Kapitel 81
Der Mittwoch war sonnig, nicht zu heiß und vor allem vollkommen windstill. Sie genossen alle das Frühstück auf der Terrasse. Die Eltern fühlten sich frisch und erholt, sie hatten fast zehn Stunden geschlafen, sich eine Runde Zärtlichkeit geschenkt, bevor die Kinder um neun Uhr hereingestürmt kamen.
Dann überschlugen sich die Ereignisse.
Gegen Zehn saßen sie, jeder ein Kind auf dem Schoß, in der Sonne, glücklich und zufrieden mit sich und der Welt.
Da fuhr ein Auto vor, kurz darauf klopfte es an der Türe. Anja sah Lukas fragend an, der zuckte nur mit den Schultern. Sie sah nach, fiel fast in Ohnmacht vor Überraschung. Draußen standen Sonja und Oliver. Es gab ein großes Hallo.
„Wir haben gedacht, was ihr könnt, können wir auch und uns wieder die Nachbarfinca gebucht."
Sie tranken eine Tasse Kaffee mit, erzählten vom schlechten Wetter zu Hause, lachten mit den Kindern. „Wir gehen mal zum Strand!" sagte Sonja schließlich.
„Wir kommen mit!" rief Chiara.
„Nein, Süße! Ihr bleibt bitte hier!" Sein bestimmter Ton verwunderte Anja, doch Chiara gehorchte widerspruchslos. Wenn der Papa so sprach, war es besser, nicht zu diskutieren, das hatte sie schon begriffen.
Sonja und Oliver gingen nach unten. Kurz darauf fuhr der nächste Wagen vor. Beide Elternpaare stiegen aus. Anja verstand gar nichts mehr.
„Wir dachten, so ein paar Tage Familienurlaub wären doch nett, oder?" meinte Anjas Mutter.
Na, prima! dachte Anja! Und da müsst ihr euch ausgerechnet unseren ersten Urlaub nach fünf Jahren aussuchen! Andererseits waren sechs Erwachsene auch sechs Babysitter! schoss es ihr durch den Kopf. Auch die neuen Gäste bekamen einen Kaffee.
„Wie schick ihr alle seid!" wunderte sich Anja.
Bald gingen auch die Eltern hinunter an den Strand.
„Warum besuchen die uns, und hauen dann gleich wieder ab?" fragte sie.
„Keine Ahnung! Sie wollen halt ans Meer!"
„Wir wollen auch ans Meer!" maulte Chiara.
„Und ich will heute eine Tochter, die nicht dauernd mault!" parierte Lukas.
Es klopfte schon wieder. Uschi und Christoph entschuldigten sich für den Überfall, es wäre das letzte Mal, dass Uschi fliegen könnte, so wären sie kurzentschlossen vor dem Dauerregen in Deutschland geflüchtet. Auch sie wolllten nach einem Glas Wasser unbedingt an den Strand.
„Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ein Hotel gekauft!" scherzte Lukas.
Und schon kam ein Kleinbus an. Fünf ihrer Freunde mit oder ohne Frauen stiegen aus. Anja sah Lukas an. „Das glaub ich jetzt nicht! Spinn ich, oder was?"
Sie freute sich über den ganzen Besuch, aber das war jetzt schon etwas ungewöhnlich. Ben erzählte, dass Lukas sie angesteckt hätte mit seiner Freude auf Fuerteventura, dass das Wetter zu Hause so schlecht gemeldet wäre für diese Woche, dass sie auch nicht lange stören würden. Martin war zum Glück ohne Sandra gekommen.
Seltsamerweise wollten auch die Freunde so schnell wie möglich an den Strand, obwohl sie alle sehr gut angezogen waren. Und seltsamerweise kam niemand mehr von unten zurück.
„Ja, was erwarten die jetzt von uns? Dass wir auch runterkommen?" Anja wurde langsam etwas ungehalten.
Das war aber auch ein sehr seltsames Verhalten, Meer hin oder her!
Schon wieder klopfte es.
„Nein! Jetzt reicht es aber!" Draußen standen doch tatsächlich Gitte und Ingo, Helga und Fritz, ihre liebsten Nachbarn. Wieder erzählten sie vom Regen, von schnellgefassten Entschlüssen, wieder liefen sie zum Strand, nachdem sie eine Cola getrunken hatten.
„So, die können mir jetzt auf den Hut steigen! Wir fahren jetzt weg!"
„Nein, Süße! Wir duschen jetzt, machen uns auch schick und gehen einfach mit runter!" Er sah sie so unendlich liebevoll an, dass ihre Knie weich wurden.
Duschen vor dem Schwimmen war unsinnig, sich schick anziehen, um zum Strand zu gehen, war noch unsinniger, aber sein Blick war so bittend, dass sie gar nicht anders konnte, als seinen Wunsch zu erfüllen.
„Gut! Dann machen wir das so! Wenn du meinst, dann machen wir das so!" stotterte sie.
„Danke, Süße! Ziehst du bitte das weiße Spitzenkleid mit der bunten Jacke an?"
Das teure Teil, an den Strand! dachte sie. Er war ja schon oft schräg drauf, aber heute schlug er sich selbst um Längen!
„Okay!" sagte sie.
„Und Chiara das weiße Kleid, und Florian den Anzug mit den Shorts? Bitte!" Nicht einmal die Kinder konnten seinem Blick wiederstehen.
Eine halbe Stunde später trafen sie sich auf der Terrasse, eine wunderschöne Familie, teuer und schick gekleidet.
Lukas trug den lässigen Leinenanzug mit einem edlen Shirt, sah atemberaubend aus.
„Eigentlich wären ja da unten jetzt eine Menge an Babysittern!" flüsterte sie ihm zu. „Vielleicht würden die uns gar nicht vermissen, wenn wir noch ein bisschen hierblieben!"
Lukas bekam fast einen Lachanfall. „Danke für das überaus reizvolle Angebot, schönste aller Ladies! Aber ich muss leider ablehnen! Ich glaube, heute würden sie uns sehr vermissen!"
Er fasste es kaum, dass seine superschlaue Anja keinen Verdacht schöpfte!
„Na, dann! Bitteschön! Gehen wir halt an den Strand, versauen uns Kleidung für ein paar hundert Euro, wenn Daddy das so will!"
Lukas konnte das Grinsen kaum noch zurückhalten, sah auf die Uhr. Perfektes Timing! dachte er.
„Ich muss nur noch kurz telefonieren!" Seine drei Hübschen verdrehten gemeinsam die Augen. Auch das noch!
Nach ein paar Minuten kam der Vater zurück, nahm Anja am Arm, jeder führte ein Kind an der Hand. Die Kleinen verstanden gar nichts mehr, hatten aber instinktiv begriffen, dass Diskussionen im Moment zwecklos wären.
Der Papa war heute irgendwie anders.
Sie gingen auf dem Pfad zum Strand, lautes Stimmengewirr drang nach oben, das plötzlich verstummte. Dafür kamen aus einem Lautsprecher die ersten Takte des Hochzeitsmarsches: Tatatatam, tatatatam!
„Oh nein!" stöhnte Anja. „Jetzt heiratet da auch noch jemand! In unserer Bucht!"
Lukas konnte nicht mehr. Seine superschlaue Anja stand so was von auf der Leitung! Er ließ sich auf einen Felsen am Rande des Pfades fallen und lachte Tränen.
„Ja, es würde jemand gerne heiraten in unserer Bucht! Wenn er sich nicht vorher totlachen würde!"
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