Kapitel 83
Sie setzten sich zu den Gästen. Der Verein Marry-Fuerte hatte Tische aufgebaut, die Stühle darum gruppiert. Die Freunde und Nachbarn erzählten, wie Lukas sie überzeugt hatte, die Tickets gebucht hatte, die Hotelzimmer und Fincas, die Autos. Es war eine logistische Höchstleistung gewesen, alles zu arrangieren.
„Und meine süße Schnuckelmaus war doch tatsächlich eifersüchtig, weil ich so viel telefoniert habe! Als ob ich fünfzehn Freundinnen abgesagt hätte, ein paar Tage nach der Verlobung!" Er schüttelte den Kopf. „Das war auch das erste Mal!"
„Das glaubst auch bloß du!" flüsterte sie mehr zu sich selbst. Überrascht sah er sie an. Das hatte er nicht gedacht, so taff wie sie immer mit der Thematik umgegangen war. Er küsste sie zärtlich.
Martin berichtete von der Trennung von Sandra, nach dem Abend mit den Freunden hatte er sie nicht mehr gesehen. „Ihre Verrücktheiten hatten mich wieder jung fühlen lassen, aber es war Quatsch! Der Abend mit euch hat mir die Augen geöffnet. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, und ich will es auch nicht mehr!"
Er erzählte, dass er sich wieder mit Ramona traf, seiner intelligenten Ehefrau, Mutter seiner zwei- und dreijährigen Töchter, die mittlerweile auch ein paar Kilo abgenommen hatte, ihren Anteil am Scheitern ihrer Ehe auch eingeräumt hatte. Es war noch keine neue Liebe, würde es vielleicht auch nicht mehr werden, aber eine Freundschaft war möglich.
Ben und Micha hatten ihren Sohn bei ihren Eltern gelassen, freuten sich auf ein paar Tage als Paar.
„Wir lieben ihn heiß und innig, aber Zeit für uns haben wir nicht mehr viel!" meinte Micha. Ben küsste sie für ihre Worte.
Lukas lachte. „Das Problem haben wir im Doppelpack! Aber da muss man halt erfinderisch sein. Wir haben den Keller hübsch ausgebaut, und sperren sie am Tag ein paar Stunden da ein. Außerdem haben wir vom Jugendamt eine Pflegefamilie suchen lassen, bei der wir sie von Zeit zu Zeit abgegeben können!"
Ben und Micha lachten Tränen. „Seit wann bist du Vater? Seit drei Wochen? Da hast du aber schon ganz schön viele Pläne entwickelt!" meinte Ben.
„Das liegt daran, dass ich schon seit sieben Jahren wahnsinnig verliebt bin!" gab Lukas schmunzelnd zu bedenken.
Thorsten war auch schon lange mit Katja zusammen, Anja kannte sie von früher. Sie hatten eine einjährige Tochter. Chris hatte alleine fliegen müssen, Susanna war im achten Monat schwanger. Sie kannten sich seit drei Jahren, wollten nach der Geburt heiraten.
Und da war da noch Andi mit Angie, die sich gefunden, getrennt, gefunden, getrennt und zur Zeit wieder gefunden hatten und im Moment nicht recht wussten, in welchem Stadium sie glücklicher waren.
„Ihr seid noch ein bisschen verrückter als wir! Oder soll ich sagen, dümmer?" stellte Anja fest. „Vielleicht täte euch eine Zeit der Nicht-Beziehung gut? Vielleicht solltet ihr Freunde sein, die hin und wieder miteinander schlafen?"
Andi schien darüber nachzudenken. So dumm war der Vorschlag gar nicht. Getrennte Wohnungen, werben umeinander, prickelnde Gefühle, so wie Anja und Lukas das praktiziert hatten.
„Aber, irgendwie ist das schon lustig, dass unser oberster Frauenfreund, unser Hansdampf in allen Betten, schon am längsten Vater ist!" stellte Ben lachend fest.
„Was ist ein Hansdampf in allen Betten?" fragte Chiara, die sich angeschlichen hatte.
„Viel Vergnügen beim Erklären!" sagte Lukas lachend und zog mit Anja weiter.
Ben geriet in die Warum- und Argumentationsschleife einer Viereinhalbjährigen, nahm sich vor, in Zukunft mit seiner Wortwahl etwas vorsichtiger zu sein, wenn Kinder in der Nähe waren.
„Du nimmst aber das Gefrotzele von Ben nicht ernst, Süße, oder?" Er ärgerte sich ein wenig über den Freund.
Ausgerechnet bei seiner Hochzeit mussten diese Anspielungen ja auch nicht sein.
Sie lachte ihn nur an. „Was interessiert mich der Schnee von gestern! Wenn ich einen Mönch gewollt hätte, hätte ich im Kloster gesucht!"
Er nahm sie in den Arm, drückte sie so fest, wie er es als aufmerksamer Ehemann verantworten konnte, an sich. Diese Frau war der Hammer!
Sie setzten sich zu den Verwandten. „Ich bin ja gespannt, wie oft du uns noch missbrauchst für deine Tricks!" Oliver schlug Lukas ab.
„Was täte ich bloß ohne euch! Der Widerspenstigen Zähmung wäre nicht so erfolgreich ohne euch!" lachte Lukas.
„Und du meinst, du hättest die Widerspenstige gezähmt?" fragte Anja schelmisch.
„Nein, meine Süße! Noch lange nicht! Aber ich arbeite täglich daran!"
Die Eltern von Lukas nahmen sie in den Arm. „Wir freuen uns so, Anja, dass Lukas die nette und hübsche Frau Berentz geheiratet hat!" sagte Hannah.
„Was meinst du, wie ich mich erst freue, dass euer Verkuppeln erfolgreich war!" antwortete sie.
Johannes drückte sie an sich. „Vielleicht sollten Männer öfter auf ihre Frauen hören!" räumte er ein.
„Es ist gut, wie es ist, es war gut, wie es war, es wird gut sein, wie es sein wird!" antwortete Anja. Lukas zog seine wunderschöne, kluge Anja an sich. Sie konnte vielleicht mit Worten umgehen, seit sie die Liebe zuließ!
Ihre Eltern sahen ihre hübsche Tochter stolz an. Sie hatten nie verstanden, warum sie damals so lange bei Peter geblieben war, ihn sogar geheiratet hatte.
Die beiden hatten eigentlich nie zueinandergepasst!
Nicht äußerlich, nicht intellektuell!
Aber sie wollten sich nicht einmischen!
Dann schien sie verliebt zu sein, sie erzählte aber nicht das Geringste von dem Mann in ihrem Leben. Erst als sie sie über ihre Schwangerschaft informierte, erfuhren sie Details.
Okay, Sonja und Oliver hatten ein wenig von dem jungen Mann erzählt, mit dem sie in einer Beziehung, oder besser, einer Nicht-Beziehung lebte, aber von ihr selbst hatten sie nichts erfahren.
Und jetzt war er da, der Schwiegersohn, der Vater ihrer Kinder, und die Liebe zwischen den beiden war fast mit Händen greifbar. Sie hatte viele Jahre mit Peter vergeudet, aber das Schicksal schien sie zu entschädigen mit Lukas, der Liebe ihres Lebens.
Sie setzten sich zu Uschi und Christoph und ihren Nachbarn. „Ich finde das unfassbar, dass ihr gekommen seid!" sagte Anja überglücklich.
„Du weißt doch, dass gegen Lukas kein Kraut gewachsen ist!" scherzte Helga.
„O ja! Das weiß ich!" Sie schmiegte sich an ihn. „Er ist wie ein Tornado, der dich in sein Zentrum zieht und dein Leben durcheinanderwirbelt!"
Sein Kuss wirbelte sie wieder einmal gehörig durcheinander.
Es war eine traumhafte Feier, so wie er sie damals in der Küche beschrieben hatte. Eine riesengroße Fröhlichkeit herrschte in der kleinen Bucht am Meer auf ihrer Insel der Liebe, die ihre Seelen geheilt hatte.
Die Kinder wurden von Schoß zu Schoß weitergereicht, dazwischen holte Lukas sie auf seine Arme zurück, musste sie abküssen, an sich drücken, immer noch unfähig, das ganze Ausmaß seines Glückes zu fassen.
Die Sonne versank im Meer, Lampions wurden angezündet, das Abendessen serviert: Warme und kalte Tapas, hervorragend zubereitet oben in der Finca, frischgebackenes Brot, hervorragender Wein, dem aber wenig zugesprochen wurde.
Dann tanzten sie zur Musik aus dem Recorder im tiefen Sand, heiß, eng, sehnsuchtsvoll einige der Paare. Es wurde eine Polonaise organisiert vom Verein, die Kinder hatten einen Riesenspaß. Lukas zog Anja hinter den Felsen in ihre geschützte Zone.
„Und, Ehefrau-Engelchen, gefällt es dir?"
„Passt schon!" meinte sie und küsste ihren umwerfend hübschen, umwerfend tollen, umwerfend verrückten Ehemann heiß.
„So, so! Passt schon!" Er streichelte sie heiß, fordernd, leidenschaftlich. „Ist die Engelchen-Ehefrau ein kleines bisschen verrückt nach ihrem verrückten Ehemann?"
„Nö!"
„Nein?" Er ließ seine Hände auf eine leidenschaftliche Reise gehen.
„Nö! Sie ist nicht ein kleines bisschen verrückt! Sie ist total, vollkommen, unglaublich verrückt nach ihrem verrückten Ehemann!"
„Die Adjektive passen!" stellte er zufrieden fest.
Dann schob er sie ein wenig von sich weg, seine Stimme klang sehr ernst, als er sagte: „Ich liebe dich Anja, ich liebe dich so sehr! Ich kann nie mehr ohne dich leben, ist dir das klar?"
„Ja!" antwortete sie. „Keiner von uns beiden kann mehr ohne den anderen leben!" Er küsste sie auf eine sehr gefährliche Weise.
„So viele Babysitter!" schoss es ihr durch den Kopf. „Ich muss ihn jetzt haben!"
Aber es war ihre Hochzeitsfeier, sie musste durchhalten, bleiben, lachen, small-talk-machen, tanzen, sich unterhalten - aber sie wollte ihn, wollte ihn, wollte ihn.
„Sollen wir nach oben gehen?" fragte Lukas ein wenig atemlos. Er fühlte dieses wahnsinnige Begehren wie sie. Konnte nicht mehr, konnte nicht mehr, konnte nicht mehr!
„Ja!" hauchte sie, ohne nachzudenken, was die Gäste von ihnen halten würden.
Sie schlichen sich den Pfad nach oben, schlichen in ihr Schlafzimmer, liebten sich als leidenschaftliches Ehepaar, er gab ihr alles, was er ihr geben konnte. Nach einer angemessenen Zeit zum Runterkommen machten sie sich erfüllt, befriedigt, glücklich auf den Weg zurück.
Ein paar grinsende Gesichter erwarteten sie, aber die meisten hatten ihr Fehlen nicht bemerkt.
Sie kamen in die Runde zurück, als wäre nichts geschehen.
Es war ja auch nichts geschehen!
Die Planeten waren aus der Bahn katapultiert worden, die Erde hatte ihre Drehgeschwindigkeit erhöht, die Sonne war mitten in der Nacht aufgegangen, aber sonst war nichts geschehen.
Die Musik aus dem Lautsprecher wurde langsamer, ein Schmusesong folgte dem anderen, die Paare tanzten engumschlungen im tiefen Sand, die Kinder hatten sich auf eine Decke zurückgezogen und waren am Einschlafen, Lukas küsste sie beide, deckte sie mit einer zweiten Decke zu.
Fackeln wurden entzündet, eine riesige Hochzeitstorte serviert, die sie beide anschnitten. Es dauerte eine Weile, weil sie sich sehr lange küssen mussten.
Die Torte wurde verspeist, die Kinder wachten kurz auf, um auch ein Stückchen abzubekommen, kuschelten sich wieder auf ihr provisorisches Nachtlager.
Um Mitternacht verstummte die Musik, die Fackeln wurden gelöscht, unbemerkt von den feiernden war ein Boot in der Bucht eingelaufen.
Von dort erklang Ravels Bolero, die ersten Raketen wurden gezündet, die in ein riesiges Feuerwerk übergingen.
Herzen, saphirblaue Kaskaden, ihr Name und sein Name in einem großen Herzen, Amor di ma vida, als die Musik ihren Höhepunkt erreichte.
Ihr liefen die Tränen des Glückes übers Gesicht, die Kinder waren wieder aufgewacht, sie hielten sie auf dem Arm ganz fest, hielten auch sich ganz fest, fest ein Leben lang!
Sie atmete erst wieder, als die letzten Lichter verloschen, die letzten Töne verklungen waren.
Danach wurde nicht mehr viel gesprochen, alle waren zu aufgewühlt. Die Gäste verabschiedeten sich, Sonja und Oliver nahmen die Kinder für die Nacht mit zu sich.
Anja und Lukas standen alleine am Strand ihrer Liebe, auf der Insel ihrer Liebe und hielten sich stumm im Arm, unfähig zu sprechen.
„Ich glaube nicht, dass eine Frau je glücklicher war als ich!" sagte sie schließlich leise.
„Und ich glaube nicht, dass ein Mann je glücklicher war als ich!" sagte er leise.
Sie schwiegen wieder.
„Ich habe nie geglaubt, dass ich so glücklich sein kann, auch damals nicht!" sagte sie schließlich leise.
„Ich auch nicht, Süße, ich auch nicht! Niemals!"
Sie schwiegen wieder lange.
„Aber es ist gut, dass wir so glücklich sein können!" sagte sie schließlich leise.
„Ja, Süße, das ist sehr gut!"
Und dann schwiegen sie sehr lange, weil sie sich sehr lange, sehr zärtlich lieben mussten, im immer noch warmen Sand. Erst im Morgengrauen fanden sie den Pfad, der zu ihrer Finca führte, zu ihrem neuen Polsterbett, in dem sie die Reise zum Gipfel des Glücksberges fortsetzten. Sie waren hungrig nacheinander wie noch nie. Es machte ihnen nichts aus, sie waren jung, sie waren hoffnungslos verliebt - und es war ihre Hochzeitsnacht!
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