließ mir etwas Zeit, fühlte seine Blicke auf mir.
In mir prickelte alles!
Plötzlich fielen mir Bennis Worte ein: Frigide Schnepfe! Und ich musste beinahe lachen. Wenn der uns mal sehen könnte, wenn wir in der Nacht das Bett verwüsten, uns lachend aus den Laken befreien, die wir vollkommen abgezogen haben!
Nein! Einen Porno schauen mussten wir bei Gott nicht! Drehen schon eher!
Also, dann kam der unvergleichliche Typ, der bestaussehende Mann am gesamten Badestrand, langsam hinter mir her.
Ich kann das durchaus beurteilen, denn ich sehe mir schon die anderen Typen auch an, schließlich bin ich eine Frau! Aber, bei Gott! Keiner kommt vom Aussehen her an den heran, der unbedingt mich lieben will!
Kein Hollywoodstar, kein Popsänger kann ihm das Wasser reichen, meinem Hübschen!
Mit einem ganz gemeinen, hinterhältigen Platscher landete er wie immer neben mir und kraulte lachend los, während ich ihn wüst beschimpfte.
Doch insgeheim war ich ihm auch immer dankbar, weil ich dann nass war und losschwimmen konnte. Ich schwamm gerne, und ich schwamm mittlerweile richtig gut. Niklas hat mir das Kraulen beigebracht und ich liebte es, mit gleichmäßigen Zügen auch vorwärts zu kommen. Dadurch habe ich meine Angst vor dem tiefen Wasser verloren.
Ich konnte meine Kraft realistisch einschätzen. Er wartete schon an der Holzinsel, feuerte mich an.
Und dann konnte ich endlich meinen Körper an seinen pressen, seine nassen Lippen küssen, ohne dass ein Kind maulte. Dann endlich fühlte ich seine Hand auf meinen Brüsten, im Slip des Bikinis, seine Finger in mir, während sein Daumen mit meiner Klit spielte.
Ich konnte endlich seine Erektion in meine Hand nehmen, ihn zärtlich und hart berühren, so wie er es mochte. Leise stöhnend kamen wir beide, lachten uns an wie zwei Lausbuben, die etwas sehr Verbotenes getan hatten und nicht dabei erwischt worden waren.
Als sich unser Herzschlag wieder beruhigt hatte, schwammen wir langsam zurück., mussten aber immer wieder wassertretend Kusspausen einlegen.
Nach der dritten sagte Niklas gottergeben: „Jetzt bin ich wieder da, wo ich beim Losschwimmen war!"
Vor Lachen schluckte ich Wasser, spritzte zur Strafe eine Fontäne auf ihn.
Ich weiß, dass ich über das achte Jahr schreiben sollte, aber das unterschied sich nicht groß von heute, also was uns zwei verliebte Trottel anbelangt!
Eine verrückt verliebte, unheimlich glückliche Marie – damals wie heute.
Als sie das Ufer wieder erreicht hatten, spritzen sie die Kinder nass, die glücklich kieksten, knuddelten alle ab, schmusten sie nieder.
„Ich hole mal was zum Essen!" verkündete Niklas dann. Er wollte zum Kiosk joggen, da würde sich auch die Erregung wieder legen.
„Ich komme mit!" beschloss Nicola.
„Mit!" erklärte Leonie.
Gut! dachte Niklas. Dann beruhigt sich mein Freund im Süden auch. Der verstand sehr gut, dass ein Vater mit zwei Töchtern nicht mit einem Ständer um ein Viertel des Sees laufen konnte.
Niklas nahm Leonie auf den Arm, die sich an ihn schmiegte und Nicola an die Hand. Wieder folgten dem gutaussehenden Mann mit den beiden hübschen Kinder viele, oder besser, alle Blicke.
Am Verkaufsstand ließen ihn die Anstehenden vor. Die Kinder hatten bestimmt Hunger!
Marie wechselte den Bikini, trocknete sich ab. Adrian und Moritz kuschelten sich in ihre Arme, genossen die ungeteilte Aufmerksamkeit der lieben Mama.
„Das ist ein schöner Tag!" stellte Adrian fest.
„Mhm!" machte Moritz genüsslich, als sie den Jungs über den Rücken strich. „Wir sind glückliche Kinder!"
Marie stiegen die Tränen in die Augen.
Adrian nahm den Gesprächsfaden auf. „Andere Kinder sind nicht so glücklich! Die schreien die Eltern oft an!"
„Aber wir alle helfen diesen Kindern!" fügte Moritz hinzu.
Sie konnte nicht anders, sie musste die beiden Schätzchen abküssen.
„Das hätten wir auch gerne! Ein paar Küsse von so einer heißen Braut!" hörte sie plötzlich eine Männerstimme.
„Und sie ist ganz alleine und verlassen!" meinte ein anderer.
„Wahrscheinlich wartet sie auf uns!" Eine dritte Stimme.
Marie sah auf. Drei Typen Anfang 20 hatten sich auf den Decken ihrer Familie niedergelassen.
„Ich an eurer Stelle würde ganz schnell verschwinden, bevor mein Mann zurückkommt!" stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Sie wollte nicht laut werden, um Adrian und Moritz nicht zu erschrecken.
„Dein Mann! Oh! Wo ist er denn, dein großer, starker Mann, vor dem wir eine solche Angst haben?" meinte der eine. Er streckte seine Hand nach Marie aus.
Eine halbe Sekunde später lag er im Wasser, seine beiden Kumpel folgten unmittelbar danach.
Marie sprang auf, sah drei Typen, die die Prolos in den kalten See befördert hatten und sie sehr bedrohlich ansahen.
Die drei Jungspunde machten sich vom Acker.
„Danke!" sagte Marie mit klopfendem Herzen zu ihren Rettern.
„Keine Ursache!" meinte der Größte, der sicher an die zwei Meter maß. „Wir müssen doch ein Auge auf Sie haben! Das geht gar nicht, das diese Neandertaler Sie als Freiwild ansehen!"
In diesem Augenblick kam Niklas im Laufschritt an. Er hatte gesehen, dass drei Typen bei seiner Süßen standen. Drohend baute er sich vor dem Hünen auf, doch Marie klärte schnell die Situation.
Niklas bedankte sich herzlich bei dem Riesen, zu dem sogar er hochsehen musste.
„Wir haben immer ein Auge auf unsere Umgebung!" erklärte Karl, wie er sich vorgestellt hatte. Alle Helfer waren an beiden Armen tätowiert, in Nase und Augenbrauen trugen sie Piercings. Eigentlich sahen sie aus wie Typen, denen man nicht in der Nacht alleine begegnen wollte. „Wir haben die drei schon kommen sehen! Da mussten wir eingreifen!"
Dann konnte die Familie sich endlich die Bratwurstsemmeln schmecken lassen. Adrian und Moritz waren doch etwas geschockt gewesen von dem Vorfall.
Doch langsam fanden sie ihre Worte wieder.
„Der wollte Mama küssen!"
„Dann hat er sie beinahe angefasst!"
„Dann war der große Mann da!"
„Dann war der erste im Wasser!
„Und dann die anderen beiden!"
„Dann sind sie weggelaufen!" sprudelte es aus ihren Mündern hervor.
„Wenn wir groß sind, passen wir auf die Mama auf!" versprach Moritz abschließend.
Leonie sah ihre Brüder begeistert an. Das war ja mal ein Abenteuer gewesen!
Anschließend durften die Kinder ins Wasser, Niklas übte mit Nicola Brustschwimmen, sie machte das schon recht gut.
Die Kleinen alberten mit Schwimmflügeln im seichten Wasser, beaufsichtigt von Marie.
Ihre Retter kamen mit Frauen und Kindern dazu, es war ein fröhliches Geplantsche.
Als die Kinder wieder trocken und frisch angezogen waren, holte Niklas seine Gitarre. Es war ein warmer Julisamstag, der sehr spät in eine laue Nacht überging.
Niklas begann zu spielen, dann zu singen, die Gruppe um die finsteren Gestalten mit dem großen Herzen rückte näher, genoss die Musik. Einer warf den Grill an, der Duft von bratendem Fleisch und Grillwürstchen zog das Ufer entlang. Wie immer beim Grillen war zu viel eingekauft worden. So wurde auch die sechsköpfige Familie mitversorgt.
Niklas trank Bier, das er eigentlich nicht mochte – er war eher der Weintyp. Die Kinder spielten zusammen, es war eine mehr als fröhliche Gesellschaft, die sich zusammengefunden hatte.
Eine der Frauen hatte Marie schon eine Weile fixiert, nicht böse, eher neugierig.
„Dich kenne ich doch irgendwoher!" sagte sie schließlich.
Marie wand sich ein wenig.
Da dämmerte es der anderen. „Aus dem Fernsehen! Genau! Du bist immer in Talkshows, weil ihr diese Schule gegründet habt!"
Dann mussten sie erzählen, wie das alles so zustande gekommen war, und sechs Erwachsene hingen ehrfurchtsvoll an den Lippen der beiden Berühmtheiten. Alle ließen sich die Adresse der Homepage geben. „Da werden wir Mitglieder in diesem Verein!" verkündete Karl. „Und wir machen super viel Werbung für euch!"
Marie hatte sich kurz zu Seite gesetzt, um im Schein ihrer Handy Taschenlampe ihren Bucheintrag zu vervollständigen. Sie hatte ja etwa abrupt abgebrochen!
Erst gegen Mitternacht machten sich alle auf den Heimweg.
Marie war glücklich! Wieder einmal hatte sie einen Tag lang jung sein dürfen, hatte sie losgelöst lachen können, hatte sie reden dürfen - und es hatte ihr sogar jemand zugehört, fremde Menschen hatten sich zu ihnen gesellt, sie hatten zusammen Spaß gehabt!
Am Sonntagnachmittag wollten die Kinder unbedingt mit Sophie und Harald in den Zoo. Niklas und Marie hatten nicht wirklich Einwände anzumelden.
So ein richtig lauter, ungehemmter Tagesfick hatte schon etwas für sich!
Ausgepowert lagen sie danach auf der Liege, lasen, was sie am See geschrieben hatten.
Er: Du wirst immer frecher, Süße!
Sie: Gut!
Er: (lachend) Ja! Sehr gut!
Sie: Aber die erste Talkshow war cool!
Er: (verzog das Gesicht ein wenig) Wir mögen als Lehrer dieses Adjektiv zwar nicht, aber, ja! Sie war
durchaus cool!
Sie: Der hatte ja voll einen an der Platte!
Er: Aber meine Süße hat ihn zusammengefaltet! So was von!
Er: Benni! Ich wollte zwar diesen Namen nie wieder hören, aussprechen oder gar lesen, aber
das war ja durchaus erwähnenswert!
Sie : (lachend) Du drückst dich aber heute sehr gewählt aus!
Er: Ich muss ja das „cool" wieder ausmerzen!
Er: Du sollst nicht immer über mich schreiben! Du sollst erzählen, was passiert ist in diesem Jahr!
Sie: (lasziv lächelnd) Am Badestrand? Wenn du in einer Badehose keinen Meter von mir entfernt
liegst?
Er: Du findest mich noch immer heiß?
Sie: Ich? Dich? Wie du nur darauf kommst?
Er zitierte einige Sätze aus ihrer Kladde.
Sie: Und das habe ich geschrieben? Das gehört sich aber ganz und gar nicht! Ich bin eine vierfache
Mutter!
Er: (zog sie auf sich) Und baldige Ehefrau!
Niklas hatte eigentlich ein paar Tage nach seinem angenommenen Antrag das Aufgebot bestellen wollen, aber sie hatte ihn noch ein wenig hingehalten. Er wusste, dass sie schwer mit sich kämpfte, noch immer!
Deshalb gestand er ihr diese letzte Frist noch zu. Aber in zwei Wochen war Hochzeit, und es würde keine Ausflüchte mehr geben!
Es war der Sommer ihres elften Jahres, es wurde Zeit!
„Dann sollten wir vielleicht die letzten zwei Jahre noch aufschreiben!" schlug sie vor. „Nicht dass da etwas ans Tageslicht kommt, was gegen eine Heirat spricht!"
Er streichelte ihr wunderschönes, blondes Haar. „Mein kleiner Angsthase! Man könnte glauben, deine Eltern haben eine Zwangsehe für dich arrangiert!"
Sie lächelte ihn schief an. „Ja, oder? Mit einem kleinen, dicken, kahlen, hässlichen, unsympathischen Kerl!"
„So ungefähr kommt das rüber, ja!" meinte er. „Aber du könntest es schon lange überstanden haben, wenn du nicht so zickig wärst!"
Marie wusste, dass sie bei diesem Thema wirklich zickig war! Aber sie hatte echt Panik davor, verheiratet zu sein! Sie genoss ihr gemeinsames Leben so sehr wie es war, verstand auch nicht ganz, warum Niklas eine Hochzeit so wichtig war!
Sie lebten im 21. Jahrhundert!
Aber sie hatte „ja" gesagt, da auf Korsika hatte sie es auch total in Ordnung gefunden, aber zu Hause hatte sie wieder tausend Ausreden gefunden.
Niklas nahm sie in den Arm. Und dann sagte er die Worte, die alle Bedenken wegspülten: „Ich bin doch nur ein Junge, der dich für immer lieben will! Und der das der Welt auch sagen und zeigen will! Schau, unsere Gesellschaft ist immer noch sehr maskulin ausgerichtet. Wenn ein Mann und eine Frau zehn Jahre zusammenleben und vier Kinder haben, denkt doch eben diese Gesellschaft automatisch, dass ich nicht heiraten will! Dass eine Frau einem Prachtkerl wie mir jedes Mal wieder einen Korb gibt, kann doch niemand glauben! Und ich will nicht als ein solcher Mann angesehen werden, der die entzückende Mutter seiner entzückenden Kinder nicht zu seiner Frau haben will!"
Marie kämpfte gegen die Tränen, aber sie verlor auf ganzer Linie. Sie war echt bescheuert gewesen!
Voll und ganz!
Er hielt sie im Arm, bis die Flut abnahm, küsste ihr die letzten Tränen weg.
„Endlich kapiert?" fragte er mit belegter Stimme.
Sie nickte nur.
Da stand er auf und holte die Kladden. Er hätte sich eine bessere Beschäftigung für den kinderfreien Tag vorstellen können, aber es musste wohl sein. Sie mussten die Bücher zu Ende schreiben, bevor sie ihr Leben als Mann und Frau beginnen konnten.
Da hatte sie vielleicht ausnahmsweise Recht.
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